Medal of Honor: European Assault04.06.2005, Paul Kautz
Medal of Honor: European Assault

Vorschau:

EAs Medal of Honor-Serie hat für mehr kriegshistorische Aufklärung unter jugendlichen Zockern gesorgt als jeder Geschichtsunterricht: Nahezu jeder wichtige Gefechtsschauplatz des Zweiten Weltkriegs wurde mittlerweile versoftet, von den schicksalsträchtigen Gestaden der Normandie bis hin zur Eishölle von Stalingrad. Wie erregt man also mit »noch einem« WW2-Shooter Aufmerksamkeit? Indem man mit den üblichen Konventionen bricht! Wir haben die fast fertige englische Version genau unter die Lupe genommen.

Front-Pfadfinder

Seit dem ersten Weltkriegsshooter herrschte ein ungeschriebenes Gesetz, welches den Spielverlauf definierte: Soldat beginnt bei A, kämpft sich durch strikt vorgegebenen Schlauch zu B. Neuer Level, das Gleiche in Braun/Grün - eine offene Missionsstruktur,

Die Missionen beinhalten neben dem Hauptziel auch viele Sekundärmissionen.
wie sie selbst im Shooter-Bereich anderweitig längst gang und gäbe ist, hat es bislang nicht gegeben. Und jetzt kommt die Urvater-Serie Medal of Honor daher und schickt sich an, mal wieder das WW2-Genre zu revolutionieren. European Assault könnte genauso hohe Wellen schlagen wie anno ’99 der PSone-Erstling.

Das liegt in erster Hinsicht am offenen Spielfeld: Zu Missionsbeginn habt ihr ein Hauptziel und zwei Sekundäraufträge wie z.B. »Sprenge das Benzinlager!«. Ihr könnt jetzt entweder wie in jedem anderen Shooter drauflosrennen, wild ballern und das Ziel schnellstmöglich erreichen – oder ihr könnt links und rechts des offensichtlichen Pfades nach versteckten Aufträgen suchen! Rennt ihr im ersten Einsatz, dem Sturm auf St. Nazaire, zu Beginn nach rechts, kommt auf einmal eine Funkdurchsage, die euch darüber aufklärt, dass irgendjemand eine Flakstellung zerstören sollte. Ob ihr das nun erledigt oder nicht, ist eure Sache. Jedoch bringen Bonusziele in der Endwertung neben schmückenden Medaillen auch wertvolle Goodies. Dieses »Quest-System« kommt nicht nur dem Wiederspielwert zugute, sondern wirkt sich auch erheblich auf die Motivation aus – denn wo zum Teufel könnte der letzte fehlende Auftrag versteckt sein? Offene Bonusziele seht ihr als Pfeil markiert auf dem Radar; in welcher Reihenfolge ihr sie erledigt, ist euch überlassen.

Ein weiteres neues Feature ist der Adrenalin-Modus. Der soll das Gefühl vermitteln, welches Soldaten an der Front unter extremem Druck verspüren: Das Sichtfeld wird enger, Umgebungsgeräusche dringen wie durch Watte zu einem, man fühlt sich übermächtig, entwickelt ungeahnte Kräfte. Im Spiel äußert sich das durch eine das Bild leicht verzerrende Zeitlupe, welche euch ungefähr zehn Sekunden lang unverwundbar macht, während ihr wild drauflos ballernd jeden Gegner mit einem Schuss ummäht. Natürlich geht das nicht einfach so, vorher muss der Adrenalin-Meter aufgeladen

Die Nemesis-Feinde sind zäh, hochgefährlich - und Punkte bringend!
werden. Das geht entweder durch präzise Schüsse, das Erledigen von mehreren Gegnern hintereinander oder das heroische Verhalten Kameraden gegenüber. Ist die Anzeige gefüllt, könnt ihr auf Knopfdruck in den Adrenalin-Modus wechseln. Aber natürlich empfiehlt es sich, diesen wertvollen Bonus für spezielle Situationen aufzuheben: z.B. viele heranstürmende Feinde oder den Kampf gegen einen Nemesis-Gegner - das sind besonders starke Widersacher, deren Eliminierung ein hartes Stück Arbeit ist.

