Suikoden: Tierkreis17.03.2009, Mathias Oertel
Suikoden: Tierkreis

Im Test:

Die PlayStation 2 ist nicht nur als Plattform für zahllose SingStar-Ableger erfolgreich, sondern nach wie vor auch für Rollenspieler enorm interessant. Doch Nintendos Doppelbildschirm gibt der in Ehren gealterten Konsole mächtig Zunder – auch wenn viele der Rollenspiel-Hits nur Umsetzungen älterer Titel sind, wie in jüngster Vergangenheit Chrono Trigger. Einen leicht anderen Weg geht Suikoden Tierkeis: Zwar basiert der Titel auf einer ruhmreichen Franchise, die auf PSone ihren Anfang nahm, ist ansonsten aber ein Neubeginn.

Die gute alte neue Zeit

Bei Erwähnung des Namens Suikoden dürften vor allem bei Rollenspiel-Fans einer etwas älteren Generation wehmütige Erinnerungen aufkommen. Der Mitte der Neunziger Jahre auf PSone und etwas später auch auf Saturn veröffentlichte Titel überzeugte hinsichtlich Story, taktischem Anspruch sowie Charakter-Zeichnung. Zusätzlich war die Suche nach den 108

Überzeugendes Figuerndesign, aufwändige Effekte: Suikoden Tierkreis kann sich sehen lassen.
Sternen bzw. Kriegern ein wichtiger Mosaikstein für das Fundament der PlayStation als Rollenspiel-Konsole - weit vor Final Fantasy VII.

Doch keine Angst: Man muss keinen Teil der Serie kennen, um Gefallen an Suikoden Tierkeis (ST) und der weitreichenden Geschichte des gleichermaßen namen- wie erinnerungslosen Helden finden zu können. Zwar gibt es hier und da Berührungspunkte zu den alten Teilen und die eine oder andere Parallele lässt sich ebenfalls aufspüren. Doch ST gibt sich reichlich Mühe ein neues Publikum anzusprechen. Eines, das scheinbar weder mit Suikoden im Allgemeinen noch mit Rollenspielen im Besonderen etwas anzufangen weiß.

Denn hinter den ebenso aufwändigen wie zahlreichen Anime-Sequenzen, der überraschend umfangreichen englischen und sauber untertitelten deutschen Sprachausgabe in den häufigen Schlüssel-Momenten der Geschichte sowie der technisch beeindruckenden Kulisse, verbirgt sich vor allem in der Anfangsphase ein sehr einsteigerfreundliches Rollenspiel. Vielleicht sogar einen Tick zu einsteigerfreundlich.

Falsche Bescheidenheit

Generell ist zwar nichts dagegen einzuwenden, wenn mich ein Spiel an die Hand nimmt, die ersten Schritte erleichtert und mir genügend Zeit und Gelegenheit gibt, mich an Geschichte und Spielmechanismen zu gewöhnen. Doch ST geht mir mindestens drei Schritte zu weit.

Damit meine ich nicht die gut erzählten Story-Sequenzen, die mit Umfang und Qualität Zweifel aufkommen lassen, ob hier wirklich nur ein kleines Modul seiner Arbeit nachgeht. Doch sowohl Kämpfe, Charakterentwicklung als auch alle anderen Spielmechaniken wie Inventar-Verwaltung etc. zeigen sich zu einem Großteil bar jeglichen Anspruchs. In den ersten gut drei bis vier Stunden hat man vor dem Doppelbildschirm nur selten mehr zu tun, als sich auf die Kampfautomatik zu verlassen, die man zwar umgehen kann, die dann aber die Gefechte weder spannender noch taktisch fordernder gestaltet, da man in der Anfangsphase ohnehin kaum Fähigkeiten zur Verfügung hat.

Auch Kombo-Attacken sind in den - leider zu spät - fordernden Kämpfen möglich.
Auch der Weg, dem ihr auf der Suche nach den 108 Sternen folgt, ist in der Anfangsphase zu einem großen Teil festgelegt. Sprich: Man hat das Gefühl, dass die Kämpfe und die Wege, die man zu gehen hat, nur dazu dienen, die Story-Elemente  miteinander zu verbinden. Das ist per se nicht schlecht, wird hier allerdings bis zum Exzess übertrieben.

Erst wenn sich die Geschichte öffnet, man ein paar Figuren in seine Gruppe aufgenommen und eine eigene Festung hat, von der man operiert (eine weitere ungefähre Parallele zum Ur-Suikoden), wird ST auch spielerisch interessanter.

Fluch und Segen

Dennoch bleibt trotz aller inhaltlicher Erweiterungen das Gefühl zurück, dass sich alles der Story und dem Casual-Rollenspieler unterordnet. Denn auch viel viel später hat man außer der freien Wahl aller zur Verfügung stehenden Spezialfähigkeiten keinerlei Einfluss auf die Entwicklung - was die Figuren trotz markanter Charakter-Zeichnung fast schon austauschbar wirken lässt.

