Warhammer 40.000: Dawn of War 226.02.2009, Benjamin Schmädig
Warhammer 40.000: Dawn of War 2

Im Test:

..., reißt es meinen schweren Geschützen den Boden unter den Füßen weg. Mein Kommandant hängt über dem Kopf eines hässlichen Aliens. Eine Sekunde später schmeißt ihn das Biest wie eine lästige Fliege zehn Meter... Orks vor mir, Eldar rücken an meiner Flanke vor! Wenn keine Verbündeten eintreffen, kann ich die Stellung trotz meines starken Sperrfeuers nicht länger halten. Doch plötzlich wendet sich das... Ein Augenzeugenbericht liest sich wie eine Huldigung an Verhoevens actionreiches Starship Troopers. Aber welche Sprache spricht die Analyse der taktischen Wirklichkeit?

Krieger statt Schachbrettfiguren

Ein Entwickler-Studio, das Geschichte schrieb: Homeworld eröffnete 

Seine großen Stärken entfaltet Dawn of War II vor allem in den Mehrspieler-Gefechten.seinen Befehlshabern eine neue taktische Dimension und Warhammer 40.000: Dawn of War  machte aus den steifen Schachbrettfiguren von gestern martialische Krieger von morgen. Im direkten spielerischen Vorgänger, Company of Heroes , verfeinerte Relic schließlich die packenden Stellungsgefechte - der Warhammer-Nachfolger soll sie jetzt perfektionieren. Im Vordergrund stehen dabei zum ersten Mal keine größeren Armeen, sondern einzelne Trupps. Als Spielfeld dient ein Universum, in dem Menschen, Orks und Eldar einen verbitterten Krieg gegen die Verwandten des Giger-Aliens, die Tyraniden führen.

Einzelne Trupps sind für Relic-Taktik keine Neuerung; schon Company of Heroes entwirrte die Massenschlacht, indem es sich auf die Steuerung kleiner Gruppen beschränkte. Aus den namenlosen, ersetzbaren und im wahrsten Sinne des Wortes käuflichen Einheiten des Zweiten Weltkriegs werden bei Relics Rückkehr in die Science-Fiction allerdings Namen, Geschichten und Helden. Denn der Anführer jedes Squads gehört gleichzeitig zu den Figuren, von denen dieser Krieg erzählt. Trotzdem steht die Handlung nicht im Mittelpunkt. Viel wichtiger ist hier vielmehr, was auf den Schlachtfeldern passiert - und zwar auf den derzeit imposantesten Schlachtfeldern der Echtzeitstrategie!

Sieh genau hin!

Wo Granaten explodieren, werden Fontänen aus Staub und Dreck in die Luft gerissen. Knatterndes Sperrfeuer hält den gegnerischen Vormarsch auf; wo große MGs losrattern, scheint die Luft zu brennen. Im Nahkampf krachen Kettenschwert und Vorschlaghammer aufeinander. Soldaten werden über das Schlachtfeld gerissen, zwei Mann hohe

Es kracht, es donnert, es blitzt und es staubt: Derart gewaltige Echtzeitschlachten haben Strategen noch nicht erlebt!
Kriegsmaschinen trampeln mitten durch Mauerwerk. Optisch und akustisch vereinen die kanadischen Entwickler das knatternde MG-Feuer, das trockene Krachen staubiger Explosionen und die schmutzigen Trümmer des Zweiten Weltkriegs mit dem von wandelnden Metallkolossen dominierten Sci-Fi-Universum - und entzünden vor dieser Kulisse ein fulminantes Feuerwerk!

Inmitten der explosiven Wucht erstatten mit Testosteron verklebte Stimmbänder Bericht, im Hintergrund zelebrieren Chor und schnelle Violinen den martialischen Patriotismus auf breiten Stelzen. Nur den guten deutschen Sprechern fehlte entweder der Elan oder der zweite Stimmbruch, und leider verblasst der überwältigende Eindruck, sobald man die Nahaufnahme verlässt. Erzählerisch bleiben nämlich sowohl die Geschichte als auch die fürs Spiel so wichtigen Figuren ausgesprochen eindimensional. Da ist ein Krieg, dann ein anderer, und in den Atempausen erfahren die Helden eben, wie es weitergeht. Ein zunächst nebensächlicher Charakter macht eine emotional bewegende Entwicklung durch - aber die Autoren reißen das nur an. Stilistisch eindrucksvolle Filmszenen stellen meist nur den nächsten großen Gegner vor; im Vergleich mit der filmreifen Inszenierung des beinahe parallel erscheinenden Halo Wars zieht Dawn of War II den Kürzeren.    

