Professor Layton und die Schatulle der Pandora22.09.2009, Jörg Luibl
Professor Layton und die Schatulle der Pandora

Im Test:

Ein prächtiger Zug rauscht wie ein grüner Lindwurm durch malerische Hügel, unter strahlend blauem Himmel an saftigen Wiesen vorbei. Als der Molentary-Express mit einem Schnauben anhält, steigen ein Mann mit braunem Zylinder und ein Junge mit blauer Mütze aus. Auf dem Weg vom Bahnsteig in das Dorf werden sie von Akkordeonklängen begleitet, die an die Unbeschwertheit des französischen Spielfilms "Die fabelhafte Welt der Amélie" erinnern. Auch das Rätselabenteuer dieses sympathischen Duos ist fabelhaft.

Charmanter Zeichentrickstil

Diesmal führt es Professor Layton und seinen Assistenten Luke per Zug in die weite Welt der Rätsel. Wer hat bloß Laytons Mentor ermordet? Keine Bange: Es gibt deutsche Texte und deutsche Sprachausgabe.
Professor Layton gehörte 2008 zu den drei besten Spielen für Nintendo DS. Nur ganz knapp musste man sich bei der Wahl zum Spiel des Jahres "The World Ends With You" geschlagen geben. Nicht nur die Presse war begeistert vom kreativen Mix aus Comicabenteuer und Knobelquiz, das dem Boom kalter Logiktrainer und der elenden Casualquizwelle einen qualitativen Kontrapunkt entgegen stellte: Das britische Ermittlerduo stürmte mit seiner sympathischen Art auch die Verkaufscharts. Kein Wunder, dass das Team von Level 5 recht zügig einen Nachfolger entwickelt hat. Und der kann sich nicht nur sehen, sondern auch hören lassen.

Nintendo bietet jetzt auch deutsche Sprachausgabe an, die den Charakteren wesentlich mehr Leben einhaucht. Natürlich kann man über die Tonalität der einen oder anderen Stimme streiten, aber unterm Strich ist diese Lokalisierung gelungen und eine klare akustische Bereicherung für ein Spielerlebnis, das von wunderschönen Zeichentricksequenzen getragen wird: Der DS verwandelt sich in eine kleine Leinwand, auf der ein nostalgisches Gemälde entsteht. Man fühlt sich auch diesmal an Filme wie "Chihiros Reise ins Zauberland" von Hayao Miyazaki erinnert - wer Layton kennt, wird sich schnell heimisch fühlen.

Ein Krimi zum Knobeln

Allerdings geht es nicht um Fantasy und Dämonen, sondern erneut um einen Krimi mit leicht mysteriösem Flair sowie die Macht der Logik. Die Geschichte kommt mit einem Mord an einem Bekannten des Professors sehr schnell in Gang: Wer ist für den Tod an seinem Lehrmeister verantwortlich? Was hat es mit der Schatulle der Pandora auf sich, die scheinbar das Motiv für den Mord war? Und was war das für eine dunkle Gestalt, die den Professor und Luke im Hintergrund beobachtet? Über diese Zeichentrickszenen entsteht bei aller Idylle auch eine leicht bedrohliche Atmosphäre im Stile englischer Detektivfilme, zumal die Story trotz einiger vorhersehbarer Auflösungen sehr unterhaltsam ist - mir gefiel sie besser als die vorherige.

Rangieren für Tüftler: Wie bekomme ich beide Züge auf den jeweils anderen Stellplatz?
Ein Zugticket am Tatort lässt die beiden Spürnasen den luxuriösen Molentary-Express mit seinen illustren Gästen besteigen; auch diesmal sorgen bizarre Charaktere und Zwischenfälle für Unterhaltung.

Sehr gelungen, weil unaufdringlich und kompakt, ist auch die Zusammenfassung "Was bisher geschah", wenn man einen Spielstand lädt - so kann man auch nach langer Zeit problemlos den roten Faden finden. Etwas nervig ist lediglich, dass man zum Freischalten der Rätsel manchmal an bekannten Schauplätzen hin und her laufen muss, um nach erneuten Dialogen endlich ein weiteres Rätsel zu bekommen. Sehr komfortabel ist, dass sich drei Spielstände verwalten lassen - so können auch Oma, Schwester oder Tochter separat losrätseln.

