Mario & Luigi: Abenteuer Bowser09.10.2009, Paul Kautz
Mario & Luigi: Abenteuer Bowser

Im Test:

Man muss Mario sowie Nintendos ganzes Marioversum nicht mögen. Man kann dem Schnauzbartfreund aber mit Sicherheit nicht unterstellen, nicht abwechslungsreich genug zu sein - findet er sich doch in fast jedem Genre wieder, das von Menschen erdacht wurde. Und einige seiner großartigsten Auftritte fanden bislang in den Action-RPGs statt, von denen es bislang deutlich zu wenige gibt. Jauchzet und frohlocket, denn ab sofort kommt ein weiteres dazu - und es ist abermals ein Geniestreich!

Trio mit 1.000 Angriffen

Video: Spielerisch folgt Abenteuer Bowser den Spuren der beiden Vorgänger, verfeinert die Design-Rezeptur allerdings in jedem Bereich.Die einstmals eherne Regel, dass das Blaublut Prinzessin Peach am Anfang jedes Mario-Spiels gefälligst von Bowser entführt gehört, gilt schon seit einer ganzen Weile nicht mehr. Genau genommen wurde der Spieß sogar schon mal  umgedreht: In Super Princess Peach musste das Blondchen zur Abwechslung mal die entführten Klempner-Brüder befreien. Mario & Luigi: Abenteuer Bowser (ab 198,77€ bei kaufen) findet sich irgendwo in der Mitte dieser beiden Szenarien: Keiner wird entführt, aber doch hängen alle irgendwie zusammen. Alles beginnt damit, dass im friedvollen Mushroom Kingdom auf ein Mal eine unbekannte Seuche ausbricht. Harmlose Toads schwellen auf einmal auf Hausgröße an, ein eilends einberufener Krisenrat findet schnell einen unbekannten Besucher, der mit obskuren Pilzen handelt, als Übeltäter heraus. Just als man sich darauf einigte, dass dem Übelburschen schnellstmöglich das Handwerk gelegt gehört, platzt Bowser in die Runde und will mitspielen - klar, dass dieser gehörnte Elefant im Porzellanladen für eine mittelschwere Katastrophe sorgt. Lange Rede, kurzer Sinn: Bowser fällt ebenfalls auf einen lecker aussehenden Pilz rein und bekommt auf einmal einen Sauganfall - in dessen Rüssel das halbe Königreich eingeatmet wird, inkl. Mario, Luigi, einem Haufen Toads sowie natürlich der Prinzessin. Kein Problem, sollte man sich sagen, einmal kräftig geniest und schon geht alles wieder seinen gewohnten Gang. Aber so einfach ist das nicht...

Wer einen der beiden Vorgänger gespielt hat, der weiß um das Spielsystem von Abenteuer Bowser. Nach wie vor dreht sich das Spiel um höchst alberne Dialoge, herrlich bekloppte Figuren, einfache Puzzles sowie actionreiche Rundenkämpfe. Allerdings gibt es im direkten Vergleich zum Vorgänger doch einen sehr wichtigen Unterschied: Die Baby-Varianten von Mario & Luigi sind weit und breit nicht zu finden. Stattdessen gesellt sich schon nach kurzer Spielzeit Bowser höchstpersönlich in die Riege der steuerbaren Figuren - und bringt einige frische Kampfmanöver mit sich. Als Koopa der Tat ist seine Waffe der Wahl natürlich seine männliche Faust, mit der er massiven Schaden anrichtet. Außerdem kann er Feuer speien, sich zum Schutz kurzzeitig in seinen stacheligen Panzer verziehen, mittels

Wie gewohnt laufen die Kämpfe rundenweise ab, wobei Echtzeit-Komponenten in Angriff und Verteidigung für angenehme Hektik sorgen.
seiner großen Lunge (und unter Zuhilfenahme eines Vakuum-Items) Gegner sowie Items aufsaugen und später auch kleinere Goomba-Armeen auf seine Feinde hetzen. Die Brüder hingegen bleiben in ihren Aktion auf Bekanntes beschränkt: Auf Gegnerköpfe hüpfen hier, mit dem großen Hammer herumprügeln da, mit Feuerblumen und Schildkrötenpanzern um sich werfen dort.

