Lauf, Hase! Lauf!
Wuuäääh, garstiger Bossgegner voraus!
Warum greift ein friedlicher Mümmler zur Waffe? Der Grund ist natürlich eine mistige Schildkröte: Devan Shell! Diese Brillenschlange hat die gar reizende Hasendame Eva Earlong entführt, was ihr Rammelkumpel Jazz natürlich nicht zulassen kann! Also greift er zum unbegrenzt munitionierten Blaster, zum durchschlagenden »Toaster«-Schuss oder zur doppelt feuernden »RF-Missile«, um sich sechs Kapitel lang (die mächtige Namen wie »Turtle Terror« oder »Ballistic Bunny« trugen) die Gegner vom Hals zu halten: Schildkröten in mannigfaltiger Form, Bienen, schnappfreudige Pflanzen, Flugschwerter, fliegende Bratzaugen, Drachenwesen und mehr. Abgefahrener Kram.
Die Kapitel lieferten alle Abwechslung, die man sich wünschen konnte: Fröhlich-himmelblaue Inseln wechselten sich mit düsteren Techno-Welten, sandigen Wüstenlevels und glitzernden Kristall-Abschnitten ab - später durfte man sogar ein wenig im
Nach gemeistertem Kapitel gab es süße Comicfilme zu sehen. Ooooch, junge Hasiliebe...
Weltall um ein Riesenraumschiff herum schweben. Wem das noch nicht reichte, der durfte sich direkt beim Entwickler (wobei hierzulande CDV den Vertrieb übernahm) noch eine Erweiterungsdisk mit drei weiteren Kapiteln bestellen. Außerdem gab es zum Abschluss der Jahre 1994 und 1995 jeweils eine Schnee-, Tannen- und Lichterketten-lastige Erweiterung kostenlos. Zwischen den normalen 2D-Levels gab es immer wieder mal auch 3D-Bonusrunden, die vom Grafikeffekt her stark an den vom SNES bekannten
Mode 7 erinnerten: Da trabte der Hase durch immer komplexere Labyrinthe, immer auf der Jagd nach Kristallen - hatte er eine Mindestzahl eingesammelt, gab’s ein Extraleben. Am Ende jedes Kapitels wartete ein Bossgegner (meist Devan Shell selbst, aber auch mal eine bissige Rieseneule oder ein Giganto-Jazz) - las man diesem die Leviten, gab es kurze, aber handwerklich sehr edle Comic-Filmchen zur Belohnung.
Was wurde aus den Entwicklern?
Arjan Brussee entwickelte nicht nur weitere Jazz-Jackrabbit-Spiele, sondern gründete seine eigene Entwicklungsfirma (Orange Games), aus der später Guerrilla Games erwuchs. U.a. war er für das technische Grundgerüst der Killzone-Spiele verantwortlich. Seit Anfang 2012 arbeitet er als Executive Producer bei den Dead-Space-Machern Visceral Games.
Und zu Cliff Bleszinski muss vermutlich nicht viel geschrieben werden. Er blieb Epic MegaGames treu, war dort u.a. an diversen Unreal-Spielen beteiligt - und erschuf mit Gears of War eine der wichtigsten Action-Marken der Welt.
Und nicht nur diese ließen PC-Spieler vom Glauben abfallen - die gesamte Präsentation war einfach jenseits von allem, was man den trägen Kisten zugetraut hatte. Klar, zu der Zeit gab es schon
Strike Commander,
Comanche und Co., aber rasend schnelles, flüssiges Parallax-Scrolling in alle Richtungen, farbenprächtige, herrlich verspielte Levels, wunderbar animierte Figuren und coole Demoszenen-Grafikeffekte - damit rechnete man auf Konsolen oder dem Amiga, aber doch nicht auf PCs! Und doch war es Realität.
Vielleicht nicht die makellose Realität, denn perfekt spielbar war Jazz Jackrabbit nicht. Aber es war ein enorm wichtiger Schritt in die Spielezukunft für PCs, es verwandelte die grauen Maschinen in heiße, mächtige Konsolen, in Arcade-Geschosse gar! Es zeigte überdeutlich, was möglich war, wenn man nur mit viel Enthusiasmus und noch mehr Liebe für ein Genre zu Werke ging. Und es zeigte, wie wichtig ein Soundtrack für ein Spiel ist - meine Güte, war der Score von Robert A. Allen toll. Und das Schöne an dem Spiel: Es sieht auch heute noch super aus. Gute 2D-Grafik altert eben einfach nicht!
Paul Kautz
Da rast der Ballerhase:
Jede Menge Jazz-Jackrabbit-Screenshots