Stimmen-Vielfalt

Montag Vormittag, München: Ob das Haar sitzt, spielt keine Rolle, da wir uns in schalldichten Räumen befinden, in denen nicht die Frisur, sondern die Stimme das Wichtigste ist. Die »Violet Media«-Studios befinden sich im Kellergeschoss eines unscheinbaren Hauses im Münchner Stadtteil Schwabing, und sind für die charakteristischen Stimmen in sehr vielen Computerspielen verantwortlich: Shadowman, Arx Fatalis , Archangel oder StarCraft sind nur einige Titel aus einem großen Portfolio, mit dem sich die Angestellten schmücken können. Cold Zero ist der neueste Sproß der Familie: Für ein Action-Adventure wird außergewöhnlich viel geredet: mehr als 1000 Textzeilen sind abzuarbeiten. Bei den Sprechern hat sich JoWood nicht lumpen lassen; Namen wie Torsten Lennie Münchow , Ernst Meincke, Andrea Imme oder Kai Taschner haben nicht nur in Synchronsprecherkreisen einen hervorragenden Klang. Falls Ihr gerade verdutzt schaut, übersetzen wir das mal eben: In Cold Zero habt Ihr es unter anderem mit Antonio Banderas, Patrick Stewart, Natalie Portmann und dem geschwätzigen Moderator Jack aus Take 2 s You Don´t Know Jack -Reihe zu tun. Dazu Thomas Böcker, als Producer bei JoWood für Cold Zero verantwortlich: »Die Wahl der Sprecher fiel mir nicht schwer, da ich beispielsweise die Arbeiten von Andrea Imme seit "Leon - Der Profi" ebenso schätze wie Ernst Meincke in seiner Rolle als Captain Picard in "Star Trek". Torsten Lennie Münchow schließlich schien uns mit seiner rauchigen Stimme, die er schon Hollywood-Größen wie Brendan Fraser oder Antonio Banderas geliehen hat, perfekt für unsere Hauptfigur geeignet.«

20 Dialekte pro Minute

Synchronsprechen ist keine Sache, die man nebenbei in fünf Minuten erlernen kann. Es erfordert ein gehöriges Maß an Talent, Konzentration und vor allem großer Stimmvielfalt. Denn die Otto-Normal-Krächze wird nur im seltensten Fall gebraucht, und kann bei Bedarf auch von den Studio-Mitarbeitern selbst übernommen werden. Ein professioneller Synchronsprecher hingegen kann seine Stimme vielfach variieren. Für einen Laien ist es wirklich verblüffend zu sehen, wie viele verschiedene Menschen in einer Person leben können - teilweise kann man schon von sprachlicher Schizophrenie reden. Dabei sind es nicht nur verschiedene Stimmlagen, die die Profis beherrschen, sondern auch diverse Dialekte und Akzente, die einfach so aus dem Ärmel geschüttelt werden. Besonders Jörg Reitbacher-Stuttmann (beispielsweise als Cartman aus »South Park« bekannt) und Claus Brockmeyer (dessen ruhige Stimme zuletzt in »Die Monster AG« und »Men in Black 2« zu hören war) verblüffen durch Sprachvielfalt, und verleihen verschiedensten Bösewichtern ihren typisch fiesen Klang. Spätestens hier wird sonnenklar, dass eine ordentliche Schauspielausbildung mit Sprachschulung der beste Weg zum guten Synchronsprecher ist - es gibt nur sehr wenige Naturtalente am Mikro. Dass man, wie beispielsweise Ernst »Patrick Stewart« Meincke, seinem Sprach-Pendant auch noch ähnlich sieht, ist eher lustiger Zufall als Notwendigkeit.

...uuund läuft

Im Gegensatz zur Schauspielerei ist das Synchronsprechen für Computerspiele im Normalfall keine abendfüllende Tätigkeit. Natürlich dauern die Aufnahmen für dialoggewaltige Rollenspiele länger als für den durchschnittlichen Shooter, doch mehr als eine Woche ist ein Studio selten beschäftigt - im Gegensatz zu lippensynchronen Filmaufnahmen, die sich locker über Monate ziehen können und teilweise in echte Knochenarbeit ausarten. Die Aufnahmen für Cold Zero haben für keinen der insgesamt sechs Sprecher länger als drei Stunden gedauert - obwohl alle, bis auf Andrea Imme und Ernst Meincke, viele unterschiedliche Rollen übernommen haben. Und trotzdem wurden nur im absoluten Ausnahmefall mehr als zwei Takes benötigt, um Stimme und Zeile richtig hinzubekommen. Meist klappt die Aufnahme schon beim ersten Mal, und das, obwohl die Sprecher ihre Texte im Stakkato runterrattern. Ein Grund dafür ist, dass jeder seine eigene Methode hat, sich schnell in die richtige Stimmung zu bringen. Torsten Lennie Münchow beispielsweise, der dem Hauptpart des John McAffrey mit seinem sonoren Bariton den richtigen Kick verpasst, verlängert seine Texte vor der Aufnahme immer so, dass sie etwas überzogen wirken - nach einem kurz in den Raum geworfenen »Yippiyahee, Schweinebacke!« kommt die überlegene Drohung für das Spiel dann schließlich viel lockerer über die Lippen.

Imaginäre Gesprächspartner

Das Schwierigste bei Einzel-Sprachaufnahmen sind natürlich die Dialoge, weil der Dialogpartner fehlt. Beispielsweise wurde Andrea Imme schon einige Tage vorher aufgezeichnet, doch im Spiel unterhält sie sich mit ihrem Partner John. Deswegen brauchen die Sprecher eine genaue Vorstellung ihrer Spielsituation - Thomas Böcker (der nebenberuflich auch das faszinierende Musikprojekt Merregnon leitet) sitzt unter anderem genau dafür im Studio: Er erklärt, in welcher Stimmung sich die Figuren gegenwärtig befinden. Danach wird noch die erste Dialogzeile vorgespielt, der Sprecher passt seine Stimmlage entsprechend an und voila: die Aufnahme sollte im Kasten sein. Und das sind sie am Ende des Tages dann auch vollständig: Jede Menge Kaffee, Pizza, aufgrund der Kopfhörer schmerzende Ohren und viel, viel Wasser später verstreuen sich die Sprecher wieder in alle Himmelsrichtungen und Cold Zero hat endlich eine deutsche Stimme. Oder zwei, oder drei, oder...

Damit Ihr Euch selbst ein Bild über die in Cold Zero benutzten Stimmen machen könnt, hat uns JoWood freundlicherweise sieben Sprachsamples im MP3-Format zur Verfügung gestellt: