Resident Evil24.09.2002, Jörg Luibl
Resident Evil

Im Test:

Das bunte Würfeldasein hat ein Ende: endlich erwacht das Grauen auch auf dem GameCube! Mit Resident Evil (ab 4,00€ bei kaufen) feiert ein Urgestein des Survival-Horror seine Auferstehung - knarzende Treppen, schlurfende Zombies und ein Haus voller Rätsel. Ob die Next-Generation-Kur den sechs Jahre alten PSone-Klassiker ansprechend wiederbeleben kann, erfahrt Ihr in unserem Test!

Raccoon City am Abgrund

Irgendetwas regt sich in Raccoon City - seltsame Morde, verstümmelte Leichen. Die örtliche Polizei hat als Verstärkung die Bravo-Gruppe der hauseigenen Spezialeinheit S.T.A.R.S. ins Krisengebiet geschickt. Doch das Team ist irgendwo im Wald in der Nähe der Arklay Mountains mit einem Helikopter abgestürzt. Jetzt muss ein neues Team her, um den mysteriösen Vorfällen nachzuspüren. Als Mitglied der Alpha-Gruppe macht Ihr Euch auf die Suche nach Überlebenden&

Jill oder Chris?

Zu Beginn stehen Euch zwei S.T.A.R.S.-Mitglieder zur Auswahl: Chris Redfield und Jill Valentine. Schon hier solltet Ihr mit Bedacht wählen, denn während Chris robuster ist und als Schusswaffenspezialist seine Stärken hat, gilt Jill als bessere Rätsel- und Schlossknackerin. Sie hat außerdem acht anstatt sechs Inventarplätze sowie einen Dietrich - das macht die weibliche Variante definitiv zur angenehmeren Startfigur. Schließlich könnt Ihr Euch noch einen von zwei Schwierigkeitsgraden aussuchen, bevor die grausige Hausdurchsuchung beginnt.

Technik-Flüche und Monsterhatz

So viel Jubel die Hochglanzgrafik von Resident Evil auslösen wird, so viele Flüche provoziert zunächst die veraltete Technik: Die Steuerung hält sich sklavisch an das Original und zeichnet sich durch eine nervend langsame Achsendrehung aus, was nicht nur das Erforschen der Räume zum Geduldsspiel machen, sondern vor allem die Kämpfe unnötig komplizieren kann. Aufgrund der fixierten Kameraperspektive, die Euch ohne großen Sichtbereich mal von hinten, mal von schräg unten oder von oben zeigt, können Gegner urplötzlich ins Bild preschen. Das ist spielerisch ärgerlich, aber lässt andererseits den Spannungsbogen steigen, weil der Überraschungseffekt voll zur Geltung kommen kann.

Die normalen Zombies wanken noch in Zeitlupe durch die Gänge und lassen sich leicht umkurven. Erst die gemeingefährlichen Hunde oder die schnelle Variante der wiederauferstandenen Untoten, die zum neuen Monster-Repertoire der GameCube-Version gehören, verlangen schnelle Reflexe - das ist angesichts der trägen Steuerung oftmals ein Problem.

   

Ein Segen ist da die automatische oder manuell wählbare Verteidigungsoption, die dem Gegner während des Angriffs z.B. einen Dolch oder eine Blitzgranate verpasst - ebenfalls ein Novum in der GameCube-Fassung, das den Kampf deutlich abwechslungsreicher gestaltet und so manche kritische Situation entschärft.

Inventar-Probleme und Level-Freude

Das Inventar wirkt mit seinen sechs freien Plätzen zunächst wie ein spartanischer Witz: die Pistole und das Magazin müssen rein, hinzu kommen Medizin und meist ein Schlüssel - bleiben zwei Plätze, falls man Chris Redfield steuert. Zwar finden sich im Laufe des Spiels große Truhen, in die man alle Gegenstände, Kräuter etc. deponieren kann, aber ich muss für jedes Rätsel zwischen Zielort und Item-Lager pendeln.

Hier nervt Resident Evil allerdings nur auf den ersten Blick, denn aufgrund des hervorragenden Level-Designs, das an der passenden Stelle meist etwas Nützliches wie Heilmittel, Munition oder einen Speicherpunkt parat hat, wird der Frust schnell wieder kompensiert. Die Karte zeichnet immerhin automatisch alle Wege und Räume mit und markiert offene und geschlossene Türen. Außerdem steht die karge Ausrüstung im Dienste der asketischen Survival-Philosophie - denn wo würde die Angst mit zehn Wummen, Medi-Pack-Rucksack und Munitions-Schubkarre bleiben?

Adventure-Feeling und Rätselspaß

Seelische Abgründe à la Silent Hill 2? Angstschweiß-Orgien à la Project Zero? Nein, hier ist eher gepflegter Grusel inklusive einiger nervenaufreibender Schockmomente angesagt. Hinter jeder Tür lauert der Nervenkitzel - eine Spannung, die durch die kurzen Ladezeiten beim Betreten neuer Räume zusätzlich geschürt wird. Sicher ist das technisch altbacken, aber dafür dramaturgisch sehr effektiv.

Die große Stärke von Resident Evil liegt in der Neugier, die das verwinkelte Herrenhaus mit seinen skurrilen Rätseln weckt. Zwar gibt es auch spektakulär in Szene gesetzte Kämpfe und viele Schrecksituationen. Andererseits warten jedoch auch ein Haufen an Gegenständen, Hinweisen und Kombinationsaufgaben, die jeden Adventure-Freund jubeln lassen. Das fängt an beim einfachen Kräuter mischen geht über Schalter- und Schlüsselspielereien über Logikrätsel und endet bei komplexen Interaktionen von Gegenständen und Umgebung.

