Castlevania: Order of Ecclesia02.12.2008, Jörg Luibl
Castlevania: Order of Ecclesia

Im Test:

Aller guten Dinge sind drei? Der Klassiker Castlevania feierte 2005 auf Nintendos DS seine hervorragende Premiere, wurde 2007 sehr gut fortgesetzt und geht verdammt schnell, nach nur einem Jahr, bereits in die dritte Generation. Nach Dawn of Sorrow (Wertung: 88%) und Portraits of Ruin (Wertung: 85%) folgt jetzt die Order of Ecclesia. Zeigt Konamis Vampirjagd so langsam Abnutzungserscheinungen oder kann man die Vorgänger übertrumpfen?

Die Lust der 1000 Tode

Sie sind groß. Sie sind böse. Sie verlangen euch alles an Skills und Taktik ab: Die Bosskämpfe erinnern an die Gnadenlosigkeit alter Zeiten. Aber mit der richtigen Taktik und den passenden Glyphen könnt ihr sie alle knacken...
Ich bin tot. Ich bin wieder tot. Oh, ich bin schon wieder tot. Verflixt, bin ich jetzt wieder tot? Nicht, dass die Begegnung mit dem Tod für eine Vampirjägerin kirchlicher Schulung etwas Besonderes wäre, aber an die Häufigkeit des Scheiterns muss man sich selbst als Kenner der Vorgänger gewöhnen. Wann habt ihr das letzte Mal zwanzig präzise Schläge mit dem Streitkolben nach dutzenden präzisen Ausweichmanövern gegen ein Riesenskelett landen müssen, das euch möglichst nicht treffen darf, da ihr bei durchgedrückter Schultertaste in drei Metern Höhe hängt und bei Kontakt umgehend runterfallt?

Mein Freudenschrei nach dem Zusammenbruch des Knochenmanns kam jedenfalls von Herzen. Und während sich meine Hand entkrampfte, machte sich ein Glücksgefühl breit - hey, ich hab den Mistkerl platt gemacht! Da wusste ich noch nicht, dass dieses Skelett erst der lächerliche und harmlose zweite Bossgegner war. Dieses Abenteuer knüpft in Sachen Schwierigkeitsgrad an die ruhmreichen Serienanfänge an - schon auf dem Weg zum Ziel muss man klug attackieren und ausweichen, aber vor allem die Bosskämpfe werden euch Schweiß auf die Stirn und Schwielen auf die Daumen treiben.

Sidescroller alter Schule

Edle Zeichnungen, ab und zu Sprachausgabe und wunderbare Musik: Auch wenn die Story wenig gehaltvoll ist, kann die Atmosphäre überzeugen.
Damit richtet es sich an Haudegen alter Schule, an die Nie-Aufgeber und Immer-wieder-Versucher. Kein Wunder, denn hinter dem Spiel steckt mit Koji "Iga" Igarashi der Mann, der die Serie vor einem Jahrzehnt mit Castlevania: Symphony of the Night auf PSone in die heutige Richtung brachte: Sidescrolling von links nach rechts mit Hüpfeinlagen, viel Gemetzel und einem entsprechenden hohen Bodycount an Monstern, einem Hauch Rollenspiel inklusive Levelaufstieg und Ausrüstung. Nur wer Geduld und Skills investiert, wird das Finale mit einem seiner Enden sehen.

Der Schwierigkeitsgrad ist zwar happig, aber alles andere als unfair und noch weit weg vom fiesen Trial&Error eines MegaMan 9 , wo man sich Zentimeter für Zentimeter durch ein Minenfeld böser Überraschungen hüpfen muss. Außerdem sind die Speicherpunkte angenehm positioniert; man kann sogar überall pausieren und später an der Stelle weiter machen. Wichtig für das eigene Nervenkostüm und die geistige Unversehrtheit ist nur: Nach einem gemeisterten Bosskampf nicht (!) weiter laufen, sondern unbedingt ins Dorf zurück und sichern.

Draculajagd ohne Belmont-Clan?

Diese Spezialschläge kann man ausführen, wenn man zwei Glyphen verbindet: Hier sind es zwei Schwertglyphen. Das System lässt euch zig Möglichkeiten arkaner Kombinationen.

