Scribblenauts09.10.2009, Jan Wöbbeking
Scribblenauts

Im Test:

Jetzt ist es offiziell: Steinchen stinken! Wer will noch schnöde Tetris-Blöcke stapeln, wenn er stattdessen mit agressiven Ninja-Haien, Goldbarren, fliegenden Pterodaktylus-Sauriern, Bauarbeitern, Katzen, Raketenwerfern und tausenden anderen Objekte herumexperimentieren darf? In Warners diesjähriger E3-Überraschung Scribblenauts (ab 13,78€ bei kaufen) gibt es nur zwei Grenzen: die Vorstellungskraft des Spielers und die der eingebauten Wortdatenbank. Beinahe jedes alltägliche Ding wird lebendig, wenn man es in die Touchscreen-Tastatur hackt. Doch wie buchstabiert man Spielspaß?

Das Leben ist ein Wunschkonzert!

Kaum habe ich T-Rex eingetippt, schnaubt auch schon ein Urzeit-Gigant durch das Level. Als nächstes erschaffe ich einen Löwen und schaue dabei zu, wie sich die beiden kabbeln, bis Leo den kürzeren zieht und genau so schnell wieder in einer Rauchwolke verschwindet, wie er aufgetaucht ist. Jawoll, in Scribblenauts lässt sich so richtig schön Gott spielen. Wo wir gerade dabei sind: Sogar der Allmächtige ist höchstpersönlich im Spiel vertreten. Natürlich ist er stärker als die angriffslustigen kleinen Teufel, welche aus meiner frisch herbeigezeichneten Hölle herausflattern. Dass ich abschweife, bitte ich zu entschuldigen, aber genau so geht es mir beim Spiel selbst auch. Ist der DS angeschaltet, muss ich erst einmal minutenlang im Sandbox-Modus herumexperimentieren und allerlei Gegenstände und Viecher auf ihre Eigenschaften, Vorlieben, Antipathien und Lieblingsbeschäftigungen untersuchen. Aha: Der Polizist läuft schnurstracks zu den Donuts, die ich ihm vor die Füße zaubere. 

Viele Wege füren zum Stern: Ob diese Viecher dabei behilflich sein können?
Also binde ich ein Seil an seinen Gürtel, hänge einen Schlitten daran, setze ein Kleinkind darauf - schon lässt sich der Gesetzeshüter als Zugtier missbrauchen! Das gleiche funktioniert übrigens auch mit einem Gamer: Er läuft sofort zu jeder Konsole in Sichtweite. Auch mit Klebstoff lassen sich eine Menge Objekte aneinander pappen - natürlich nur, wenn die Physik-Engine es zulässt. Das Wörterbuch kennt zwar jede Menge alltäglicher Begriffe, ist aber bei weitem nicht allwissend. Einige Alltags-Objekte wie z.B. Hähnchen fehlen komplett. Auf anzügliche und rechtlich geschütze Wörter haben die Entwickler absichtlich verzichtet - das stundenlange Ausprobieren von Schimpfworten kann man sich also getrost sparen. Zu viele Wesen dürfen außerdem nicht gleichzeitig den Bildschirm bevölkern : Ist die Komplexitätsleiste voll, können keine weiteren Dinge herbeigezaubert werden.

Einige Begriffe sind übrigens zu penibel übersetzt: Ein Jetpack kennt das Spiel nicht, einen Raketenrucksack aber schon. Wer möchte, kann übrigens im Menü zur englischen, italienischen, spanischen, französischen oder holländischen Sprache wechseln. Das Herumspinnen ist in Scribblenauts aber kein reiner Selbstzeck wie in Noby Noby Boy . Neben dem freien Sandkasten gibt es jede Menge Rätsel, in denen ich meine frisch gewonnenen Erkenntnisse nutzen kann. Die sogenannten Action-Levels sind im Grunde einfach gestrickt: In jedem Exemplar wartet ein Stern darauf von Held Maxwell gechnappt zu werden. Klingt einfach - ist es aber nicht. Die Leveldesigner beim Entwickler 5th Cell haben auf dem Weg dorthin jede Menge Gemeinheiten platziert. Mal schwimmt ein hungriger Piranha durch ein Wasserbecken, ein anderes Mal bewachen bewaffnete Soldaten die Straße. Oder der Stern wurde schlicht und einfach auf einer eigentlich unerreichbaren Anhöhe platziert. Durch den schmalen Tunnel, welcher dorthin führt, kann aber auch das herbeigerufene Ufo nicht fliegen. Mit einem kleinen Flugtier klappt es hingegen problemlos.

