Avalon Code18.03.2010, Jens Bischoff
Avalon Code

Im Test:

Die Macher von Avalon Code (ab 72,56€ bei kaufen) sind keine Unbekannten, haben sie doch schon für Harvest Moon , Rune Factory oder die Remakes von Final Fantasy III und IV verantwortlich gezeichnet. Einige Spielelemente kommen einem daher vertraut vor. Darüber hinaus präsentiert der bereits Ende 2008 in Japan veröffentliche Titel aber auch neue Ideen. Wir verraten, welche das sind und ob sie zünden.

Das Ende als neuer Anfang

Avalon Code beginnt viel versprechend: Nachdem man sich für eine weibliche oder männliche Spielfigur entschieden hat, erwacht man aus einem immer wieder kehrenden Alptraum, der das Ende der Welt ankündigt. Doch die drohende Apokalypse scheint mehr als ein Hirngespinst.

Video: Avalon Code beschwört ein interessantes Szenario, verschenkt aber viel Potential.Wieder bei Sinnen steht man vor einem mysteriösen Monolithen, der einem ein Buch vermacht, das man mit erhaltenswerten Dingen füllen soll, die den baldigen Niedergang der Welt überstehen und in die Schaffung einer neuen mit einfließen sollen. Doch zunächst muss der auserkorene Retter und Schöpfer die Geister des Buchs wiedervereinen. Feuergeist Rempu ist von Anfang an als Berater und Begleiter mit von der Partie, von seinen Geschwistern fehlt zunächst jedoch jede Spur.

Es beginnt eine Reise quer durch das Fantasy-Reich Kaleila, dessen Bewohner trotz unheilvoller Vorboten noch nichts von ihrem bevorstehenden Schicksal ahnen. Wer jetzt spannende Endzeitstimmung und moralische Dilemmata erwartet, wird allerdings enttäuscht. Zwar kann man in grundlegenden Fragen das Aussehen der neuen Welt in gewisser Weise mitbestimmen, aber das im Mittelpunkt stehende Scannen und Archivieren von Figuren und Objekten dient primär dem Bewältigen von Hindernissen oder dem Kreieren besserer Ausrüstung. Es gilt nicht abzuwägen, sondern einfach so viel wie möglich festzuhalten - egal, ob Freund oder Feind, Dinge mit oder ohne Wert.

Auch erzählerisch wird trotz mancher Überraschungen lediglich an der Oberfläche des an sich interessanten Themas gekratzt. Der Protagonist bleibt sogar das ganze Spiel über stumm und auch die anderen Figuren bleiben vorwiegend blass oder wirken unnötig albern. Immerhin kann man über Gespräche und Geschenke je nach gewähltem Geschlecht Beziehungen knüpfen und vertiefen, wodurch man sich in teils nett gemachte Nebengeschichten verstricken kann. Im Grunde geht es aber nur darum, das Buch möglichst prall zu füllen, um möglichst viele Aufgaben bewältigen zu können. Das macht für sich genommen durchaus Spaß, da man nicht einfach Inhalte sammelt, um automatisch irgendwelche Barrieren zu durchbrechen, sondern das gesammelte manuell umstrukturieren und möglichst wirksam einsetzen muss.

Genpool im Tetris-Gewand

Jede gescannte Person, jeder Gegner, jeder Gegenstand besteht aus ineinander verschachtelten Puzzleteilen, die auf einem persönlichen Raster angeordnet sind und gezielt entfernt oder ausgetauscht werden können. Leider gibt es keinen universellen Stauraum, wo man die Einzelteile ablegen und sortieren kann. Man kann sie lediglich über ein kleines Zwischenraster von einer Figur oder einem Objekt zum anderen schieben, was mit der Zeit recht unübersichtlich wird. Trotzdem ist die Idee dahinter recht interessant. 

Sämtliche Kreaturen können eingescannt und manipuliert werden. Auch übermächtige Gegner können so ihrer Stärken beraubt und gezielt mit Schwachstellen versehen werden.
Es gibt Elementteile wie Feuer, Eis oder Blitz, Materialteile wie Eisen, Silber oder Stein, Artenteile wie Hund, Katze oder Vogel sowie Gesinnungsteile wie Hoffnung, Freiheit oder Ehre.