Da die in den rundenbasierten Zufallskämpfen wartenden Gegner jedoch merklich höhere Anforderungen an eure maximal vier Figuren starke Party stellen (plus einem Unterstützungscharakter, dessen Aktionen nicht von euch beeinflussbar sind), wird irgendwann sorgfältige Planung bei der Gruppenzusammenstellung nötig. Und natürlich spielt auch eine Rolle, wie man die jeweiligen Recken ausgerüstet hat. Doch vor allem beim Kauf von Waffen und Rüstung vermisst man eine Vergleichsübersicht, ob die gewünschte Waffe jetzt bei der einen oder anderen Figur gut aufgehoben ist. Die bekommt man nur in der Inventar-Übersicht, wenn man tatsächlich den jeweiligen Gegenstand anlegen will. Stattdessen wird nur gezeigt, wer überhaupt in der Lage ist, die Rüstung oder Waffe zu benutzen.

      

Aber sobald man mehrere Gruppen zusammenstellen muss, um diese gegen eine größere Gegneranzahl in die Schlacht zu schicken, kommt beinahe das alte taktisch geprägte Suikoden-Gefühl auf.

Dennoch: Unter dem Strich bleibt alles zu sehr an der spielerischen Oberfläche. Viel Potenzial bleibt vor allem in strategisch-kämpferischer Hinsicht und möglicher Charakter-Entwicklung ungenutzt.

Da können auch kleine Hilfen wie die generell am Anfang einer Kampfrunde verwendeten Heilsprüche oder -Gegenstände

Viele der Zwischensequenzen wurden mit sauberer Sprachausgabe vertont!
nicht mehr viel ausrichten - zumal auch diese eher wie eine weitere Verbeugung vor dem Gelegenheitsspieler erscheinen, damit er ja nicht kalkulieren muss, wie er seine Heilfähigkeiten am besten einsetzt.

Auch die Möglichkeit, die Rohstoffe, die man nach den Kämpfen erbeuten kann, in den verschiedenen Städten (die größtenteils unterschiedliche Preise haben) gewinnbringend zu verkaufen, wirkt nur auf den ersten Blick interessant. Zum einen gerät man nur äußerst selten in Geldnot, zum anderen haben die Verkäufe kaum Einfluss auf bestimmte Preisentwicklungen. Sprich: Auch das Handelssystem bleibt wie fast alles sehr oberflächlich.

Verdammt noch mal

Und dennoch: Ich schaffe es nicht, von Suikoden Tierkreis loszukommen. Trotz aller Zugeständnisse an den Mainstream, trotz aller Vereinfachungen, trotz Fehlens einer Karte in den gefährlichen von Monstern bewohnten Gebieten. Ja: Die Kämpfe fordern nur selten, wenn man sich einmal auf eine bewährte Fähigkeitenzusammenstellung eingeschossen hat. Und ich bedauere es immer noch, dass ich so verdammt wenige Möglichkeiten habe, meine Figuren hinsichtlich ihrer Charakterwerte nach meinen Wünschen zu formen.

Doch die Geschichte des Helden, der auf der Suche nach seiner Vergangenheit nicht nur mit den 108 Sternen, sondern auch mit zahlreichen anderen Dimensionen Kontakt aufnimmt, zieht mich in ihren Bann. Und das, obwohl die häufig mehrere Möglichkeiten zur Antwort bietenden Dialoge eher Alibi-Funktion haben und keine Auswirkungen auf den Ausgang des Gespräches oder den weiteren Spielverlauf zu haben scheinen.

Doch die sehr schnell im Mittelpunkt stehende Frage um Vorsehung, Schicksal und Selbstbestimmung, angereichert mit Freundschaft, Wissenschaft, Religion und Verrat wird mit lebendigen, wenngleich leicht überzogenen Dialogen erzählt und lässt mich schnell über viele der nur selten über Standard-Anforderungen hinausgehenden Kämpfe sowie die anderen erwähnten Mankos hinweg sehen.

Vorbildliche Technik

Und zu allem Überfluss gehört Suikoden Tierkreis auch technisch zu den Vorzeigeprodukten auf Nintendos Doppelbildschirm.  Die malerischen Hintergründe, in denen immer wieder kleine Animationen wie durch die Baumwipfel scheinenden Sonnenstrahlen, in denen Staub tanzt oder die "typischen" Schmetterllinge auf sich aufmerksam machen, sind

Idyllisch, prächtig, wunderschön: Die Kulisse von Suikoden Tierkreis gehört zum Besten, was das Ganre auf DS zu bieten hat.
nur der Anfang. Es geht weiter mit dem ausgefeilten Design der Polygonfiguren, die mit ihren "Großköpfen" an die Darsteller aus Final Fantasy Crystal Chronicles Rings of Fate erinnern, und die sowohl im erforschenden Abenteuer-Modus als auch in den Kämpfen mit sauberen Animationen die Suikoden-Welt zum Leben erwecken. Und als Sahnehäubchen gibt es für Genießer wie bereits erwähnt, haufenweise gute, allerdings englische Sprachausgabe, die den Charakteren zusätzliche Tiefe verleiht.