Kleine und doch komplexe Levels

In einer anderen Mission muss ich mich durch eine verwinkelte, brennende Feuerwache kämpfen. Ja: Besonders logisch wirkt das nicht. In echten Feuerwehrhäusern trifft man auch nicht all zu oft auf Zimmerdecken aus Eis, welche den Weg versperren - hier aber schon. Versuche ich, das vor Kälte dampfende Hindernis mit einer Schrotflinte auseinanderzunehmen, wird der neben mir stehende Polizist grantig und schießt meinen putzigen Helden ohne Gnade ins Jenseits. Also lege ich eine Bombe neben das Eis und lasse ein Lagerfeuer im richtigen Winkel darauf plumpsen, damit es eine Pirouette vollführt und die Lunte anzündet. Verdammt - das war zu nah am Eis - das Feuer ist erloschen. Beim zweiten Versuch klappt es. Die Explosion ist zwar nicht stark genug, um das Eis zu brechen, doch die brennenden Trümmer schmelzen es aus dem Weg. Als nächstes rufe ich einen prähistorischen Verbündeten herbei: Maxwell springt auf den geflügelten Pterodaktylus und schwebt sicher in den oberen Korridor. Doch die kleinen Brandherde machen den Flattermann scheu. Also springe ich ab, gebe Maxwell einen sprudelnden Feuerwehrschlauch in die Hand und lösche die Flammen.

Auch solche vermeintlich leichten Aufgaben sollte man hochpräzise angehen, denn dank der überladenen und recht gewöhnungsbedürftigen Handhabung läuft mein Held gerne einmal aus Versehen ins Verderben. Im Grunde ist die Touchscreen-Steuerung einfach konzipiert: Klicke ich an einen Punkt in der Landschaft, läuft Maxwell dorthin. Kommt er nicht heran, läuft er mitunter stupide aber ausdauernd gegen ein Hindernis. Klicke ich auf ein Objekt, interagiert Maxwell damit: Er nimmt z.B. eine Flasche in die Hand, reitet auf einem Tier bzw. fährt ein Fahrzeug oder legt einen Hebel um, welcher eine Tür öffnet. Gibt es mehrere Möglichkeiten, entscheide ich in einem aufploppenden Menü, was er anstellen soll. So weit, so simpel - doch da sich auf dem kleinen DS-Bildschirm meist viele Dinge tummeln, tippe ich nicht selten auf das falsche und schicke meinen Helden ins Verderben.           

Kontrollverlust

Zurück zur brennenden Feuerwache: Damit Maxwell nicht durch einen unbedachten Befehl von den Flammen hingerafft wird, tippe ich peinlich genau auf den Boden direkt vor dem Brandherd. Jetzt tröpfelt das kühle Nass die Feuer im richtigen Winkel aus, ich springe auf meinen flatternden Dino und fliege über das Feuerwehrauto hinweg zum Stern.

Das Kritzeln einzelner Buchstaben fällt etwas umständlich aus, die alternative Tastatur funktioniert aber gut. Leider können nur die letzten vier Begriffe schnell per Knopfdruck wieder aufgerufen werden.
Ich habe nur fünf Objekte benutzt, liege also in diesem Level zwei Punkte unter par und streiche zur Belohnung ein paar Münzen ein. Auch Schnelligkeit und andere Faktoren werden mit Geld belohnt. Mit der Währung schalte ich neue Welten und Lieder frei oder verpasse Maxwell das Aussehen eines Aliens, Zombies oder anderer putziger Comic-Figuren. Habe ich einen Level ohne Waffen gelöst, ein Objekt aus einer völlig neuen Klasse ins Leben gerufen, drei Gegenstände ineinander gestopft oder etwas anderes Besonderes angestellt, werden kleine Extra-Medaillen freigeschaltet.