Erzählerisch hat Castlevania zunächst nicht viel Überraschendes zu bieten. Die Story rund um die weibliche Kirchenkämpferin Shanoa wird sehr konservativ eingeleitet und von einem ebenso klaren wie altbekannten und mittlerweile abgedroschenen Auftrag angetrieben: Finde Dracula und töte ihn. Bevor man den dunklen Lord zu Gesicht bekommt, muss man sich mit gefühlten acht Legionen dämonischer Schergen rumschlagen. Es gibt über 120 Monstertypen von der Fledermaus über Zombies, Trolle, Dämonen, Werwölfe, Ritter, Geister bis hin zu Satansfratze oder Riesenechsen.

Was sich nach klassischer Schlachtplatte der Marke XXL anhört, ist aber alles andere als Fließbandgemetzel: Erstens wurden die Gegner hervorragend designt - macht euch auf böse Überraschungen gefasst. Jeder Feind hat zudem bestimmte Schwächen und man sollte vor jedem Kampf die Waffen bzw. Taktik anpassen. Wer einfach faul und stur geradeaus wütet, kommt zwar auch an das Levelende, aber dermaßen verletzt, dass die weitere Karriere sehr teuer werden kann.       

Die alte Geschichte

Die Schauplätze sorgen für nostalgische Gruselstimmung und entführen euch erstmals nach draußen: Es gibt Sümpfe, Wälder, Pässe und imposante Küstenabschnitte samt Wellengang.
Trotz des schnell durchschauten Plots sorgt die edle Präsentation mit ihren stilvollen Zeichnungen, der vergilbten Karte, der mysteriösen Musik und der guten Sprachausgabe für ein behagliches Ambiente. Wenn man von treibenden Orgelklängen und quietschenden Schlosstüren begleitet durch die Flure springt, Schatzkisten öffnet und düstere Schergen besiegt, kommt nostalgische Freude auf; es gibt sogar erstmals englische Sprachausgabe. Schade ist nur, dass Rüstungswechsel immer noch nicht an der Figur angezeigt werden.

Richtig zur Sache geht es dann in dramatischen Bosskämpfen. Diese Kämpfe sind die Highlights des Abenteuers, denn sie verlangen euch alles ab - die richtige Ausrüstung, die richtige Taktik, das richtige Timing. Zwischendurch können die kleinen Nebengeschichten der Dorfbewohner durchaus unterhalten. In Sachen Rätseldesign liegt man zwar hinter Teil 2, aber sprechende Katzen und so manche versteckte Gebiete sorgen für angenehme Entdeckungen.

Die Macht der Glyphen

Wichtiger als der konventionelle erzählerische Rahmen oder die Flut an Gegenständen und Statistiken sind zwei wesentlichen Neuerungen. Die erste bezieht sich auf das Kampfsystem: die Glyphen. Heldin Shanoa gehört ja weder zum

Nicht täuschen lassen: Dieser erste Boss ist auch der einfachste - danach geht es steil bergauf, was Anspruch und Kampfdauer angeht.
Belmont-Clan noch hat sie eine Peitsche, aber dafür hat die Kirche sie im Lesen alter Schriftzeichen ausgebildet. Diese magische Kraft erlaubt es euch z.B. bestimmte Stellen in Räumen wie Magneten zu nutzen, um euch daran fest zu halten, darum zu rotieren und dann vielleicht in eine Richtung zu schleudern - ideal, um sich in höher gelegene Abschnitte zu katapultieren oder über Monster hinweg zu schießen.

Neben der Freischaltung dieser besonderen Fähigkeiten ersetzen die Glyphen normale Waffen durch magische Energie. Shanoa kann ihren Feinden selbige abzapfen, indem sie die Waffen quasi einsaugt und damit für sich verinnerlicht. Ein Ritter schwingt die Streitaxt? Dann könnt ihr die Inschrift einsaugen und diese Waffe als Glyphe verwenden! Ein Skelett wirft Messer? Dann her damit! Bis zu zwei dieser Waffenglyphen könnt ihr ausrüsten.

Das Besondere und spielerisch Motivierende an dieser Neuerung ist, dass sich die beiden auch geschickt verbinden lassen. Nur, wenn ihr z.B. zwei Streitaxtglyphen zusammen nutzt, könnt ihr einen Spezialschlag mit mächtigem Schaden einleiten - die Kombinationsmöglichkeiten sind enorm. Immerhin gibt es zig Waffentypen wie Messer, Schwerter, Hämmer, Streitkolben, Lanzen, Äxte, Sicheln, Schilde, Bögen und natürlich Zauber. Was gibt es sonst noch außer dem Glypheneinsatz? Zu den besonderen Bewegungen zählen die Rückwärtsrolle zum Ausweichen, die beliebte Grätsche, der Doppelsprung und das Tauchen.