Mein Level ist besser als deiner!

Die Kämpfe laufen serientypisch rundenweise ab, allerdings mit einer erfrischend actionreichen Echtzeit-Komponente: Standardmäßig ist jede auf dem Bildschirm befindliche Figur nacheinander an der Reihe; man kann auf verschiedenen Arten angreifen, ein Item benutzen, einen Spezialangriff einsetzen (sofern die entsprechenden Punkte vorhanden sind) oder unter Geldverlust die Beine in die Hand nehmen. Damit lässt sich jeder Kampf gewinnen, ist aber ungefähr so aufregend wie eine Angelrunde im Seniorenheim - außerdem wird man so dauernd getroffen. Um das zu vermeiden und den Fights ein wenig mehr Pep zu verleihen, kommt die aktive Komponente ins Spiel: Jedem Angriff des Gegners kann ausgewichen werden, wenn man auf verräterische Merkmale achtet, die vor jeder Attacke erfolgen. Mal wird ein Beinchen gehoben, mal in eine bestimmte Richtung gezwinkert, mal bewegt sich ein Schatten. Nicht nur kommen Spieler mit scharfem Augen und guten Reaktion somit ohne Kratzer aus jedem Kampf heraus, auch bietet sich ihnen bei jedem feindlichen Angriff die Chance zur Gegenattacke: Sitzt das Timing, kann man direkt beim Ausweichen einen Konterschlag ausführen. Außerdem hat man bei manchen Angriffen die Möglichkeit, die Attacke kurz zu verzögern, um den Schaden zu erhöhen - wartet man aber zu lange, verpufft all die Extra-Energie und man macht weniger Schaden, als man ursprünglich gemacht hätte - ein motivierendes Reaktionsspielchen! All das mag kompliziert klingen, geht aber nach kurzer Spielzeit in Fleisch und Blut über, außerdem sind niedlich gestaltete Tutorials zur Stelle, falls System-Neulinge von Fragezeichen umschwirrt sein sollten.

Der dritte im Bunde, Bowser, unterscheidet sich spielerisch deutlich von den Brüdern - u.a. kann er mächtig mit der Faust zuhauen und Feuer speien.
Die Kämpfe gehen auch dieses Mal teilweise über beide Bildschirme, allerdings anders als beim Vorgänger: Zuerst kämpft man auf dem oberen Screen mit Bowser, der kleinere Widersacher einsaugt. Dann erfolgt ein Zoom auf seinen Bauch zu den beiden Brüdern, die sich in seinem Innern tummeln - und dort für ihn die gerade verschluckten Feinde bekämpfen. Neu und wichtig ist auch die Art und Weise, mit der man jetzt Spezialattacken erhält: Statt diese einfach geschenkt zu bekommen, erfordern sie jetzt teilweise die Suche nach bunten Puzzleteilen. Hat man genug von einer bestimmten Sorte beisammen, wird der extra-starke Angriff freigeschaltet. Keine Sorge, das artet nicht in blöde Sucharbeit aus - die Teile sind grundsätzlich auf einem recht überschaubaren Gebiet verteilt, das Aufsammeln aller benötigten Stücke ist normalerweise ein Klacks. Sind alle Gegner besiegt, geht es an die Erfolgsauswertung: Für jeden gemeisterten Kampf erhalten alle beteiligten Parteien Erfahrungspunkte, die in unregelmäßigen Abständen zu steigenden Rängen führen - die wiederum bringen automatisch verteilte Punkte für zusätzliche Lebensenergie, stärkere Widerstandskraft oder höheren Schaden mit sich. Zum Abschluss der Ausschüttung darf man noch, Tradition ist Tradition, ein paar Extrapunkte in einer Art Mini-Roulette abstauben. Nettes Detail am Rande: Der Levelaufstieg wird dieses Mal in Form der guten alten Levelendfahne visualisiert.         

