The Age of Decadence07.03.2011, Jörg Luibl
The Age of Decadence

Special:

In der Independent-Szene werden nicht nur Knobler und Jump'n Runs entwickelt, auch die Königsdiziplin der virtuellen Unterhaltung bekommt kreativen Nachschub: Das Rollenspiel. Wir haben uns mit Vince D. Weller unterhalten, der mit The Age of Decadence ein viel versprechendes Projekt für Freunde der alten Rollenspielschule in Arbeit hat.

4Players: Erzähl uns etwas über dich und deinen Job. Wie wurdest du Lead Designer bei Iron Tower Games ?

Vince D. Weller: Ganz im Sinne der alten Schule, als Männer noch Männer waren: Ich hab den alten Lead Designer umgebracht, ihm das Herz heraus gerissen und es gefressen. Gute alte Zeit...

4Players: Nichts anderes haben wir erwartet. Du arbeitest in Toronto. Wie groß ist euer Team und welche Erfahrung hat es?

Vince D. Weller: Es ist ein 4-Mann-Team. Nick ist unser Programmierer; er hat angewandte Mathematik an einer Uni studiert und war an einigen Projekten als Freier beteiligt.  Oscar ist unser Grafiker; er hat ein paar Spiele modifiziert und hat an den Einheiten für eine der Civ-Erweiterungen gearbeitet. Ivan ist für die Animationen zuständig, hat sich selbst 3D-Techniken beigebracht - einfach um der Kunst willen. Und ich bin der Schreiber bzw. Designer.  

4Players: Es gab ja bereits die kleine Demo mit dem Kampfsystem. Woran arbeitet ihr momentan? Was sind die kommenden Meilensteine für euer Rollenspiel?

Vince D. Weller: Wir fügen der Spielwelt weitere Details hinzu und hauchen der AI etwas Leben ein. Wir feilen an Quests (Ablauf, Trigger, geskriptete Szenen) und an der Balance. Der nächste Meilenstein wird die Veröffentlichung einer voll spielbaren Demo sein, die mit der Startstadt mehr als nur den Kampf zeigt. Sie hat mehrere Bezirke, zwei angrenzende Gebiete und bietet 25 Quests. Und man sollte allerdings bedenken, dass viele Quests exklusiv sind - je nach Klasse etc. wird man also nur sieben bis zehn pro Spielsitzung vorfinden. 

4Players: Ihr seid Independent-Entwickler und habt ein kleines Team. Warum habt ihr euch dafür entschieden, ein Rollenspiel zu machen? Das ist nicht das leichteste Genre...

Vince D. Weller: Wenn man für etwas Leidenschaft empfindet, dann macht man es einfach - da ist es egal wie schwer es ist. Natürlich wäre es leichter gewesen, ein Spiel à la Minesweeper zu entwickeln, zumal wir davon sicher drei bis vier im Jahr machen könnten, aber... 

Man schlüpft in eine von sieben Rollen wie z.B. Dieb, Händler oder Ritter und kann im Rahmen einer nicht-linearen Story mit sieben Enden eine antik anmutende Spielwelt mit politischen Fraktionen erkunden. Mehr dazu in den First Facts!
Wir spielen Rollenspiele seit vielen Jahren. Mein erstes Spiel war irgendwann 1987 Dungeon Master , wenn ich mich recht entsinne. Ironischerweise war es das erste Echtzeit-Rollenspiel überhaupt und ich mochte alles daran, bis auf das Kampfsystem. Wie wenig ich damals wusste...jedenfalls haben wir uns nach zwanzig Jahren des Spielens und Recherchierens dazu entschlossen, selbst eines zu machen. Ich gebe zu, dass das keine spontane Entscheidung war. 

4Players: Oh ja, Dungeon Master - wir haben es kürzlich im Rückblick besprochen. Aber was ist heute deine Definition eines guten Rollenspiels? 

Vince D. Weller: Ein Spiel, in dem man eine Rolle spielen kann, indem man Entscheidungen trifft, die dem Charakter und seinen Werten bzw. Fähigkeiten entsprechen. Natürlich sollte ein Rollenspiel dafür auch verschiedene Wege, Entscheidungen und Konsequenzen anbieten. Es sollte je nach Klasse und Skills also mehrere Möglichkeiten und Pfade des Spielens bzw. Meistern von Quests erlauben.

4Players: Dragon Age, Fallout, The Witcher, The Elder Scrolls oder andere. Welche Art des Rollenspiels bevorzugst du?

Vince D. Weller: Fallout - isometrisch, rundenbasiert, nicht-linear, multiple Questlösungen, Dialogbäume mit sinnvollen Optionen. Ich mag verschiedene Rollenspiele und es sind sowohl Echtzeit- als auch Runden- oder Ego-Rollenspiele in meiner Top 10. Aber es ist doch etwas Besonderes an diesen Rollenspielen alter Schule, die isometrische Perspektive und Rundenkampf verbinden, dem ich nicht widerstehen kann.   

4Players: Offene Welt vs. Levelschlauch, starke Dialogsysteme vs. tolle Landschaft, Action gegen Taktik im Kampf. Wo wird sich The Age of Decadence einordnen?

Vince D. Weller: Halb offene Welt (man kann ein Gebiet jederzeit verlassen, aber man muss wissen, wo man hin will; also werden jene Charaktere mehr Orte zur Auswahl haben, die mit anderen geschickt sprechen oder alte Karten und Manuskripte entziffern können - wer sich auf das Kämpfen konzentriert wird nicht so weit herum kommen), Dialoge und Texte mit direktem Bezug zu Skills und Werten , taktischer Kampf.

