Redout05.09.2016, Benjamin Schmädig

Im Test: Mit Bluthochdruck auf Speed

“Blackout” ist klar, aber “Redout (ab 7,99€ bei kaufen)”? Die Begriffe beziehen sich auf zwei Seiten ein und desselben Phänomens: das Einwirken der Fliehkraft in der Luftfahrt. Wünschenswert ist dabei weder das eine noch das andere – es sei denn, man rast mit fast tausend Sachen durch die Zukunft. Dort passt es nämlich vor allem dann hervorragend, wenn man nicht nur vorm Bildschirm, sondern mit Oculus Rift oder HTC Vive am Steuerknüppel sitzt. Was das für den Blutdruck bedeutet, steht im Test.

Wenn Kräfte fliehen

Wie Redout zu seinem Namen kommt? Weil es Spielen der Marke F-Zero oder WipEout einen Aspekt hinzufügt, den sie in dieser Form noch nicht nachgeahmt haben: Donnert man an Bord eines Hochgeschwindigkeit-Gleiters so schnell durch einen Looping, dass nicht nur der Hintern, sondern auch das Blut buchstäblich in den Sitz gedrückt wird, fehlt selbiges im Kopf und man sieht Schwarz. Brettert man hingegen über eine Kuppe, während das Magnetfeld den Flieger weiterhin auf der Strecke hält, wird so viel Lebenssaft in die Rübe geschleudert, dass man einen Redout erlebt.

Reale Phänomene, die für Piloten echte Gefahren darstellen – im Arcade-Racer des italienischen Studios 34BigThings aber selbstverständlich nur einen Zweck erfüllen: zeigen, dass man mit knapp tausend Sachen durch die Zukunft rast.

Redout ist schnell und sieht fantastisch aus: Ein WipEout für die aktuelle Generation?
Und obwohl es im Spiel statt des angeblichen Blackouts nur dessen Vorstufe, den Greyout gibt, gelingt ihnen das auf Anhieb verdammt gut!

Bis an die Schallmauer

„Auf Anhieb“, da 34BigThings erst vor drei Jahren von abgehenden Studenten gegründet wurde und seitdem gerade mal zwei vergleichsweise kleine Spiele veröffentlicht hat. Das heißt aber offensichtlich nichts, denn Redout ist gemeinsam mit Fast Racing Neo auf Wii U genau das, was einst WipEout und F-Zero waren: schnelle, todschicke Rennspiele, die Reaktionsgeschwindigkeit und Fingerspitzengefühl alles abverlangen.

Will heißen, man steigt auch hier in einen der Gleiter, die mit absurd hoher Geschwindigkeit durch einen High-Tech-Entwurf unserer Zukunft zischen – am Anfang noch mit etwa 600 Sachen, später knapp vor der Grenze zur Schallmauer. Im Rahmen der angenehm ausführlichen Karriere spult man Rennen verschiedener Art ab, erhält dabei Zugang zu immer höheren Geschwindigkeitsklassen und kauft vom Preisgeld neue Schiffe sowie Module, die deren Flugeigenschaften verändern. In Einzelrennen übt man zudem nach Lust und Laune, während sich online bis zu zwölf Schnellflieger an Start und Ziel begegnen.

Rallyeflieger

Die Gleiter fühlen sich klasse an, weil sie präzise auf Eingaben reagieren, aber so behäbig ihre Trägheit überwinden, dass man mit entsprechendem Schiff und Können schon mal wie im Rallyewagen durch eine Haarnadel fliegt,

Brauchbare Schnappschüsse sind dank der Geschwindigkeit jedenfalls selten.
während die Nase auf die innere Streckenbegrenzung zeigt. 34BigThings beweist viel Fingerspitzengefühl für den notwendigen Anspruch im Arcade-Bereich.

Der Saft der Zukunft

Mit dem gelungenen Einbinden eines begrenzten Energievorrats fügen die Entwickler dem Fliegen zudem eine interessante Komponente hinzu: Die Batterie liefert nicht nur den Kraftstoff für kurze Geschwindigkeitsschübe – um etwa schnell aus einer Kurve zu beschleunigen –, sondern dient auch als Ressource für aktive Module, darunter ein besonders aggressiver Turbo, ein Aufladen beschädigter Schilde, zusätzliche Magnetstärke (a.k.a. Bodenhaftung) und ein Umleiten der Energie gegnerischer Gleiter in den eigenen Akku.

