FIFA Football 200307.11.2002, Jörg Luibl
FIFA Football 2003

Im Test:

Bisher konnten sich Fußball-Fans mit GameCube eher bescheiden amüsieren: Virtua Striker 3 und ISS2 hinterließen nicht gerade Euphorie. Jetzt debütiert mit FIFA 2003 auch EAs Fußballreihe auf Nintendos Spielwürfel. Ob sich der sehr gute Eindruck der PC-Fassung auf den Fernseher übertragen lässt, verraten wir Euch in unserem Test!

Dicke Sprüche, fette Lizenz

Nicht kleckern, sondern klotzen denkt sich die Marketing-Abteilung von EA und bewirbt FIFA 2003 wie ein Spiel vom anderen Stern: Nicht weniger als das "absolute Fußballerlebnis" und die "absolute Ballkontrolle" sollen dieses Jahr realisiert werden.

Die formalen Voraussetzungen sind jedenfalls bestens: Die fette Lizenz lässt Euch auf alle erdenklichen Ligen zurückgreifen, inklusive originaler Spieler- und Vereinsnamen sowie Trikots: 16 Ligen, 450 offizielle Teams und über 10.000 Profi-Fußballer locken vor den Monitor.

Allerdings dürfen sich GameCube-Fans auch gleich eine neue Memory-Card kaufen: Satte 54 Blöcke verschlingt FIFA 2003! Zum Vergleich: Die PS2 braucht gerade mal 487 KB auf einer 8MB-Karte.

Spielmodi- & Statistik-Freuden

In Sachen Spielmodi gibt es das übliche Repertoire aus Freundschafts-, Liga- und diversen Pokal-Wettbewerben. Außerdem lassen sich Spielertransfers abwickeln, so dass jeder seine Traum-Mannschaft zusammenkaufen kann. Allerdings steht jedem Verein nur ein bestimmtes Budget zur Verfügung, das jedoch durch Verkäufe aufgestockt werden kann. Hinzu gekommen ist der Club Championship-Modus, hinter dem sich nichts anderes als die Champions League verbirgt. Ein Trainingsmodus ist allerdings nicht integriert - ein Wermutstropfen, der an späterer Stelle noch diskutiert wird.

Höchst erfreulich sind die neuen Statistiken bei Halbzeit und Spielende: Neben den üblichen Zahlenspielereien wie Ballbesitz, Torschüsse etc. gibt es auch informative Zusätze wie "Schüsse aufs Tor" oder "Zweikämpfe" sowie nützliche Grafiken, die jeden Wert auch optisch darstellen: Von wo wurde geschossen? Wo wurden die Zweikämpfe gewonnen? Ein schönes Feature, von dem sich die Konkurrenz eine Scheibe abschneiden könnte. __NEWCOL__Auch im Bereich der Spielerstatistik gibt es acht individuelle Werte von Schnelligkeit, Ausdauer bis hin zur Ballkontrolle sowie einen prozentualen Gesamtwert. Stars wie Ballack werden hier mit 92% bedient. Allerdings gibt es auch viel Streitpotenzial: Warum die Nationalspieler Bernd Schneider und Klose insgesamt nur 72% bzw. 80% und Ersatz-Stürmer Asamoah satte 85% bekommt, bleibt ebenso ein Geheimnis der Entwickler wie das Fehlen Kahns im Nationalteam - er hat immerhin 95%. Eine kleine EA-Rache angesichts der Klage des Keepers?

Spartanische Steuerung

Zu Beginn könnt Ihr zwischen "Arcade" und "Simulation" wählen. Erstere unterscheidet sich eigentlich nur durch einen schnelleren Spielablauf und eine näher am Geschehen platzierte Kamera. Die gewöhnungsbedürftige FIFA 2002-Steuerung wurde über Bord geworfen. So überschaubar und einfach wie dieses Jahr war die Handhabung noch nie: Kurzpass, langer Pass, Steilpass sowie Kopfball und Torschuss im Angriff; Grätsche und Tackling in der Abwehr - das war`s. Lediglich die Sprint-Funktion und der optional einblendbare Laufweg von Spielern, die man in die Spitze schicken kann, sind noch zu erwähnen. Letzteres erweist sich immer noch als hakelig, da man zwei Tasten schnell hintereinander bedienen muss und der Pass in die Tiefe zum Geduldsspiel wird. In PES ist die KI so ausgereift, dass Stürmer von alleine in die Gasse gehen.

