Harry Potter und der Feuerkelch10.11.2005, Paul Kautz
Harry Potter und der Feuerkelch

Im Test:

Neues Jahr, neuer Potter. Mit dem vierten Band verlassen sowohl Autorin J.K. Rowling als auch die Entwickler von Electronic Arts die ausgetretenen Kinderbuch-Pfade und wenden sich ernsthafterer, düsterer Unterhaltung zu. Das neue Spiel präsentiert sich reifer und moderner als seine Vorgänger – aber macht es auch noch Spaß?

Drei magische Musketiere

Besser als jeder Tombola-Gewinn: Aufgrund mysteriöser Umstände taucht Zauberlehrling Harry Potter als Bonuskandidat beim Trimagischen Turnier auf. An dieser Zauberer-Olympiade dürfen normalerweise nur volljährige Kandidaten teilnehmen, einer pro Magierschule – von denen es nur drei gibt. Wieso hat also der Namen gebende Feuerkelch Harrys Namen als Nummer Vier ausgespuckt? Kann sich der Jungspund überhaupt gegen

Ihr dürft mit bis zu zwei Freunden kooperativ spielen.
Drachen und Seewesen behaupten? Wer steckt hinter all dem? Diesen und weitere Fragen werden im Spielverlauf gelöst, außerdem müsst ihr euch noch mit dem erstarkenden Erzfeind Lord Voldemort sowie seinen Anhängern, den Todessern herumschlagen. Kein leichtes Schuljahr für den ohnehin gebeutelten Harry…

Kein leichter Einstieg auch für den verwöhnten Spieler. Speziell am PC reibt man sich ob der Optionsmassen verwundert die Augen. Es gibt genau eine Einstellungsmöglichkeit, und die lautet »Untertitel ein/aus«. Lautstärken-Verstellung? Nicht veränderbar. Eigene Tastatur- oder Padbelegung? Nope! Ein paar Grafikdetails mehr? Haa-Haa! Noch nicht mal die Auflösung könnt ihr verstellen, die ist auf unzeitgemäße 800x600 Punkte festgefroren. Aber halten wir uns nicht mit Kinkerlitzchen auf, denn es gibt frohe Kunde zu vermelden: Electronic Arts hat wie auch Activision die merkwürdige Politik des plattformbezogenen Spielprinzips über den Haufen geworfen und serviert auf PC, PS2, Xbox und GameCube genau das gleiche Game. Das ist gut, aber es wird noch besser: Ihr dürft jetzt zu dritt ran! Spielt ihr allein, dürft ihr euch vor jedem Level entscheiden, ob Harry, Hermine oder Ron eure Hauptfigur sein sollen. Doch da die KI hier keine Bäume ausreißt, sollten möglichst zwei menschliche Mitspieler ans Pad – und intelligenterweise dürfen sie jederzeit ein- und aussteigen. Und wenn sich schon drei Charaktere auf dem Bildschirm tummeln, können sie auch ruhig zusammenarbeiten: Ob es darum geht ein schweres Tor zu öffnen, einen noch schwereren Stein schweben zu lassen oder heißen Dampf spuckende Leitungsrohe aus dem Weg zu drehen – der Zauberlehrling von heute macht das gemeinsam! Ist die KI am Drücker, müsst ihr einfach nur den Zauber wirken, die anderen erkennen nach

Gemeinsam sind wir stark: manche Aufgaben lassen sich nur im Team lösen.
kurzer Zeit eure Absicht, kommen angedackelt und fuchteln mit ihrem magischen Stab. Auch im Kampf gegen die vielen dunklen Kreaturen stehen euch eure Mitstreiter zur Seite: Sie feuern auf Gegner, die ihr magisch festhaltet und nehmen sich natürlich auch selbständig Feinde zur Hühnerbrust. Die entsprechenden Zauber liegen allesamt auf einem Button und werden kontextsensitiv ausgelöst.

Drachen allüberall

Ihr schwingt euren Zauberstab hauptsächlich im Kampf: Salamander, beißfreudige Kräften oder Dornenwesen stellen sich euch schnappend in den Weg - ein paar schnell aus der Hüfte geschossene Flüche später verwandeln sie sich in ein buntes Feuerwerk, in ein Huhn oder tragen unerwartet einen Kürbis auf dem Kopf. Diese »Finishing Moves« werden zufällig ausgewählt, eure Aufgabe besteht darin, schnell auf den Angriffsbutton zu hämmern. Dabei kommen sowohl bekannte als auch neue Zaubersprüche zur Geltung: »Orchideus« (macht Gegner zu Blumen), »Magicus Extremos« (verleiht allen Spielern bei gefüllter Magieleiste für kurze Zeit zusätzliche Kräfte) oder »Aqua Eructo« (euer Zauberstab speit Wasser, gut zum Feuerlöschen) sind neu im Potterversum. Sprüche wie »Wingardium Leviosa« zum Anheben von Dingen oder »Accio« sind Harry-Fans bekannt. Letztere Inkantation ist besonders nützlich, könnt ihr mit ihr doch überall herumliegende oder versteckte Zauberbohnen oder sonstige Boni wie ein Magnet zu euch ziehen.        