Die Nahaufnahme

Unter der Lupe der Nahaufnahme bietet es dafür umso mehr, denn der Unterschied zwischen namenlosem Wegwerf-Material und bekannten Charakteren wird erst dann deutlich, wenn es plötzlich nicht mehr egal ist, wer das Zeitliche segnet. Auf einmal zählt jeder Mann. Und zwar nicht nur aus sentimentalen Gründen, sondern vor allem deshalb, weil jeder Held über spezifische Fähigkeiten verfügt, die kein anderer ersetzen kann. Mitunter ist es möglich, auch mit drei oder nur zwei Mann vorzurücken. Auf Dauer zählt aber jede Hand in der stets vier Mann starken Armee. Spätestens in dem Moment, als ich das erste Mal einem Angriff der Tyraniden begegnete, habe ich um jeden Krieger gezittert! Da fielen

Bereit für den Kampf: Die Space Marines teilen sich die Arbeit.
plötzlich Dutzende Aliens kreischend über mich her - ich hatte alle Hände voll zu tun, meinen Trupp wenigstens erst einmal in eine sichere Stellung zurückzuziehen!

Gelöst habe ich die Situation mit Cyrus, dem Spion der Gruppe. Der kann sich unter seiner Tarnung nämlich so lange frei bewegen wie er keinen Schuss abfeuert. So konnte er in relativer Ruhe die Mission zu Ende bringen, während sich der Rest verschanzt hielt. Doch solche Momente sind viel zu selten. Ich bin weiß Gott kein echtzeitstrategisches Genie, aber über weite Strecken fehlte selbst mir die Herausforderung: Denn ein gefallener Held bedeutet kein drohendes "Game Over", da er lediglich bewusstlos liegen bleibt. Jeder seiner Kameraden kann ihn jederzeit wiederbeleben. Am besten erledigen dies erneut der getarnte Cyrus oder das Stimulanzpack des Kommandanten. Der Einsatz sämtlicher Gegenstände ist zwar begrenzt, doch Nachschub gibt es reichlich. Jetzt muss der Held nur noch eine der zuvor eingenommenen Stellungen erreichen und schon erhält er automatisch Verstärkung für die zwei oder drei gefallenen Männer seines Squads. Sollte sich die Lage im Kampf zuspitzen, rennen sämtliche Einheiten auf Knopfdruck einfach selbstständig zur nächsten besetzten Stellung - ein wertvoller Befehl, der die Gefahr im Zweifelsfall aber wie automatisch bannt. So intensiv die Atmosphäre auf dem Schlachtfeld auch ist, so losgelöst beobachtet man irgendwann das Geschehen. Was Warhammer irgendwie fehlt, ist eine allgegenwärtige Bedrohung. Lediglich die Tatsache, dass man nur zwischen den Missionen speichern darf, dient als unwillkommener Motivator.

Im Dauerfeuer

Trotzdem hatte ich alle Hände voll zu tun, denn die Space Marines beherrschen eine Vielzahl unterschiedlichster Fähigkeiten. So ist der Kommandant (dem ich selbst  einen Namen verpassen muss) ein vorzüglicher Nahkämpfer, Tarkus kann den Kampfgeist von sich und allen nahen Verbündeten anstacheln, Avitus hält seine Gegner mit schwerem MG-Feuer in Schach und Cyrus kann ein lähmendes Sperrfeuer legen. Nur wer die Fertigkeiten sinnvoll kombiniert, dem gelingt ein müheloser Vormarsch. Allein der Kommandant und Cyrus tanzen aus der Reihe; Ersterer, weil ihn seine defensiven Werte stellenweise unverwundbar erscheinen lassen und Letzterer, weil seine Tarnung einer übermächtigen Waffe gleicht. Ich habe ein großes feindliches Lager zum größten Teil durch getarntes Anschleichen erledigt; den benötigten Nachschub an Sprengsätzen gab es auch hier reichlich. Nichts gegen taktische Finessen - ganz im Gegenteil! Das zähe Umherschleichen hätte ich mir allerdings lieber erspart. Schade, dass es die bessere Alternative zu vielen harten Kämpfen ist.

