Age of Empires: Mythologies17.12.2008, Jörg Luibl
Age of Empires: Mythologies

Im Test:

Das letzte gefeierte Spiel der Ensemble Studios auf dem PC hieß Age of Mythology: Im November 2002 wehte noch einmal der begeisternde strategische Wind mit nahezu Blizzard'scher Balance, der dem kreative Team um Bruce Shelley immer vorauseilte. Im Gegensatz zu rein historischen Titeln wie Age of Kings wurden vor knapp sechs Jahren erstmals mythologische Kreaturen und göttliche Kräfte entfesselt. Damals gab es für dieses Spektakel Platin. Was bleibt von der Faszination auf dem DS übrig?

Die Tradition wird fortgesetzt

Edel, ansehnlich und heroisch: Age of Mythology kann auf dem kleinen DS tatsächlich das Flair des großen PC-Vorbildes Age of Mythology nachahmen - und das, ohne die komplexe Spielmechanik zu beschneiden!
Das war nicht absehbar: Obwohl es mit Age of Empires III im Jahr 2005 bereits zu einer qualitativen Ernüchterung (4P-Wertung: 82%) kam, konnte bis vor kurzem niemand ahnen, dass Microsoft die Ensemble Studios nach der Fertigstellung des kommenden Halo Wars auflösen wird - das wird ein herber Verlust für PC-Feldherren alter Schule. Ich habe vor allem mit Age of Empires 2 : The Age of Kings einige der besten Schlachten meiner Spielevita ausgetragen und immer auf eine Fortsetzung dieses Klassikers gehofft. Diese Hoffnung kann man jetzt scheinbar begraben, aber dafür lebt wenigstens ein Teil der Tradition auf dem DS weiter.

Schon Age of Empires: The Age of Kings (4P-Wertung: 85%) wurde sehr gut in die kleinere Welt der Rundentaktik übertragen. Umso neugieriger war ich auf Age of Empires: Mythologies (ab 56,84€ bei kaufen) , das sich ebenso stark an der PC-Vorlage orientiert und auf die Runde umsteigt. Für die Entwicklung zeichnet allerdings nicht Digital Eclipse, sondern das Team von Gryptonite verantwortlich, das sich auf Handhelds spezialisiert hat und bisher eher durchschnittliche Spiele wie Spore Creatures, Legend of Spyro oder Crash of the Titans in ihrer Vita auflisten. Schon wenige Minuten nach Start deutet sich jedoch an, dass sie hier ein erstes Highlight in petto haben könnten.

Drei Völker, viele Götter

Als Kenner des Originals rechne ich den Entwicklern schon nach dem Stöbern in Statistiken, Optionen & Co sehr hoch an, dass sie das edle Flair auf den DS übertragen haben - egal ob reichlich verziertes Menüdesign, mythologisch angepasste Benutzeroberfläche oder markant gezeichnete Charaktere. Zwar weicht man in der etwas heiterer wirkenden Musikuntermalung leicht ab und erreicht nicht ganz die alte Wucht, aber die Klänge fließen immer noch angenehm heroisch ins Ohr. Man hat hier nicht nur auf den ersten Blick das gute Gefühl, dass die Art- und Sounddesigner akribisch auf dem PC recherchiert und ihre Eindrücke stimmungsvoll umgesetzt haben.

Die Story rund um verräterische Götter und ihre Gehilfen bildet zwar einen ansprechenden Rahmen, weil sie immer wieder kurz und bündig über Kommentare eingeflochten wird, aber sie ist weit weg von der erzählerischen Kraft eines Fire Emblem: Shadow Dragon  auf DS, wo ich um jeden Helden bange und von dramatischen Wendungen überrascht werde - auch hier bleibt man dem Erbe der Ensemble Studios treu, denn die Geschichte wurde zwar auf dem PC solide inszeniert, spielte aber schon auf dem PC eher eine stiefmütterliche Rolle im Vergleich zu den Schlachten.