Die ehemaligen Hunde des Krieges

Das unter dem Arbeitstitel »Dogs of War« entwickelte European Assault beginnt mit einem stilvollen, wenn auch bedrückenden Hauptmenü in der Art alter Kriegsfilme. Vier Schwierigkeitsgrade kommen sowohl Shooter-Einsteigern als auch Joypad-Akrobaten entgegen: Als »Rekrut« habt ihr vom Start weg einige Heilpäckchen und »Revives« (das sind Wiederbelebungen, die euch an demselben Ort wieder aufstehen lassen, an dem ihr draufgegangen seid – so müsst ihr nicht die Mission von vorn beginnen, falls ihr mal tödlich erwischt wurdet) an Bord und die Gegner stellen sich nicht sehr clever an. Der »Held« hingegen hat nichts zu lachen: kein einziges Medkit weit und breit, keine Revives und Feinde direkt aus der Hölle.              

Eure Kameraden verhalten sich sehr intelligent und nehmen auch einfache Befehle entgegen.
Dieser Bedrohung steht ihr nicht mit Backsteinen entgegen: Das übliche Waffensortiment vom MP 40 MG über das M1 Garand Gewehr bis zur Bazooka erwartet euch. Natürlich dürft ihr nicht alles auf einmal schleppen, aber ihr könnt leere Waffen gegen die fallen gelassenen Knarren eurer Gegner tauschen.

Außerdem seid ihr nur in seltenen Fällen allein unterwegs: Oft genug rennt ihr in großen Gruppen mit, auf die ihr allerdings keinen Einfluss habt. Dafür könnt ihr bis zu drei Kameraden kontrollieren, die normalerweise brav hinter euch herdackeln und auf alles schießen, was feindlich aussieht. Wollt ihr sie an einen bestimmten Punkt schicken, visiert ihr den einfach an und drückt auf dem Digitalkreuz nach unten – schon zappeln die vor und verhalten sich so intelligent wie möglich. Geht das mal in die Hose, könnt ihr sie mit euren Medizinpäckchen heilen. Auch die Gegner geben alles: sie feuern ums Eck, geben sich beim Nachladen Deckung, nehmen bei einer Übermacht die Beine in die Hand, stellen sich tot, besetzen freie stationäre Geschütze oder kicken Granaten zum Absender zurück.

Spione an die Front

Ihr spielt nicht den üblichen waffenstarrenden Helden, sondern den jungen OSS-Offizier William Holt. Die OSS (»Office of Strategic Services«, der Vorgänger des heutigen CIA) schickt euch nämlich nicht hauptsächlich zum Kampf, sondern zur Informationsbeschaffung an die Fronten von Europa, Afrika und Russland. So zählen z.B. die Beschaffung eines V2-Informationsfilms oder das Fotografieren von Bauplänen zu den Missionszielen;

Kraftvolle Explosionen erhellen das düstere Spiel.
über solche Bonusaufträge gibt es außerdem mehr »Revives« zu gewinnen. Neben all dem Spionagekram bleibt natürlich noch jede Menge handfeste Action: ihr müsst Luftabwehrkanonen oder Panzer sprengen, gefangene Agenten befreien, eine Radarschüssel sabotieren oder die berüchtigte V2-Rakete dem Erdboden gleich machen.

Zwischen den Missionen gibt es nicht nur kurze Erinnerungen von William Holt, sondern auch Augenzeugenberichte von Kriegsveteranen, Schwarz-Weiß-Filme aus dem entsprechenden Szenario sowie etwas grobe Rendervideos. Leider ist auch der Mehrspielermodus bislang eher rudimentär ausgefallen - und glaubt man den Entwicklern, wird er auch so bleiben: Lediglich vier Spieler dürfen sich ausschließlich am Splitscreen scharmützeln, kein Xbox Live, kein System Link weit und breit. Nach dem ernüchternd mittelmäßigen MoH: Rising Sun wollten sich die Designer wohl lieber auf ein packendes Erlebnis für Einzelkämpfer konzentrieren. Gegenwärtig ist alles noch englisch, aber natürlich wird es hierzulande eine komplett eingedeutschte Version geben, an der sich spielerisch nichts ändern soll.        

Ausblick

Ich bin von European Assault sehr beeindruckt: Nach dem schwachbrüstigen Rising Sun hätte ich kein Geld mehr auf die Konsolen-Krieger gewettet. Doch Electronic Arts hat seine Hausaufgaben gemacht: Statt eines weiteren Nachfolgers von der Stange haben sich die Entwickler hingesetzt und das Spiel gehörig umgekrempelt: offene Spielfelder, clever integrierte Arcade-Elemente wie Revives oder der Adrenalin-Modus, neue Schlachtfelder sowie ein herausforderndes Bonus-System halten sowohl Veteranen als auch Neulinge bei der Stange. Hier bahnt sich ein Leckerbissen seinen Weg, der das Rising Sun-Dilemma vergessen und vergeben machen könnte.

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