Das Feuerwachenrätsel hat mir so gut gefallen, dass ich es gleich noch ein zweites mal starte. Meistere ich es drei mal, ohne ein bereits benutzes Objekt noch einmal herbei zu zaubern, streiche ich zur Belohnung eine Goldmedaille und Bares ein. Also lasse ich beim zweiten Versuch den Dino in der Vergangenheit und fliege stattdessen mit einem Ufo zum Stern. Doch kurz vorm Ziel registriert das Spiel eine meiner Stylusberührungen so, dass Maxwell aus dem Ufo aussteigt, welches sich prompt überschlägt und den zum Greifen nahen Stern zerbröselt! Oh nein! Obwohl solche Steuerungsmacken viel zu häufig auftreten, haben sie mir nicht die Laune verdorben: Eine halbe Minute später bin ich nämlich schon wieder an der gleichen Stelle angelangt und schnappe mir den glitzernden Himmelskörper.

Tagelanger Rätselspaß

Der Umfang von Scribblenauts fällt enorm aus: Nicht nur das riesige Wörterbuch sorgt für tagelanges Herumprobieren - die Entwickler haben auch nicht an Rätseln gespart. In satten 110 Levels darf ich mir auf jeweils drei verschiedene Weisen den Stern schnappen. Die Reise führt durch Gärten voller Tümpel, das Gebirge, die Stadt, einen Stunt-Park mit allerlei Rampen und Fallen sowie eine ganze Menge anderer Kulissen. Neben diesen »Action-Levels« warten zusätzlich noch 110 Puzzle-Exemplare auf mich, in denen ich eine bestimmte Aufgabenstellung erfüllen muss. Mal soll ich einfach einen Mann in der Wüste erfrischen. Nichts leichter als das: Ich pfeffere dem schwitzenden Touristen eine Wasserbombe an den Schädel und schon ist er glücklich und ich um einen Stern und einige Münzen reicher. In einem anderen Beispiel kleide ich einfach eine Schaufensterpuppe ein.

Ab und zu fallen die zu Beginn eingeblendeten Tipps aber so vage aus, dass ich nur Bahnhof verstanden habe. In Level 10-1 bekomme ich schlicht und einfach eine Leiche, vier Personen und den Hinweis »Wer war's?« vorgesetzt. Okay, ich soll Detektiv spielen und den Täter entlarven -

Reist man mit einer Zeitmaschine, landet man mitunter in der Urzeit und kann mit einem Dino nach Hause reiten. Oder man erschafft ihn einfach direkt mit der Tastatur.
so viel habe ich noch verstanden, aber wie bitteschön soll ich das anstellen? Und wieso kann ich den Level lösen, indem ich mir einfach den Kadaver schnappe und wild durch die Luft schüttele, bis einer der Verdächtigen mir den Stern vor die Füße legt? Diese Stufe habe ich bis heute nicht verstanden, aber die meisten Rätsel durchschaut man zum Glück früher oder später. Manche Objekte funktionieren nicht wie erwartet. Warum schickt die Betäubungspistole einen Polizist ins Land der Träume, ein Betäubungsgewehr aber nicht? Warum kann der Gesetzeshüter, anders als Maxwell, durch einen Stolperdraht laufen, ohne dass die Falltür aktiviert wird?

Heimwerker gesucht

Wem die mitgelieferten Levels nicht reichen, darf sich in dem einfach zu bedienenden Editor austoben und die Ergebnisse danach lokal oder übers Internet tauschen. Leider funktioniert das nur mit Hilfe der umständlichen Freundes-Codes. Ein komfortables Portal wie in Blast Works: Build, Fuse & Destroy fehlt. Die Bedienung funktioniert wie im Rest des Spiels. Einfach ein Wort aufschreiben und schon lässt sich das entsprechende Ding an den gewünschten Ort ziehen. Jedes Objekt besitzt diverse Eigenschaften bzw. Verhaltensweisen: Das dünne Brett zerbricht dank der Physik-Engine unter der Last des eigenen Gewichts, wenn es auf einen spitzen Stachel plumpst. Eine metallene Wippe oder Rutsche hält schon deutlich mehr aus. Eine Hauskatze fetzt sich mit Hunden und springt auf der Stelle vom Baum, wenn man ihr Milch hinstellt. Im Level-Editor lassen sich alle verwendeten Sachen sogar gegen ihre Natur umprogrammieren: Eine Giraffe beschützt einen Bagger und die Wildkatze läuft vor Mäusen weg - alles machbar. Es lässt sich festlegen, welche Sachen ein Objekt beschützt, attackiert, konsumiert, verfolgt oder vor wem es ängstlich davon läuft.

