F1 201707.08.2017, Michael Krosta

Vorschau: Schnelligkeit versus Zuverlässigkeit

Breitere Chassis, tiefere Heckflügel und größere Reifen: Für die Saison 2017 hat die FIA mit ihrem neuen Reglement die Hersteller in der Formel Eins zu einigen Änderungen an ihren Boliden gezwungen. Codemasters musste für F1 2017 (ab 11,90€ bei kaufen) entsprechend reagieren und nicht nur die Optik, sondern auch die Fahrphysik anpassen. Wir sind für erste Testfahrten nach Stuttgart gereist und haben die Rennsimulation im Mercedes-Benz-Museum ausprobiert...

Tiefergehende Karriere

Umgeben von so viel Motorsport-Historie in Form von zahlreichen Exponaten, die vom ersten Automobil von Carl Benz bis zum hochmodernen F1-Silberpfeil reichten, fand das Anspielen mit Controller- und Lenkrad-Setups tatsächlich in einem ganz besonderen Ambiente statt. Und einem passenden dazu – immerhin ist das Werksteam von Mercedes immer noch amtierender Konstrukteurs-Weltmeister der Königsklasse und führt auch in der laufenden Saison derzeit die Tabelle an. Bei den Fahrern hat aktuell allerdings Ferrari-Pilot Sebastian Vettel nach seinem Zittersieg in Ungarn die Nase vorn und seinen Vorsprung auf Verfolger Lewis Hamilton sogar ausgebaut.

Ob wohl Ferrari nach Jahren der Mercedes-Dominanz am Ende der Saison ganz vorne sein wird?
Aber wen interessiert's? Im Spiel schreibt man bekanntlich seine eigene Geschichte mit einem der offiziellen oder dem eigenen Fahrer. Dabei werden wieder die üblichen Modi vom Zeitfahren über Einzelrennen bis hin zur kompletten WM und der umfangreichen Karriere geboten. Besonders Letztere überzeugte im vergangenen Jahr durch ihre tolle Aufmachung und die motivierende Weiterentwicklung der Boliden. Für F1 2017 will man sich weiter steigern: Durfte man zuvor lediglich 25 Komponenten in mühevoller Testarbeit verbessern, hat man jetzt die Wahl zwischen 115 Teilen, auf die man seine Ingenieure in der Forschungsabteilung ansetzen und zu deren Entwicklung man auch aktiv mit Testfahrten beitragen darf. Da weht ja fast schon ein Hauch von Rollenspiel durch das Fahrerlager... Neben dieser imposanten Auswahl muss man sich jetzt außerdem entscheiden, wie schnell die Teile und Ausbaustufen entwickelt werden sollen. Riskiert man für den vorschnellen technischen Fortschritt mechanische Defekte oder lässt man sich die nötige Zeit und geht auf Nummer sicher? Das Thema Zuverlässigkeit dürfte in diesem Jahr jedenfalls eine deutlich größere Rolle spielen als zuvor, zumal man wie in der Realität nur eine begrenzte Anzahl an Aggregaten und Getrieben pro Saison zur Verfügung hat. Außerdem werden die Klassik-Rennen neben Einzel-Veranstaltungen auch direkt in die Karriere eingebunden. Dort nimmt man hinter dem Steuer von F1-Wagen aus anderen Ären des Motorsports Platz, darunter z.B. der McLaren MP4/4 aus dem Jahr 1988 oder der Ferrari F2004, mit dem Michael Schumacher seinen letzten WM-Titel eingefahren hat. Dabei dreht man nach der Einladung eines Sammlers nicht nur einsam seine Runden: Nein, man rast mit einem kompletten Starterfeld aus klassischen Flitzern um den Sieg – und das sogar in Multi-Class-Rennen, also zwei verschiedenen Rennklassen mit unterschiedlichem Leistungsniveau, die sich gleichzeitig auf der Piste befinden.    

Mehr Bodenhaftung, mehr Kontrolle

Lust auf Rennen in klassischen F1-Boliden? Dieser nette und offenbar sehr wohlhabende Sammler macht es möglich.
In den modernen Modellen der aktuellen Saison wird man schnell die Veränderungen spüren, die die schwereren Chassis und vor allem die breiteren Reifen mit sich bringen: Im Vergleich zum Vorjahr verfügen die Boliden über eine verbesserte Bodenhaftung, die man vor allem beim Herausbeschleunigen aus den Kurven zu schätzen weiß. Doch auch in schnellen Teilstücken mit Biegungen, wie z.B. den Silverstone-Esses ist das höhere Grip-Niveau spürbar. Ohne die zuschaltbaren Fahrhilfen muss man aber trotzdem noch viel Gefühl im Umgang mit den Pedalen aufbringen, um nicht abzufliegen oder vom eigenen Heck überholt zu werden. Das überarbeitete Force Feedback gibt allerdings gute Hinweise darauf, wann man sich am Limit bewegt.

