Die französische Handschrift
|
Ein Troll, männlich oder weiblich, Haut, Haar und Frisur sind modifizierbar. Man kann nicht ins Detail gehen, aber es gibt ja noch Goblins, Menschen und Elfen. |
Eines muss man unseren linksrheinischen Nachbarn lassen: Sie haben Stil. Und einen Sinn für Schönes. Wenn man durch die Stadt Silverfall schlendert oder durch die anliegenden Sümpfe watet, scheint ein Comic lebendig zu werden. Nicht so bizarr wie in
Killer 7 , nicht so drastisch wie in
The Legend of Zelda: The Wind Waker , aber Helden und Monster zeigen mit ihren starken schwarzen Konturen, dass sie irgendwann mal am Zeichentisch geboren wurden.
Die Kultur der Comics ist in Frankreich wesentlich stärker etabliert als hier. Kein Wunder, dass sich dieser ebenso eigenwillige wie frische Ansatz in einem Action-Rollenspiel von
Monte Cristo Games (
Fire Department ,
War on Terror ) zeigt. Ich mag ihn, die Welt fühlt sich frischer und bunter an als z.B. in
Dungeon Siege 2 ,
Neverwinter Nights 2 & Co. Trotz der starken Konturierung der Charaktere ist das Figurendesign an klassischer Fantasy orientiert - es reicht von diebisch grinsenden Goblins über Fleisch fressende Pflanzen bis hin zu schlurfenden Zombies.
Natur kontra Technik
Und die 3D-Spielwelt wirkt nicht nur angenehm harmonisch, weil die Übergänge zwischen Stadt, Sumpf und Wald fließend sind, sie zeigt auch einige Highlights wie herrlich spiegelnde Wasserlöcher oder schaurig düstere Wälder. Außerdem ist sie offener als etwa der letzte D&D-Trip an der Schwertküste, der euch noch durch einige Levelschläuche scheuchte. Alles nicht auf dem Niveau
eines polygongewaltigen
The Elder Scrolls IV: Oblivion oder
Two Worlds , nichts für Grafikkartenausreizer, aber insgesamt durchaus ansehnlich. Dieses eigenwillige Äußere ist nicht das einzige Aushängeschild von Silverfall, das unter seiner Oberfläche ganz gewöhnliche Spielmechaniken eines Action-Rollenspiels bietet: Kämpfen, aufsteigen, ausrüsten. Viel interessanter ist, dass ihr als Held die Spielwelt verändern könnt.
Habt ihr euch für Mann oder Frau, Troll, Goblin, Mensch oder Elf entschieden, werdet ihr sofort in das Abenteuer gestürzt, in
|
Im Tutorial, das im französischen Original fehlt, kämpft ihr zunächst als Erzmagier gegen die dämonischen Invasoren. |
dem ein erzählerischer Konflikt schwelt, der nicht nach Gut und Böse fragt, sondern die kulturelle Zukunft zur Gewissenfrage macht: Technik oder Natur? Maschinen oder Magie? Als Held entscheidet ihr, in welche Richtung sich die Welt entwickelt. Helft ihr dem Schmied, die versteckten Gasquellen zu finden, bewegt sich eure Gesinnung zehn Prozent Richtung Technik. Das ermöglicht euch vielleicht, endlich das Kettensägenschwert zu tragen. Helft ihr gar beim Ausbau eines Zeppelin-Landeplatzes, macht ihr euch richtig dicke Freunde auf Seiten der Schraubendreher und Schießpulvernutzer. Die moralische Frage nach Gut oder Böse ist hier der Frage nach Tradition oder Fortschritt gewichen: Eine Skala zeigt euch sofort an, in welche Richtung euer Held tendiert. Und hier wird das Spiel interessant.
Eine Stadt im ständigen Wandel
Das Lösen der Quests hat nämlich nicht nur Auswirkungen auf eure kulturelle Ausrichtung, die wiederum Händler, Gefährten & Co abschreckt oder anzieht, auch die Landschaft ändert sich entsprechend. Unterstützt ihr die Naturanhänger über mehrere Quests, wird es in der Hauptstadt Silverfall idyllischer, grüner und pflanzenreicher. Unterstützt ihr die Technikfraktion, zeigen sich mehr Rohre, Dampf und Fabriken. Das Böse scheint eigentlich nur in der Bedrohung von außen zu bestehen - es wird spannend sein, ob die Story die dämonischen Invasoren des Tutorials später mit einer Fraktion verknüpft. Sind die Technikfreaks etwa Verräter? Oder etwa die Ökoelben?
Hört sich alles spannend an, aber Silverfall macht es einem in den ersten Stunden nicht leicht, mehr zu sehen als ein stinknormales Action-Rollenspiel. Das Abenteuer will zunächst nicht so recht in Schwung kommen, der Einstieg wirkt recht lieblos, man wird nicht behutsam in die Welt eingeführt: Ein Dimensionstor öffnet sich, Dämonen stürmen die Hauptstadt und die Überlebenden fliehen in die Sümpfe - alles unspektakulär, konventionell und wenig dramatisch. Hier müsste man noch an der Regieschraube drehen, damit man gleich von Beginn an gepackt wird.