Ein Beispiel: Zündet Ihr einen Kamin an, glühen die Strukturen eines darüber hängenden Bildes. Was hat es damit auf sich? Untersucht Ihr jetzt den passenden Gegenstand, ein Passepartout aus Holz, mit der Dreh- und Zoomfunktion, zeigt sich, dass es sich aufklappen lässt und ein freies Blatt Papier enthält. Drückt Ihr dieses jetzt auf das glühende Bild, bekommt Ihr einen Kartenabdruck des Hauses - einfach, logisch, gut.

 

Gerade die Möglichkeit, alle gefundenen Gegenstände noch mal im Inventar näher zu betrachten und rotieren zu können, weckt den Spieltrieb. Denn jeder neue Fund kann ein neues Geheimnis enthalten, das sich erst bei genauer Betrachtung offenbart. Experimentierfreudige werden im ganzen Haus zudem Bonus-Gegenstände finden, wenn sie nur überall klopfen, drücken und fleißig das Mobiliar verschieben.

Fotorealistische Prachtoptik

Resident Evil ist ein Genuss für jedes Spielerauge: Freut Euch auf ein Sammelsurium an unterschiedlichen Räumen mit gestochen scharfen Details. In der pompösen Empfangshalle glänzt der Marmor, Flammen tanzen auf silbernen Kerzenhaltern, barockes Mobiliar und kostbare Gemälde schmücken die Flure - fantastisch! Hinzu kommen düstere Balkone, finstere Keller, verwinkelte Gänge sowie viele kleine Schuppen, Kammern und geheime Orte.

Der GameCube zeigt hier ordentlich Grafikmuskeln und verleiht dem Herrenhaus nahezu fotorealistische Züge. Auch wenn es sich nicht um 3D-Grafik, sondern um gemalte und digital nachbearbeitete Locations handelt, muss man Capcoms Zeichnern und Designern ein großes Lob aussprechen: die prächtige Kulisse sorgt sofort für Mittendrin-Gefühl. Und dass die Zwischensequenzen hervorragende Computerfilm-Qualität bieten, ist bei Capcom schon Ehrensache.

Und nicht nur das Interieur kann begeistern, auch die Figuren: Zwar drehen sich die Protagonisten um die eigene Achse, als hätten sie eine Holzlatte im Kreuz, aber ansonsten wirken die Messerattacken, das Rennen, Hinken oder Abfeuern der Waffen sehr lebensecht. Auch die Kleidung und Gesichter strotzen nur so vor verblüffenden Details. Schließlich können sich auch die Partikel- und Explosionseffekte sehen lassen: Staub wirbelt aus uralten Teppichen auf, Zombies werden von züngelnden Flammen verbrannt und eine Ladung Blei kann schon mal ganze Köpfe wegreißen.

Kein Orchester, aber exquisite Akustik

Capcom serviert Euch zwar keinen bombastischen Soundtrack in Orchestermanier, aber dafür werden alle aufmerksamen Ohren mit hintergründigen Melodien, bedrohlichen sphärischen Klängen und höchst realistischen Geräuschen bedient: Jeder Untergrund gibt einen anderen Ton von sich - dumpfer Teppich, helle Fliesen, knirschender Stein; selbst Glasscherben werden akustisch berücksichtigt. Außerdem dienen die gelungenen Soundeffekte als Frühwarnsystem: Wenn es irgendwo schlurft oder stöhnt, dürft Ihr schon mal nachladen.

Auf eine komplette Lokalisierung müssen deutsche Fans zwar verzichten, aber die wenigen Dialoge der Zwischensequenzen wurden ebenso wie alle Texte gut ins Deutsche übersetzt.   

Fazit


Resident Evil bringt endlich gepflegten Grusel auf den GameCube - und das in einer bestechenden Prachtkulisse. Die Hochglanzgrafik von Capcoms Revival ist über jeden Zweifel erhaben und sorgt für ein erstklassiges Horror-Ambiente. Aber egal wie authentisch das Herrenhaus anmutet, wie realistisch Zombies brennen, zusammenbrechen oder durchlöchert werden, das Sahnehäubchen von Resident Evil ist auch im Jahr 2002 die herrliche Rätselkost, die neben spektakulären Schockmomenten für entspanntes Adventure-Feeling sorgt. Und das hervorragende Level-Design macht selbst den Frust in Sachen Inventar und Steuerung schnell wieder wett. Alte Resi-Hasen werden sicher nüchterner an die bekannte Story und Location rangehen, aber selbst die finden neue Rätselvarianten, neue Monster und ein aufgepepptes Kampfsystem. Und Neueinsteiger? Nach zwei Spielminuten wird Euch dieses Schmuckstück nicht mehr loslassen…

Pro

<P>
gute Story
Prachtkulisse
schöne Rätsel
viele Gegenstände
Adventure-Feeling
sehr gute Soundeffekte
sehr gute Partikeleffekte
zwei spielbare Charaktere
plötzliche Schockmomente
neue Verteidigungs-Optionen
hervorragendes Level-Design
Durchspielen bringt neue Spielmodi</P>

Kontra

<P>
Story sechs Jahre alt
nervig kleines Inventar
umständliche Steuerung</P>

Wertung

GameCube

Ein erstklassiges Remake mit fantastischer Grafik - zugreifen!

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