Die bunten Bohnen bringen nicht nur verlorene Lebensenergie zurück, sondern können auch zwischen den Levels gegen Sammelkarten getauscht werden. Die haben nicht mehr wie bei den Vorgänger-Spielen lediglich Schauwert,

Auf dem Besen, weg vom Drachen: Ihr düst mit Vollgas um das Hogwarts-Gelände herum, könnt die Flugrichtung aber nur minimal beeinflussen.
sondern verbessern z.B. eure Kraft oder machen aus einem Fluch zwei. Vor jedem Level dürft ihr für jede Figur aus seinem Karten-Kontingent drei aussuchen und ihn so für die Aufgabe wappnen – wenn ihr darauf keine Lust habt, könnt ihr auch die Automatik ans Werk lassen.

Die elf in sich mehrfach unterteilen Levels halten sich chronologisch an den Ablauf des Films: Ihr beginnt bei der Flucht vor den Todessern bei der Quidditch-Weltmeisterschaft, huscht durch den Verbotenen Wald, erledigt die drei Aufgaben des trimagischen Turniers und legt euch mit dem wieder auferstandenen Lord Voldemort persönlich an. Die Welten sind strikt linear angeordnet, um in höhere zu gelangen, müsst ihr erst eine bestimmte Anzahl »trimagischer Schilde« finden, von denen sich meist in einem Level mehrere befinden – um alle zu erhalten, müsst ihr den Abschnitt allerdings mehrmals angehen, ihr könnt nicht alle in einem Aufwasch mitnehmen. Dazwischen müsst ihr Mad Eye Moodys Herausforderungen bestehen, das goldene Ei im Badezimmer der Vertrauensschüler wieder finden oder auf dem Besen vor einem ungarischen Hornschwanz-Drachen flüchten. Hierbei gibt Harry selbständig Gas; ihr könnt lediglich die Flugrichtung leicht beeinflussen, während die eigentliche Route wie beim Klassiker »Rebel Assault« selbständig abgeflogen wird. Nach jedem Level wird automatisch gespeichert, außerdem wird die individuelle Leistung jedes Spielers bewertet.

Sprücheklopfer am Werk

Vorbei sind die Zeiten, als Harry und Co. noch aus einer Hand voll Polygone gehauen über die Bildschirme flimmerten: Die heutigen Figuren entsprechen verblüffend ihren Film-Pendants und bewegen

Die Figuren sehen ihren Film-Pendants verblüffend ähnlich.
sich weich durch die ansehnlichen Levels – die mit schönen Glanz- und Glitzereffekten auf Stein- bzw. Metalloberflächen protzen. Die teilweise sehr bunte Magieanwendung steht im krassen Gegensatz zum insgesamt eher düsteren Gesamtbild, welches aber ziemlich gut der Atmosphäre des Buches entspricht. Dazu gibt es stilistisch interessante und gut geschnittene Zwischensequenzen im realistisch verzerrten Comic-Stil. Leider sorgt die niedrige Auflösung auf dem PC für unnötig unscharfe Bilder, außerdem sind die verwendeten Texturen auf allen Plattformen teilweise extrem niedrig aufgelöst.

Zwar lässt euch das Programm die Wahl unter fünf Sprachvarianten – aber just die englische ist nicht dabei. Schade, denn die deutsche Variante ist zwar nicht übel, aber auch nicht gut: Offensichtlich zufällig ausgewählte Sätze passen oft nicht zum Bildschirmgeschehen, viele Sprüche sind überbetont oder schlicht albern (»Da ist das Ei!« - »Wir dürfen nicht aufgeben! Vielleicht kommen wir dann an es heran!«). Die orchestrale Musik ist da schon besser, aber leider viel zu leise – mangels Regelungsmöglichkeit könnt ihr sie auch nicht lauter machen.      

Fazit

Nein, auch der vierte Teil macht aus dem offiziellen HP-Spiel kein »erwachsenes« Action-Adventure. Zwar nähert man sich wie Buch und Film einer reiferen Klientel an, aber das Spiel greift einem nichtsdestotrotz noch viel zu sehr unter die Arme: Ihr könnt nicht springen, stattdessen wird automatisch geklettert, sobald man nahe genug an einer Kante steht. Zaubersprüche werden zufällig ausgelöst, ohne dass man mehr machen könnte als auf den Fluch-Knopf zu hauen. All das und mehr macht die Feuerkelch-Versoftung ziemlich kindgerecht – und damit sehr wenig herausfordernd für fortgeschrittene Spieler. Wie auch immer: Es macht trotzdem viel Spaß! Speziell in einer Gruppe spielt es sich dank des hervorragenden Koop-Modus’ flüssig und launig, in diesen Fällen muss man sich auch nicht mit der Solala-KI rumärgern. Insgesamt bleibt eine der besseren Filmumsetzungen – speziell für junge oder jung gebliebene Gruppenabenteurer.

Pro

schöne Grafik
gut designte und animierte Figuren
durchdachter Koop-Modus
nettes Aufstiegs-System
gute Akustik
einfache Bedienung
sehr zugänglich
stylische Zwischensequenzen

Kontra

langes Speichern und Laden (PS2)
sehr einfach
Auflösung nicht veränderbar (PC)
unzuverlässige Partner-KI
Zeitraffer-Story
recht kurz
lahme Sprachausgabe

Wertung

PC

GameCube

Eine der besseren Filmumsetzungen für junge oder jung gebliebene Gruppenabenteurer

XBox

PlayStation2

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