Verkommt das zweite Dawn of War deshalb zu einem gemütlichen

Das Sperrfeuer gehört zu den wichtigsten taktischen Mitteln.
Spaziergang? Keine Angst: Oft genug rückt eine deutliche Übermacht feindlicher Truppen auf die Space Marines zu, so dass ihr Alltag von heißen Stellungsgefechten bestimmt wird. Und die sind für mich der eigentliche Höhepunkt. Ein  Vorrücken könnte so aussehen: Cyrus schleicht sich an den Gegner heran und legt ein Sperrfeuer über den ersten Ansturm. Dieses Sperrfeuer steht im Zentrum des Taktierens, denn es behindert das schnelle Vorrücken. So lange es einem Feind nicht gelingt, das Unterdrücken zu durchbrechen, ist eine so verteidigte Position deshalb uneinnehmbar. Ganz wichtig ist, dass sich die Trupps hinter Mauern oder natürlichen Hindernissen verschanzen, denn je sicherer die Deckung (wie in Comany of Heries gibt es zwei Stufen), desto geschützter die Position. Und desto geringer auch die Wahrscheinlichkeit, selbst ins Sperrfeuer zu geraten. Die Space Marines finden dabei in zahlreichen Gebäuden ebenso Schutz wie hinter den meisten kniehohen Objekten. Schade nur, dass die automatische Platzierung meine Einheiten sehr oft auf beiden Seiten eines Hindernisses positioniert - unsinnigerweise, aber zum Glück ist der Deckungswert unabhängig von der Ausrichtung.

Positive Unterdrückung

Zurück ins Scharmützel, wo sich die unterdrückten Feinde für den Moment nicht vom Fleck bewegen können, während meine restlichen Trupps nachrücken. Jetzt wirft der Commander - verzeiht mir, aber ich spiele auf Englisch und musste ihn einfach "Riker" nennen! - Riker wirft also eine lähmende Granate, um auch restlichen der Orks, Eldar oder Tyraniden für einige Sekunden festzuhalten. Eine Granate von Tarkus oder ein Sprengsatz von Cyrus, der selbst Bunker und Gebäude zum Einsturz bringt, sorgt abschließend für viel Schadenfreude!    

So umgehe ich aber nur den ersten Ansturm; früher oder später stürmen etliche Außerirdische meine Position. Spätestens jetzt muss Avitus in Position sein, eventuell platziert er zusätzlich automatische Maschinenkanonen: Auf Kosten seiner Energieleiste (Spezialfähigkeiten benötigen entweder Energie oder sind nur in begrenzter Stückzahl verfügbar) verschießt er mächtige Salven, die auch große Gegnermassen unterdrücken und dezimieren. Ich liebe das donnernde Rattern dieser Feuerstöße! Aber Vorsicht: Im Nahkampf verliert Avitus schnell die Übersicht. Er kann sich zwar mit einem Rundumschlag kurz lösen - doch ist der Feind einmal in Schlagweite, müssen die drei Kameraden klären. Tarkus könnte meine Armee für einige Sekunden unverwundbar machen...

Der Krieg der Klicks

Die kurzen, intensiven Scharmützel sind packende Erlebnisse, welche es in dieser Form noch nicht gegeben hat: Man kämpft mit jedem Mann, man kämpft um jeden Mann. Weil jeder von ihnen imposant in Szene gesetzt wurde und weil jeder von ihnen einen Kampf entscheiden kann. Aber diese kurzen Scharmützel 

Heilen, angreifen, vorrücken, attackieren - die Gefechte sind unnötig klickintensiv.
sind leider auch alles, worum sich die modernen Warhammer-Schlachten drehen. Mal stürmt man eine Position, mal verteidigt man eine, dann zieht man weiter. Noch dazu nutzt der Computer das mächtige Sperrfeuer viel zu selten, was die Solo-Gefechte zu sehr einseitigen Auseinandersetzungen macht. Und schließlich unterscheidet sich das Vorgehen von Grünhäuten, Eldar und den "Gigerlingen" auch kaum - die taktische Herausforderung bleibt stets dieselbe.

Viel schlimmer noch: Sie geht viel zu oft regelrecht unter. Denn selbst nach etlichen Stunden der Eingewöhnung wirkt die Steuerung hoffnungslos überladen. Die Scharmützel sind ein rasanter Dauerregen aus fliegendem Blei und geschwungenem Stahl - klasse! Gleichzeitig arten sie jedoch viel zu oft in unübersichtliches Gewusel aus, bei dem irgendwo jeder auf jeden einschlägt. Die eigenen Soldaten sind mitunter im Handgemenge nicht mehr auszumachen. Am besten löst man solche Situationen, indem man das Portrait einer Einheit und anschließend eine ihrer Fähigkeiten anklickt. Das macht man in der Hitze des Gefechts dann immer und immer wieder, reihum für alle vier Einheiten. Warum gibt es z.B. keine stets sichtbare Aufzählung aller verfügbaren Aktionen?

