Sonic Classic Collection16.03.2010, Paul Kautz
Sonic Classic Collection

Im Test:

Ich trage den Redaktionsnamen »Retrokautz« nicht ohne Grund. Ganz besonders nicht, wenn es um Sonic geht: In meinen Augen gibt es kein gutes 3D-Spiel mit dem blauen Blitz. 2D muss es sein, bunt muss es sein, schnell muss es sein, fiepen und mitreißen muss die Musik! Aber selbst meine Oldschool-Liebe kennt Grenzen - nämlich da, wo Entwickler Spiele einfach konvertieren, anstatt sie konsequent auf die neue Plattform abzustimmen.

Ruckel the Hedgehog

Die Sonic Classic Collection (ab 51,67€ bei kaufen) vereint vier Blauigel-Spiele aus der 16Bit-Zeit auf einem Modul. Was leider so ziemlich das einzig positive ist, das sich über diese Sammlung sagen lässt.
Es könnte alles so schön sein: Sonic 1, 2 und 3, dazu Sonic & Knuckles - das ist ein sehr repräsentativer Rundblick über des Igels glorreiche 2D-Vergangenheit. Okay, man könnte mosern, dass es bestimmt kein Beinbruch gewesen wäre, auch Sonic CD, Spinball oder meinetwegen auch den wenig ruhmreichen Iso-Humbug Sonic 3D auf das Modul zu packen, aber der spartanische Fan freut sich über die Beschränkung auf das Wesentliche. Für den tief schürfenden Sonicologen gibt außerdem noch die zwei Knuckles-»Lock-On-Erweiterungen« für die Teile 2 & 3, mit denen man eben diese mit der Rotfaust durchqueren darf. Was für ein durchaus frisches Spielgefühl sorgt, was vor allem Knuckles' Gleit- und Wandkletter-Fähigkeiten zu verdanken ist.

Der Konjunktiv einen Absatz weiter oben hat schon seinen Sinn: Was so schön sein könnte, ist es leider nicht. Denn Entwickler Creative Assembly (ja, genau - die Total War-Jungs!) hat die bei der Umsetzung dringend benötigte Liebe zuhause im Kühlschrank gelassen. Das geht schon bei der Auflösung los: Das NTSC-Mega Drive (alle enthaltenen Spiele sind US-Fassungen) hatte eine Auflösung von 256x224, der Nintendo DS operiert mit 256x192 Pixeln, also vertikal weniger. Man kann jetzt

Zwei der Spiele lassen euch die Möglichkeit, auch mit Knuckles auf Erkundung zu gehen.
einen Annäherungsalgorithmus schreiben, der dafür sorgt, dass das Bild behutsam auf die neue Auflösung übertragen wird, ohne dass man Details verliert. Man kann links und rechts Ränder zulassen, die mit schönen Wallpapers verziert werden. Man kann den Bildschirmausschnitt verkleinern, um keine Pixel-Kompromisse eingehen zu müssen. Oder man verwendet die Holzhammermethode, quetscht das Originalbild einfach wie ein Dutzend Extra-Sardinen in die neue Dose und macht den Deckel drauf. Ratet mal, was bei der Sonic Classic Collection gemacht wurde. Resultat: Die Figuren sehen krümelig aus, die schon im Original teilweise sehr kleinen Fonts werden teilweise übel zerstückelt (gut zu sehen bei Sonics Namen bei der Figurenwahl im zweiten Spiel oder in der Endabrechnung der Special Stages) und gerasterte Objekte wie Wasserfälle oder Bäume flimmern grausam. Aber okay, mit ein paar unlesbaren Schriften und Flimmerbäumen kann man ja noch leben - aber nicht mit einem Sonic, der bei der kleinsten Gelegenheit ruckelt! Kollision mit einem Gegner, die Ringe fliegen durch die Gegend - Ruckeln. Plattformen brechen zusammen - Ruckeln. Die Bonuslevels bei S3 und S&K - Ruckeln. Ein 2D-Sonic darf nicht ruckeln. Es -darf- einfach nicht ruckeln! Hier ruckelt's.