Man muss daher abwägen, ob man ein Modul aktiviert, den kurzen Schub nutzt oder ob eine andere Zusammenstellung aktiver und passiver Module vielleicht von vornherein sinnvoller ist. Immerhin verleihen passive Erweiterungen dem Schiff u.a. ein schnelleres Aufladen der Batterie, einen stärkeren Schild, höhere Beschleunigungswerte oder andere Vorteile. Man könnte also das flinke Aufladen des Akkus nutzen, um die zusätzliche Bodenhaftung ständig aktiviert zu lassen. Oder ist es besser, mit dem passiven Modul die eigene Geschwindigkeit im Windschatten eines Kontrahenten zu erhöhen, um ihm anschließend manuell Energie abzuzapfen?

Schön, dass 34BigThings ähnlich wie Fast Racing Neo auf die sonst üblichen Raketen und Minen verzichtet, um stattdessen das taktische Fliegen zu stärken! Das Individualisieren mit der gelungenen Energieverwaltung im Mittelpunkt steht dem Spiel jedenfalls hervorragend.

Spaßbremse

Eine Schwäche ist hingegen die fehlende spielerische Abwechslung auf den immerhin 20 Strecken. Die üblichen acht hätten es auch getan – mehr steckt in Sachen markante Streckenführung nämlich kaum drin. Natürlich gibt es Loopings, Spiralen, weite und enge Kurven. Einfallsreiche Hindernisse wie im derzeit einzigen großen Konkurrenten Fast Racing Neo fehlen aber, Weggabelungen gibt es keine und die meisten Kurse bestehen aus enttäuschend ähnlichen Elementen. Man vermisst besonders schmale oder breite Abschnitte sowie Kombinationen von Schikanen, durch die man mit dem richtigen Einsatz der Luftbremsen beinahe geradeaus rast.

Grundsätzlich ist die Qualität aller Kurse durchgehend hoch. Lange Geraden wechseln sich mit Unterwasser-Abschnitten, engen Kurven und spektakulären Über-Kopf-Passagen ab und sowohl die wie einer Designstudie entwachsenen Umgebungen als auch die Streckenteile sehen grandios aus! Spätestens, wenn man unter Einfluss eines Redouts in den Schleier eines Sandsturms donnert, durch den matt die Sonne scheint, spielt es fast keine Rolle

Zahlreiche Herausforderungen wie diese lockern die ohnehin abwechslungsreiche Karriere zusätzlich auf.
mehr, dass es in dieser Konsolengeneration wohl kein WipEout geben wird. Immerhin wurde das derzeit nur auf PC veröffentlichte Redout auch für Konsolen angekündigt. Dass sich die meisten Kurse sehr ähnlich sind, dämpft auf Dauer aber den Spaß.

Farbe und Fehler

Farbe bringen dafür solche Rennen in die Karriere, die satte 14 Runden dauern oder über sämtliche fünf Kurse eines Schauplatzes führen. Per Teleporter springt man dort von einer Strecke auf die nächste. Gut auch, dass sich in der Karriere Wettläufe mit und ohne eingeschaltete Module abwechseln und es sogar verschiedene Arten von Zeitrennen gibt: mal mit, mal ohne Module, mal gegen einen ständig ablaufenden Countdown, mal mit so schwachen Schilden, dass man sich kaum Fehler leisten darf.

Und wie ärgerlich ist es gerade deshalb, dass es keine weltweiten Ranglisten gibt! So umfangreich die Karriere auch ist, so wichtig wäre es für den langfristigen Ansporn, dass man nicht nur die eigenen Bestzeiten schlagen, sondern sich auch mit Freunden und Fremden messen könnte. Schade außerdem, dass man für Onlinerennen lediglich zwei der Wettkampfarten wählen und keine sonstigen Einstellungen vornehmen darf. Wenigstens das Festlegen der Geschwindigkeitsklasse wäre eigentlich ein Muss.