Die animierten Gefechte auf dem oberen Bildschirm sind das große Highlight der Präsentation: Besser wurde in einem Strategispiel auf dem DS noch nicht gekämpft! Wohlige Erinnerungen an Age of Kings für DS werden wach...
Auch auf den zweiten Blick freut man sich aber über kleine Finessen wie bewegte Portraits der Helden, über saubere Übergänge von Dialogen zu Kampfszenen und vor allem über ansehnliche Kämpfe auf dem oberen Bildschirm. Während man unten seine Züge verwaltet, kann man sich das über Schere-Stein-Papier kalkulierte Ergebnis oben anzeigen lassen: Helden wie Herkules besiegen mit Gebrüll die finsteren Minotauren, Schleuderer lassen ihre Steine auf kampfwütige Wikinger regnen und auch hier gelten die alten Weisheiten, dass Speere goldrichtig in die Kavallerie pieksen und dass diese im Galopp selbst die gefürchteten Myrmidonen nieder reitet - das sieht alles unheimlich gut aus und wurde klasse vertont! Dieses animierte Kampfgetümmel ist das große Highlight der Präsentation. Schön ist trotzdem, dass man die Gefechte auch abschalten kann, denn man gewöhnt sich irgendwann selbst an diese Szenen und kann den Spielablauf dann komfortabel beschleunigen.

Komplexe Spielmechanik

Aber was wäre das edle Artdesign ohne ein durchdachtes Spieldesign? Noch höher rechne ich dem Team an, dass sie das komplexe Konzept der drei Mythologien, der Helden und Götter sowie des Aufbaus übernommen haben. Sprich: Es gibt drei Kampagnen zu je acht Missionen mit den eher defensivstarken Ägyptern, den ausgeglichenen Griechen und den offensiven Nordmännern, in denen historische Einheiten wie Hopliten, Streitwagenlenker & Co gegen mythologische wie Riesen, Chimären & Co antreten. Hinzu kommt, dass man wie im Original Rohstoffe wie Nahrung, Gold und göttliche Gunst auf der Karte ernten und in seiner Basis Gebäude von der Kaserne bis zum Tempel errichten kann.

Dieser Aufbau ist zwar beschränkt, man kann auch nicht überall seine Türme oder Kasernen errichten, aber er erlaubt dennoch viele taktische Freiheiten, die angenehm an das Original in Echtzeit erinnern: Zieht man lieber zwei Ställe hoch, damit man zügig die Kavallerie aussenden kann? Oder doch ein Mix aus Bogenschützen und Nahkämpfern? Setzt man lieber auf die schnelle Sicherung von Goldminen, Weizenfelder und herrenlose Tempel, damit man die entsprechenden Rohstoffe ernten kann? Denn jede Einheit kostet etwas und vor allem die mythologischen Superwesen fressen göttliche Gunst, dargestellt durch Blitze. Lobenswert ist, dass auch die Helden wie Herkules von leichter und schwerer Infanterie gekontert werden können - die Spielbalance ist damit gesichert, man kann sich nicht auf einen Truppentyp konzentrieren.

          

Göttliche Kräfte

Ihr habt die Wahl: Welcher Gott soll eure Truppen anführen? Nicht nur, dass sich die drei Völker Ägypter, Griechen und Nordmänner unterschiedlich spielen - auch innerhalb der Völker kann man variieren!
Hinzu kommen elf göttliche Kräfte für jedes Volk, so dass man immer wieder für Überraschungen sorgen kann: Sehr effizient ist der Blitz des Zeus, der nicht nur einer, sondern auch nahe positionierten Einheiten Schaden zufügt oder das Erdbeben des Ares, das ganze Gebiete samt Truppen und Gebäuden erschüttert. Die Nordmänner können sich Skadis' Frost bemächtigen und ihre Feinde für drei Züge vereisen oder feindliche Gebäude mit Heimdalls Gjallarhorn zum Einsturz bringen. Die Ägypter wiederum verhindern mit der Finsternis des Bast für satte vier Runden den Einsatz göttlicher Kräfte auf der Gegenseite und verdunkeln gleich noch das Spielfeld, so dass eigene Kreaturen an Stärke gewinnen. Und wer Sekhmet anruft, kann sein Dorfzentrum in eine mächtige Zitadelle verwandeln - ideal, wenn der Feind plötzlich vor den Toren steht!

