King's Bounty: The Legend24.11.2008, Marcel Kleffmann
King's Bounty: The Legend

Im Test:

Als rechtschaffener Held, nein, als Schatzsucher seid ihr in King's Bounty - The Legend hoch zu Ross unterwegs, sammelt Reichtümer, Level-Ups und lasst eure Untertanen rundenweise kämpfen. Was nach Heroes of Might & Magic klingt, ist es im Prinzip auch, denn selbst Heroes basiert auf dem weniger bekannten King's Bounty (1990). Aus Russland kommt nun eine Neuauflage des Klassikers. Inwiefern sich diese von Heroes abheben kann, haben wir erkundet...

Echtzeit und Runde

Wie der scheinbar übermächtige Bruder Heroes of Might & Magic lässt sich King's Bounty grob in zwei Fragmente unterteilen: Die Erforschung des Fantasy-Reiches mit dem Helden auf der Weltkarte und die Kämpfe auf separaten Schlachtfeldern im Runden-Modus. Doch alles beginnt mit der Erstellung eures "Schatzsuchers" und der Entscheidung, ob ihr Krieger, Paladin oder Magier sein wollt. Anschließend versucht euch das Mini-Tutorial mit Augen zwinkernden Quests der Marke Textwüste langsam an die Materie

Obwohl King's Bounty stark nach einem Heroes-Klon aussieht, kann es genügend Eigendynamik und Spieltiefe entfalten, um sich davon abzugrenzen.heranzuführen und dies funktioniert nur mittelprächtig. Während Heroes-Kenner problemlos zurechtkommen, ist der Einstieg für Neulinge nicht allzu gelungen, weil notwendige Themen wie das Kampfsystem nicht gut genug erklärt werden und man sich Feinheiten selbst beibringen muss.

Irgendwie anders

Bereits im Tutorial fallen einige angenehme Unterschiede zu Heroes auf: So dürft ihr die quietschbunte Fantasy-Weltkarte (3D, frei drehbar) in Echtzeit erkunden, was besonders bei längeren Reisen zu gefallen weiß und die gibt es reichlich. Alle Gegner befinden sich nicht starr auf einer Stelle, sondern laufen umher oder patrouillieren, sodass sich Konfrontationen umgehen lassen, wenn ihr flink seid. Das macht die Welt dynamischer als bei Heroes, nur doof, dass sich die Kamera bei der Bewegung um Kurven ständig wirr mitdreht. Weniger Komplexität gibt es hingegen beim Strategie-Teil: Das halbe Dutzend Ressourcen und erweiterbare Städte unter eurer Kontrolle sucht ihr vergeblich. Stattdessen gibt es reichlich Gold und Objekte wie Runen, die ihr für die Weiterentwicklung eures Charakters braucht. Denn was an strategischem Anspruch fehlt, macht King's Bounty in der Kategorie Rollenspiel wieder wett, da ihr euren Helden permanent behaltet und nicht wie bei Heroes von Mission zu Mission quasi neu erschafft.

In Echtzeit erkundet ihr die Weltkarte.
Wie gewohnt wählt ihr nach jedem Level-Up einen bestimmten Bonus aus (Führung, Mana, Angriffskraft, etc.) und führt einen der drei Talentbäume fort. Obwohl jeder Skilltree primär für eine Klasse ausgelegt ist, könnt ihr nach Lust und Laune die Fähigkeiten mischen, solange ihr genug magische Runen der entsprechenden Farbe habt. Allein die "Auskundschaften"-Fähigkeit ist Gold wert und gibt euch vor dem Kampf eindeutige Hinweise auf die Zusammenstellung der gegnerischen Truppe - ansonsten steht dort nur "schwach", "gleich stark" oder so etwas wie "unbesiegbar". Etwas verwirrend und bisweilen todesträchtig ist, dass der Schwierigkeitsgrad der feindlichen Begegnungen in einem Gebiet stark schwanken kann: Hat man zum Beispiel zwei leichte Kämpfe absolviert, ist der nächste Gegner seltsamerweise "unbesiegbar". In der freien Welt könnt ihr solchen Kämpfen aus dem Weg gehen, aber in engen Räumen (z.B. einem Turm) könnt ihr direkt nach dem Eintreten von übermächtigen Feinden überrascht werden und selbst im Questtext gibt es keine Hinweise auf den Schwierigkeitsgrad.