Durch das Umstrukturieren dieser Teile nimmt man direkt Einfluss auf seinen Besitzer, was sich u. a. in der Bewertung der jeweiligen Buchseite niederschlägt. Durch geschicktes Kombinieren lassen sich sogar individuelle Gebrechen und Schwächen heilen oder unbesiegbar erscheinende Gegner in anfällige Schwächlinge verwandeln. Verursacht man bei einem gepanzerten Kobold mit massig Lebensenergie kaum Schaden, einfach mal die harten Steinteile aus dessen Raster lösen und durch Krankheitsteile ersetzen und schon ist er deutlich geschwächt und leicht verwundbar. Vielleicht noch ein Eisteil dazu und das aktuelle Feuerschwert richtet noch mehr Schaden an.

Die Möglichkeiten sind überaus vielschichtig. Allerdings reicht es in der Regel einfach alle Teile komplett zu entfernen und durch Standardschwächen zu ersetzen. Lediglich bei Bossgegnern ist hin und wieder auch der Einsatz spezieller Waffe und Aktionen gefragt. Ausrüstungsgegenstände werden nach gefunden Basis- und Rezeptvorlagen geschmiedet, die zum Teil sogar erst korrekt zusammen gepuzzelt werden müssen. Oft lassen sich diese aber auch noch zusätzlich individualisieren, was sich nicht nur im Angriffswert, sondern auch im optischen Erscheinungsbild niederschlägt.         

Simpel, aber flexibel

Man kann in jeder Hand eine andere Waffe halten und Angriffe kombinieren. Es gibt stumpfe Waffen wie Hämmer, scharfe Klingen, Dynamit sowie Wurf- und Schusswaffen. Auch Schilde oder der Einsatz bloßer Fäuste sind möglich. Drückt man auf die X-Taste, greift man mit der rechten Hand an, bei Druck auf Y mit der linken. Hält man die entsprechende Taste eine Weile gedrückt, entfesselt man ein waffenspezifisches Spezialmanöver, während mehrmaliges Drücken eine simple Kombo erzeugt.

Das System an sich ist vergleichsweise simpel und schöpft seine Attraktivität in erster Linie aus der Wahl der individuell erstellten Waffen, die je nach Gegner mehr oder weniger effektiv sind sowie aus dem Scannen und Manipulieren der Gegner. Für zusätzliches Salz in der Kampfsuppe sorgt aber auch die Möglichkeit, den Gegner mit einem Aufwärtshaken via A-Taste in die Lüfte zu katapultieren und ihm dort mit gut getimten Schlägen Energieauffrischungen und wertvolle Juwelen zu entlocken.

Auch das Erkunden der Spielwelt wird im Buch festgehalten. Die Suche nach besonderen Merkmalen ist aber oft sehr mühsam.
Dabei hat man die Wahl ihn mit beiden Waffen zu bearbeiten und eine Weile knapp über dem Boden zu jonglieren oder ihn mit einer der beiden ausgerüsteten Waffen immer höher zu schlagen, bis er am Ende gar ins Weltall segelt, sofern man sich beim Timing der Hiebe nicht verzettelt. Anfangs ist das natürlich saukomisch, später nutzt man dieses Zeit raubende Prozedere aber nur noch bei akutem Energie- oder Geldmangel, wobei es ohnehin nicht viel zu kaufen gibt.

Ansonsten verlässt man sich lieber auf schnelle Standard- und Spezialattacken, wobei letztere beliebig oft angewandt werden können. Mit Schwertern wirbelt man eine Zeitlang wie ein Berserker durch die Gegend, mit Hämmern rammt man alles in einer geraden Linie aus dem Weg, Dynamit lässt sich platzieren und auf Knopfdruck zünden, Wurfmesser oder Projektile erhalten eine Zielsuch-Funktion. Zudem kann man mit Schilden aktiv blocken und mit den Schultertasten ausweichen. Für flächendeckende Angriffe kann man auch die Buchgeister beschwören. Die Waffen und Spezialangriffe sind aber nicht nur im Kampf praktisch, sondern kommen auch beim Erkunden der Spielwelt oder Bewältigen von Hindernissen zum Einsatz. Per Hammerflug kann man über Abgründe gleiten, mit Distanzwaffen unerreichbare Schalter aktivieren sowie mit fern gezündeten Sprengungen oder beschworenen Buchgeistern mehrere Zielobjekte gleichzeitig bearbeiten.

