Metro 203315.12.2009, Benjamin Schmädig
Metro 2033

Vorschau:

2013 war kein gutes Jahr: Erst werden die Simpsons abgesetzt und dann die Sache mit der Apokalypse. Im übertragenen Sinne natürlich, nicht im religiösen. Immerhin hat eine Hand voll Menschen überlebt. Nicht, dass sie viel davon hätten - von der fehlenden Ozonschicht und den biestigen Mutationen an der Oberfläche. Nur im Untergrund sind die Reste der Zivilisation sicher, z.B. in Stationen der ehemaligen russischen Metro. In der Metro des Jahres 2033...

OK, den Simpsons geht es gut. Aber...

20 Jahre sind seit dem Unglück vergangen und die Menschen haben sich eingerichtet so gut es geht. Ehemalige Bahnhöfe sind jetzt ihr Zuhause - provisorisch aneinander gelehnte Blechwände trennen Wohnungen von Marktplätzen, bewaffnete Söldner nippeln vor morschen Theken an ihren Drinks. Geld spielt keine Rolle mehr, Patronenhülsen sind die Währung der Zukunft. Die ukrainischen Entwickler 4A Games malen ein düsteres Bild, ein pessimistisches "Was wäre wenn?" nach dem Ende einer Gesellschaft wie wir sie kennen...

Metro 2033 (ab 2,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) ist ungewöhnlich. Nicht wegen seines Szenarios, sondern wegen seiner Herkunft. Denn die finsteren Aussichten entstammen einem gleichnamigen Roman , der in Russland seit sieben Jahren für Aufsehen sorgt und kurz davor steht, auch internationale Hugendubels zu erobern. Anders als Buch-Umsetzungen wie z.B. zu Der Herr der Ringe oder Discworld - in der Spielewelt ohnehin ein seltenes Phänomen -

Video. Metro öffnet das Tor in eine neue, apokalyptische Zeit.soll sich die Geschichte des 20-jährigen Artyom dabei sehr nah am Buch orientieren. Die Entwickler nehmen natürlich Anpassungen vor, wo Dmitry Glukhovskys Text mit dem interaktiven Medium kollidieren würde. Generell durchlebt man aber dasselbe Abenteuer wie in der Literatur.

Ich, Artyom

Den Beginn von Artyoms Abenteuer durften wir erleben, als die Entwickler des noch jungfräulichen Studios eine frühe Version ihres ersten Titels präsentierten - auf Xbox 360 und PC. Dabei erwähnen sie, dass die Technik auch zur PS3 kompatibel sei. Doch warum erscheint das Spiel dann nicht auf der Sony-Konsole? Zeitliche Vorgaben seien der Grund für die Konzentration auf die Microsoft-Plattformen. Aber zurück zu meinem jungen "Helden", den ich ähnlich wie Gordon Freeman ausschließlich aus der Ich-Perspektive wahrnehme. Den Anfang macht ein Ausstieg aus dem unterirdischen Kanalsystem - ein Begleiter führt mich an die Oberfläche, die in ihrer winterlichen Verlassenheit am ehesten an 12 Monkeys erinnert. Doch wo Bruce Willis höchstens wilde Tiere gefährlich werden, sind es im futuristischen Moskau zwei Meter hohe "Ratten", die sich wie ausgehungert auf mich und meinen Begleiter stürzen.

Richtig elegant sieht das noch nicht aus - manche Bewegungen wirken ungelenk und wenn ich auf eins der Tiere schieße, sehe ich kaum, dass meine Schüsse etwas bewirken. Schließlich findet auch der für einen Ego-Shooter sehr wichtige Übergang zwischen Leben und Tod des Gegners in einer so aussageschwachen Animation statt, dass ich viel zu oft viel zu viele Kugeln in den Mutanten versenke. Umso ärgerlicher, dass ich meinen Munitionsvorrat ständig im Blick haben sollte...

Der erste Angriff ist überstanden. Mein vom Spiel gesteuerte Führer und ich verlassen die weitläufige Halle, um wenige Schritte später auf Verbündete zu treffen: Ein Jeep braust heran - und genau durch mich durch. Ein Fehler, der im fertigen Spiel hoffentlich nicht passiert. Das auf dem Heck montierte Maschinengewehr verspricht Sicherheit, wir erhalten unsere Marschroute. Doch bevor wir uns nur

Der 20-jährige Artyom muss sich durch eine Welt voller Monster und MGs kämpfen, um ein größeres Unheil zu verhindern.
auf den Weg machen können, jagen schon weitere Mutanten heran. Eine Art Riesenfledermaus reißt dabei das MG zu Boden und den Wagen mit sich. Sicherheit? Gegen diese Meute haben wir keine Chance! Tatsächlich werden wir nur kurz darauf von einem Rudel der monströsen Ratten überrannt, Der Ausflug findet ein jähes Ende - erst "acht Wochen vorher" habe ich wieder die Kontrolle über Artyom. Wie konnte es zu diesem Vorfall kommen? Das ist die Geschichte, die Glukhovsky und 4A Games erzählen wollen.