Darüber hinaus begeistert die virtuelle Formel Eins auch in diesem Jahr mit vielen Inhalten und Funktionen, die schon in der Vergangenheit die Faszination der Königsklasse des Motorsports eingefangen haben. Dazu zählt u.a. das Absolvieren kompletter oder verkürzter Rennwochenenden, das dynamische Wettersystem, strategische Planungen beim Boxenstopp oder der Funkverkehr mit dem Kommandostand, für den man mit Kinect oder der PlayStation Cam sogar auf eine gute Sprachsteuerung zurückgreifen kann. Um gleichzeitig die Authentizität und den Anspruch zu erhöhen, sind in diesem Jahr erstmals auch manuelle Boxenstopps möglich, bei denen man bei der Einfahrt in die Boxengasse im richtigen Moment den Knopf für den Geschwindigkeitsbegrenzer (Pit Limiter) betätigen und seine Crew ansteuern muss.   

Die richtige Herausforderung

Außerdem gewähren die Entwickler mit feineren Abstufungen hier mehr Möglichkeiten, die Herausforderung auf die eigenen Fähigkeiten abzustimmen: Hatte man früher lediglich die Wahl zwischen wenigen vorgefertigten KI-Stufen, lässt sich der Regler jetzt von null bis 110 Prozent verschieben, um den idealen Schwierigkeitsgrad einzustellen. Die Verfolger üben einen ordentlichen Druck aus, scheinen ihre Aggressivität und Rempel-Tendenzen aber etwas zurückgefahren zu haben. Allerdings ist es bei einem Start von hinten immer noch viel zu einfach, vor der ersten Kurve oder Schikane enorm viele Positionen zu gewinnen.  

Eine Frage der Zeit

Man kennt das ja: Die Zeit ist knapp und ein Tag besteht nur aus 24 Stunden, in denen man Arbeit, Freunde, vielleicht noch Familie und Freizeit unter einen Hut bringen muss. Da ist es nicht immer einfach, eine komplette Saison unter realen Bedingungen mit allen Sessions und einer Renndistanz von 100 Prozent zu absolvieren. Für Piloten, die sich nur mal kurz zwischendurch ins Cockpit zwängen wollen, werden neben kurzen Rennen und Mini-Meisterschaften auf manchen Pisten sogar verkürzte Strecken-Layouts angeboten, darunter z.B. die verkürzte Ost-Varante im japanischen Suzuka.

Beim Start lässt sich das Starterfeld immer noch zu leicht überrumpeln.
Dazu gesellen sich weitere Bedingungen, die man nur im Spiel, nicht aber der realen Formel Eins erleben darf. Mal Lust, bei Nacht über den engen Stadtkurs von Monte Carlo und mitten durch die beleuchteten Häuserschluchten und am Hafen vorbei zu brettern? F1 2017 macht's möglich! Allerdings stehen Nachtfahrten nur für ausgewählte Strecken zur Verfügung – ein Zeitraum vom Morgengrauen bis in die Abenddämmerung lässt sich aber für alle Schauplätze und sogar jede einzelne Session separat einstellen. Neben Kulisse samt sehenswerten Wettereffekten und den detailliert modellierten Wagen überzeugt daher auch die Beleuchtung bei den verschiedenen Tageszeiten, während die Bildrate auch bei 20 Autos und strömendem Regen erfreulich hoch bleibt. Nur das starke Flimmern und Flackern an Konturen an Fahrzeugen sowie Piloten trübt den positiven Technik-Eindruck zusammen mit vereinzelt auftretendem Tearing. Die Gesichter von Crew und Fahrern wirken mitunter ebenfalls etwas starr und zu hölzern animiert.

Ausblick

F1 2017 wird klasse! Schon im vergangenen Jahr war ich von der Karriere äußerst angetan, da sie mit zum Besten gehört, was man im Rennspiel-Genre derzeit finden kann. Mit dem massiven Ausbau der Komponenten-Entwicklung und dem zusätzlichen Fokus auf die Zuverlässigkeit scheint Codemasters nochmal mindestens einen Gang nach oben zu schalten. Darüber hinaus werden die Veranstaltungen mit klassischen Boliden prima integriert und erlauben sogar Mehrklassen-Rennen. In den aktuellen Modellen freut man sich dagegen vor allem über die erhöhte Bodenhaftung der Pneus und die Möglichkeit zu manuellen Boxenstopps, mit der die Authentizität hinter dem Steuer noch weiter gesteigert wird. Feinere Abstimmungen bei der KI runden das ansprechende Gesamtpaket ab, bei dem u.a. wieder die Sprachfunktion beim Funk sowie zahlreiche Anpassungen bei Fahrhilfen, Wetter und dem individuellen Aufsetzen der Rennwochenenden geboten werden. Das starke sowie unnatürliche Flimmern von Konturen und das weiterhin zu einfache Überrumpeln der KI beim Start trüben aber noch die Formel-Eins-Begeisterung. Trotzdem scheint es Codemasters auch in diesem Jahr zu gelingen, ein sehr gutes Spiel rund um die Königsklasse des Motorsports abzuliefern.

Einschätzung: sehr gut / Fit4Hit 

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