Neural Impulse Actuator08.08.2008, Jan Wöbbeking
Neural Impulse Actuator

Special:

Wollt ihr mal wieder in richtig schön geschockte Gesichter schauen? Nichts leichter als das: Kauft euch einen "Neural Impulse Actuator", stellt euch demonstrativ mit dem Karton vor die nächstbeste Person und erklärt ihr mit bedeutungsschwangerer Mine, das ihr gleich ein Videospiel nur mit euren Gedanken steuern werdet. Moment mal, nur mit Signalen aus dem Denkapparat? Ja, genau das verspricht Hersteller OCZ mit seinem neuen Stück Hardware.

Gedankenspiele

Als bekennender Fan neuartiger Eingabegeräte und skurriler Gadgets habe ich mir natürlich ein Exemplar des rund 170 Euro teuren Neural Impulse Actuators (NIA) geschnappt und näher unter die Lupe genommen - auch wenn der Rest der Redaktion mich nach meinen ersten Ausführungen zum Thema beinah einweisen wollten.

Das unscheinbare NIA-Kästchen ist in etwa so groß wie ein Nintendo DS.
Kommen wir gleich zum Eingemachten: Kann man sich wirklich nur mit Hilfe seiner Gedanken durch Computerspiele navigieren? Die Antwort lautet: Jein. Das Gerät misst zwar Alpha- und Beta-Gehirnströme, doch die lassen sich bei weitem nicht so einfach beeinflussen, wie das bei den ebenfalls gemessenen muskulären Spannungen im Gesicht der Fall ist. In einem Ego-Shooter wie Unreal Tournament 3 übernimmt der Controller beispielsweise die Funktionen einer Tastatur: Ihr lauft, springt oder schießt mit dem NIA, zielen müsst ihr aber weiterhin mit der Maus. Wenn ihr genauer wissen wollt, wie das funktioniert, solltet ihr einen Blick auf unsere 4P-Bilderserie werfen.

Das NIA besteht aus einer kleinen Box, die ihr per USB-Kabel an den PC hängt, und einem mit der Box verkabeltem Headset. Dieses Stirnband, Headband genannt, bindet ihr euch um, wie Rambo es mit seinem Kopftuch zu tun pflegt. An der Innenseite des flexiblen Gummibandes sind drei Sensoren angebracht, welche nach einem ähnlichen Prinzip funktionieren wie ein Elektroenzephalogramm (EEG), mit dem im Krankenhaus Gehirnströme gemessen werden. Auf dem »Brainfingers« genannten Übersichtsbildschirm seht ihr, wie stark die einzelnen Signale ausschlagen.

Gut gekaut ist halb gezockt

Besonders gut lässt sich die muskuläre Anspannung messen: Der NIA erfasst, wie stark ihr z.B. eure Kiefermuskulatur anspannt. Auch die Augenbrauenmuskulatur sendet relativ deutliche Signale aus. In einem mitgelieferten Pong-Spielchen bewegt ihr euren Schläger nach oben und unten, indem ihr z.B. euren Kiefer oder eure Augenbrauen hebt und senkt. Klingt skurril, sieht auch so aus, funktioniert aber.

Sieht seltsam aus, funktioniert aber: Spielsteuerung mittels Kieferbewegungen.
Der Schläger bewegt sich allerdings auch nach einer Runde Feintuning in den Empfindlichkeitseinstellungen noch etwas zittrig und nicht ganz so präzise, wie man es von anderen Eingabegeräten gewohnt ist. Nach ein paar Tagen Training hat sich die Genauigkeit meiner Bewegungen aber ein wenig erhöht.