Das interaktive Rätselbuch

Sobald sich die beiden Spürnasen im Stile eines Sherlock Holmes und Dr. Watson auf die Recherchereise begeben, sorgen die offenen Fragen und die vielen Aufgaben (es gibt knapp 150 und damit 20 mehr als zuvor) dafür, dass man den DS gar nicht mehr weglegen will. Es gibt Such- und Spiegelspiele, Denk-, Mal- und Ausschlussaufgaben, Geometrie und Algebra, Mengenlehre und Statistik, es gibt optische Täuschungen und Scherzfragen, es gibt Verschiebe- und Logikrätsel, es gibt Kombinations- und Puzzlespiele, einen Hauch Sudoku sowie Rechen- und Symbolrätsel.

Auch diesmal beruhen die Denkaufgaben auf Akira Tagos erfolgreicher Buchreihe "Gymnastik für den Kopf", die in Japan auch als dreiteilige Reihe (Reiton-ky'ju) für den DS erschienen ist. Dieser Professor im Ruhestand hat sich vor allem mit Psychologie beschäftigt und das merkt man den Aufgaben an: Manchmal hilft die Intuition mehr als die pure Rechnerei. 

Im Speisewagen des Zugs halten sich allerlei illustre Gäste mit bizarren Rätseln auf. Und wohin ist nur der Junge verschwunden?
Zu den leichteren gehören noch Aufgaben wie diese: Wie kriege ich drei unterschiedlich große Pfannkuchen vom linken Teller über den mittleren auf den ganz rechten, ohne dass ein kleinerer jemals unter einem größeren liegt? Etwas kniffliger wird es schon, wenn Mathematik und Logik gefragt sind: Wie bekomme ich als Reiter, der nur ein Pferd zusätzlich nebenher traben lassen kann und immer die langsamste Geschwindigkeit berücksichtigen muss, vier unterschiedlich schnelle Pferde am schnellsten von A nach B? Oder wie viel Verlust macht ein Händler, dem eine Frau beim Kauf von 30 Euro teuren Schuhen einen falschen Fünfziger andreht, den der Händler zum Wechseln wiederum ins Nachbargeschäft bringt? Übrigens gilt dabei zu berücksichtigen, dass die Schurkin zwanzig Euro zurück bekommen hat und dass die Dame vom Nachbarladen die getürkte Banknote erkennt und umgehend eine echten Fünfziger aus der Kasse erhält.

Das neue Notizbuch

Natürlich handelt es sich bei den meisten um Variationen bekannter Kopfnüsse. Und für meinen Geschmack muss man etwas zu oft Dinge verschieben. Aber das Schöne ist, dass trotzdem keine Langeweile aufkommt. Zum einen werden sie auf kreative Art neu arrangiert, zum anderen müssen selbst Kenner auf den doppelten Boden der Logik achten. Besonders hilfreich ist hier die neue Notizblattfunktion: Man kann über jedes Rätsel eine Art Folie legen, durch die noch alles an Indizien durchscheint, aber auf der man dann auch komfortabel Linien ziehen, Flächen ausmalen oder Zahlen aufschreiben kann - die eigenen Zeichnungen bleiben selbst dann erhalten, wenn man zwischendurch die Menüs wechselt.

Auch das vorbildliche Hilfesystem kommt wieder zum Einsatz: Wer den Zug oder die Dörfer über den Stylus erkundet, kann eine beschränkte Zahl an goldenen Münzen finden. Und für diese kann man wiederum einen von drei Hinweisen kaufen, wenn man mal nicht weiter weiß. Der erste Hinweis ist meist nur eine Andeutung, der zweite wird schon konkreter und erst

Fetter Hamster sucht Fitnesstrainer mit Augenmaß: Wie kann man die Köder am besten platzieren, damit der Hamster möglichst weit läuft?
der letzte weist meist deutlich auf des Pudels Kern - so heißt übrigens auch ein Rätsel. Ist das jetzt eine blöde Krücke für Casualknobler? Nein, ganz und gar nicht: Die Motivation ist weiterhin sehr hoch, denn die volle Punktzahl an "Pikarat" bekommt man nur dann gutgeschrieben, wenn man etwas ohne Hilfe auf Anhieb schafft. Sprich: Nur wer ein Rätsel im Wert von 30 Punkten sofort löst, erhält auch 30 Punkte. Wer beim ersten Anlauf scheitert, erhält vielleicht nur 27 Punkte - und so weiter. Allerdings wird dabei nie bis null runter gezählt, es gibt immer einen Minimalwert. Und man muss auch nicht alle Rätsel lösen, um in der Story voran zu kommen - es gibt also keine Sackgassen.