Wenn man bedenkt, dass jeder Held zudem einzigartige Fähigkeiten wie die Stärkung oder Beschleunigung seiner Truppen hat und diese über die Forschung noch weiter entwickelt werden können, dass man sowohl Relikte erobern als auch neue Zeitalter erforschen und damit seine Einheiten verbessern kann, muss man anerkennend nicken - hier wurden nahezu alle spielmechanischen Details der PC-Vorlage übernommen! Das neue rundenbasierte Spielprinzip besteht aus Bewegen, Angreifen, Bauen oder Ausbilden. Man kann Einheiten entweder per Steuerkreuz oder Stylus über die hübschen Wüsten-, Wald-, Lava- und Schneekarten bewegen und sollte dabei auch auf die Geländefelder achten, die sich auf die Effizienz auswirken: Auf einem Hügel hat man eine höhere Sichtweite und einen Kampfbonus, ebenso auf Brücken, in einem Wäldchen steigert der sich noch mal in Form eines Überraschungsbonus. Auf Straßen kann man in einem Zug weitere Strecken hinter sich bringen und man sollte landschaftliche Sackgassen zur Staffelung von Nah- und Fernkämpfern nutzen.

Zu einfach, zu kurz?

Leider nutzt die gegnerische KI diesen Umstand in den Kampagnen zu selten und lässt sich immer wieder in diese Todeszonen locken oder einfach ausspielen. Schade bleibt auch, dass der Gegner scheinbar nicht auf eigene Bauvorhaben reagiert. Man merkt dem Spiel an, dass es für Einsteiger konzipiert wurde, denn das separate Tutorial erklärt wirklich alles in fast schon penibler Art und das Orakel verrät einem vor jedem Kampf, wie groß die Gewinnchance ist - was allerdings in Ordnung ist und auch von anspruchsvolleren Spielen eingesetzt wird.

Wer einigermaßen Erfahrung mit Rundenstrategie hat, wird daher in den ersten Stunden der Kampagnen unterfordert und diese sehr schnell meistern, zumal der Gegner zu wenig auf den geordneten Rückzug oder die kluge Einheitenheilung setzt - er schmeißt fast alles todesmutig in die Schlacht, obwohl Schere-Stein-Papier mit dem Zaunpfahl davor warnen. Die Skripte in Fire Emblem DS haben zwar auch ihre Aussetzer, sind aber wesentlich nachvollziehbarer und auf lange Sicht fordernder.

Hurra, es wird anspruchsvoller!

Vor allem der erste ägyptische Feldzug entlockt nicht mehr als ein müdes Lächeln, aber danach wird es spannender und

Auch die Karten wurden liebevoll gezeichnet und sorgen mit taktisch relevantem Gelände für die Qual der Positionierung.
auch ausführlicher. Die Schwierigkeit zieht spätestens ab Mitte der zweiten Kampagne an, denn dort wird die Schwäche im Figurenverhalten durch die Situationen im Gelände, die Truppenaufstellung des Feindes sowie seine göttlichen Kräfte aufgewogen: Man kommt also endlich ins Grübeln und freut sich sogar über finale Gefechte, die an Bosskämpfe erinnern! Neben der Kampagne warten noch ein Dutzend Szenarien, vier für jedes Volk, wobei man noch weitere freischalten kann. Diese Scharmützel bieten noch mal einige interessante Ausgangspositionen: Held Siegfried ist mit seinen Walküren umzingelt von Feinden und muss einen Ausweg finden, als Odysseus muss man einen Barbarenheer stoppen, das durch Griechenland zieht - hat aber fast nur Bogenschützen.

Schade ist nur, dass es fast immer um das komplette Vernichten des Gegners geht; hier hätten Siegvariationen gut getan. Unterm Strich solltet ihr trotz freischaltbarem Material, Spielerstatistiken & Co nicht mit der Langlebigkeit eines Advance Wars rechnen - jede Kampagne hat gerade mal acht Missionen. Dabei entsteht die Länge häufig dadurch, dass man fast immer bis zum letzten Mann kämpfen muss und der Gegner trotz totaler Unterlegenheit so lange Einheiten baut, bis seine Rohstoffe erliegen - hier hätte man evtl. über eine Kapitulation zur Beschleunigung nachdenken sollen. Das Spielgefühl ist gerade aufgrund des Aufbaus ein deutlich langsameres und weniger dynamischeres als in Advance Wars . Das hat zwar den Nachteil einer gewissen Zähigkeit, aber natürlich auch den Vorteil, dass man weitsichtiger und damit strategischer planen kann.