A propos Gegner-KI: Bleibt man mit dem Ball einfach stehen, scheinen alle eine Schweigeminute einzulegen - keiner greift an! Insgesamt zeigt sich das Gegner- und Mitspielerverhalten jedoch besser als in FIFA 2002. Die Gegenspieler beharken Euch frühzeitig, vollziehen recht ansehnliche Angriffe und erweisen sich auf der dritten der vier Schwierigkeitsgrade als große Herausforderung. Selbst Spiel auf Zeit oder bedingungslose Offensive sind zu beobachten. Auch die Torhüter glänzen mit tollen Paraden und sind schon auf der zweiten Stufe fast zu gut: Geschosse aus nächster Nähe werden heroisch abgewehrt. Nur beim Herauskommen zeigen die Keeper ab und an unentschlossene Totalausfälle.

Spicken bei Konami?

Man wird das Gefühl nicht los, dass sich die EA-Entwickler den Genre-Primus Pro Evolution Soccer (PS2) vorgenommen haben und das erfolgreiche Simulations-Prinzip auf den PC übertragen wollten. Das ist Ihnen in Ansätzen gelungen, denn jetzt weht wirklich ein Hauch von Realismus über den Platz: Der Spielablauf ist konservativer, weitaus lebensechter und torärmer als in den letzten Versionen. Spektakuläre Arcade-Features wie Feuerball-Schüsse, Turbo-Sprints und Ballakrobatik sind Fehlanzeige - jedes Tor muss rausgespielt werden.

Aber auch die ansehnlichen Dribblings gibt es nur noch eingeschränkt: Delikatessen wie Links-Rechts-Täuschungen, Übersteiger oder 360-Grad-Drehungen samt Ball werden nur von Technikern wie Zidane oder Ronaldo einwandfrei ausgeführt. So mancher Verteidiger ist gerade mal für eine einfache Körpertäuschung gut. Diese Spieler-abhängigen Tricks, die mit dem rechten Analogstick ausgeführt werden, würzen den Spielablauf zwar mit einer realistischen Note, sind aber selten und nur mit viel Übung effektiv einzusetzen.

Ein neues Ballgefühl

EA hat kräftig und mit Erfolg an der Ballphysik gewerkelt. FIFA 2003 vermittelt ein sehr authentisches Gefühl bei Kurzpässen und Schüssen, die jetzt deutlich realistischer ausfallen. Vor allem Torschüsse aus der zweiten Reihe sind satt und ansehnlich. Der Ball klebt zudem optisch nicht mehr so stark am Fuß, sondern rollt immer eine halbe Schuhlänge vorneweg. Und die gelungene Kollisonsabfrage sorgt dafür, dass zu schnelles Kurzpass-Spiel am Gegnerbein endet. Abgefälschte Bälle, angeschnittene Flanken und eine wirklich hörenswerte Akustik runden den insgesamt gelungenen Gesamteindruck der Ballphysik ab; FIFA 2002 und die WM-Version wurden in dieser Hinsicht überflügelt.

__NEWCOL__Einige Inkonsequenzen trüben jedoch den lobenswerten Simulations-Ansatz: Im Sprint kann man z.B. Haken schlagen wie ein Hase und schon mal über den ganzen Platz jagen. Trotz der optischen Distanz zwischen Fuß und Ball hat man außerdem immer noch das Gefühl, mit dem Leder verschweißt über den Platz zu gleiten, weil den Kickern erstens die Bodenhaftung fehlt und zweitens krasse Richtungsänderungen im Sprint möglich sind. Auch die Schüsse wirken aus jeder Lage so explosiv, dass freier Raum für Anlauf quasi keinen Vorteil bringt. Und leider sehen die hohen Pässe über kurze Distanz aufgrund der unrealistisch steilen Ballkurve aus wie Volleyball-Zuspiele.