Dungeon-Erkundung mal anders

Das Design der Dungeons ist etwas gewöhnungsbedürftig: Statt frei zu erkundender Schauplätze mit eingeflochtenen Rätseln und umher streunenden Gegnern muss man Raum für Raum besondere Aufgaben unter Zeitdruck lösen. Mal gilt es lediglich Widersacher auszuschalten oder Kisten zu zerstören, mal Schalterrätsel oder Schieberätsel zu lösen. Das Aufgabenspektrum ist überschaubar und nutzt sich mit der Zeit etwas ab; oft gibt es aber auch diverse Nebenziele, die zusätzlich Punkte bringen. Um den nächsten Raum zu betreten, reicht es das Hauptziel zu erfüllen, egal wie lange man dafür braucht. Wer besonders schnell ist und viele Extrapunkte sammelt, erhält neben höheren Werten für seine Buchseiten aber auch oft spezielle Belohnungen wie neue Rezepte oder Energiesteigerungen. Leidenschaftliche Sammler und Perfektionisten werden jedenfalls gut beschäftigt, 

Die Dungeons präsentieren sich beim ersten Betreten als raumweiser Aufgaben-Marathon mit Kämpfen, Schalter- und Schieberätseln sowie einem Countdown im Nacken.
da man die Herausforderungen beliebig oft und auch bei späteren Besuchen mit besserer Ausrüstung wiederholen kann, um sein Ergebnis zu verbessern.

Das gilt auch für das Aufwerten des Buchs, das beim Erreichen bestimmter Werte diverse bonus-Events freischaltet, die man nebenher angehen kann, aber nicht muss. Wer alles sehen und erreichen will, muss jedenfalls viel Geduld mitbringen. Vor allem das Maximieren von Seitenwerten durch das Aufdecken ortspezifischer Besonderheiten ist sehr mühsam: Teils sind die potentiellen Besonderheiten zwar recht offenkundig, oft findet man sie aber nur durch Zufall oder stoische Beharrlichkeit, in dem man jeden einzelnen Pixel abklappert. Zusammen mit der überpeniblen Kollisionsabfrage und der Doppelbelegung der A-Taste mit Untersuchen und Aufwärtshaken werden die Nerven hierbei ganz schön belastet - zum Glück jedoch rein freiwillig.

Es gibt aber auch weit spaßigere Nebenbeschäftigungen: Sehr motivierend und effektiv ist natürlich das Schmieden immer besserer Ausrüstung sowie das Pflegen von Beziehungen, um zusätzliche Ereignisse zu Gesicht und Aufgaben gestellt zu bekommen. Wer will, kann aber auch diverse Minispiele bestreiten: Man kann sein Wissen in einem Quiz unter Beweis stellen, sein Glück mit Rubbellosen versuchen oder Gesprächspartner zu Jonglierduellen herausfordern und an entsprechenden Turnieren teilnehmen. Selbst nach Spielende gibt es noch einiges zu tun und zu entdecken.      

Fazit

Trotz des interessanten Szenarios um das Archivieren erhaltenswürdiger Dinge in einer dem Untergang geweihten Welt, kocht Avalon Code erzählerisch leider auf Sparflamme. Der Protagonist bleibt das ganze Spiel über stumm, die anderen Charaktere entwickeln kaum Tiefe und die Story bleibt trotz guter Ansätze und Wendungen vergleichsweise blass. Auch dass es trotz der Wahl zwischen männlichem und weiblichem Alter Ego nur einen Speicherplatz gibt, missfällt; die Unterschiede im Spielverlauf sind allerdings minimal. Das originelle Sammeln, Umschichten und Ausnutzen eingescannter Attribute als Puzzleteile wirkt hingegen angenehm frisch und motivierend: Man kann Gegner ihrer Stärken berauben, um damit noch bessere Waffen zu kreieren oder Geschenke für die Dorfbewohner basteln - es gibt viel zu tun und zu entdecken. Die Kämpfe in Zelda -Manier gehen gut von der Hand, die als gewöhnungsbedürftige Kampf-, Geschicklichkeits- und Puzzle-Parcours angelegten Dungeons halten trotz Abnutzungserscheinungen ein paar nette Herausforderungen parat und das Jonglieren von Gegnern bis in die Stratosphäre ist ein genauso witziger wie lohnender Zeitvertreib. Ambitionierte Jäger und Sammler, die gerne herum tüfteln, kommen jedenfalls auf ihre Kosten.

Pro

originelles Scan-Feature
motivierende Sammelreize
zahlreiche Nebenaufgaben
individuelle Ausrüstung & Spezialangriffe

Kontra

mäßige Story
stummer Protagonist
unkomfortables Inventar

Wertung

NDS

Erzählerisch eher maues, spielerisch aber durchaus interessantes Action-Rollenspiel für Sammler und Tüftler.

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