Kinder des Nils20.10.2004, Bodo Naser
Kinder des Nils

Special:

Die Pharao-Macher schlagen zurück: Wir konnten ein ausführliches Interview mit Tilted Mill Entertainment, den Entwicklern von Kinder des Nils, führen. Die Fragen rund um das umfangreiche ägyptische Aufbauspiel beantwortete Design Director Jeff Fiske.  

4Players: Kinder des Nils könnte man als Nachfolger von erfolgreichen Spielen wie Caesar, Zeus oder Pharao bezeichnen. Könntest du bitte beschreiben, welche Art von Spiel wir erwarten können?

Jeff Fiske: Im Kern basiert Kinder des Nils auf den klassischen Städtebauspielen, die du erwähnst, ebenso wie auf anderen Strategiespielen. Das Spiel dreht sich um das Errichten von Wohngebäuden und Versorgungseinrichtungen im richtigen Verhältnis, so dass eine homogene Stadt entsteht. Der größte Unterschied zu diesen Spielen besteht aber darin, dass man in Kinder des Nils auch eine homogene Gesellschaft errichten muss.

Sonnenuntergang am Nil: Das Spiel wird komplett dreidimensional dargestellt und einen Tag- & Nachtzyklus bieten.
Es spielt in einer kompletten 3D-Umgebung mit frei beweglicher Kamera, die über Schaltflächen auch von denjenigen gesteuert wird, die noch nie eine Kamera bedient haben. Die Folge war, die Leute mussten möglichst real wirken, denn nur dann waren die Spieler beeindruckt, wenn sie in 3D zoomten. Diese Veränderung betraf das ganze Design und die Durchführung, denn das Verhalten der Leute musste intuitiv wirken und sich auf die Engine auswirken. Daher zeigen wir das im Modell und geben den Spielern die Kamera in die Hand, um es sich offen anzuschauen. Anstatt jede Menge Statistiken durchzublättern, können die Spieler nun das tägliche Leben im Blick behalten, um daraus ihre Schlüsse zu ziehen. Zusätzlich kann man sich Häuser mit speziellen Problemen anzeigen lassen.

Letztlich geht es also immer noch um Bauen, Überwachen und Expandieren. Man taucht aber viel mehr ein und alles fühlt sich viel weniger künstlich an.

4Players: Hintergrund des Spiels wird das alte Ägypten sein. In welchem Jahr wird die Kampagne beginnen? Wird jede Mission einen speziellen Zeitabschnitt markieren wie in Pharao? Was werden die größten Unterschiede zu Pharao sein?

Jeff Fiske: Das Spiel wird im Alten Königreich beginnen und im Neuen enden, was grob von 2700 v.Chr. bis 1200 v.Chr. umfasst. Die Aufteilung der Kampagne fußt auf der Historie, so dass die Ziele jedes Szenarios mit den Fertigkeiten und Themen verbunden sind, mit denen sich die Ägypter zu jener Zeit tatsächlich beschäftigten.

Der größte Unterschied (bei Kampagne oder Szenario) zu früheren Städtebauspielen besteht aber darin, wie die Weltkarte funktioniert. Die erlaubt es, sich als Pharao eigene Ziele zu setzen. So kann man eine Expedition in den Libanon schicken, um dort auf Neues zu stoßen. Man kann Händler, Minen, eine fremde Stadt zum Handeln, zum Erobern oder einen möglichen Verbündeten entdecken. Je nachdem wie man mit der Welt interagiert, verändert sich auch das Aussehen des eigenen Ägyptens ebenso wie das tägliche Leben in der Hauptstadt. Wer beispielsweise Zedernholz aus dem Libanon importiert, kann sowohl Luxusjachten als auch Kriegschiffe bauen. Zusätzlich zur Kampagne wird es einzelne Szenarien geben, die teils in einer alternativen Geschichte spielen, und einige solide Sandkastenspiele.

     

4Players: Brot und Spiele! Bei Caesar und seinen Nachfolgern musste man stets das Wohl seiner Bevölkerung im Auge haben. Wird es dieses Mal wieder Produktionsketten geben? Welche Arten von Unterhaltungseinrichtungen wird es in Kinder des Nils geben?

