Harvest Moon DS07.05.2007, Jan Wöbbeking
Harvest Moon DS

Im Test:

Wohin geht's dieses Jahr? Sonne, Sand und Gegröle am Ballermann? Oder lieber die unberührte Natur genießen - in einer von Touristen unberührten Oase der Stille den Esoteriker raushängen lassen und die eigene Mitte finden? Mit Harvest Moon DS ist der Kompromiss aus beiden Extremen möglich: Lümmelt euch an den Strand, klappt den Handheld auf und genießt das idyllische Leben auf dem Bauernhof.

Ferien auf dem Bauernhof

Der Wecker klingelt. Die blinkende  Digitalanzeige zeigt unchristliche sechs Uhr an. Und zu meiner Verwunderung drehe ich mich nicht fluchend um, sondern springe quietschfidel aus dem Bett. Okay, okay - ich wollte in das Leben auf dem Bauernhof hineinschnuppern, also muss ich auch die Konsequenzen tragen. Zumal nur mein aus wenigen Pixeln bestehendes Anime-Männlein derart früh aus den Federn springen muss. Dafür dauert sein Arbeitstag auch nur fünf Minuten - beneidenswert. Gerade deswegen empfiehlt es sich aber auch, die knappe Zeit im Bilderbuchbauernhofspiel Harvest Moon DS gut zu nutzen.

Nintendogs lässt grüßen: Streichelt ihr eure Hühner jeden Tag mit dem Stylus, wächst ihre Zufriedenheit, symbolisiert durch das Herz im Kästchen.
Also, nichts wie ab in den Hühnerstall, um die drei Hennen auf den in das blaue Licht der Dämmerung getauchten Hof zu tragen. Dann suchen sie sich von alleine ein hübsches Plätzchen auf der Wiese und beginnen dort zu picken und zu scharren. Nicht gerade realistisch, aber sehr pflegeleicht. In meiner Kindheit durfte ich ab und zu auf die Hühner meiner Großeltern aufpassen, die frei auf dem Grundstück herumliefen. Eins dürft ihr mir glauben: Sobald die Hacker aus dem Gehege gestürmt waren, versuchten sie mit allen Tricks, sich in Richtung der Beete durchzukämpfen, um dort alles kurz und klein zu picken und zu scharren. Das tägliche Ritual war im Grunde eine Variante des Xbox Live-Modus von Call of Duty 3: Meine Aufgabe war es, die Beete zu halten, die von allen Seiten von einer gefiederten Übermacht angegriffen wurden. Ganz anders mein virtuelles Federvieh in Harvest Moon DS: das bleibt stets brav auf der grünen Wiese.

Streicheln will gelernt sein

Vielleicht sind die Pixelhühner deshalb so nett gestimmt, weil ich ihnen allen eine tägliche Portion Streicheleinheiten zu Gute kommen lasse. Da wir es mit einem Videospiel aus dem ordnungsliebenden japanischen Kulturkreis zu tun haben, gibt es sogar für das Verteilen von Zärtlichkeiten strenge Regeln: Zuerst einmal müsst ihr einen speziellen Streichelhandschuh erwerben und anlegen. Sobald das schrille Pfeifsignal vom Schiedsrichter ertönt, rubbelt ihr innerhalb von zehn Sekunden wie wild mit dem Stylus über das vergrößert dargestellte Anime-Huhn und versucht, einen neuen Wohlfühlrekord beim Huhn aufzustellen. Passt aber auf, dass ihr keine Regionen wie den Schnabel oder die Füße berührt. Sonst gibt es als Quittung Protestgegacker und Punktabzug. Dadurch wächst die durch ein pulsierendes Herz symbolisierte Huhnzufriedenheit nicht so schnell wie erwünscht.

Auch euren Hund und eure Katze dürft ihr natürlich streicheln, Kühe und Schafe sogar mit dem Stylus sauber bürsten. Als Belohnung für eure Mühe könnt ihr regelmäßig Eier, Milch und Schurwolle in eine Kiste legen. Die wird, wie die Gemüsekiste, täglich vom Bürgermeister persönlich geleert. Als Gegenleistung steigt euer Kontostand sofort an, den ihr z.B. in neue Ställe und Saatgut investieren könnt.           

Spiel oder Arbeit?

Aber zurück zum Tagesablauf. Nachdem ich mich um meine Tiere gekümmert habt, schnappe ich mir die Gießkanne, fülle sie am Teich mit Wasser auf und gieße jede einzelne Parzelle eigenhändig. Denn Harvest Moon DS spielt in einer ursprünglichen, vorindustriellen Umgebung, 

Ackern ist das halbe Leben, auch in Harvest Moon DS. Am meisten Spaß macht es aber, nach ein paar Tagen die Früchte seiner Mühen zu ernten.
ganz wie in der Bilderbuchwerbung der Lebensmittelindustrie. Es stehen zwar technische Errungenschaften wie Windräder im Dorf herum, aber Landmaschinen wie Trecker wurden noch nicht erfunden. Anders als bei manch anderem Aufbaustrategiespiel müsst ihr bei Harvest Moon DS höchstpersönlich richtig ackern. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Jedes kleine Quadrat muss zunächst mit der Hacke umgepflügt und dann mit Saatgut bestellt werden. Das habe ich schon vor ein paar Tagen erledigt. Also gieße ich heute wie an jedem normalen Tag meine Beete und rupfe das frisch gewucherte Unkraut aus dem Boden. Herumliegende Holz- und Steinstücke lassen sich immerhin als Baumaterial für neue Ställe und Vorratshütten nutzen. Ich habe nur sechs Beete angelegt, damit sich mein kleines Alter Ego nicht vor Erschöpfung zusammenbricht und vom Dorfdoktor verarztet werden muss.