Die Abwehr? Ein Hühnerhaufen!

Die eigenen Verteidiger reagieren teilweise äußerst träge und zeigen selten eine koordinierte KI. Eine automatische Abwehrfunktion à la Pro Evolution Soccer, die einen oder mehrere Abwehrspieler sofort zum ballführenden Gegner schickt, hätte hier Wunder gewirkt. Warum kann ich Stürmer per Knopfdruck in die Spitze schicken, aber den rechten Verteidiger nicht auf den Gegner hetzen?

So kann ich lediglich meinen ausgewählten Verteidiger steuern, um per Tackling oder Grätsche den Stürmer zu stellen. Während das Tackling sehr nützlich ist und sich wirklich sehen lassen kann, weil Angreifer und Verteidiger im Clinch langsam an Tempo verlieren, ist die Grätsche weniger effektiv, da die Steuerung der Spieler einfach nicht präzise genug ist. Vor allem im Spurt steuern sich die Verteidiger übersensibel.

Kein Erfolg ohne Training

Was wirklich nervt ist, dass es erneut keinen Trainingsmodus gibt. Gerade wenn man das Spielprinzip dermaßen Richtung Realismus umbaut, sollte man doch wenigstens einen Übungsplatz zur Verfügung stellen. So kann man weder Flanken noch Ecken, Freistöße oder Steilpässe einstudieren. EA spendiert Madden 2003 doch auch äußerst innovative Trainings-Spielchen - warum geht das bei FIFA nicht? Möglichkeiten gibt es genug und Konami hat einen höchst attraktiven Übungsmodus in Pro Evolution Soccer 2 eingebaut: Hütchen umkurven, Dribblings probieren, an der Freistoßtechnik feilen etc.

Hochglanzgesichter und Prachtkulisse

Die neue Grafik-Engine sorgt auch dieses Jahr für eine ansehnliche, detailverliebte Kulisse, die sich in zehn Kameraperspektiven begutachten lässt. Im Gegensatz zur Xbox- und GameCube-Fassung schwächelt die PS2 zwar technisch mit Interlace-Flackern und gelegentlichen Rucklern, aber kann optisch durchaus mit der GameCube-Fassung mithalten: Auf Sonys Konsole sind die Figuren sogar etwas schärfer, auf dem GameCube wirken sie etwas weicher und verschwommener. Den besten Eindruck hinterlassen die Kicker allerdings auf der Xbox. Trotzdem: Alle Versionen holen aus der Hardware die optimale Leistung heraus und unterscheiden sich nur marginal.

Für Grafikgenießer ist die Mobil-Kamera zu empfehlen, die das Geschehen hautnah einfängt und die Figuren besonders gut zur Geltung kommen lässt. Feintuning in Sachen Stadionkulisse und Animationen sorgt dafür, dass FIFA 2003 besser aussieht denn je: Es wird gerempelt, gestolpert, elegant gepasst und geköpft - alles flüssig und bis auf die fehlende Bodenhaftung sehr lebensnah. Insbesondere die Torhüter überzeugen mit geschmeidigen Bewegungen und katzenhaften Reflexen. Ein Detail am Rande: So plastisch wie dieses Jahr wirkte der Ball noch nie.

Das Publikum besteht zwar immer noch aus Pappaufstellern, sieht aber aufgrund der Bewegung insgesamt besser aus als bei der Konkurrenz. Gerade aus der Distanz wirken die jubelnden Massen sehr lebendig. Nur bei Einwurf und Abschlag zeigen sie ihre hässliche Seite. __NEWCOL__Die Gesichter, das optische Zugpferd, hinterlassen neben anerkennendem Staunen auch so manche Unstimmigkeit. Der Wiedererkennungswert ist nicht bei allen Profis und Stars gleich: Del Piero und Beckham sehen z.B. deutlich realistischer aus als Frings oder Metzelder, die man gar nicht erkennt. Insgesamt wirken die Profi-Visagen jedoch wesentlich harmonischer als das Wachsfiguren-Kabinett des Vorgängers. Auch die Trikots sind besser gestaltet.