Eingeschränkter Speicherwahn

»Und das Beste: in der Sonic Classic Collection kann zu jedem beliebigen Zeitpunkt gespeichert werden - eine Premiere in der Original-Spielereihe! Die Spiele können jetzt also überall und jederzeit gespielt werden!« - so der enthusiastische Text in der Pressemitteilung der Sammlung. Und ja, es stimmt: Man kann jederzeit auf den auf dem unteren Bildschirm befindlichen »Save«-Button tippen, es wird auch immer brav gefragt, ob wirklich gespeichert werden soll. Das sollte allerdings nicht mit einem (z.B. von der Xbox Live Arcade-Version bekannten)

Die Action spielt sich auf dem oberen Bildschirm ab, der untere beherbergt diverse Informationen sowie die im Großen und Ganzen völlig unnütze Speicherfunktion.
Quicksave verwechselt werden. Denn gespeichert wird nicht etwa die aktuelle Position, sondern der Levelanfang - ausschließlich der Levelanfang! Und auch nur von den normalen Levels, in den Bonusrunden darf gar nicht gesichert werden. Und bei Sonic 3 auch nicht, denn das verwendet ein eigenes Speichersystem, das seinerseits nochmal eine ganze Stufe grottiger ist - denn hier wird nicht mal der aktuelle Abschnitt, sondern nur die aktuelle Welt automatisch abgelegt. Kurzfassung: Ja, es ist schön, dass jetzt der Fortschritt gesichert werden darf, wenn die Bushaltestelle naht. Aber das System selbst ist derart rudimentär, dass es weitaus sinnvoller ist, einfach auf die Pause-Taste zu drücken und den DS zuzuklappen.

Die Pause-Taste ist übrigens nicht die sonst genutzte Start-Taste - die macht gar nichts. Pause, Speichern, Laden und Spiel verlassen liegen auf dem Touchpad, zusammen mit ein paar Zeilen Hintergrundgeschichte zum aktuellen Spiel sowie Steuerungshinweisen. Die eigentliche Action findet stets auf dem oberen Bildschirm statt, der untere dimmt nach kurzer Zeit des Nichtstuns verschlafen weg. Im Hauptmenü findet sich neben den Spielen auch ein gutes Dutzend Artworks aus zehn Jahren Sonic - nett, aber nach einem Mal Durchblättern abgehakt. Von den ursprünglich angekündigten Videos ist nichts zu sehen, außerdem vermisst der Kenner der Originale vor allem den Mehrspielermodus aus Sonic 2. Und fragt sich, wieso Knuckles auf der Packungsrückseite falsch geschrieben ist.     

Fazit

Für die Sonic Classic Collection spricht, dass Sonic in 2D immer noch besser aussieht als jede seiner Verwurstungen in der dritten Dimension - daran kann nicht mal die zerstückelte Auflösung etwas ändern. Außerdem ist es außerhalb von Emulatoren eine der wenigen Möglichkeiten, die Klassiker auch unterwegs zu spielen. Aber die Lieblosigkeit der Umsetzung vermiest mir die Freude deutlich: Die hochgepriesene Speicherfunktion ist ein Hohn und kann geflissentlich ignoriert werden, die Abwesenheit des Sonic 2-Mehrspielermodus' wird zähneknirschend hingenommen - aber die ruckelige Grafik kann und darf einfach nicht sein, wenn es auf blitzschnelle Reaktionen bei Höchstgeschwindigkeit ankommt! Immerhin ruckelt es nicht so stark wie das 2006 ausschließlich in den USA veröffentlichte Sonic the Hedgehog Genesis auf GBA, was aber ein sehr schwacher Trost ist. Ohne Frage sind die vier Spiele Klassiker, die jeder gespielt haben sollte (und wenn man bedenkt, in wie vielen Compilations, Portierungen und An-den-Fernseher-Hardware die Spiele schon wiedergekäut wurden, dann dürfte das wohl mittlerweile auch jeder getan haben) - aber verzichtet man auf das Pro der Mobilität, sollte man lieber zu den XBLA-Fassungen greifen, die in jeder Hinsicht tausend Mal besser sind. Diese Sammlung braucht kein Mensch, nicht mal der härteste Sonic-Fanboy.

Pro

vier klassische Sonic-Titel & Knuckles-Erweiterung

Kontra

erschreckend ruckelige Grafik
furchtbar fusselige Auflösung

Wertung

NDS

Es hätte so schön sein können - es wurde so schlimm: Ein 2D-Sonic darf einfach nicht ruckeln, und der hier ruckelt teilweise wie die Hölle!

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