Stellt euch schon einmal darauf ein, ein paar echte Stunden mit stumpfer Feldarbeit zu verbringen, bevor ihr euch eine Tierscheune plus das dazu passende Vieh leisten könnt. Für alle aufreibenden Sisyphus-Arbeiten lassen sich zwar auch kleine Erntewichtel engagieren. Doch erstens haben die Bewässerungshelferlein mich in der letzten Woche viel zu viel Geld gekostet und zweitens haben sie ihre Arbeit auch nicht so gewissenhaft erledigt, wie ich selbst es tun würde. Der schönste Moment am Tag ist der, wenn ihr in den Garten geht und die frisch gediehenen, symmetrisch gewachsenen Früchte eurer Arbeit erntet. Das sind je nach Jahreszeit Erdbeeren, Süßkartoffeln, Mais, Auberginen und anderes Geld einbringendes Obst und Gemüse. Manches davon könnt ihr später auch zum kochen benutzen.

Ein Ausflug ins Dorf

Heirate mich: Die Mädchen fliegen auf euch, wenn ihr sie mit Geschenken überhäuft. Muffy heißt in der hierzulande Katja und auch der Rest des Spiels wurde komplett ins Deutsche übersetzt.
Mittlerweile ist es vier Uhr nachmittags. Ich bin mit meiner Arbeit fertig und starte einen Ausflug in die Minen. Dort finden sich alte Artefakte und das Erz, mit dem der Schmied meine Werkzeuge verbessern kann. Ein wenig mit der Hacke auf den Boden eingedroschen und schon habe ich eine antike Halskette und ein paar Ohrringe gefunden. Also nichts wie auf in die Blaue Bar. Dort arbeitet meine angebetete Katja hinter dem Tresen. Laut Anleitung steht sie auf Schmuck aus den Minen. Doch so sehr ich sie auch mit Geschenken überhäufe - das Herz, das ihre Zuneigung symbolisiert, will einfach nicht wachsen. So wird das nie etwas mit der Hochzeit. Brauche ich erst einmal einen größeren Hof? Vom Streichelhandschuh oder meinen simplen Grußworten lässt sie sich jedenfalls nicht beeindrucken.

Leider gibt Katja wie sämtliche Dorfbewohner ebenfalls nur einfachsten Smalltalk von sich. »Schönes Wetter heute. Wenn die Sonne scheint, habe ich gute Laune.« Ah ja. Das wird bestimmt eine hochinteressante Ehe. Wenn wir uns schon jetzt nichts zu sagen haben, wie soll das dann erst in ein paar Jahren aussehen? Vielleicht sollte ich doch ein anderes Mädchen umwerben. Zum Beispiel die Hexenprinzessin. Die verleibt sich in euch, wenn ihr euren Hof total verlottern lasst. Wenn ihr eure Angetraute nach der Hochzeit noch einige Zeit bei Laune haltet, habt ihr bald eigene Kinder. Bei den Hühnern ging das einfacher: Einfach ein Ei in den Brutkasten gelegt und drei Tage später tschilpte mich ein gelbes Wollknäuel an.

Nicht schon wieder..

Über das Spielprinzip wurde übrigens eine Geschichte gestülpt. Sogar in diesem Bauernhofspiel soll wieder irgendjemand gerettet werden. In diesem Fall sind das die Erntegöttin und die Erntewichtel, die von der schlecht gelaunten Hexenprinzessin versehentlich in eine andere Dimension gezaubert wurden. Praktisch gestaltet sich die Errettung so, dass ihr die Wichtel zufällig durch bestimmte Aktionen, z.B. beim Beackern eurer Felder oder beim Erkunden der Gegend, findet. Die Erntegöttin kehrt zurück, sobald ihr den Ehering am Finger tragt.     

Fazit

Geduld ist eine Tugend, vor allem in Harvest Moon DS. Denn trotz der an Kinder gerichteten niedlichen Anime-Grafik wächst euer Bauernhof nicht so schnell wie z.B. der Dino-Park im Aufbaustrategiespiel Jurassic Park: Operation Genesis. Statt dessen müsst ihr erst einmal stundenlang stumpf auf dem Feld ackern, bevor ihr das Geld in einen Stall und Tiere stecken könnt. Dann aber macht es auch tierischen Spaß, seinen Hof immer weiter auszubauen. Leider habt ihr auf das Aussehen der einzelnen Gebäude keinen Einfluss. Die Kulissen wirken technisch allgemein etwas altbacken. Andererseits gibt es im Dorf und auf den umliegenden Wiesen einiges zu entdecken. Ihr könnt Blumen und Pilze sammeln, einen Ausflug in die Minen machen, Preise für besonders glückliche Tiere auf einem Dorffest gewinnen sowie das Herz einer Dorfbewohnerin erobern und mit ihr Kinder haben. Auch wenn es manchmal ein wenig eintönig war, mir hat der Urlaub auf dem Bauernhof Spaß gemacht.

Pro

motivierende Mischung aus Aufbaustrategie und Lebenssimulation
großer Umfang
nette Sidequests wie das Umwerben einer Braut
niedlicher Anime-Grafikstil
Streicheleinheiten für die Tiere mittels Stylus

Kontra

<P>+ Arbeiten wie Gießen wirken auf Dauer stupide+ wenig Einfluss auf optische Gestaltung des Hofs+ Grafik technisch auf GameBoy Advance-Niveau+ Charaktere sind nur sehr einfach animiert+ langweilige Smalltalk-Dialoge+ die wenigen Musikstücke wiederholen sich zu schnell+ ausgelutschte Story um Rettung einer Erntekönigin</P>

Wertung

NDS

Harvest Moon DS ist ein unterhaltsamer Urlaub auf dem virtuellen Bilderbuchbauernhof.

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