Wie konnte es nur so weit kommen?

Das Abenteuer beginnt in Artyoms heimatlicher Metro-Station, einem Bahnhof, der heute nach dem Allrussischen Ausstellungszentrum benannt ist. Dort schlurfe ich unter Tage durch enge Gänge an verschlossenen Türen vorbei, sehe Männern beim Kartenspiel zu oder beobachte eine Köchin bei der Arbeit. Soldaten stehen Wache, Händler warten auf Kundschaft, und jeder sagt etwas, um dem Schauplatz Leben einzuhauchen. Wehe nur dem, der einen Schritt zurück tut oder mit einem der Bewohner sprechen will: Haben die Akteure einmal ihren Text aufgesagt, stehen sie praktisch regungs- und leider auch lautlos am Fleck. Einen Knopfdruck, um ihnen eine Reaktion zu entlocken gibt es nicht. Ich finde in den meisten Stationen zwar ein wenig Währung, sprich alte Munitionshülsen, doch das ist - von wenigen geskripteten Ereignissen abgesehen - das einzig Dynamische in den unterirdischen Behausungen. Schöne tote Welt.     

Skripte sind es übrigens, mit denen Metro 2033 überzeugen will - filmartige Szenen, in denen ich als Artyom mittendrin stecke, anstatt sie vom Sessel aus anzuschauen. Und es gibt Momente, in denen beweisen die Regisseure bei 4A ein verdammt gutes Gespür für Tempo, Timing sowie die richtige Portion Action. Nachdem ich den ehemaligen Haltepunkt zum Allrussischen Ausstellungszentrum verlassen habe, sitzt Artyom z.B. auf einer Handhebeldraisine . Zu viert fahren wir an ein paar Arbeitern vorbei, während schwache Laternen unheimliche Akzente in dem nebligen Bahnschacht setzen. Das Licht meiner Taschenlampe hilft uns kaum weiter.

Die echte Bedrohung

Und dann passiert etwas, mit dem keiner der Männer gerechnet hat, denn plötzlich greift einer der Dark Ones an. Ein gleißendes Strahlen macht die Begegnung mit dem hageren Wesen zu einem unheilvollen Erlebnis. Wie in Zeitlupe vergeht der kurze Augenblick. Es ist kein Angriff gegen den wir uns wehren könnten: Wie

Lange war es ruhig um Metro - dann schnappte sich THQ den Titel, um ihn groß rauszubringen.
von Geisterhand knicken Artyoms Gefährten einfach um; und auch er selbst wird beinahe Opfer der Attacke - würde einer seiner Mitstreiter dem Dark One nicht in letzter Sekunde eine Kugel verpassen. Sie sind verwundbar! Zum Glück: Immerhin sind es die Dark Ones, vor denen Artyom die Verbündeten eines Freundes warnen muss. In die entfernte Polis-Station soll er dafür reisen, aber hat er überhaupt eine Chance?

Der Spuk ist vorüber, die Gefahr aber längst nicht beseitigt: Mutanten stürmen heran! Einer der Männer drückt mir ein Schrotgewehr in die Hand, mit dem ich uns mehr schlecht als recht gegen die heranstürmenden Kreaturen verteidige. Eine Feuertaste löst den Schuss im rechten Lauf, die andere den im linken. Dann muss ich nachladen. Eine gute Idee - noch spüre ich aber selbst bei dieser druckvollen Waffe keinen nennenswerten Rückstoß. Auch das ist ein Aspekt, an dem die Entwickler noch arbeiten. So gut besonders der eben erlebte Moment inszeniert und so erstklassig er grafisch umgesetzt war: Die Schusswechsel hinterlassen zum Zeitpunkt unseres Anspielens noch einen unspektakulären Eindruck. Was nicht nur die Schuld des fehlenden Rückstoßes ist...