In der dritten sieht man besser

Und dann ist da noch die Einbindung der Virtual Reality, denn mit seiner Unterstützung von Rift und Vive beweist Redout: Hochgeschwindigkeit-Racer spielen sich „unter der Haube“ ganz vorzüglich. Erstaunlicherweise ist das

Auch wenn Kleinigkeiten fehlen und die Einbindung der Virtual Reality nicht perfekt gelingt: Redout gehört zu den Besten seiner Art!
Geschwindigkeitsgefühl dabei weniger ausgeprägt als man vielleicht annimmt; der Blutdruck hält trotz des Titels überschaubare Werte. Dass man in Loopings und anderen Drehungen der kompletten Strecke viel eher einsehen kann, wann und in welche Richtung der Kurs einknickt, erleichtert das Fliegen allerdings enorm!

Perfekt inszeniert 34BigThings das VR-Erlebnis jedoch nicht: Manche Effekte wie die Teleporter stören die Sicht nämlich auf unangenehme Art und auch die Namen und Positionsangaben über gegnerischen Schiffen wirken wie Fremdkörper im Bild. Wichtige Cockpit-Anzeigen sind zudem so platziert, dass sie in der virtuellen Realität schwer zu lesen sind. Der größte Schwachpunkt ist jedoch die schwankende Bildrate selbst auf sehr leistungsfähigen Rechnern und mit minimalen grafischen Details: Ständige Einbrüche unter die wichtige 90-er Marke machen Redout zwar nicht unspielbar – eine echte VR-Empfehlung ist das Spiel aber nicht, obwohl es durchaus das Zeug dazu hat.

Fazit

Schade: Nach hinten raus vergeben die Entwickler wichtige Chancen, um ihr im Kern sehr gutes Spiel auch auf lange Sicht auf diesem Niveau zu halten. Obwohl Redout etwa hervorragend als VR-Racer funktionieren könnte, sind weder Bildrate noch Effekte oder Anzeigen für die Virtual Reality optimiert. Die Streckenführung gleicht sich auf den meisten der 20 Kurse außerdem sehr und das Fehlen von Online-Ranglisten für den Vergleich der Bestzeiten ist ärgerlich. Abseits dieser Einschränkungen ist Redout allerdings einer der besten Hochgeschwindigkeit-Racer der vergangenen Jahre! Es sieht umwerfend gut aus und lebt von einem ausgezeichneten Fluggefühl, das man über den Einsatz aktiver und passiver Module an eigene Vorlieben anpasst – die clevere Energieverteilung auf den Einsatz von Boost oder Modul erweitert das Rasen um eine interessante taktische Komponente. Klasse sind auch die beinharten Kontrahenten: Manche Rennen der erfreulich langen Karriere muss man wiederholen, um nach Bronze oder Silber irgendwann die Goldmedaille einzusacken. Wen es am PC nach WipEout oder F-Zero verlangt, der kann seinen Durst derzeit nicht besser stillen als mit Redout!

Pro

überzeugende Flugphysik
ausführliche, abwechslungsreiche Karriere mit freier Wahl des nächsten Rennens
beinharte Kontrahenten
variables Energiesystem kann verschieden genutzt werden
motivierendes Erweitern mit aktiven und passiven Modulen sowie Ausbau der Grundeigenschaften
verschiedene Renntypen, einschließlich Langstreckenläufen
schnell vorbei rauschende Kulissen in hohen Geschwindigkeitsklassen
sehr schicke Umgebungen

Kontra

wenig Abwechslung in Sachen Streckenführung
keine Onlineranglisten für schnellste Runden
und Rennzeiten
fehlende Optionen z.B. zum Eingrenzen der Geschwindigkeitsklasse in Onlinerennen
nicht alle Rennarten können online geflogen werden
VR: ungünstig platzierte Bildschirmanzeigen stören das Sichtfeld
VR: Einbrüche der 90Hz-Bildrate auch auf sehr schnellen Rechnern und bei minimalen Details

Wertung

OculusRift

Einbrüche der Bildrate, einige unpassende Effekte und schlecht platzierte Bildschirmanzeigen stören das grundsätzlich gelungene VR-Erlebnis.

VirtualReality

Einbrüche der Bildrate, einige unpassende Effekte und schlecht platzierte Bildschirmanzeigen stören das grundsätzlich gelungene VR-Erlebnis.

PC

Schicker Racer in der Tradition von vor allem WipEout mit tollem Fluggefühl und umfangreicher Karriere.

HTCVive

Einbrüche der Bildrate, einige unpassende Effekte und schlecht platzierte Bildschirmanzeigen stören das grundsätzlich gelungene VR-Erlebnis.

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