Tabula Rasa16.06.2007, Benjamin Schmädig
Tabula Rasa

Special:

Seit 15 Jahren arbeiten Richard Garriott und Starr Long bereits zusammen an Rollenspielen - die letzten fünf davon haben sie an Tabula Rasa (ab 6,63€ bei kaufen) gewerkelt. Doch was genau ist Tabula Rasa? 3D-Person-Action, dynamische Schlachtfelder und eine epische Geschichte. Was genau es damit auf sich hat und weshalb er fast ein Fantasy-Szenario mit Martial Arts-Kämpfen entwickelt hätte, lest ihr im Interview mit Starr Long!

4Players: Zunächst einmal: Wie lange arbeiten Sie schon an Tabula Rasa?

Starr Long: Ich bin seit 2001 an dem Projekt beteiligt. Wir arbeiten jetzt schon einige Jahre daran. Irgendwann haben wir noch mal von vorn begonnen, denn wir sind zuerst mehr in Richtung Fantasy gegangen als wir es vorhatten. Wir wollten aber ein Science Fiction-Spiel machen. An der aktuellen Version sitzen wir jetzt seit etwa viereinhalb Jahren.

4Players: Seit den ersten Präsentationen hat sich tatsächlich sehr viel verändert. Sind Sie jetzt dort angekommen, wo Sie ursprünglich hin wollten und wie kam es dazu, dass sich Tabula Rasa zu einem so actionlastigen Rollenspiel entwickelt hat?

Long: Am Anfang wollten wir eine Fantasy-Welt mit starkem Martial Arts-Einfluss erschaffen, weil Richard Garriott, Jake Song - einer der Gründer von NCsoft - und

Seit 15 Jahren Partner von Richard Garriott: Starr Long stellte sich unseren Fragen zu Tabula Rasa.
ich gleichzeitig auf den westlichen als auch auf den asiatischen Markt geschielt haben. Als wir so versucht haben, möglichst viele zufrieden zu stellen, konnten wir letzten Endes natürlich niemanden zufrieden stellen. Also haben wir uns dazu entscheiden, das Projekt noch einmal zu überdenken und ein Spiel daraus zu machen, in das wir mehr persönliche Erfahrung einbringen konnten. Wir wollten uns mehr in Richtung Science Fiction bewegen, denn wir hatten ja schon über 30 Jahre lang Fantasy gemacht. Außerdem wollten wir mehr Action einbringen als es bisher in Online-Rollenspielen gab. Wir glauben, dass Tabula Rasa dieses Genre weiter voran bringt als es unser ursprüngliches Konzept getan hätte. Dynamische Schlachtfelder, Kontrollpunkte, die von allen Parteien eingenommen werden können, Charakter-Entwicklung über Klone - alle diese Besonderheiten bieten etwas Evolutionäres.

4Players: Sie haben dynamische Schlachtfelder erwähnt. Inwiefern sind sie dynamisch - was passiert dort?

Long: Wenn man sich die meisten der Online-Rollenspiele anschaut, dann stehen die NSCs (Nicht-Spieler-Charaktere - vom Programm gesteuerte Charaktere, Anm. d. Red.) meist nur am Fleck und warten darauf, vom Spieler getötet zu werden. Sie befinden sich auch immer am selben Fleck, egal wann man dort hinkommt. Wir wollten hingegen das Gefühl vermitteln, dass man sich mitten in einem Krieg befindet. Deshalb reagieren unsere NSCs ständig auf ihre Umgebung und auf ihre Mitstreiter. Sie stehen also nicht nur am Platz, sondern werden z.B. von einem Truppentransporter abgesetzt und beginnen ihre Patrouille. Dabei könnten sie einer gegnerischen Patrouille über den Weg laufen und das Feuer eröffnen. Und das ist nur die einfachste aller Möglichkeiten. Eine andere Möglichkeit ist, wenn ein Jäger auf der Suche nach Beute ist (es gibt spezielle Jäger- und Beute-Rassen), auf eine Gruppe feindlicher Jäger trifft und deshalb gegen sie kämpfen muss.

Aber was das Spiel erst wirklich dynamisch macht, sind die Kontrollpunkte. Kontrollpunkte sind spezielle Areale, deren Zustand davon abhängt, von welcher Partei sie besetzt wurden. Dazu gehört z.B.: Welche Teleporter können genutzt werden? Welche Wiederbelebungs-Punkte sind verfügbar? Welche NSCs gibt es dort? Welche Händler kann man besuchen und welche Gegenstände kann man kaufen? Man kann deshalb zu einer menschlichen Basis gehen, dort einen Auftrag annehmen - und wenn man zurückkommt, könnte die Station von Gegnern überrannt worden sein. Dann müsste man sich mit mehreren Spielern zusammenschließen, um die Basis zurück zu erobern. Erst dann kann man seine Mission beenden. Jedes Mal, wenn man ein Gebiet betritt, sollte man deshalb eine andere Umgebung vorfinden.