Ein weiterer Messwert erfasst die seitliche Augenbewegung. Leider habe ich es bisher kaum geschafft, etwas gezielt mit meinen Glubschern zu steuern. Meist flackert die entsprechende Anzeige wild hin und her, ohne dass ich Einfluss darauf nehmen kann. Laut der Entwickler wurde zwar an dem Problem gearbeitet, doch auch die neuen Treiber-Versionen (aktuell 1.007) konnten keine Abhilfe schaffen. Seltsamerweise wurden aber zwei Übungen gestrichen, die in der Ursprungsversion der Software beilagen. Mittlerweile ist nur noch der Pong-Klon dabei. Da ihr die Software aber im Hintergrund von anderen Spielen laufen lassen könnt, ist das Fehlen der kleinen Übungs-Spielchen nicht weiter tragisch. Es gibt übrigens trotz mehrfacher Ankündigung immer noch keine Treiber für 64-Bit-Betriebssysteme. Falls ihr kein 32-Bit-Pendant installiert habt, solltet ihr vor einem Kauf also auf die entsprechenden Treiber warten.              

Die Gedanken sind frei?

Neben muskulärer Anspannung und seitlichen Augenbewegungen misst das NIA außerdem Alpha- und Beta-Gehirnwellen in jeweils drei Frequenzen. Leider ist es mir bisher nicht gelungen, gezielt einzelne Gehirnstrommuster zu aktivieren.

Der Brainfingers-Bildschirm zeigt euch die Aktivität der einzelnen Muskel- und Gehirnströme.
Am besten soll dieses durch Ent- und gezielte Anspannung erreicht werden. Das Prinzip funktioniert, stark verkürzt beschrieben, offenbar ähnlich wie das unterbewusste Halten des Gleichgewichts beim Gehen oder Fahrradfahren: Das Gehirn prägt sich ein, welche Verhaltensmuster für das Vorankommen notwendig sind und ruft diese beim nächsten Mal wieder ab.

OCZ ist übrigens nicht der einzige Hersteller, der von der EEG-ähnlichen Technik für den Spielebereich Gebrauch macht: Emotiv Systems plant bereits ein ähnliches Headset mit dem Titel EPOC, welches mit deutlich mehr Sensoren aufwartet als das NIA. Für das EPOC ist ein 3D-Spiel in der Mache, bei dem sich z.B. die Farbe der Hintergründe eurem Gemütszustand anpassen soll. Aber zurück zum NIA: In der mitgelieferten Software sind bereits ein paar Profile enthalten, in denen die Tastenkombinationen für einzelne Spiele schon recht sinnvoll voreingestellt sind. Neben Standard-Belegungen für Shooter und Rennspiele gibt es z.B. Exemplare für Unreal Tournament 3, Oblivion und Half Life 2. Auf der OCZ-Homepage haben einige User bereits weitere Profile verlinkt. Falls diese euch nicht zusagen, könnt ihr nach Herzenslust darin herumeditieren oder gleich ein Eigenes anlegen.

Ein erstes Fazit

Konkurrent Emotiv Systems plant mit EPOC seine eigene »Brain-Mouse«
Als erste in die Massenproduktion gegangene »Brain-Mouse« macht das NIA noch einen recht experimentellen Eindruck. Wenn ihr genügend Zeit und Muße investiert, kann es durchaus interessant sein, ein wenig herumzuprobieren und sich persönliche Steuerungsprofile zusammenzubasteln. Mit diversen Feineinstellungen und ein wenig Übung könnt ihr also ohne Weiteres durch Spiele wie Unreal Tournament 3 navigieren. Erwartet aber nicht die Präzision, welche euch die bewährte Maus- und Tastatur-Variante bietet. Im Gegenzug soll das Interface einen Vorteil bei der Reaktionszeit bieten, da Gesichtsmuskeln wie das Augenlied schneller reagieren als ein Finger. Schade allerdings, dass ich es bisher nur geschafft habe, die Action auf dem Bildschirm mit meinen Gesichtsmuskeln, nicht aber mit reinen Gehirnströmen zu steuern. Schade auch, dass es immer noch keine Treiber für 64-Bit-Betriebssysteme gibt. Wenn ihr einen näheren Blick auf den Apparat und seine Funktionen werfen wollt, solltet ihr euch unsere 4P-Bilderserie zum Thema zu Gemüte führen.           

 
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