Schöner Blick auf das orientalische Stadtviertel. Die Architektur überzeugt mit authentischen Gebäuden.
Jeff Fiske: In Kinder des Nils geht es nicht so sehr um die Produktion und die Industrie als um das eigene Volk. Die Leute sorgen für einander und der Pharao besteuert sie wann und wo er kann. Auf diese Weise finanziert man eine Verwaltung, die Dienste zur Verfügung stellt, welche die Leute erwarten, und die sie beaufsichtigt, wenn sie an großen Monumenten für den Pharao arbeiten.

Der Adel wünscht sich -er fordert nicht- Unterhaltung und veranstaltet Feste, zu welchen Unterhalter geladen sind, die dort auftreten. Er vergnügt sich mit einer gelegentlichen Jagd oder einer Fahrt mit der Privatyacht auf dem Nil - vorausgesetzt, man verfügt über Zedernholz aus dem Libanon.

Wenn die Leute drauf und dran sind, aus Frust einen Aufstand zu machen, und man besitzt genügend Nahrungsmittel, kann man ein Fest schmeißen, um sie zu besänftigen. Das ist ein teures Vergnügen und kaum eine langfristige Lösung, aber es ist nur für einmal und kann einem den Hals retten!

4Players: Sogar die Religion spielte in Der erste Kaiser und vergleichbaren Spielen eine Rolle. Welche verschiedene Glaubenssysteme wird es bei Kinder des Nils geben?

Jeff Fiske: Eine der geschichtlichen Facetten, die ich amüsant fand, war, dass mit der Zeit immer mehr Städte entlang des Nils an Bedeutung gewannen. Ebenso wie eine Stadt immer mächtiger wurde, so wurden auch ihre lokalen Gottheiten immer bedeutender. Im Lauf der Zeit wurden Städte und Götter in einen komplizierten, Zen-artigen Wandteppich verwoben. Die Pharaonen förderten das noch, indem sie einzelne Götter hervorhoben. Wenn die Dinge dann nicht mehr so gut liefen, hatte der Pharao alle Hände voll zu tun, die Erwartungen des Netzwerks aus Forderungen zu erfüllen, das er oder seine Vorfahren zuvor noch knüpfen halfen.

Um auf deine Frage zurückzukommen: Die Bevölkerung glaubt an ihre Götter. Die Menschen wollen die Götter verehren. Sie fühlen sich dann besser und bleiben länger treu, so dass man Orte schaffen muss, wo sie zu ihnen beten können, und ausgebildete Priester bezahlen, die diese Einrichtungen verwalten. Ob man einen riesigen Tempel von Hapi oder Osiris besitzt, beeinflusst das Ausbleiben der Nilflut nicht. Aber wenn man keinen Tempel hat und die Flut ausbleibt, könnten die Menschen auf die Idee kommen, dass das die Schuld des Herrschers sei, und eine Aktion gegen diesen starten oder ihre Dienste für eine Weile verweigern. Wenn dieser sich dann weiter wie ein Ketzer aufführt, dann werden die Leute ihren Glauben verlieren und ihren Herrscher stürzen. Das ist die einzige Möglichkeit, das Spiel zu verlieren. Natürlich steigen die Anforderungen an die religiösen Einrichtungen immer mehr, je größer und komplexer die Gesellschaft wird.

     

4Players: Welche Monumente wird es im Spiel geben? Wird es auch Pyramiden geben?

Jeff Fiske: Bevor ich das beantworte, muss ich das Prestige erwähnen. Die ägyptischen Herrscher waren bekannt dafür, dass sie für kleine Taten große Bauwerke errichten ließen, um die Erinnerung daran wach zu halten. In unserem Spiel produziert diese Art von "Eigenwerbung" Prestige, was die Zahl der gebildeten Arbeiter, die für den Pharao tätig sind, steigen lässt. Diese Gebildeten sind lebenswichtig, da sie soziale Dienste leisten und die Konstruktion der Projekte beaufsichtigen, zu der auch die Errichtung von Monumenten zählt.