Lob gebührt auch der Benutzerführung: Zwar gibt es keine unbedingt den Stylus erforderlichen Kontrollen wie irgendwelche Symbole, die bei Zaubern auf den unteren Schirm gekritzelt werden müssen. Doch mit der Möglichkeit, seine Figuren komplett ohne Knopfdruck per Stift durch das Abenteuer führen zu können, wird größtmöglicher Komfort geboten, um sich von Kampf zu Kampf und von Story-Sequenz zu Story-Sequenz hangeln zu können.

Online-Rollenspiel?

So konservativ und verhalten sich Suikoden Tierkreis in vielerlei Hinsicht zeigt, so fortschrittlich zeigt es sich vor allem in einem Punkt: Online-Anbindung. Zwar kann man sich nicht direkt mit mehreren Spielern ins Abenteuer stürzen. Doch die ohnehin auch innerhalb der Story angedeutete Möglichkeit von einer nahezu "unendlichen" Anzahl an Parallelwelten wird hier konsequent ausgenutzt. Sprich: Man kann untereinander Figuren austauschen und so z.B. für einen Freund entweder eine niedrige Figur "mitschleppen" und wie es so schön heißt "aufleveln". Für diesen Zeitraum muss derjenige, der den Charakter ausgeliehen hat, auf ihn verzichten - sehr konsequent! Im Gegenzug darf die Figur nach dem Rückimport jedoch auch alle Gegenstände behalten, die sie in der anderen Dimension als Belohnung für erfüllte Aufgaben bekommen hat.

Hinsichtlich des Figurenexports gewinnt auch endlich die im "Solo-Modus" eher unwichtig erscheinende Verteilung der Zauberfähigkeiten an Bedeutung, da man auf diesem Wege unter Umständen einen völlig einzigartigen Charakter kennenlernt und für einen kurzen Moment in "seinem" Universum begrüßen darf.

Das ist zumindest die Theorie, da ich über die gesamte Testphase hinweg nur wenige Spieler in der Online-Unendlichkeit gefunden habe und dementsprechend nach nur einer "Verleihung" in dieser Hinsicht keine ausreichenden Erfahrungen machen konnte. Da die Online-Funktionalität jedoch nur ein schmückendes Beiwerk ist, hat sie keinen Einfluss auf die Wertung.

Fazit

Was Konami auf das kleine Modul gequetscht hat, macht Suikoden Tierkreis zu einem technisch beeindruckenden Spektakel: Die in die Dutzenden gehenden Spielstunden sind gefüllt mit idyllischen Hintergründen, aufwändigen Polygonfiguren, gut inszenierten Anime-Filmchen, liebenswerten Charakteren und haufenweise Sprachausgabe. Und so ist es auch kaum verwunderlich, dass die interessante, wenngleich mitunter etwas zu langatmig erzählte Geschichte um den erinnerungslosen Helden überaus motivierend ist. Mit den 108 Sternen, von denen jeder für eine eigene mögliche Figur für die Gruppe steht sowie der Festung, zu der man immer wieder zurückkehrt, finden sich zudem Elemente, die bei Serienkennern wohlige Schauer auslösen. Dennoch: Inhaltlich ist der Kniefall vor den Neueinsteigern nicht nur ins Suikoden-Universum, sondern auch in Rollenspiele im Allgemeinen zu groß. Viel zu lange wird man an die Hand genommen, erst nach ca. vier bis sechs Stunden, gibt es endlich Entscheidungen hinsichtlich Gruppenzusammenstellung und öffnet sich die Spielwelt. Dann leidet es allerdings immer noch an den optionalen Kampfautomatismen, die die Auseinandersetzungen zwar optisch opulent, aber spielerisch mit Hang zur Gleichförmigkeit gestalten, da Taktik ebenfalls erst viel zu spät gefordert wird. Mit der Möglichkeit, seine Figuren online "ausleihen" zu können  und an dem Abenteuer von Freunden teilhaben zu lassen, bekommen DS-Rollenspieler immerhin eine weitestgehend unbekannte Ebene zu Gesicht. Dennoch: Das Potenzial, das als Rollenspiel in Suikoden Tierkreis schlummerte, wird abgesehen von der Technik nur angekratzt. Dass das opulente Abenteuer trotzdem inahltlich gut unterhält, lässt die verschenkten Möglichkeiten aber umso ärgerlicher wirken.

Pro

gut erzählte Geschichte
haufenweise spielbare Figuren
opulente Sprachausgabe
wunderschöne Kulisse
saubere deutsche Texte
Kombo-Attacken möglich
abwechslungsreiche Musik-Untermalung

Kontra

langatmiger Einstieg
zu viele Kampf-Automatismen
Gegenstandswerte nicht direkt vergleichbar
kaum Einfluss-Möglichkeiten auf Figuren-Entwicklung
nur selten taktische Tiefe
Dialog-Auswahl scheinbar ohne Auswirkungen

Wertung

NDS

Technisch beeindruckendes und wunderschön erzähltes DS-Rollenspiel, das allerdings zu spät in Fahrt kommt und zu viele Automatismen besitzt.

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