Mehr Muckis, aber zackig!

Video: Keine schreienden Babys mehr, dafür Bowser. Der Koopa-König ist die perfekte Ergänzung zu den beiden Brüdern und für einen großen Teil der Lacher in der witzigen Story zuständig. Wer den Klassiker »Die Reise ins Ich« gesehen hat, der weiß, dass miniaturisierte Bewohner des eigenen Körpers die Macht haben, einem selbst zusätzliche Kräfte zu verleihen. Im Falle von Abenteuer Bowser sind die Bewohner Mario & Luigi, die Bowser immer wieder wortwörtlich unter die Arme greifen müssen. Wenn er z.B. versucht, eine Insel am Tau zu ziehen, einen gigantischen Steinwurm anzuheben oder eine Riesenmöhre zu pflücken, reichen seine Standard-Muskeln nicht aus - da braucht's etwas Red Bull von innen! Also spurten die Brüder schnell zum aktiven Bereich und versuchen sich dort an einem über mehrere Runden gehenden Reaktionsspielchen, mit denen der Bizeps des Koopa aufgepumpt wird. Auf dem Weg haben die beiden allerdings alle Zeit der Welt, denn bei Bowser geht's erst weiter, wenn die beiden ihrer Pflicht nachgekommen sind. Vorher können sich die beiden allerdings die Zeit auf unterschiedliche Art und Weise vertreiben.

Da wäre z.B. der Besuch in einem der Shops, die gelangweilte verschluckte Toads im Innern von Bowser aufgemacht haben - dort gibt es gegen klingelnde Münze neue Klamotten, Ausrüstungsgegenstände oder diverse Items, die heilen, den Angriff oder die Verteidigung verstärken. Ein anderer Minutenkiller nennt sich »Challenge Node« - hier warten diverse Minigames (die zum Teil erst freizuschalten sind), in denen man wie gewohnt seine Reaktionsfähigkeit unter Beweis stellen kann, um neue Klamotten oder Bargeld zu gewinnen. All zu viel Zeit sollte man sich aber trotzdem nicht lassen, denn das Spiel ist auch so umfangreich genug: 20 Stunden gehen

Der Stylus kommt nur in Sonderfällen zum Einsatz - wie hier, wenn Bowser seine Goombas auf den Feind hetzt und ihnen per Tapser etwas Feuer unterm Hintern macht.
locker für das ganze Abenteuer drauf, danach darf man wie gewohnt weitere Zeit mit der Suche nach Bonusitems verschwenden. Aber leider auch dieses Mal nur ganz allein, was natürlich dem Wiederspielwert dezent im Weg steht - kein wie auch immer gearteter Mehrspielermodus weit und breit. Immerhin muss man nicht zu viel Zeit mit dem Herumstapfen durch das große Mushroom Kingdom verbringen: In jedem Abschnitt gibt es mehr oder weniger gut versteckt einen Transporter-Stein, mit dem man ratzfatz zwischen allen bisher gefundenen Lokalitäten herumreisen darf.

Pixelliebe Reloaded

Wenn die bisherigen M&L-Teile für eine Sache berühmt waren, dann auf jeden Fall für den brillanten Humor. Wer der Meinung ist, dass das zweite Spiel nicht mehr ganz so unterhaltsam war wie der erste Teil, der dürfte spätestens jetzt Tränen aus den Augen wischend zufrieden sein: Abenteuer Bowser ist witziger denn je! Es gibt unendlich viele Anspielungen auf das Marioversum, ganz besonders die Dialoge zwischen Bowser und seinen Untergebenen sprühen vor Wortwitz und Selbstironie - und Oberbösewicht Krankfried ist bescheuerter denn je! Allerdings gilt das in erster Linie für die englische Fassung des Spiels; die deutsche ist nicht schlecht, aber es fehlt einfach der Extraschliff Genius und Albernheit in den Dialogen.