Bei all dem gilt es zu beachten, dass sämtliche Fähigkeiten auf geografische Positionen, nicht auf Einheiten ausgelöst werden. Eventuell darf man also zusätzlich spekulieren, wie lange ein Trupp brauchen wird, bevor er in Schussreichweite gelangt. Steht der Gegner dann noch am Fleck oder verpufft der wichtige Angriff in der Leere? Wieso können meine erfahrenen Veteranen nicht einfach den Gegner anvisieren? Zwischendurch muss man heilen, Stellungen wechseln und dringend benötigten Nachschub manuell auflesen (die Squads müssen nicht in der Nähe sein - das separate Anklicken ist trotzdem nötig). Ein echter spielerischer Fauxpax: Obwohl die Trupps selbstständig eine nahe Deckung aufsuchen, bleiben sie seelenruhig stehen, wenn eine Granate zwischen ihre Füße fällt. Als würde ich nicht längst klickende Überstunden schieben...

Spiel mit mir!

Ich habe die Vielfalt erst in einem kooperativen Gefecht genossen, zu dem man jederzeit einen Partner einladen darf! Unglücklich zwar, dass der nicht nur die ihm zugeteilten zwei Squads ausrüsten, sondern auch das Inventar des von mir gewählten Duos wählen darf. Auf dem Schlachtfeld habe ich es dafür genossen, dass die halbe Arbeit auf meinen

Auf Calderis beginnt der Feldzug.
Kameraden fiel. So konnte jeder von uns das Potential seiner zwei Trupps voll ausschöpfen - ohne die ständige Befürchtung, eine wichtige Aktion zu verpassen. Die Koop-Scharmützel haben im Vergleich zu den Solo-Einsätzen das richtige Tempo!

Ich darf ja nicht einmal die Steuerung an meine WASD-Vorlieben anpassen und muss deshalb mit den Richtungstasten das Bild bewegen, während die wichtigen Tastenkürzel auf der anderen Seite des Keyboards liegen. In Anbetracht meiner Spielgewohnheiten ist dies ein unnötiges Hindernis, das Relic hätte leicht vermeiden können. Ähnliche Schwächen besaß auch der Vorläufer Company of Heroes; dort konnte man allerdings bei angehaltenem Spiel Befehle verteilen. Ausgerechnet bei einem Nachfolger, dessen Name als Synonym für "Mikromanagement pro Sekunde" in die Geschichte eingehen könnte, wird genau das aber verhindert! Ich darf zwar noch rudimentäre Marschrichtungen setzen, mögliche Deckungen werden jedoch nicht angezeigt und ich darf keinen einzigen Angriffsbefehl erteilen. Spezialfähigkeiten werden sogar ausgegraut. Der möglichen Taktik-Vielfalt stellen die Entwickler somit selbst ein Bein - und der ewig gleiche Missionsverlauf tritt dankend nach.   

Relic vs. Ensemble

Denn wenn in einer der seltenen Ausnahmen nicht das Verteidigen einer Position im Vordergrund steht, marschiert man durch feindliches Gebiet, um schließlich einen Boss, mehrere Stützpunkte oder eine größere Basis zu vernichten. Dabei sind selbst die Boss-Monster kaum mehr als besonders vitale Gegner, die mit ein oder zwei starken Waffen hantieren. So erledigt man einen außerirdischen Hauptmann nach dem nächsten und behält nicht einmal deren Namen. Im direkten Vergleich ist die spannend erzählte, spielerisch abwechslungsreiche Halo Wars-Kampagne deutlich motivierender, während der klassische Basisbau bei den Ensemble Studios größere taktische Freiräume öffnet. Als Randnotiz empfinde ich es übrigens als seltsam, dass sowohl Tyraniden als auch Orks sowie Eldar am Basisbau festhalten und mithilfe bestimmter Gebäude Einheiten ins Feld rufen, während die Space Marines komplett darauf verzichten.

Taktische Freiräume hätten sich vielleicht ergeben, wenn man mehr als vier Verbündete dirigieren dürfte. Denn weil die eigenen Truppen so stark aufeinander angewiesen sind, ist das Aufteilen der Armee, z.B. um eine stark befestigte Stellung zu umgehen, praktisch ausgeschlossen. Sechs, vielleicht sogar acht Gruppen, die mit weniger

In der Solo-Kampagne verzichtet Relic komplett auf den Basisbau - und damit leider auch auf taktische Möglichkeiten.
Spezialfähigkeiten weniger Mikromanagement erfordern, hätten den taktischen Rahmen spürbar vergrößern können! So bleibt jedoch nur die Wahl: die südliche oder die nördliche Route? Spielerische Unterschiede ergeben sich daraus so gut wie nie. Einzige Variation: Auf vielen Karten können die Space Marines Gießereien, Kommunikationsfelder oder Schreine einnehmen. Das erhöht u.a. die Menge der Erfahrungspunkte oder die Anzahl verfügbarer Spezialangriffe, z.B. eines Artillerieschlags, in den folgenden Einsätzen auf diesem Planeten.