Atmosphäre vom Feinsten

Eines muss man EA lassen: In Sachen Akustik und Atmosphäre dominiert man die Konkurrenz im Schlaf. Es gibt derzeit kein anderes Spiel auf dem Markt, das dem Fußball-Feeling dramatischer TV-Übertragungen so nah kommt. Die Stadionkulisse ist dank bengalischer Feuer, Fahnen und bewegter Fans schon optisch höchst ansehnlich, aber erst die brodelnde Fan-Kulisse lässt den Funken richtig überspringen: Freut Euch auf ahnungsvolles Raunen, begeisterten Jubel und vor allem authentische Fan-Gesänge: Egal ob Borussen- oder Juventus-Anhänger - alle werden ihre Vereins-Lieder wiedererkennen. Nur ab und an werden unpassende Gesänge eingeleitet, wie etwa Deutschland-Rufe beim Spiel Nürnberg gegen Bochum.

Hinzu kommen die tollen Kommentare von Tom Bartels und Florian König, die interessante WM-Anekdoten einflechten, Halbzeitanalysen liefern und das Spiel kompetent begleiten. Im Gegensatz zu den grauenhaft langweiligen TIF- und den wenig überzeugenden PES 2-Sprechern ist das ein wahrer Segen für die Gehörgänge. Abgerundet wird die erstklassige Akustik durch eine Auswahl an topaktuellen Songs, die für jeden Geschmack den passenden Beat parat haben - egal ob Hip-Hop oder Pop.

Fazit


Glückwunsch EA! Endlich gibt es auch auf dem GameCube ein erstklassiges Fußballspiel. Von der ersten Minute an könnt Ihr in ein herrlich inszeniertes Spektakel mit markigen Fan-Gesängen, berauschendem Jubel und für das Genre vorbildlichen Kommentaren abtauchen. Optisch tut sich allerdings nicht viel zur PS2-Fassung und der Xbox ist man aufgrund der fehlenden Schärfe und längerer Ladezeiten unterlegen. Richtig Frust lassen allerdings die 54 Blöcke Speicherplatz aufkommen, die mich zum Kauf einer neuen Memory-Card verpflichten! Deshalb ziehen wir einen Prozentpunkt in der Gesamtwertung ab. Trotzdem: Auf dem Platz sorgen dafür eine intuitive Steuerung und lebensechte Animationen für Spielspaß. Nur kleine Schnitzer im Spielablauf verwehren EAs virtuellem Kick den Award. Aber was soll`s? FIFA 2003 ist die Nr.1 auf dem GameCube!

Pro

<li>offizielle Lizenzen</li><li>einfache Steuerung</li><li>originale Fangesänge</li><li>verbesserte Spieler-KI</li><li>informative Statistiken</li><li>verbesserte Ballphysik</li><li>Spieler-abhängige Tricks</li><li>inklusive Spieler-Transfers</li><li>neuer Championship-Modus</li><li>sehr gutes Kommentatoren-Duo</li><li>authentische Bewegungsabläufe</li><li>Spielablauf deutlich realistischer</li><li>stimmungsvolle Stadionatmosphäre</li><li>abwechslungsreiche Hintergrundmusik</li>

Kontra

<li>kein Training möglich</li><li>unrealistisch hohe Kurzpässe</li><li>braucht 54(!) Blöcke Speicher</li><li>zu wenig Steuerungs-Finessen</li><li>starke Schüsse aus allen Lagen</li><li>kein befriedigendes Abwehrsystem</li><li>Spieler ohne wirkliche Bodenhaftung</li><li>im Vergleich zur PS2 optisch nicht überlegen</li>

Wertung

GameCube

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