Quests ohne Ende

Apropos Quests: Eurer ersten Aufgabe folgt eine ganze Wagenladung an weiteren Quests, die von simplen Hol&Bring-Einsätzen, über Tötungs- und Erkundungsmissionen bis hin zu komplizierten mehrstufigen Aufgaben reichen - stellenweise sind sogar mehrere Lösungen möglich und einige Kampfquests können ohne Duell mit Worten und Taten gelöst werden. Alle Quests wurden in kleine Geschichten verpackt - oftmals abseits des roten Fadens - und nehmen sich nicht Ernst. Manchmal sind diese Witze/Einfälle wirklich flach

Download: Englische Demo (687 MB)

Weitere Videos zu King's Bountyoder zünden gar nicht, andere regen wiederum zum Schmunzeln an, da viele Klischees bedient werden. Dass die Texte nicht vertont sind und sich die Präsentation auf animationslose Texttafeln beschränkt, fällt insbesondere hier negativ auf. Darüber hinaus sind die Beschreibungen oft unpräzise und bei mehr als zehn Aufgaben im Tagebuch, kann man den Überblick verlieren, wo man gerade hin muss und welche Quest wo gelöst werden soll. Etwas mehr Übersicht (Zugehörigkeit zum Gebiet, Schwierigkeitsgrad) und eine klarere Beschreibung hätten Wunder gewirkt. Dafür könnt ihr im weiteren Verlauf "heiraten und Kinder in die Welt setzen", was mit einem Buff belohnt wird. 

Zur Erkundung angeregt wird man außerdem durch zahlreiche versteckte Schätze - manche müssen erst ausgegraben werden - allerlei NPCs mit Quests und Dungeons mit Monstern, die Gegenstände hinterlassen können, Erfahrung

Auf den taktischen Schlachtfeldern stehen häufig Schatzkisten herum. Auch "magische Selbstschussanlagen" beleben die Kämpfe.
bringen und Gold dabei haben. Weitere Bonus-Dinge wie ein Altar, Schreine, Standarten oder Brunnen laden ein, jede Ecke der Welt zu erforschen.

Wenn es zum Kampf kommt

Euer  Schatzsucher der Marke Einzelkämpfer (d.h. keine weiteren steuerbaren Helden in einer Partie) verbringt trotz Echtzeit-Modus erstaunlich viel Zeit mit der Reise von A nach B, vor allem wenn ihr eure Armee (wieder)auffüllen oder zusammenstellen müsst. Da ihr keine eigene Stadt habt, sammelt ihr eure Mitstreiter an allen nur erdenklichen Gebäuden auf: Ritter und Bogenschützen aus dem Schloss, Priester aus der Kathedrale sowie Kobolde, Zwerge, Vampire (sehr stark), Plünderer, Alchimisten, Spinnen, Skelette und reichlich andere Fantasy-Kreaturen aus entsprechenden Hütten für einen Gold-Obolus, wobei die Größe der Armee durch den Wert Führung und fünf Armee-Slots begrenzt wird. Herausragend ist hierbei, dass die Kreaturen nicht nur über verschiedene Angriffsstärken oder Lebenspunkte verfügen, sondern eine oder mehrere Spezialattacken haben, die sie in einem Kampf limitiert einsetzen können. Euer Alter Ego kämpft nicht aktiv mit, sondern kann rundenweise Verstärkungs- oder Angriffszauber (z.B. von Schriftrollen) wirken. Sollte eure Armee besiegt werden, flieht der Held und muss sich mit neuen Mitstreitern eindecken.

Der Kampf

Habt ihr auf der Weltkarte einen Gegner getroffen oder umgekehrt, wechselt das Spiel in den Runden-Modus auf das Schlachtfeld voller Sechsecke, wobei nicht jede Einheit auf dem Schlachtfeld präsent ist. Habt ihr 200 Bauern im Schlepptau, sind nicht 200 mit Forken bewaffnete Kämpfer auf dem Feld, nein, nur einer, dafür in 200facher-Auflage, die langsam dezimiert wird - solche Truppenmassen lassen sich ebenfalls aufteilen.

Euer Kampftrupp sollte ausgewogen zusammengestellt sein: Eine geschickte Mischung aus Nah- und Fernkämpfern der unterschiedlichsten Klassen ist empfehlenswert.
Anhand der "Initiative"-Werte der Einheiten wird eine Reihenfolge der Angriffe festgelegt (ALT-Taste hilft ungemein bei der Planung, da Gesundheitsbalken und die Kampffolge angezeigt werden) und es entbrennt das taktische Scharmützel voller Fragenstellungen wie: Welchen Gegner sollten meine Fernkämpfer attackieren? Wo schicke ich die Nahkämpfer hin? Lohnt es sich Spezialattacken zu zünden oder soll ich beispielsweise die Verlangsamung mit einem Eispfeil für später aufheben oder lieber mit dem Feuerpfeil die Gegner in Brand stecken? Braucht wer Heilung und kann irgendeine Einheit spezielle Stärken im Angriff verbuchen? All dies könnt ihr selbst taktieren, was nach einiger Zeit sehr gut und zügig von der Hand geht, bzw. wenn man die zu erwartenden Attacken/Verluste einschätzen kann. Solltet ihr keine Lust auf Taktik haben, gibt es eine computergesteuerte Kampfalternative. Generell ist die Balance gut gelungen, auch wenn Plünderer die Goldausbeute pro Match astronomisch anschwellen lassen oder der Vampir nur schwer tot zu bekommen ist.