4Players: Sie haben erwähnt, dass man sich Mitstreiter suchen muss. Ist das zwingend notwendig oder kann man Tabula Rasa auch alleine spielen?

Long: Man kann auch solo spielen, allerdings braucht man eine Gruppe oder einen sehr weit starken Charakter, um einige der Missionen zu erfüllen und um Kontrollpunkte zu erobern bzw. zu halten. Wenn man also eine Instanz (abgeschlossene Missionen außerhalb der offenen Online-Welt, Anm. d. Red.) oder

Kontrollpunkte sorgen dafür, dass sich die Grenzen auf den Schlachtfeldern ständig verschieben.
einen Kontrollpunkt angehen will, der dem Level des aktuellen Charakters entspricht, braucht man eine Gruppe. Fast alle Missionen in der offenen Welt kann man jedoch im Alleingang bewältigen.

4Players: Tabula Rasa soll sich ja ähnlich wie ein 3rd-Person-Actionspiel anfühlen - wieviel traditionelles Rollenspiel ist denn im Spiel drin?

Long: Wir versuchen auf jeden Fall, ein Rollenspiel zu entwickeln! Im Kern ist es ein Rollenspiel und damit meine ich unterschiedliche Aspekte. Zum einen sammelt man Erfahrung, man steigert die Fähigkeiten seines Charakters mit jedem Level und die Rüstung sowie die Waffen, die man trägt, entscheiden über den Schaden, den man einstecken und austeilen kann. Die Kämpfe sind keine Reaktionstests; sie haben nichts damit zu tun, wie schnell man mit der Maus klicken und gegnerischem Feuer ausweichen kann. Das Entscheidende sind nach wie vor die Würfel und verschiedene Variablen. Es kommen allerdings einige Echtzeit-Elemente hinzu, wie z.B.: Steht man still oder bewegt man sich? Das beeinflusst die Präzision eines Schusses. Steht man oder kriecht man? Das beeinflusst ebenfalls die Präzision. Befindet man sich in Deckung oder nicht? Je nach Stärke der Deckung werden Schüsse komplett oder nur zum Teil abgewehrt, was wiederum damit zu tun hat, wie viel des Körpers sich hinter der Deckung befindet.         

Es ist außerdem ein Rollenspiel, weil wir eine epische Geschichte erzählen wollen. Es gibt nicht nur zusammenhängende Missionen auf jedem Planeten, auch die Instanzen werden wie für ein normales Rollenspiel geschrieben. Man muss z.B. Zugangscodes für Terminals beschaffen, mit denen man Sicherheitskameras außer Kraft setzen kann. Oder man muss eine Station in die Luft jagen - was man durch das Ausschalten von Teleportern erreicht, damit keine Verstärkung mehr eintrifft. Die Welt ist wesentlich dynamischer und es gibt mehr vorherbestimmte Ereignisse als in Solo-Rollenspielen. Es ist typisch für die Spiele, die Richard Garriot in den letzten 30 Jahren gemacht hat, dass man nicht nur das tun muss, was einem gesagt wird. Stattdessen kann man sich überlegen: "Was will ich wirklich tun?" Man bekommt z.B. eine Mission, in der man einen Damm sprengen soll, um ein Tal zu fluten. Aber wenn man in dem Tal ankommt, erkennt man vielleicht, dass dort Menschen leben. Nimmt man sich jetzt die Zeit,

Ein Absatz in Logos - der von Richard Garriott erdachten außerirdischen Sprache.
sie zu warnen oder verweigert man sogar den Befehl? Man ist in diesem ethischen Dilemma gefangen, so dass man sich fragt, was richtig und was falsch ist.

4Players: Sie sprechen von einer epischen Geschichte, aber die meisten Online-Rollenspiele legen scheinbar wenig Wert auf ihre Story. Braucht ein Online-Rollenspiel denn überhaupt eine große Handlung?

Long: Meiner Meinung ist die Geschichte extrem wichtig für ein Online-Rollenspiel. Sie erschafft eine Welt, in der die Spieler agieren können, sie entwickelt das Szenario weiter, sie erweckt eine Illusion, die es sonst nicht geben würde. Wenn man eine Story hat, die zum Nachdenken anregt, erzeugt das eine sehr viel dichtere Stimmung. Man fühlt tatsächlich, dass man sich an einem anderen Ort befindet und nicht nur ein Spiel spielt.