Eine dynamische Kampagne also, ein ständiges Hin und Her zwischen Erobern, Befestigen und Verteidigen strategisch wichtiger Punkte? Mitnichten. An einmal eroberten Bonuszielen zeigen nämlich weder Eldar noch Tyraniden oder Orks Interesse. Stattdessen arbeiten die Space Marines einen Einsatz nach dem nächsten ab, wobei sie mitunter zwischen mehreren Pflichtaufträgen wählen dürfen. Die Missionen finden dann in verschiedenen Einsatzgebieten an unterschiedlichen Schauplätzen bzw. Planeten statt - in der Wüste, im Dschungel oder in der Großstadt - und wiederholen sich leider sehr schnell. Meist ändert sich zwar der Startpunkt, während sich eine andere Partei als zuvor gegen die Menschen wehrt. Motivierend wirken die Wiederholungen allerdings nicht. Da sind mir die optionalen und zufällig erstellten Einsätze lieber, denn dort winken mächtige Waffen oder besondere Rüstungen als Belohnung.

RTS? RPG?

Das Sammeln von Erfahrungspunkten, die Entwicklung von Fähigkeiten, das Anlegen neuer Ausrüstung, zufällig generierte Missionen? Relic greift in die Diablo-Kiste und findet die Blaupause eines klassischen Action-Rollenspiels. Der Kommandant darf sogar wählen, welche drei seiner fünf Kameraden ihn auf dem Schlachtfeld begleiten, sprich: Ich rüste die sechs Soldaten eigenhändig aus und darf die Zusammenstellung meiner Armee frei wählen. Nur der Anführer ist stets dabei. So stecke ich Fernkämpfer Avitus in eine Rüstung, die den Distanzschaden erhöht, drücke Riker ein schweres Schwert in die Hand, entwickle die Infiltrationsfähigkeiten von Cyrus und drücke Tarkus Energiegranaten in die Hand, so dass er nicht von materiellen Vorräten abhängig ist. Nachdem ich Thaddeus mehrere Male im Nahkampf verloren habe, mustere ich den Jetpack-Träger allerdings langfristig aus. Damit erhält er weniger Erfahrung pro Mission - meine "Hauptdarsteller" 

Ein Kumpel darf jederzeit die Steuerung von zwei der vier Truppen in der aktuellen Solo-Kampagne übernehmen.
dafür umso mehr. Sollte ich keine Verwendung für einen Ausrüstungsgegenstand haben, kann ich ihn gegen einen kleinen Erfahrungsbonus sogar verschrotten lassen. Das ist nützlich und schafft Übersicht. Unglücklich nur, dass ich im Vornherein nicht sehe, wie hoch dieser Bonus ausfallen wird.

Und wenn die Entwickler schon auf Individualisierung setzen, warum darf ich dann nicht wie im Rollenspiel Gegenstände kombinieren oder bestimmte Ausrüstung - vielleicht gegen Erfahrungspunkte - tauschen? Und wieso kann ich nur die Spezialisierung meines Kommandanten (Nah- oder Fernkämpfer) nahezu vollständig selbst bestimmen? Ja, für die Zwecke dieser Echtzeittaktik sind die gebotenen Möglichkeiten mehr als ausreichend! Es ist sogar ausgesprochen motivierend, eine neue Waffe auszuprobieren, die Werte für Stärke, Ausdauer, Wille und Stärke zu verbessern oder verschiedene Squad-Kombinationen zu testen. Letztlich bezeugen aber auch die Rollenspiel-Elemente einen Aspekt, der Dawn of War II geradezu auszeichnet: In den Grundzügen ist diese Episode des Warhammer-Krieges  stimmig, packend und motivierend. Streckenweise geht sie sogar neue Wege. Auf der Zielgeraden bleibt Relic aber offenbar die Puste weg, denn der große taktische Freiraum will sich nie öffnen und der entscheidende Funke der Individualisierung will nie überspringen.

Zu wenig Gutes!

