The Matrix: Path of Neo08.09.2005, Paul Kautz
The Matrix: Path of Neo

Vorschau:

Wenn Dave Perry ruft, dann kommen alle Journalisten: Das liegt nicht nur daran, dass der Shiny-Chef ein begnadeter Rhetoriker ist, der einem sprichwörtlich Wasser als Wein verkaufen könnte, sondern hauptsächlich daran, weil der Mann seine kreative Hand über eine der interessantesten Lizenzen hält: The Matrix. Wir waren bei der Präsentation des Enter The Matrix-Nachfolger Path of Neo vor Ort und konnten den neuen virtuellen Ausflug ausführlich spielen.

Jede Menge Neo

Enter the Matrix hinterließ bei den meisten Spielern ein mulmiges Gefühl, was nicht an einem Bauchgriff von Agent Smith lag – unausgegorenes Leveldesign, mäßiges Matrix-Spielgefühl und mehr blieben hinter den hohen Erwartungen zurück. Nichtsdestotrotz hat sich das finanzielle Wagnis für Publisher Atari gelohnt, weltweit mehr als sechs Millionen Multiplattform-Exemplare sprechen eine überdeutliche Sprache, an die Dave Perry zu Beginn seiner Präsentation auch anknüpft. Nach dem Hinweis auf etliche Auszeichnungen und noch mehr Coverstories von EtM kommen wir endlich zum Hauptereignis: Path of Neo. Ihr spielt im Wesentlichen die gesamte Trilogie nach, euch erwarten mehr als 40 Levels mit den wichtigsten Szenen des Films: Ihr

Der Endkampf gegen Agent Smith findet in der Luft statt - danach versprechen die Entwickler ein alternatives Ende.
beginnt als schmächtiger Thomas Anderson, der sich im Büro seines Auftraggebers vor den Agenten davonschleichen muss, kämpft gegen Morpheus im Trainingsprogramm, demoliert zusammen mit Trinity die Lobby, erledigt etliche Smiths im Park, haut die Einrichtung samt der Leibwächter des Merowinger zu Klump und liefert euch zum Ende eine fulminante »Luftschlacht« gegen Agent Smith.

Das Spiel geht in den Szenen grundsätzlich weiter als die Filme: Z.B. ist es euch in einer Art Schleicheinlage im Büro möglich, den Agenten zu entkommen – während Anderson im Film an der Außenseite des Hochhauses aufgibt, könnt ihr hier weiterkrabbeln. Auch könnt ihr Morpheus im Training u.a. mit Waffen entgegentreten und ihn schlagen – schafft ihr das, führt er euch in einen neuen Übungsabschnitt, in dem ihr euch, ganz die Matrix, ein physikalisch verrücktes Rennen gegen ihn liefert. In der Park-Szene mit den hunderten Smiths könnt ihr beliebig lange kämpfen, aber vorbei ist es erst, wenn ihr ein Gebäude zum Einsturz bringt, um euch die lästigen Agenten vom Hals zu schaffen. Und wer das kürzeste Spiel der Welt will, wählt gleich am Anfang die blaue statt der roten Pille: Thomas Anderson wacht auf, geht zur Arbeit, das Game ist vorbei. Und falls ihr mit einem Level partout nicht zurechtkommt, greift euch das flexible Schwierigkeitsgradsystem unter die Arme, welches euch beim Game Over-Screen anbietet, denselben Abschnitt etwas leichter zu machen. Außerdem wartet zwischen den Abschnitten eine Art Mini-RPG-System, in dem ihr Neo durch zusätzliche oder verbesserte Special Moves stärker und flexibler machen könnt.

Der Zeitdieb

Shiny hat aus dem eher trägen Tempo von Enter the Matrix gelernt und präsentiert in Path of Neo einen deutlich stärkeren Kampffokus: Ihr könnt und werdet dank der 360°-Steuerung in alle Richtungen und gegen mehrere Widersacher gleichzeitig antreten, mitten im Kampf könnt ihr flüssig die Waffen wechseln. Als Besonderheit hat Shiny ein an God of War angelehntes Feature eingebaut: Mitten im Kampf werden 

Ihr tretet meist gegen mehrere Gegner gleichzeitig an; die Animationen sind komplett per Motion-Capturing entstanden.
Buttons angezeigt, die ihr schnellstmöglich drücken sollt, woraufhin eine neue Kombo gezündet wird, die ihrerseits evtl. in neue Manöver übergeht. So sind nahezu endlose Kombinationen möglich, die ihr dank der Gegnerzahl auch nötig habt: bis zu acht Feinde verlangen auf einmal nach eurer Aufmerksamkeit bzw. eurer Faust. Ihr könnt schlagen, treten, die Widersacher in die Luft befördern (und dort entweder weiterbeharken oder von unten mit einer MG-Ladung beglücken) und prinzipiell alles, was nach Waffe aussieht, auch als solche benutzen - Pistolen, MGs, Schrotgewehre, Schwerter, Schlagstöcke oder auch Hämmer. Und natürlich kommt auch die Zeitmanipulation nicht zu kurz: Ihr könnt die Bullet Time jetzt öfter auslösen, was euch nicht nur neue Bewegungen und Möglichkeiten beschert, sondern immer noch einfach schweinecool aussieht!          