Ist das Level fertig, lässt es sich auf der Stelle Probe zocken. Trotz der im Prinzip einfachen Bedienung dauerte es eine ganze Weile, bis ich ein paar sinnvolle Rätsel auf die Beine gestellt hatte. Anders als in LittleBigPlanet arbeitet man nicht mit dem gleichen Werkzeug, welches auch die professionellen Leveldesigner benutzen - daher ist das Umsetzen eigener Ideen ungleich schwerer. Weil sich keine langen Wände und wenig andere unverwüstliche Begrenzungen erschaffen lassen, ergibt sich eine ganz andere Arbeitsweise als beim PS3-Hüpfer: Wenn ich eine feste Vorstellung von meinem Parcours hatte, war es sehr mühsam, dies auch nur ansatzweise umzusetzen. Als ich einfach ein wenig mit den vorgegebenen Szenarien herumexperimentiert hatte, sind aber lustige und herausfordernde Ergebnisse dabei entstanden. Leider endeten einige Experimente aber auch in einem eingefrorenen Bildschirm. Im Editor hat sich das Spiel recht häufig aufgehangen - im normalen Spiel ist es glücklicherweise nur zwei mal abgestürzt. Da die Levels kurz sind und man im Editor schnell speichern kann, ist das zwar nicht all zu tragisch, trotzdem sollte so etwas auf einem DS nicht vorkommen.      

Fazit

Endlich gibt es ein Spiel, dass mich für meine abstrusen Spinnereien belohnt! Scribblenauts ist ein Eldorado für kreative Köpfe: Wo sonst kann man den Teufel, Gott sowie Tausende seiner Kreaturen und Gegenstände frei zum Knobeln benutzen? Der Titel stellt das Prinzip klassischer Rätselspiele auf den Kopf: Statt vorgegebene Objekte zu benutzen, zaubert man sich die fehlenden Dinge einfach selbst herbei, indem man sie einfach in die Bildschirmtastatur hackt. Der putzige Comic-Stil passt genau so gut zum Prinzip wie die aufgekratzten Melodien. Wie so oft bei neuen Konzepten leidet 5th Cells Werk aber unter jeder Menge Kinderkrankheiten: Die überladene Touchscreen-Steuerung wirkt etwas hakelig und der ganze Wust an möglichen Objekten ist zwangsläufig nicht immer perfekt ausbalanciert. Außerdem reagiert manch ein Ding oder Wesen nicht so, wie man es in der realen Welt erwarten würde. Auch die teils konfusen Aufgabenstellungen und die häufigen Abstürze im Editor trüben das Bild. Doch obwohl eine ganze Liste kleiner Nicklichkeiten in der Kontra-Liste steht, konnte mir erstaunlicherweise keine davon die Laune verderben. Es macht einfach viel zu viel Spaß, stundenlang in Maxwells erfreulich großer Strichmännchen-Welt herumzuexperimentieren. Auch das faire Freischalten neuer Welten im Shop sorgt dafür, dass nur sehr selten Frust aufkommt.

Pro

<P>
geniale Spielidee
erstaulich freies, experimentelles Knobeln
Fantasie wird belohnt
Datenbank kennt viele Begriffe
extrem hoher Suchtfaktor
über 220 Levels können je drei mal gelöst werden
knuffiges Papierfiguren-Design
beschwingte Musik
einfacher Level-Editor
Rätsel lokal oder übers Internet tauschen
Sandkastenmodus zum Herumprobieren</P>

Kontra

<P>
überladene und&nbsp;etwas hakelige Touchscreen-Steuerung
mitunter zu vage Missionsbeschreibungen
teils nicht nachvollziehbare Zusammenhänge
einige übermächtige Personen und Gegenstände
Editor-Levels lassen sich nur mit Freunden tauschen-&nbsp;manche Dinge funktionieren nicht wie erwartet
gelegentliche (im Spiel) bzw. häufige (Editor) Abstürze </P>

Wertung

NDS

Unheimlich kreatives und charmantes Knobelspiel, das tagelang an den DS fesselt, aber auch ein wenig unter seiner hakeligen Steuerung leidet.

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