Als ich die Begriffe der vier Fähigkeiten nachschlagen wollte, fiel mir übrigens erneut auf, wie oberflächlich sich das Handbuch nur den grundlegenden Aspekten des Spiels widmet. Die Erklärungen auf dem Bildschirm geben zwar ausführliche Antworten auf die meisten Fragen, stellen aber selbst erfahrene Taktiker stellen fest, dass der Einstieg in Dawn of War II sehr fordernd ist. Schnell müssen Kommandanten sehr viele verschiedene Fähigkeiten entwickeln, während sie im Gefecht den Überblick über die zahlreichen Angriffsmöglichkeiten behalten müssen. Das kommt besonders in Mehrspieler-Schlachten zum Tragen, denn dort stehen sämtliche Fähigkeiten selbstverständlich von Beginn an zur Verfügung. Nicht zuletzt - und hier liegt vielleicht die größte Stärke des Spiels - treten per Internet oder LAN ganze vier, sehr unterschiedliche Rassen gegeneinander an!    

Vier Rassen - wieso gönnt Relic dann nur den Space Marines einen Solo-Plot? Ich vermute, drei Erweiterungen dürften das Spiel und das Konto der Entwickler lange am Leben halten. Jedenfalls wird auf den (mickrigen!) sieben Mehrspieler-Karten deutlich, wie viel mehr Abwechslung wenigstens ein weiteres solo spielbares Volk gebracht hätte. Und es zeigt sich, wie viel geschickter die Gegner in den Solo-Einsätzen agieren sollten. Denn die in jeder Multiplayer-Runde zuschaltbare KI zeigt eindrucksvoll, wie clever der Computer sein kann:

Stehen Einzel- und Multiplayer-Spielern zur Verfügung: Einige Einheiten springen direkt in die feindlichen Linien.
Er baut sinnvoll Einheiten, rüstet überlegt auf und greift geschlossen an. Menschliche Befehlshaber, die auf eigene Faust agieren, sehen gegen die starke KI kaum Land!

Der Teamkrieg

Der Schwerpunkt liegt nicht umsonst auf dem kooperativen Zusammenspiel: Obwohl es auch Karten für Duellisten gibt, stehen vor allem die Gefechte Drei gegen Drei im Vordergrund. Wobei man jeden freien Platz entweder schließen oder mit einem KI-Mitstreiter besetzen darf, den Teamkampf also frei konfigurieren kann. Leider hören die Möglichkeiten allerdings genau dort auf. Denn andere Spielvarianten gibt es nicht, und die spielerischen Unterschiede zwischen dem Halten von drei Schlüsselpositionen und dem Überwältigen aller feindlichen Hauptquartiere sind kosmetischer Natur. Schließlich entscheidet in beiden Varianten das Besetzen wichtiger Energieposten über die Ressourcenverteilung - und damit über die taktische Oberhand. Die Kanadier hätten übrigens gut daran getan, weniger widerstandsfähige Hauptquartiere zu errichten. So kann es schon mal eine halbe Stunde dauern, bis eine eindeutige Übermacht ihre geschlagenen Widersacher endgültig in die Knie zwingt. Vorbildlich dafür: Noch vor dem Start zeigt die Übersicht, wie gut Leitung und Rechner jedes Teilnehmers sind. Genaues Hinschauen wird belohnt, denn ein Taktiker mit langsamem Rechner oder allzu optimistischen Grafikeinstellungen bringt den Ablauf beträchtlich ins Stocken.

Und dann knattern endlich auch online die schweren Geschütze, fallen Tyraniden ihren Gegnern feige in den Rücken, teleportieren sich die Eldar direkt hinter die feindlichen Linien und quatschen Orks herrliches Kauderwelsch, während sie ihre Streitäxte schwenken. Ist es vielleicht sinnvoll, dass die Space Marines frühzeitig ihre verfügbaren Sperrfeuer-Einheiten in Position bringen, während die verbündeten Tyraniden bei den unterdrückten Feinden für Chaos sorgen? Wann lohnt es sich, die wenigen Ressourcen auszugeben, um das Hauptquartier zu verbessern oder stärkere Truppen zu produzieren? Und welche Squads sollen welche Spezialfähigkeiten lernen? Weil die vier Parteien, der offene Einheitenbau sowie die Verbindung der knackigen Stellungsgefechte mit den zahlreichen Gruppentaktiken deutlich mehr Möglichkeiten bieten, öffnen sich im Mehrspieler-Scharmützel taktische Freiräume, vor denen sich die Solo-Kampagne verschließt. Schade nur, dass unterstützende Aktionen wie Verteidigungs-Boni nicht auch auf verbündete Parteien anwendbar sind.

Individualisten an die Front!