4Players: Sie hatten auch Richard Garriott erwähnt: Wie sehr ist er bei Tabula Rasa involviert?

Long: Sehr stark. Richard und ich arbeiten seit 15 Jahren zusammen  Wir haben zusammen an Ultima Online gearbeitet - ich als Project Director und er als Producer. Diesmal bin ich der Produzent und er der Ausführende Produzent. Ich gebe deshalb zum größten Teil Interviews wie diese, damit Richard mehr Zeit hat, um an dem Spiel zu arbeiten. Er hat z.B. im Alleingang die Sprache der Aliens erschaffen, er baut einige der Missionen, spielt selbst alle vorhandenen Missionen usw.

4Players: Gibt es denn Pläne, dass Sie beide wieder an einem traditionellen Rollenspiel arbeiten wollen?

Long: Im Moment konzentrieren wir uns darauf, Tabula Rasa und die ersten Erweiterungen fertig zu stellen. Tabula Rasa wird zwar ein umfangreiches Spiel werden, aber es sollen später auch neue Planeten oder zusätzliche Fähigkeiten hinzu kommen. Details dazu geben wir bekannt, wenn die Erweiterungen in greifbare Nähe rücken. Aber ja, Richard und ich wollen danach auch wieder andere Projekte angehen.

4Players: Eine technische Frage: Es wird instanzierte und offene Bereichen geben. Wie hoch ist der jeweilige Anteil dieser beiden Elemente?

Long: Die genaue Verteilung kann ich noch nicht sagen, aber die beiden Elemente werden sich ungefähr die Waage halten.

4Players: Was glauben Sie, wo die Zukunft der Online-Rollenspiele liegt? Wird sich das geläufige Abo-Modell halten oder sind andere Zahlungsweisen viel versprechender - dass man z.B. erst zahlen muss, wenn der Charakter ein bestimmtes Level erreicht oder dass zusätzliche Gegenstände und Waffen echtes Geld kosten?

Long: Das hängt davon ab, welche Spielerfahrung ein Titel vermitteln will. Schau dir unseren Publisher, NCsoft, an: Wir haben verschiedene Modelle am

In Tabula Rasa könnt ihr einen Charakter klonen, um so den Klon weiter zu entwickeln. Später könnt ihr dann das Original nutzen, um aus ihm einen völlig anderen Charakter zu schaffen.
Start. Alle funktionieren, deshalb wird sich wohl keins davon als alleiniges Modell durchsetzen. Sie können nebeneinander existieren und konkurrieren nicht miteinander.

4Players: Sehen Sie World of WarCraft eher als Fluch oder als Segen für die Entwickler neuer Online-Rollenspiele?

Long: Meiner Meinung nach ist jeder erfolgreiche Titel in diesem Genre gut für uns alle. Jedes Spiel, das viele Käufer findet - Lineage, Lineage 2, Guild Wars, World of WarCraft - vergrößert den Kundenkreis. Die Spiele nehmen sich nicht untereinander die Spieler weg. Jedes Mal, wenn ein Titel mehr Anhänger findet als das davor, sieht man, dass der Markt  größer wird.

4Players: Sehen Sie für Online-Rollenspiele eine Zukunft auf Konsolen?

Long: Oh, ich glaube, sie haben definitiv eine Zukunft auf den Konsolen! In der letzten Generation war die Kommunikation noch das Hindernis, denn bisher hat man in Online-Rollenspielen hauptsächlich über die Tastatur kommuniziert. Jetzt sieht man aber in vielen Spielen, dass, genau wie in unserem, die Möglichkeit zum Chatten über Spracheingabe eingebaut wird. Und wenn man keine zusätzlichen Programme braucht, um miteinander zu reden, werden Online-Rollenspiele auch auf Konsole immer wahrscheinlicher.

4Players: Wann wird Tabula Rasa denn spielbar sein? Wann startet der offene Betatest?

Long: Momentan befindet wir uns im geschlossenen Betatest. Der offene Test startet kurz vor der Veröffentlichung. Wir werden das Spiel auch auf der Developer's Conference in Brighton zeigen. Man kann sich auf der offiziellen Webseite für die Teilnahme am Betatest bewerben; wir laden in regelmäßigen Abständen neue Spieler zum Test ein.

4Players: Vielen Dank für das Interview!      

 
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