Die Ägypter sind sehr religiös: Statuen diverser Gottheiten und Tempel säumen das Stadtbild.
Als Formen kommen Grabmale, Obelisken, Stelen und Statuten vor. Mit Ausnahme der aus Tonsteinen errichteten Mastabas, brauchen alle anderen Monumente Aufseher, die die Tätigkeit der Arbeiter koordinieren, die die Baudienste verrichten. Alle Monumente liefern Prestige. Die Größe eines Grabs und wer darin beerdigt ist, beeinflusst die Menge an Prestige, die man dadurch erhält. Baut man eine letzte Ruhestätte für die Adeligen, verbessert sich dadurch deren Stimmung und das eigene Prestige steigt. Der wichtigste Teil davon, wie die Gräber funktionieren, betrifft die Frage, wo man selbst bestattet wird! Je mehr Prestige ein Anführer besitzt, desto größer wird der Verlust sein, wenn er stirbt. Ein großes Grabmal ist also durchaus ein guter Einfall, wenn man genug Rohstoffe besitzt. Es sichert auch einen sanften Übergang der Macht, indem es den Leuten die Furcht nimmt und den Prestigeverlust verringert.

In späteren Szenarien gab es -wie im echten Ägypten- weniger arbeitsintensive Wege, das Ansehen eines Pharaos für seine Dynastie zu sichern. Es ist viel einfacher, eine Armee aufzustellen, die dann nach Persien zieht, um sich dafür mit einem von Abu importierten Obelisken zu brüsten, als Millionen Tonnen von Steinen durch die Gegend zu schleppen.

4Players: Bei der Caesar-Reihe besaß jeder Arbeiter seine eigene Persönlichkeit. Wird es wieder möglich sein, jeden nach seiner Meinung zu fragen? Wird es Einwanderung geben?

Jeff Fiske: Der Spaß, sich witzige Namen und Kommentare für eine ernsthafte Umgebung einfallen zu lassen, wird dieses Mal durch die Sprachausgabe ersetzt, die einen mit interessanten Konversationen und Vertauschungen bei der Stange hält. Die Sprachausgabe sorgt so dafür, dass der Spieler das so wichtige Feedback erhält. Das Spiel handelt davon, wie Ansammlungen einzelner Leute miteinander interagieren und schließlich eine Gesellschaft bilden. Sie wandern also nicht ein, weil sie schon dort leben. Ohne Zutun des Spielers würden sie vielleicht auch gut leben, aber nur er vermag sie zu einer Art von Gemeinschaft zusammen zu schweißen.

Die Statuen genießen den erhöhten Sitz und die Ägypter schauen ehrfürchtig hinauf.
In einigen Punkten unterscheidet sich die gesamte Dynamik aber wirklich von Caesar. Jede Person hat einen Namen und eine Herkunft. Man kann sie umbenennen und ihre Familiengeschichte verfolgen. In früheren Städtebauspielen haben wir das reingemacht, um die Tatsache zu überdecken, dass das nur Pixelmännchen waren, die ab und an von einem Gebäude erzeugt wurden. In Kinder des Nils versuchen wir die Persönlichkeit realistischer darzustellen, aber nicht weniger humorvoll.

Wenn man eine Person auswählt, kann man genau sehen, was sie bewegt. Sie wird einem aber sicher nicht verraten, was ihren Nachbarn umtreibt. Dafür kann man sich die Häuser zu einem speziellen Thema markieren lassen oder jedes Haus anwählen und dann durch die Familien der Klasse klicken. Du hast gefragt, ob man sich die Meinung einer Person anzeigen lassen kann. Keine Angst, man braucht nicht zu fragen, denn die Leute demonstrieren dann vor dem Palast des Pharaos. Die Probleme sind mehr organischer Natur und deren Lösungen sind es auch.

     

4Players: Bei Pharao & Co spielte Eroberung nicht die zentrale Rolle, da die Streitkräfte mehr defensive Aufgaben übernahmen. Welche Rolle spielt das Militär in Kinder des Nils? Wird man auch andere Länder besetzen können?

Jeff Fiske: Der Aufbau einer Armee geschieht mehr durch Training und Ausrüsten. Aber es wird keine Kämpfe geben, die man auf dem Bildschirm kontrollieren kann. Die Streitkräfte marschieren nach Belieben des Pharaos los, um feindliche Länder zur Ehre Ägyptens zu erobern, was wiederum Prestige einbringt. In diesen schwierigen Zeiten kommen öfters Räuber von außerhalb in die Stadt, bis sie dann die Stadtgarde verjagt. Aber man wird niemals einen einzelnen Soldaten auswählen, um ihm zu sagen, was er tun soll. Man spielt zwar einen Pharao, der seinen Leuten erzählt, er sei ein Gott, aber in Wahrheit ist er eben keiner. Man kann sein Volk nicht im Kleinen herumkommandieren, man ist Manager auf einem höheren Level.