In den frischen Fluten

Auch unter Wasser ist Shanoa im Einsatz, um Dracula schließlich zu besiegen.
Die zweite Neuerung betrifft die Struktur und Inszenierung der Schauplätze. Natürlich haben die Japaner auch diesmal alles edel gezeichnet und mit stimmungsvollen Hintergründen versehen - von der Gefängnisinsel über Leuchttürme bis hin zum Finale in Draculas Schloss. Aber diesmal spielt das Abenteuer nicht nur innen, sondern auch außen. Jetzt sind zum ersten Mal Wälder, Berge, Pässe und Sümpfe dabei - und die können sich sehen lassen, wenn sie im Nebel wabern oder von Mondlicht beleuchtet werden. Vor allem die Darstellung von Kanälen und überfluteten Wegen ist für DS-Verhältnisse ein Genuss. Wenn man vor herantosender Brandung von schwimmender Kiste zu Kiste hüpft, dabei Meeresungeheuern ausweichen muss und riesige Wellen im Hintergrund brechen, kommt auch technische Freude auf. Außerdem wurden die Schauplätze so angelegt, dass man sie nicht immer wieder aufs Neue durchlaufen muss - manchmal geht es klar von links nach rechts, ohne Schnörkel, und man muss nicht alles auf Anhieb erforschen, denn die Weltkarte ermöglicht den direkten Sprung zurück in bereits entdeckte Gebiete.

       

Fazit

Stirb oft. Stirb fluchend. Siege jubelnd! Mann, was habe ich vor Freude gebrüllt, als meine Streitkolben dieses verdammte Riesenskelett nach einem Dutzend gescheiterter Versuche endlich in einen Trümmerhaufen verwandelten! Warum sind die 1000 Tode hier nicht frustrierend? Weil das erstklassige Spieldesign so ausgelegt ist, dass man mit der richtigen Bewaffnung und dem richtigen Timing jede Situation meistern kann - es geht darum, die eigenen Fähigkeiten zu verbessern und klug einzusetzen. Mittlerweile geht mein intimes DS-Verhältnis mit Castlevania und Dracula ins vierte Jahr. Der erste Teil konnte 2005 die längst vergessen geglaubte Leidenschaft für Sidescroller wecken. Der zweite Teil hat mich 2007 mit seinen Team-Attacken in endlosen Dungeons wüten lassen. Und dieser edle dritte Teil beamt mich zurück in die Pionierzeit der 80er, als man wie selbstverständlich vor einem Endgegner die Zelte aufschlug, weil man erst mal ein paar Tage für die richtige Taktik einkalkulierte. Schade ist, dass immer noch eine kooperative Kampagne fehlt, dass Rüstungswechsel nicht angezeigt werden und dass der Touchscreen zu selten für kreative Rätsel genutzt wird. Aber zwei Merkmale zeichnen dieses Castlevania neben den anspruchsvollen Bosskämpfen aus: Erstens gibt es mit den Glyphen ein neues, taktisch interessantes Kampfsystem, das viele Kombinationen zulässt - ihr seid quasi immer auf der Suche nach der effizientesten Verbindung von Waffentypen. Zweitens bietet euch das Spiel erstmals Außenareale, die nach all den Jahren muffiger Kerker und Schlösser für frischen Wind sorgen: Wenn man vor tosender Brandung von schwimmender Kiste zu Kiste hüpft und Meeresungeheuern ausweicht, während riesige Wellen im Hintergrund brechen, zeigt der DS technisch ungewohnt spitze Zähne. Auch wenn ich den Belmont-Clan samt Peitsche vermisst habe, kam ich von Shanoas Glyphenzauber kaum los...

Pro

edle Präsentation+ hervorragendes Leveldesign
präzise Steuerung
klasse Kreaturendesign+ packende Bosskämpfe
neues Glyphen-Kampfsystem+ zig Waffenkombinationen+ neue, imposante Außenareale
Erkundung auch unter Wasser
an die 20 stimmungsvolle Gebiete
verschiedene Enden
stimmungsvolle Musikstücke+ erstmals mit etwas Sprachausgabe
gute deutsche Textübersetzung

Kontra

belanglose Story
Rüstungswechsel wird nicht dargestellt
keine kreative Stift-/Touchscreen
Nutzung
keine kooperative Multiplayer
Kampagne

Wertung

NDS

Hart. Edel. Vielseitig. Vampirjäger alter Schule müssen zugreifen!

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