Zorngeister in der Schatulle

Ein weiterer Clou sind die Zorngeister, die ihr bekommt, wenn ihr die erste Questreihe des Königs abschließt. Diese vier Gesellen müsst ihr erst milde Stimmen, damit sie euch helfen und das lohnt sich wirklich. Habt ihr die Kontrolle über die Wesen erlangt, könnt ihr im Kampf starke Zauber wirken, die sich im Laufe der Zeit verbessern (Level-Up). Der Sumpfgeist heizt dem Gegner mit Giftspucke oder Giftwolke ein oder der Todesgeist beschwört ein Schwarzes Loch. Einen taktisch wertvollen Haken haben die Zorngeister: Sie können nur einmal pro Runde eingesetzt werden, haben lange Abklingzeiten und kosten Wutpunkte, die man nur im aktiven Kampf aufbauen kann, was passiven Spielweisen eher einen Riegel vorschiebt.

Eine weitere witzige Idee sind die "lebendigen Gegenstände", die nur ihre Stärke entfachen, wenn sich der Spieler an gewisse "Regeln der Waffe" hält. Upgrades dieser Gegenstände sind erst möglich sind, wenn ihr die in ihm wohnenden Schutzgeister besiegt habt. Neben diesen Items findet ihr allerlei "normale Gegenstände" mit Verbesserungen der Attribute oder sonstigem Effekt, die ihr entweder anlegen, verwenden, aufwerten oder im viel zu keinen Inventar aufbewahren könnt.

Fazit

King's Bounty ist eine Überraschung im positiven Sinne: Obwohl im Vergleich zu Heroes der strategische Aspekt mit dem Stadtbau und Ressourcen fast völlig gestrichen wurde, zieht das Spiel seinen Reiz aus dem motivierenden und stetigen Ausbau des Helden, in einer quietschbunten Welt, in der es reichlich zu erkunden und zu meistern gibt. Besonders der Echtzeit-Modus auf der Karte verspricht trotz langer Reitwege mehr Dynamik und vor so manch einer Gegner-Überraschung (Schwierigkeitsgrad) seid ihr nicht gefeit. Der wahre Kern sind jedoch die taktisch anspruchsvollen Schlachten, die es problemlos mit Heroes aufnehmen und mit Wutgeistern sowie Spezialfähigkeiten der Kreaturen massiv punkten können. Hier machen sich schnell der Sammel- und Aufstiegstrieb breit. Getrübt wird die muntere Fantasy-Schatzsuche nicht nur durch den schwankenden Schwierigkeitsgrad oder die Quest-Güteklasse. Vor allem bei der Inszenierung der Story gilt es gehörige Abstriche zu machen und der Humor ist bekanntermaßen Geschmackssache. Dennoch ein tolles Remake, da mich das Kampf- und Charaktersystem so dermaßen in seinen Bann gezogen hat, dass Heroes zeitweise alt aussah.

Pro

stetiges, motivierendes Verbessern des Helden
umfangreiches taktisches Kampfsystem
viele Kreaturen mit sinnvollen Fertigkeiten
sich weiterentwickelnde Wutgeister
Sammeltrieb stellt sich schnell ein
drei Fertigkeitsbäume, die gemischt werden können
angenehme Echtzeit-Erkundung der Oberwelt
weitläufige Welt mit vielen Dungeons
herausfordernde Bosskämpfe
sehr viele Quests mit teils netten Geschichten und Optionen
großer Umfang

Kontra

keine Sprachausgabe
maue Präsentation der Story
Kamerasteuerung auf der Weltkarte
teils lange Reitwege
wechselnde Quest-Qualität, ungenaue Beschreibungen
schwankender Schwierigkeitsgrad
leichte Balance-Schwächen
nur fünf Armeen pro Held

Wertung

PC

Ein tolles Kampf- und Charaktersystem stehen einer rudimentären Story-Präsentation und leichten Detail-Schwächen gegenüber.

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