4Players: Strategiespiele wie Kinder des Nils sind oft sehr komplex. Wie wollt ihr dafür sorgen, dass das Spiel zugänglich bleibt?

Auch aus der Ferne überzeugt die 3D-Engine mit weiter Sicht. Die Frage bleibt, wie es im Detail auf den Straßen aussieht.
Jeff Fiske: Erstens gibt es ein gut gemachtes Tutorial, das dem Spieler zeigt, wie das Spiel funktioniert und wie er Spaß daran hat. Zweitens ist das Spiel selbst zugänglich. In früheren Städtebauspielen konnte die Tatsache, dass ein Bauer keine Tonwaren zu Hause hatte, ihn möglicherweise dazu bringen, die Stadt zu verlassen, was auf der Karte zu sehen war. Genau dieser Mechanismus ist es, der Nichtspielern sinnlos erscheint. In Kinder des Nils würde derselbe Bauer ohne Geschirr vielleicht ein wenig aufrührerisch werden, was ihn veranlasst, spät zur Arbeit zu erscheinen oder über seine Lebensbedingungen zu protestieren. Aber er würde nicht mitten in der Ernte seine Ähren im Stich lassen nur wegen der Tonwaren. Das macht auch keinen Sinn. Wenn er nicht mehr mit seinem Los zurecht kommt, dann würde er vielleicht seinen Job als Bauer an den Nagel hängen, um wieder Jäger und Sammler zu werden, oder er würde als Bettler und Verbrecher arbeiten, bis ein anderer Job käme. Wir glauben, dass wir sowohl Hardcore- als auch Gelegenheitsspieler für diesen Paradigmenwechsel gewinnen können, weil der Grund dafür allgemein anerkannt ist.

Darüber hinaus haben wir die Abläufe organisch gestaltet und das ist es, wo sich die Fans der klassischen Städtebauspiele und ihrer Regeln umstellen müssen. Wir hören oft Kommentare von Fans wie "Wie kommt es, dass mein Töpfer keine Waren hat? Er wohnt doch genau neben dem Leinenmacher, und der Mattenmacher ist auch sein Nachbar?" Hier meine Erklärung dafür: Ich wohne neben einem Einkaufszentrum, aber ich besitze keinen Großbildfernseher! Diese Analogie hilft insoweit, als dass man sich Dutzende von Gründen vorstellen kann, warum ich vielleicht keinen Fernseher für 10.000 Dollar habe. Würde ich aber in einer Gesellschaft leben, die auf den früheren Städtebauspielen basiert, würde ich einfach ins Best Buy (US-Geschäft) laufen und mir einen nehmen. Das ist absurd, aber so lief es in den alten Städtebauspielen ab. In Kinder des Nils gibt es das nicht mehr.

Jetzt begreift der Spieler, dass die Gründe dafür, dass der Bauer keine Tonwaren hat, nicht darin liegen, dass der Töpferladen nicht nah genug liegt. Vielleicht gab es eine schlechte Ernte und nach all den Steuern hat der Bauer keine Nahrung mehr zum Tauschen? Vielleicht hat auch der Töpfer keine Ware mehr? Es gibt viele Gründe, aber die Antwort der klassischen Städtebauer ist nicht länger der richtige Weg, sich darüber Gedanken zu machen.

4Players: Kinder des Nils ist beinahe fertig. Wann genau wird es den Goldstaus erreichen?

Jeff Fiske: Es wird im November erscheinen. Die Erscheinungstermine außerhalb der USA erfährst du von Sega. (Anm. d. Red.: In Deutschland soll es am 26. November erscheinen.)

4Players: Immortal Cities klingt nach einer ganzen Spielereihe. Gibt es schon irgendwelche Pläne für einen Nachfolger von Kinder des Nils? Wenn ja, in welcher geschichtlichen Epoche wird er spielen?

Jeff Fiske: HA! Du glaubst, du kannst das hier nebenbei erfahren. Das war ein netter Versuch. Ich werde hier die offensichtliche Benennung unseres Spiels nicht bestreiten, aber du entschuldigst hoffentlich, dass ich unser nächstes Projekt weiter geheim halte.

4Players: Jeff, vielen Dank für deine Antworten und viel Erfolg mit Kinder des Nils!

   

 
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