Frische Minispiele

Musste man im Vorgänger noch einen mechanischen Hund zusammen bauen, ist es diesmal ein Foto-Apparat, dessen drehbare Einzelteile zunächst über gelöste Rätsel gefunden und dann in einem Puzzle zusammen gefügt werden müssen. Und diesmal gibt es noch mehr Abwechslung über zwei weitere Minispiele: Zum einen gilt es, einen übergewichtigen Hamster wieder fit zu machen, indem man auf einer Art Schachbrett Köder wie einen Apfel auslegt, damit er sich in Bewegung setzt und Kalorien verbrennt - allerdings muss man darauf achten, dass man die Köder optimal platziert, denn der Hamster reagiert nur, wenn sie sich in seiner Reichweite befinden; außerdem favorisiert er bestimmte Dinge.

Zum anderen kann man stilvoll Tee kochen: Im Laufe des Spiels findet man immer mehr Kräuter und daraus lassen sich Mischungen zusammen stellen - manche sind ungenießbar, aber manche so köstlich, dass man damit sogar Leuten helfen kann. Hat man den passenden Tee für ein bestimmtes Wehwehchen parat, kann man also auch in den Dialogen weiter voran schreiten und neue Rätsel aufdecken. Übrigens muss man keine Bange haben, dass man Kopfnüsse verpasst, weil man den Geschmack nicht trifft oder ein Dorf lässt, in dem man nicht alle gefunden hat: In Oma Enygmas Hütte werden alle verfügbaren Rätsel aufgelistet. Wer dann immer noch nicht genug hat, lädt sich über die WiFi-Verbindung neue Rätsel aus dem Internet - jede Woche gibt es Nachschub

   

Fazit

Edel, knifflig und sympathisch: Dieses Rätselabenteuer macht einfach Spaß! Und es gibt kaum ein Spiel auf dem DS, das hinsichtlich der Präsentation dieses hochklassige Niveau erreicht. Man lehnt sich entspannt zurück, folgt einer charmant inszenierten Comicstory samt deutscher Sprachausgabe und lässt zwischendurch die grauen Zellen arbeiten. Die Rätsel sind abwechslungsreich, Sackgassenfrust kommt dank optionaler Hinweise nicht auf und die Balance zwischen Erzählung, Erkundung sowie aktivem Spiel ist nahezu perfekt. Die Geschichte verströmt ein angenehmes Krimiflair à la Agatha Christie, es gibt sehr abwechslungsreiche Aufgaben, zusätzliche Minispiele und man kann endlich ein Notizblatt nutzen, um sich direkt Skizzen zu machen oder Zahlen zu notieren - das ist eine komfortable Aufwertung! Ich hatte die Befürchtung, dass das nur ein Abklatsch des Vorgängers wird, aber man hat ihn technisch, inhaltlich und hinsichtlich des Umfangs Bereichen eindeutig verbessert. Die Mischung aus Story und Knobelei, aus Erzählung und Logik, ist hier noch unwiderstehlicher - kurzum: Wer den sehr guten Vorgänger mochte, sollte sich diesen ausgezeichneten Nachfolger nicht entgehen lassen!

Pro

<P>
noch besser als der Vorgänger
Adventure-Flair &amp; Knobelspaß
unterhaltsame Krimigeschichte
hilfreiche Notizblattfunktion
sehr gute deutsche Sprachausgabe
über 150 interessante Rätsel
sympathische Hauptcharaktere+&nbsp;wunderschöne Zeichentrickfilmchen
gute Schrifterkennung
intelligentes Punkte- &amp; Hilfesystem
unheimlich stimmungsvolle Musik
frische Minispiele</P>

Kontra

etwas zu viele Schieberätsel

Wertung

NDS

Edel, knifflig und sympathisch: Dieses Rätselabenteuer macht einfach Spaß und ist besser als der Vorgänger!

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