Nicht zuletzt wählt man außerdem einen von je drei Helden, die mit zahlreichen Fähigkeiten weitere Taktiken erlauben. Soll ein mächtiger Nahkämpfer meine Armee führen? Brauch ich  Artillerieunterstützung? Oder setze ich gar ganz auf defensives Vorgehen? Habe ich mich entschieden, muss ich jetzt noch festlegen, auf welches Vorgehen

Der zweifache Ausbau des Hauptquartiers erlaubt die Produktion imposanter Kampfmaschinen. Gebäude werden in Dawn of War II nicht gebaut.
sich mein Held spezialisieren soll - so individuell waren Multiplayer-Scharmützel nie! So überfrachtet das System der Fähigkeiten dabei wirkt, so übersichtlich bleibt das Kriegsgebiet. Denn weil selbst eine Partei, die sämtliche Rohstoffquellen besitzt, nur über relativ begrenzte Mittel verfügt, läuft oder fährt in diesem Warhammer-Universum wenig "Wegwerf-Material" über das Schlachtfeld: Jede Einheit ist wertvoll, ihr Einsatz will gut überlegt sein.

Und trotzdem können auch hier die vielen Fähigkeiten in der Hitze des Gefechts erschlagend wirken. Nicht zuletzt muss jeder frisch produzierte Trupp neu trainiert werden - eine globale Einstellung gibt es nicht. Nur Experten werden sich deshalb souverän durch die überladenen Menüs klicken, ohne im Kampf den Überblick zu verlieren. Dazu kommen die gut gedachten, aber viel zu winzigen Squad-Symbole. Klickt man eins an, ist die Einheit ausgewählt - das ist komfortabel. Aber ist der dritte Knopf von oben ein Nah- oder ein Fernkämpfer? Und welchen Truppentyp stellt das Symbol darunter dar? Damit leiden schließlich auch die Mehrspielergefechte unter den Symptomen des Hauptspiels: Im Ansatz hervorragend; Hardcore-Taktiker finden auf Relics Servern eine großartige Spielwiese! In der Ausführung fehlen allerdings Karten, Spielvarianten und es leidet die Übersicht.          

Fazit

Ich komme gerade aus Warhammer 40.000: Dawn of War II - ich komme gerade aus einem langsam wechselnden Bad der Gefühle. Augenblicke, in denen mich der knallharte Stellungskrieg und die scheinbar unerschöpflichen taktischen Möglichkeiten euphorisch grinsen ließen gingen in Momente der Ernüchterung über. Momente, in denen ich vergeblich darauf wartete, dass das Spiel dort ankommt, wo es hin will. Dabei hatte mich diese Episode der Sci-Fi-Saga umgehend gepackt und in einen tosenden Strom eiskalten Wassers geworfen, wo ich mich in einem knallharten Stellungskrieg gegen drei gegnerische Völker beweisen musste. Das war aufregend, es fand unter bildgewaltigem Getose statt und der Erfolg schmeckte nach dem Einverleiben von Erfahrungspunkten und neuer Ausrüstung nur noch süßer! Doch langsam schlich sich die Vermutung ein, dass die durch viele Fähigkeiten und Rollenspiel-ähnliche Entwicklung suggerierte Tiefe von der spielerischen Wirklichkeit erdrückt wird. Denn die überladene Steuerung fasst die zahlreichen Möglichkeiten nicht übersichtlich zusammen, und umfangreiche taktische Manöver sind mit der kleinen Armee kaum möglich. Vorrücken, schießen, vorrücken, schießen: Sorry, Relic, aber koreanisches Fast Food ist nicht mein Geschmack. Nur im kooperativen Gefecht habe ich die taktische Vielfalt genossen. Dawn of War II ist modern, aber seine Mechanismen sind noch nicht ausgereift. Und es hat Angst, seine Spieler zu fordern. Helden, die nicht sterben können, Verstärkung, die nie versiegt - in Verbindung mit den einfallslosen Missionen verkümmert der Stachel des Ansporns irgendwann zum stumpfen Holznagel. Erst in den Mehrspieler-Scharmützeln zeigt sich das Spiel wieder von seiner starken Seite  Erst hier sind Spielzüge möglich, auf die Solisten verzichten müssen. Die überlegte Produktion der Einheiten bringt zusätzliche Tiefe ins Spiel. Zusammen mit vier unterschiedlichen Völkern, die sich knackige Stellungskämpfe liefern, schimmert auf den Online-Servern durch, wie die taktische Warhammer-Zukunft aussehen könnte. Doch selbst hier stellt sich Relic mit den wenigen sieben Karten und zwei nahezu identischen Spielvarianten selbst ein Bein. Alles in allem war Dawn of War II ein verdammt kurzweiliges Action-Spektakel. Alles in allem war es aber auch eine überraschend kurzlebige taktische Exkursion.