Alkohol im Blut

Zunächst einmal mache ich auf dem Weg nach Polis einen Zwischenstopp, damit Artyom einen Begleiter finden kann, der ihn weiter durch die Schächte führen wird. Bourbon heißt der Kerl und kippt sich gerade - wen wundert's - ein Gläschen von Metros Bestem hinter die Kiemen. Ich treffe Bourbon in einer engen Bar, setze mich, höre der automatischen Unterhaltung zu - dann will ich Munition und Waffen kaufen, bevor wir losziehen. Schon wieder stört mich, wie unnatürlich leblos die Marionetten auch in dieser Station wirken, nachdem sie ihre Texte zu Ende gesprochen haben. Der einzige, der sich mit mir unterhält, ist der lokale Waffenhändler. Der erzählt mir dafür sogar, was die Waffe, die ich mir gerade anschaue, im Vergleich zu meiner aktuell ausgerüsteten wert ist - gar nicht schlecht! Was mir im Gegenzug dringend fehlt ist eine Übersicht darüber, welche Munition eigentlich welchen Lauf bestückt. Tatsächlich lässt mich das Spiel im Stich, wenn es beim Handeln lediglich angibt, wie viel alte Hülsen die Munition kostet. Mir fehlt auch eine übersichtliche Anzeige dessen, welche Ausrüstung ich überhaupt mit mir herumtrage. Alles in allem wirkte

Unheimliche Farben, bedrohlicher Lichternebel: Metro 2033 nutzt geschickte Tempowechsel, um Spannung aufzubauen.
gerade der interessante Handel noch viel zu spröde. Auch dessen ist man sich bei 4A aber bewusst.

Psssst!

Schließlich habe ich meine Taschen gefüllt und ziehe an Bourbons Seite los. Langsam schleichen zwischen verwinkelten Mauern entlang, springen über die Reißleinen selbst auslösender Flinten oder kriechen unter Drähten hindurch, die scheppernde Blechdosen tosen lassen würden. Leise - jedes Geräusch würde unsere Gegner auf uns aufmerksam machen!

Und das tut es schließlich auch, als ich einen Draht übersehe und wir plötzlich von einer Horde gut bewaffneter Banditen überfallen werden. Was mir spätestens hier auffällt: Artyom beherrscht keinen Nahkampfangriff. Wenn ich gerade Nachladen muss, während mir ein Feind zu nahe kommt, stehe ich deshalb quasi untätig am Fleck, anstatt mich mit einem knackigen Hieb zu wehren. Nicht zuletzt fiel mir zumindest an der 360-Version auch der rettende Sprint schwierig, weil ich das Laufen mal mit einem kurzen Druck auf den linken Stick und ein andermal durch ständiges Halten des Druckpunktes auslösen musste.   

Selbst solche prägnanten Details sind allerdings Kleinigkeiten wenn es um Gegner geht, die mitunter nicht einmal rudimentäre Verhaltensweisen beherrschen. Der auffälligste Moment: Einer der Banditen hockt sich hinter eine Deckung, um den Schüssen von Bourbon aus dem Weg zu gehen - und übersieht dabei sekundenlang, dass ich direkt neben ihm stehe! So kann ich den Widersacher in aller Ruhe aufs Korn nehmen... Das ist keine Kleinigkeit mehr: In einem straffen Actiongewitter ist das ein eklatanter Mangel. Natürlich werden sich die Entwickler auch diesem Aspekt annehmen. Auch mit einem Blick auf direkt vor meiner Nase nahezu bewegungslos durch enge Gänge hin und her "schwebende" Monster hat ihr Spiel das jedenfalls unbedingt nötig!

Durchdachte Dramaturgie

Was ihnen hingegen schon in der frühen Fassung wesentlich besser als den meisten der auf Daueraction pochenden Kollegen gelang, ist die Dramaturgie. Ruhige Augenblicke, angehaltener Atem und atemlose Action gehen nämlich sehr harmonisch ineinander über und gaben dem jeweils anderen stets genug Zeit, um seine Wirkung zu entfalten. Unheimlich wabernde Klänge setzen die angespannte Atmosphäre gefährlich in Bewegung - Stimmung und Inszenierung haben mich im besten Sinne an

Das Gefühl, unter einer engen Gasmaske zu stecken, fängt das Spiel hervorragend ein!
das beklemmende Cryostasis erinnert. Spielerisch könnte Metro 2033 allerdings mehr drauf haben, falls 4A Games die wichtigen Schrauben noch anzieht.

Immerhin zeigen die Ukrainer auch an der Oberfläche des futuristischen Moskaus, wie gut sie mit ganz einfachen Mitteln Spannung aufbauen können. Ich überspringe gedanklich einige Szenen, wenn Artyom schließlich Tageslicht sieht - und außerhalb des Metrosystems ohne Atemmaske nicht überleben kann. Die Maske ist dabei kein Selbstläufer, denn ohne frische Sauerstoffbehälter kommt der junge Bote nicht weit. Und je länger er die Maske trägt, desto stärker beschlägt mein Bildschirm. Gerade im Kampf würde ich mir die mit gefrorenem Wasserdampf verschmierte Scheibe  liebend gerne vom Kopf reißen - das würde Artyom aber nicht lange überleben! Diese beengende Form der Bedrängnis empfinde ich als deutlich spannender als superrealistische PhysikX-Unterstützung oder gar einen ausgefeilten Mehrspieler-Modus. Auf Letzteren verzichtet Metro 2033 ohnehin, Erstere ist natürlich drin.