Und auch die andere Berühmtheit kommt beim zweiten DS-Spiel der RPG-Brüder nicht zu kurz: Die Präsentation. Ja, wer sich gerade eine mehrere Monatsgehälter fressende Grafikkarte in seinen Stadtheizer-PC geschraubt hat wird beim Anblick der krümeligen 2D-Bilder vermutlich japsend nach dem Riechsalz greifen. Aber wer ein Faible für Pixelkunst hat, der wird hier ein ums andere Mal verzückt mit der Zunge schnalzen - vom künstlerischen Niveau her liegt Abenteuer Bowser locker auf einer Ebene mit Meisterwerken wie der Metal Slug-Reihe! Liebevoll gepinselte Hintergrundbilder, wahnwitzig detailverliebte Animationen, subtile, aber wirkungsvolle Effekte - einmal mehr beweisen die Entwickler von AlphaDream eindrucksvoll, dass sie wahre Pixelschubsermeister sind! Oh, und vom Notenjonglieren verstehen sie auch was: Die niedlichen Melodien gehen nicht nur ebenso gut ins Ohr wie ins Bein, sondern gehen beim Wechsel vom oberen zum unteren Bildschirm auch noch flüssig ineinander über. Denn je nachdem, ob man Bowser oder die Gebrüder steuert, ertönt die gleiche Melodie unterschiedlich instrumentiert, immer zur Umgebung passend. Zusätzlich gibt es noch das serientypische Gebrabbel der Brüder sowie mächtiges Gebrüll von Bowser.

Die DS-Sonderfeatures werden dieses Mal übrigens etwas stärker als noch beim Vorgänger genutzt. Der Touchscreen komm immer wieder mal zum Einsatz: Etwa, wenn man Rubbellose freikratzt oder Bowsers Untertanen auf den Feind hetzt und ihnen der Stylus-Stupser Feuer unterm Hintern macht. Auch das Mikrofon kommt zum Einsatz, allerdings nur selten - und auch eher doof wie im Falle der Erstürmung der Bowser-Festung.      

Fazit

Ach, ich vermisse Steckweg 08/20 - der laberfreudige Koffer war mein bester Freund im Vorgänger, und der Sternenkumpel im aktuellen Spiel kann nicht mit dem fröhlich lächelnden Gepäckstück mithalten. Das ist aber auch so ziemlich der einzige Nachteil des Spiels im Vergleich zu seinem Wegbereiter, dem Abenteuer Bowser sonst in jeder Hinsicht überlegen ist: Die Grafik ist nach wie vor nur 2D, aber nach wie vor wunderschön, und detailverliebter als je zuvor. Der Humor ist einmal mehr ein voller Erfolg, die teilweise atemberaubend bekloppten Dialoge sind es wert ausgedruckt und als Tapete an die Wand gepappt zu werden, um sich täglich daran zu erfreuen. Wunderbar liebenswert-alberne Figuren, einfache Steuerung, mit Bowser die coolste frische Spielfigur seit langem - und nicht zu vergessen das angenehm hektische Echtzeit-Kampfsystem, das wunderbar mit den sonst so gemütlichen Rundengefechten kontrastiert. Schade nur, dass die Puzzles so simpel geraten sind und immer noch kein Koop möglich ist, was gerade dem Wiederspielwert nicht gut tut. Auf der anderen Seite liefert Abenteuer Bowser locker 20 Stunden des besten Action-RPG-Vergnügens, das derzeit für Geld zu haben ist!

Pro

knuddelige, liebevolle Präsentation
tolle Sounduntermalung
beeindruckend großer Umfang
großartiger Humor
einfache Steuerung
herausfordernde Bosskämpfe
angenehm hektisches aktives Kampfsystem

Kontra

wenig Wiederspielwert
sehr simple Puzzles

Wertung

NDS

Ein in jeder Hinsicht brillantes Action-RPG: Liebevoll präsentiert, umfangreich, herausfordernd und vor allem schweinekomisch!

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