Eigentlich wollte ich mich zwei Wochen mit diesem Spiel einschließen und in der martialischen Science-Fiction zwischen Space Marines und Orks versinken. Denn genau so ging es mir anno 2004 mit dem hervorragenden Vorgänger. Aber dieses Warhammer rockt mich nicht mehr so wie das, was damals auf den Schlachtfeldern abging. Damals war der brachiale Nahkampf zusammen mit dem schnellen Eroberungsprinzip das Besondere - derart animierte Gefechte hatte man bis dato noch nicht gesehen. Das gibt es hier auch, gar keine Frage, aber im Detail nicht mehr so faszinierend, zumal sich fast alles auf die mittlere Schussdistanz konzentriert. Ja, auch dieser Stellungs- und Zielpunktkrieg macht richtig Spaß. Aber ich vermisse ein territoriales Prinzip à la Company of Heroes. Und vieles an diesem Warhammer begeistert nur auf den ersten Blick: Da ist eine epische Kampagne, der aber eine packende Dramaturgie fehlt. Da ist ein explosives Missionsdesign, das sich jedoch ständig wiederholt. Da ist ein interessanter Rollenspielansatz, dem es an Individualisierungen mangelt. Da ist ein scheinbar offener Welteroberungsmodus, der letztlich nur eine Route anbietet. Da ist das coole Unterdrückungsfeuer, das zu immer gleichen taktischen Manövern führt. Da sind zig coole Spezialfähigkeiten, die im Interface geradezu versteckt werden. Da ist ein potenter Mehrspielerteil mit vier Völkern, der mir schlappe sieben Karten und zwei Spielmodi anbietet. Hat Relic hier zu viel an die Hülle, zu wenig an den Inhalt gedacht? Oder hat man bei all den Zutaten das Wesentliche aus den Augen verloren? All diese Einschränkungen sorgen jedenfalls dafür, dass sich die Begeisterung in Grenzen hält. Auch wenn man hier guten Grund hatte, sich auf den strahlenden Gott der Echtzeit-Strategie zu freuen: Unter der spektakulären Oberfläche wird man letztlich ganz irdisch unterhalten.

Pro

einige imposante Filmszenen
brachiale Schlachtfeld-Atmosphäre, viele eindrucksvolle Effekte
packender Soundtrack einschließlich Chor und Orchester
harte Stellungsgefechte dank Unterdrückungsfeuer
keine namenlosen Truppen
Charakterentwicklung steht spielerisch im Vordergrund...
motivierendes Sammeln von Erfahrung Ausrüstung...
größtenteils logisches...
Anzeige aller Truppen am Bildschirmrand...
etliche Fähigkeiten
Rückzug-Befehl für ausweglose Situationen
individuelles Anpassen aller Charaktere
eigene Zusammenstellung der kleinen Armee
Squads suchen automatisch Deckung und greifen nahe Gegner an
Verzicht auf Basisbau lenkt Aufmerksamkeit auf die Gefechte
optionale Aufträge für Level-Aufstieg und besondere Ausrüstung
meist mehrere Missionen zur Wahl
abgeworfene Ausrüstung gibt geringen Erfahrungs-Bonus
jederzeit mögliche kooperative Missionen
Koop spielt sich entspannter & übersichtlicher
KI arbeitet im Mehrspieler-Gefecht geschickt zusammen
vier unterschiedliche Völker im Multiplayer
bequeme Suche von Mehrspieler-Partien
Replays kompletter MP-Runden

Kontra

größtenteils risikofreie Action-Taktik
wenig Abwechslung unter den Missionen
kein Speichern während eines Auftrags
Bosskämpfe stets gleich, auf Dauer einfallslos
eigene Truppen weichen Granaten nicht aus
... ist erzählerisch aber kaum interessant
... das im Vergleich aber zu kurz kommt
... aber überladenes Menü
... die so klein ist, dass man im Gefecht nichts erkennt
nur eine spielbare Partei in Solo-Kampagne
hektisches Mikromanagement, eine spielerisch nutzbare Pause
Trupps im Getümmel schlecht auszumachen
Anpassen der umständlichen, überladenen Steuerung nicht möglich
Spezialfähigkeiten zielen nicht auf Gegner, sondern auf Zielgebiet
steile und lange Lernkurve
keine Ausrüstung selbst bauen oder kaufen
Spielgeschwindigkeit nicht einstellbar
Solo-Taktik: meist nur Vorrücken&Angreifen
Solo-Gegner nutzen Überzahl statt taktische Finesse
ständiges Aufrüsten neu „gebauter“ Einheiten
nur sieben Mehrspielerkarten
nur zwei ähnliche Spiel-Varianten
zum Schluss zäher Vernichtungs-Modus

Wertung

PC

Knackige Stellungsgefechte vor einer bildgewaltigen Kulisse! Die taktische Tiefe bleibt aber hinter den Erwartungen zurück.

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