Um die Kämpfe so realistisch wie möglich aussehen zu lassen, nutzt Shiny die Havok 2.0-Physikengine. Allerdings sind die Entwickler nicht den üblichen Weg gegangen (Engine lizenzieren, ins Spiel einbauen, fertig) – stattdessen waren die Havok-Leute persönlich vor Ort und haben ihr Physiksystem bestmöglich ans Spiel angepasst. Ein ungewöhnlicher Weg, der sich aber gelohnt hat: Was hier alles Funken sprühend, Rauchwolken

Dank der Havok-Physikengine könnt ihr einen großen Teil der Umgebung in Schutt und Asche legen.
stiebend und Bruchteile in alle Richtungen schleudernd auseinander fällt, bekommt man nicht alle Tage zu sehen. Ihr könnt den größten Teil der Umgebung mit der entsprechenden Munitionsmenge fachgerecht zerlegen, was besonders schön in der berühmten Lobby-Szene sowie dem Helikopterflug zu sehen ist, bei dem Trinity am Steuer sitzt und ihr die mächtige Minigun bedient – Rabatz ahoi!

Spielfilm oder Filmspiel?

Shiny arbeitet bei der Entwicklung noch enger mit den Filmemachern der Matrix-Trilogie zusammen, als das schon bei EtM der Fall war. Zum einen sind die Wachowski-Brüder (die Regisseure und Drehbuchautoren)  tief im Entwicklungsprozess involviert: sie lieferten das Skript, wählten die Levels aus, haben speziell fürs Spiel ein brandneues Ende geschrieben – und tauchen auch selbst als Ratgeber im Game auf! Zum anderen wirken diverse Cutter, der Musical Director und mehrere Künstler (die Shiny in Sachen Farbgebung und Leveldesign beraten haben) am Spiel mit, ganz zu schweigen von Bands wie Crystal Method, Juno Reactor oder Junkie XL, die für den treibenden Soundtrack sorgen. Dem entsprechend präsentiert sich das Spiel sehr filmisch: alle Animationen sind per massivem Motion Capturing entstanden, das Game ist eine Mischung aus Action, teilweise gescripteten Bullet Time-Szenen, Echtzeit-Zwischensequenzen und vielen Filmschnipseln. Dave Perry redet von Path of Neo als eine Art Director’s Cut der Trilogie – es gibt zwar kein neues Filmmaterial zu sehen (wie beim Vorgänger), aber dafür wurde das bestehende neu zusammengeschnitten, um die Story angepasst voranzutreiben.

Optisch ist das Spiel deutlich fortschrittlicher als der Vorgänger: Die ihren Filmvorbildern sehr ähnlich sehenden Figuren bewegen sich durch beeindruckende Bauten und legen sich mit vielen, vielen Feinden an. In der bekannten Park-Szene werdet ihr z.B. von hunderten Smiths umrundet, während ihr gegen mehrere davon gleichzeitig antreten müsst – im Prinzip eine kleine Mogelpackung, denn der überwiegende Teil davon ist in erster Linie nur für die Füllung des Hintergrunds zuständig, greift allerdings aktiv ins Geschehen ein, sobald ein Gegner besiegt ist. Theoretisch könnt ihr jeden auf dem Screen befindlichen Smith vermöbeln, ws allerdings laut Dave Perry etwa einen Tag dauern würde. Auf den technischen Trick des Bump Mapping, welches speziell den Klamotten der Charaktere ein plastisches Äußeres verpasst, ist Shiny besonders stolz – schließlich ist Path of Neo das einzige PS2-Spiel, welches diesen Effekt nutzt. 

Ihr spielt alle wichtigen Szenen der Trilogie nach - so auch die Zerlegung der Lobby mit Trinity.
Allerdings ist das Game auf Sonys Konsole gegenwärtig noch etwas ruckelig, außerdem mussten die Entwickler bei den Animationen Kompromisse eingehen: Da ihr alle möglichen Kampfmanöver in alle Richtungen blitzartig kombinieren könnt, wirken die Bewegungen oft ruckartig und abgehackt – als würden sie im Zeitraffer abgespielt. Außerdem wirkt gerade der letzte Level, in dem ihr fliegend kämpft, etwas inkonsequent: Ihr könnt euch nur gewissermaßen auf einem unsichtbaren Boden nach links, rechts, vorne und hinten bewegen – eine »Freiflugoption« hätte die geknechtete PS2 vermutlich in den Chip-Suizid gestürzt. Außerdem dürft ihr leider nur allein antreten; zwar werdet ihr sehr oft von autonom kämpfenden KI-Kollegen begleitet, aber einen Kollegen aus Fleisch und Blut dürft ihr nicht mit in die Matrix nehmen.     

Ausblick

Ich hatte mit Enter the Matrix meinen Spaß – und ich hatte ihn auch schon während der Präsentation mit dem Nachfolger! Die Konzentration auf Neo sowie die besten Szenen aus der Trilogie halte ich für einen sinnvollen Schritt, die spielerischen Freiheiten, die über die Filme hinausgehen, sind eine clevere Erweiterung. Allerdings benötigt das Game auf der PS2 (die Xbox-Version war noch nicht spielbar) noch gehörig Optimierung, während des Testspiels bekamen wir vom hinter uns sitzenden Dave Perry gelegentlich »Nehmt mal lieber einen anderen Level, der ist noch nicht fertig!« zu hören – witzig z.B. in der Szene, in der wir Morpheus aus den Fängen der Agenten befreien mussten, er unserem Helikopter dramatisch entgegenlief – und dann aus dem Fenster stolperte. Auch das Kampfsystem funktioniert noch nicht einwandfrei: zu oft gingen Tritte und Schläge trotz Gegnerfixierung ins Leere. Nichtsdestotrotz sieht das Spiel verdammt cool aus, wirklich alles und jeder ist drin, die Nutzung der Bullet Time verleiht den rasanten Kämpfen einen sehr coolen Bonus – ich freue mich wieder drauf!

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