Das Kampfsystem setzt auf individuelle Werte und wird acht klassische Waffentypen wie Schwerter und Speere beinhalten. Mehr dazu in der Demo!

4Players: Ist das Kampfsystem vergleichbar mit einem Pen & Paper-System oder anderen Spielen?

Vince D. Weller: Es gibt so viel Pen&Paper und Rollenspiele, dass man nur schwer einen direkten Vergleich ziehen kann. Für alle, die die Kampfdemo nicht gespielt haben: Es basiert auf Aktionspunkten. Man bekommt einen Vorrat an Punkten basierend auf den Charakterwerten und man kann verschiedene Attacken damit einleiten, die von zwei bis sieben Punkten kosten. Man kann also drei mal mit einer leichten und schnellen Waffe angreifen, aber nur einmal mit einer schweren - damit setzt man dann alles auf eine Karte. Es gibt ahct Waffenklassen, alle haben eine einzigartige passive  Fähigkeit: Dolche können Rüstungen durchstoßen, Hämmer können den Gegner zu Boden schlagen, Speere können den Vormarsch des Feindes unterbrechen usw. Der Erfolg der Aktion wird vom entsprechenden Waffenskill abhängig sein. Ein Novize wird mit dem Speer vielleicht einen Gegner auf Abstand halten können, ein Meister kann mehrere von sich fern halten.

4Players: Welche Rolle spielt die Rüstung?

Vince D. Weller: Die Rüstung erhöht die Chance auf ein Ausweichen oder Entgehen des Angriffs nicht. Sie absorbiert lediglich den Schaden, wenn man nicht aktiv ausweichen oder blocken kann. Die leichten Varianten können natürlich nur wenig Schaden aufhalten, während schwere Rüstung mehr verträgt. Aber sie macht den Charakter auch weniger mobil, so dass er weniger Aktionspunkte und evtl. gar kein Ausweichen zur Verfügung hat. Außerdem ist man natürlich leichter zu treffen. Man sollte sich also gut überlegen, welchen Kampfstil und welche Ausrüstung man einsetzt.

4Players: Warum habt ihr euch für ein Fantasy-Szenario ohne viel Magie entschieden?

Vince D. Weller: High-Fantasy wurde schon so oft entwickelt - und meist schwach, ohne viel Substanz. Es ist nichts Magisches an einem Magier, der Feuerbälle genau so schmeißt, dass er gegenüber Kämpfer oder Bogenchütze nicht so mächtig ist, damit die Balance stimmt. Außerdem zeigen nur wenige Spiele wirklich eine Auswirkung von Magie innerhalb der Welt oder der Städte. Wir stehen zwar auch auf Magie und Magier, aber wenn schon, dann wollten wir all das glaubwürdig einbinden und dafür blieb erstmal keine Zeit.

Dabei soll man je nach Fähigkeiten sowohl kämpferisch als auch kommunikativ voran kommen, kann Gespräche in ausführlichen Dialogen beeinflussen, Verbündete unter Druck setzen oder Allianzen mit den sieben Fraktionen schmieden.

4Players: Das sieht weder aus wie Mittelerde noch wie die Schwertküste. The Age of Decadence scheint in eine historisch gewachsene Spielwelt zu entführen, die etwas an die Antike erinnert. Was kannst du über das Weltdesign und den Fantasystil erzählen? 

Vince D. Weller: Wir wollten keine Over-the-top-Fantasy entwickeln, also haben wir uns woanders Inspiration gesucht. Unsere Geschichte, insbesondere die vorchristliche Zeit, ist sehr reich an Kultur, Architektur, Philosophie und auch Waffentechnik. Was kann schon mit dem Glanz des Römischen Imperiums oder der Effizienz des Gladius mithalten? Warum soll man Fantasywaffen erfinden, wenn man coole Waffen wie das ägyptische Sichelschwert Chepesch hat? Warum soll man einen Turm mit Stacheln entwerfen - um seine böse Aura zu unterstreichen - wenn man sich vom Temeplturm Zikkurat aus der Zeit der Sumerer leiten lassen kann? Unser Spiel hat zwar auch einen fantastischen Aspekt, indem es Dinge zeigt, die es so nicht in der Antike gegeben hat, aber das Weltdesign im Allgemeinen ist eher realistisch und orientiert sich an verschiedenen Elementen der Geschichte. 

4Players: Weg von der Antike, hin zur Literatur: Was für Fantasy liest du?

Vince D. Weller: Ich habe Joe Abercrombie's "The First Law"-Trilogie (Kriegsklingen) sehr gerne gelesen - ein Pflichttitel für jeden Fantasyfan. China Miéville's "Die Narbe" ist literarisch richtig gut. Steven Erikson und sein "Spiel der Götter" nicht zu vergessen. Brian Ruckley's "Die Welt aus Blut und Eis"-Trilogie. Patrick Rothfuss' "Der Name des Windes". Das sind so die besten Fantasybücher der letzten zehn Jahre für mich, die ich jedem empfhelen kann.

4Players: Wann wird es mehr von The Age of Decadence  zu sehen geben?

Vince D. Weller: Die große Demo wird in den kommenden Wochen veröffentlicht. Dann muss man mal sehen, wie unser Spiel bei den Leuten ankommt.

 
0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.