Final Fantasy 304.05.2007, Paul Kautz
Final Fantasy 3

Im Test:

Vor 17 Jahren: Die DDR gibt's nicht mehr, der erste Präsident Bush tobt sich im Irak aus, Matthias Reim schlagert sich mit »Verdammt, ich lieb' dich« in die Herzen aller einsamen Dauerwellenträgerinnen, und 16-Bit-Konsolen sind noch nicht so richtig in die Puschen gekommen - acht Bits beherrschen den Videospielemarkt! Während die eine Hälfte der Welt mit Super Mario Bros. 3 das NES zum Kochen bringt, erscheint in Japan, und nur dort, ein Maßstäbe setzendes Rollenspiel: Final Fantasy 3 (ab 34,50€ bei kaufen). Das endlich, nach allerlei Hickhack, in einer runderneuerten Fassung DS-Ufer betritt!

Die Segnungen der Neuzeit

Es gibt Momente im Leben eines Spieletesters, in denen möchte man am liebsten wie Romy Schneider die Hände ans Herz und den Kopf ein wenig schief legen, milde lächeln und Dinge wie »Mei, isch des schee!« seufzen - so oder zumindest so ähnlich geschehen bei Testsubjekt Paul K., der das brandneue Renderintro zu Final Fantasy 3 (FF3) erblickt: Mei, isch des schee! Qualitativ auf gewohnt hohem

Nicht gerade NES-Niveau: Die 3D-Grafik ist sehr gut gelungen!
Squeenix-Niveau, komprimierungsbedingt vielleicht etwas krümelig, aber toll geschnitten, toll animiert und mit großartiger Musik unterlegt - wie der Rest des Spiels auch, aber weniger erwartet man auch nicht aus der Feder von Altmeister Nobuo Uematsu.

Fans von typisch japanischen Knuddelaugen-auf-großen-Köpfen-Helden werden diesen Seufzer übrigens noch weitaus öfter ausstoßen: Die niedlichen, puppenhaften Figuren sind putzig designt und ebenso animiert, alles ist irgendwie knuddelig - seit den Dreipixelhochs der NES-Zeit hat sich nachweislich einiges getan! Das ganze Spiel ist jetzt komplett in 3D; jeder Dungeon, jedes Monster besteht aus texturierten Polygonen, die flott über die beiden Bildschirme geschaufelt werden: Tummelt ihr euch auf der Landkarte, lauft, schwimmt, fliegt oder Chocobo-reitet ihr auf dem unteren Screen, während oben eine Übersichtskarte die bereits entdeckten Ortschaften abbildet. Innerhalb von Dungeons oder Städten bleibt der obere Schirm schwarz, bis man das Menü aufruft, das dann nach unten rückt. Alles stilvoll, alles schön - und bei Kämpfen von ansehnlichen Effekten umrahmt.

Die Flüche der Altzeit

Wer sich in der letzten Dekade auch nur ansatzweise für Rollenspiele interessiert hat, dürfte mit dem FF-Spielsystem vertraut sein - der Vollständigkeit halber gehen wir trotzdem darauf ein, zumal einige Überraschungen warten: Die erste betrifft das Kampfsystem, welches hier noch komplett rundenbasiert abläuft - keine ATB-Echtzeithektik (Active Time Battle), die kam erst mit dem 

FF3 ist ein RPG alter Schule - die Rundenkämpfe sind lang und hart!
vierten Teil ins Spiel. Während ihr über die Oberwelt lauft, geratet ihr immer wieder in die polarisierenden Zufallskämpfe, in denen ihr in aller Ruhe eure Taktik planen könnt: Greift ihr mit Waffen oder Magie an? Muss jemand geheilt werden? Ist der Einsatz eines Items sinnvoller? Oder lieber eine Spezialattacke? Habt ihr eure Wahl abgeschlossen geht's mit der selbständig ablaufenden Action los: Ihr greift an, der Gegner greift an; ist die Runde beendet, geht der Spaß so lange weiter, bis entweder der Feind oder eure Party besiegt ist. Neuerdings dürft ihr in beiden Händen Waffen tragen, die auch separat geschwungen werden. Resultat: mehrfache Treffer. Für gewonnene Scharmützel gibt's Geld, Erfahrungspunkte sowie nützliche Items, die ihr entweder selbst einsetzen oder damit Handel betreiben dürft.       

Neu und wichtig ist das Job-System: Wie in jedem FF gibt es hier natürlich Klassen, 23 an der Zahl - vom Krieger über Weiß-, Schwarz- & Rotmagier bis zu Ninja oder Dragoner. Soweit noch recht unaufregend, doch jetzt wird's interessant: Ihr dürft mit jedem Partymitglied (insgesamt habt ihr vier) jederzeit zwischen den bereits vorhandenen Jobs wechseln! Stellt ihr also fest, dass ihr mit einer bestimmten