Wohin geht die Reise?

Auch wenn in dem spielbaren Abschnitt nicht viel zu Bruch ging. Im Gegenteil: Anstatt ein freies Areal zu erkunden, schritt Artyom auch außerhalb der unterirdischen Schächte durch eine sehr geradlinige, vor allem aber eine sehr starre Welt. Sauer stieß mir z.B. auf, dass ich nicht einmal auf die Motorhaube eines Autowracks springen durfte. Öffnen wollte sich das Spiel nur für ein Gefecht gegen zahlreiche Mutanten - so konnte ich mich entscheiden, ob ich den Kampf unter offenem Himmel oder zwischen die grauen Mauern und das morsche Mobiliar eines zerfallenen Gebäudes lenken wollte. Dafür kam in diesem Augenblick eine weitere Schwäche zum Vorschein: Die Masse der Gegner war dermaßen erschlagend, dass die Entwickler unbedingt auch die Schwierigkeit einzelner Sequenzen noch anpassen sollten. In meiner Verzweiflung suchte ich mir gar einen Weg abseits der vorgesehenen Pfade - was mich zu verpatzten Sprüngen auf vermeintlich erreichbare Plattformen verleitete und in Ecken führte, in denen sich Artyom in der Geometrie des Levels verhedderte.

Spätestens, als er und Bourbon von einem fliegenden Mutanten attackiert wurden, zeigte sich schließlich, dass der Buchumsetzung mitunter ein Wegweiser fehlt. Eine separate Karte weist zwar den Weg; in heißen Momenten brauche ich als Spieler aber ein klares Ziel. Durch pures Glück kam ich recht schnell dort an, wo ich Artyom durch einen Knopfdruck in Sicherheit hieven konnte. Einige Kollegen haben lange vergebens gegen den unbesiegbaren Feind gekämpft. Es gilt nicht nur für die Marschrichtung des Helden: 4A will ein geradliniges Action-Feuerwerk entfachen - verirrte sich mit der frühen Fassung aber zu sehr in Unzulänglichkeiten, die einem modernen Abenteuer seinen Schwung rauben. Immerhin konnte uns der Publisher sehr glaubhaft versichern, dass sich das Studio den Schwächen  in der Tat bewusst ist und weiß, dass es noch viel feilen muss. Ich hoffe, dass sie genug Zeit dafür haben - dass die guten Ansätze am Ende nicht von unnötigen spielerischen Schwächen erdrückt werden.  

Ausblick

Ich habe den Ausflug in Glukhovskys erdrückendes Tunnelsystem genossen! Nicht, weil mich die Action so mitgerissen hätte - sondern weil 4A Games ähnlich wie Monolith zeigt, wie gut das richtige Timing von Atemlosigkeit und Luftholen einem geradlinigen Horror-Shooter steht. Die U-Bahn-Stationen wirken zwar ungewöhnlich leblos, sobald die starren Einwohner einmal ihre Texte gesprochen haben. Doch spätestens, als sich unter Artyoms Gasmaske der schnelle Atem unter die Schreie heranstürmender Mutanten mischte, standen mir die Haare zu Berge. Schade, dass einige Bewegungen der Monster unglaubwürdig wirken und mich aus der packenden Illusion reißen. Schade auch, dass das Verhalten aller Gegner oft zu wünschen übrig ließ und dass der Kauf neuer Waffen und Munition denkbar unhandlich vonstatten geht. Dabei hauchen gerade der Handel sowie das sparsame Haushalten mit der knappen Munition dem beklemmenden Trip spielerisches Leben ein. Zusammen mit dem fehlenden Nahkampf-Hieb, den unnötig beengten Arealen sowie einigen technischen Fehlern hinterließ Metro 2033 noch einen sehr bemühten, unterm Strich zu schwachen Eindruck - es rummste im Kampf mit den unbeholfenen Gegnern einfach nicht stark genug. THQ weist zwar darauf hin, dass die in Moskau gezeigten Abschnitte eine "Hands-On-Version" und keine "Preview-Fassung" waren - doch das ist beim branchenüblichen frühen Anspielen ohnehin die Regel. Viel wichtiger ist, dass die Entwickler den eindringlichen Lippenbekenntnissen ihres Publishers Taten folgen lassen und mit Hochdruck an ihrer Buchumsetzung feilen. Dann könnte sich Metro 2033 nämlich tatsächlich noch als die versprochene mitreißende Grusel-Mär entpuppen!

Ersteindruck: befriedigend

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