Skirmish & Multiplayer

Außerdem muss man dem Spiel zugute halten, dass es im Multiplayer einen Skirmish-Modus gibt und dort kann man den Schwierigkeitsgrad entsprechend anpassen. Das sorgt zwar nicht für ein wesentlich besseres Verhalten, aber auf der höchsten Stufe wird man wenigstens stärker gefordert. Es ist auch lobenswert, dass man auch mit nur einem Modul eine Schlacht mit einem Freund austragen kann: Einfach das Spiel per Download rüberschicken und los geht's! Allerdings hat man hier nur ein abgespecktes Erlebnis, denn man kann kaum Einstellungen vornehmen und kein Volk wechseln. Das ist natürlich im "Hot-Seat-Modus" kein Problem, obwohl der auf DS eher "Hot-Hand" heißen müsste: Hier bekriegen sich bis zu vier Spieler mit freier Volk- und Kartenwahl abwechseln. Richtig komfortabel ist erst das drahtlose Match gegen bis zu vier Freunde mit eigenem Modul, denn hier hat man nicht nur freie Volk- und Karten-Wahl, sondern auch eine Freundesliste.

    

Fazit

Kompliment an THQ und das Team von Gryptonite! Ich habe Age of Mythologies seinerzeit verschlungen und bin angenehm überrascht, dass man nicht nur das antike Flair in seine edle Präsentation übertragen hat, sondern nahezu alle spielmechanischen Finessen - es gibt drei komplett unterschiedliche Völker, es gibt Rohstoffernte und Basenbau, überaus ansehnliche mythologische Kreaturen und göttliche Kräfte, selbst Relikte und Helden sind dabei. Hinzu kommt, dass die sauber animierten Kämpfe und die Kulisse für DS-Verhältnisse Zeichen setzen - etwas Bessers habe ich bisher nicht auf dem Doppelbildschirm gesehen. Allerdings lässt der Anspruch in der Kampagne zu wünschen übrig: Wer einmal Advance Wars gespielt hat, wird nur müde lächeln und schnell mit Ägyptern, Griechen und Nordmännern fertig sein. Es ist zwar schade, dass die KI so dumm in Sackgassen läuft und Himmelfahrtskommandos startet, aber das wird später durch knifflige Situationen etwas ausgeglichen. Im Gegensatz zu Advance Wars spielt sich dieser Krieg etwas langsamer und kann manchmal etwas zäh wirken - eine frühere Kapitulation statt Kampf bis zum letzten Minotauren oder mehr Siegvarianten hätte hier Wunder gewirkt. Dafür sorgt der Aufbau zusammen mit den zig Kombinationen aus Helden und Kräften für angenehme strategische Tiefe. Über die kleinen Schwachpunkte trösten nicht nur die sehr gute Kulisse sowie die offene Spielmechanik, sondern auch der starke Multiplayermodus hinweg. Ihr könnt auch mit einem Modul reinschnuppern, zumal gegen Freunde auch die KI-Problematik entfällt. Und glaubt mir: Gerade der Einsatz der göttlichen Mächte sorgt ähnlich wie anno 2002 auf dem PC für herrlich böse Überraschungen! Dieses Jahr wurde ich als Stratege deutlich besser auf dem DS als auf dem Rechner unterhalten!

Pro

komplexe Rundentaktik mit Aufbau
drei Völker, drei Spielstile
gelungene Hommage an das PC-Vorbild
klasse Kampfanimationen
animierte Portraits, edles Design
Kampagnen, Szenarios & Skirmish
Gelände spielt eine Rolle
Rohstoffe ernten und Gebäude bauen
Multiplayer inkl. Skirmish, HotSeat
(abgespecktes) Multiplayer-Spiel mit einer Karte möglich
heroische Musikuntermalung
gute deutsche Texte

Kontra

wenig fordernde KI
nur ein Story-Rahmen
etwas kurze Kampagnen
manchmal zäher Schlachtablauf

Wertung

NDS

Sehr gute, sehr ansehnliche Rundentaktik mit Aufbauteil, spielerischer Freiheit sowie dem edlen Flair des PC-Vorbildes!

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