Ihr dürft nur auf der Oberwelt speichern - innerhalb von Dungeons heißt es Zähne zusammenbeißen.
Party-Konstellation einfach nicht weiterkommt, dann wechselt eben den einen oder anderen Beruf, schließlich hat jeder Job spezifische Vor- und Nachteile sowie Spezialangriffe. Allerdings sollte man es auf dem Arbeitsmarkt nicht zu wild treiben, denn nach jedem Wechsel müsst ihr einige Kämpfe lang mit stark eingeschränkten Fähigkeiten leben, der so genannten »Job-Übergangsphase«. Eine gut durchmischte Party ist wie üblich das A & O - und durch das neue System ist man nicht völlig aufgeschmissen, wenn man bei der Berufswahl die falschen Prioritäten gesetzt hat. Nichtsdestotrotz braucht man nicht nur viel Geduld, denn bis zum fulminanten Finale vergehen bis zu 30 Stunden in der großen Welt. Vor allem ist stabiles Sitzfleisch gefragt: Die Kämpfe sind hart, außerdem leidet das Spiel, wie praktisch jeder seiner Serienbrüder an dem Problem, dass etwa in der Mitte der Schwierigkeitsgrad enorm anzieht. Die Dungeons sind teilweise sehr lang, voller Zufallskämpfe und ohne jegliche Speichermöglichkeit. Ihr dürft zwar »quicksaven«, aber das ist nur ein Notnagel für die näher kommende Bushaltestelle - schließlich werdet ihr danach direkt wieder ins Hauptmenü katapultiert, das Savegame wird beim nächsten Laden automatisch gelöscht. Checkpunkte innerhalb der Quests sind ebenfalls Fehlanzeige, so dass ihr euch ein dickes Frustfell zulegen solltet: Denn am Ende jedes Dungeons, wenn ihr durch Dutzende vorheriger Kämpfe schon so richtig schön aufgerieben seid, wartet natürlich ein dicker Bossfight auf euch. Überlebt ihr den, ist das Ganze noch nicht vorbei, denn habt ihr keinen Teleportzauber dabei, müsst ihr den ganzen Dungeon nochmal zurücklaufen und -kämpfen. Erst an der Oberfläche angekommen dürft ihr den Spielstand wieder sichern und in stadteigenen Tavernen nach Ruhe und Heilung suchen. Dieses Oldschool-System wird gerade zum Spielende überstrapaziert, von der Lässigkeit eines FF12 oder Oblivion ist FF3 Lichtjahre entfernt!

Krieger schreiben keine Briefe!

Wie bereits erwähnt erschien FF3 nur in Japan als solches - das Game, das die restliche Welt als FF3 auf dem SNES kennen lernte, war in Wirklichkeit das japanische FF6. Wie schon bei FF4 betrieb Square hier ein ziemlich undurchsichtiges Umbenenn-Spielchen. Die DS-Version orientiert sich weitestgehend am NES-Original:

Dank des Job-Systems könnt ihr eure Party schnell an entsprechende Kampfumstände anpassen.
Ihr streift durch die gleichen Dungeons, trefft die gleichen Figuren, verfolgt die gleiche, nur langsam in Fahrt kommende Story um die vier »Warriors of Light«. Aber natürlich gibt es viele Modernisierungen, einige spielerische Neuerungen und Balancing-Verfeinerungen: Neben der tollen 3D-Grafik und der Doppelbildschirm-Nutzung gibt es neue Gegner, Items und Dungeons, die Charakterklassen wurden leicht modifiziert, die Waffen- und Rüstungswahl wurde optisch vereinfacht - die Figuren, denen die Sachen passen, winken optisch hervorgehoben in die Kamera. Außerdem dürft ihr mit der linken Schultertaste die Grafik zoomen, dadurch werden einige der vielen versteckten Gänge offenbart.

Ein nettes, wenn auch ziemlich nutzloses Feature ist das Mognet: Ihr dürft die überall in der Welt verteilten Moogles (putzige kleine Kreaturen, die auch in anderen Square-Enix-Spielen vorkommen) als Poststation nutzen und entweder lokal oder über Nintendos WiFi-Service Freunden Nachrichten schicken - den entsprechenden Freundescode vorausgesetzt. Ganz nett, aber der einzig wirkliche Nutzen besteht darin, dass man auch Spielefiguren nachrichten schicken kann, was schlussendlich mit diversen Boni (u.a. ein High-Level-Dungeon) belohnt wird.      

Fazit

Wer Final Fantasy 3 mit seiner lauschigen Oberwelt, den verzweigten Dungeons, den knuddeligen Figuren, dem großartigen Renderintro und der tollen Musik einfach nur ein bisschen zu Gesicht bekommt, könnte es glatt mit einem Harvest Moon-Teil verwechseln - die Designer fahren wirklich konsequent auf der putzigen Schiene. Doch lasse dich nicht täuschen, wackerer Rollenspiel-Fan, denn unter der Zuckerkruste wartet ein beinharter, langer, fieser, anspruchsvoller RPG-Wolf sehr alter Schule: Harte Dungeons, harte Bossfights, wenig Story-Entwicklung, kaum Vorgehenshinweise - die Bequemlichkeiten moderner Genrevertreter gibt es hier nicht! Und das ist gleichsam Segen wie Fluch: Denn auf der einen Seite gibt es wirklich tausend Gelegenheiten, den DS frustriert in die Ecke zu schmeißen, um vielleicht mal wieder eine entspannende Runde Mario Kart zu fahren oder die Begonien zu gießen. Und doch lässt einen diese Klette nicht los, nagt das Gefühl in einem, dass vielleicht mit einem Job-Wechsel der Boss eigentlich kein Problem sein müsste, oder? Final Fantasy 3 schafft es meisterlich wie eine Retro-Kollektion von Capcom, ein glaubwürdiges Oldschool-Spielgefühl in eine moderne Hülle zu packen! Bitte mehr davon - aber bitte mit Speicherpunkten!

Pro

tolle 3D-Grafik
sehr umfangreich
herausfordernde Gefechte
motivierendes Job-System
einfache Steuerung
toller Soundtrack
massig zu entdecken

Kontra

<P>
steil ansteigender Schwierigkeitsgrad
nervend viele Zufallskämpfe
veraltetes Spieldesign</P>

Wertung

NDS

Faszinierendes, umfangreiches und bockschweres Rollenspiel alter Schule.

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