Pro Evolution Soccer 200916.10.2008, Jörg Luibl
Pro Evolution Soccer 2009

Im Test:

FIFA 09 marschiert mit stolz geschwellter Brust nicht nur in die Verkaufscharts, sondern auch hoch hinauf in die Testcharts: Das Fußballspiel von Electronic Arts konnte mit einer Qualität überzeugen, die die Presse international überrascht hat. Auch wir haben den Kick von EA zum ersten Mal seit Jahren mit einem Gold-Award und 85% ausgezeichnet. Jetzt steht der Konkurrent auf dem Testplatz, der bisher immer unsere klare Nummer 1 war: Pro Evolution Soccer 2009 (ab 4,99€ bei kaufen).

Tradition verpflichtet?

Wir haben uns über die Jahre an vieles gewöhnt. Z.B. daran, dass Pro Evolution Soccer (PES) eher dank seiner inneren als äußeren Werten überzeugt. Was interessiert eine Lizenz, wenn es auf dem Platz nicht kracht? Was interessiert die ganze Bundesliga, wenn der Puls beim Kicken nicht auf Touren kommt? Wir haben über Jahre vor allem die Qualität in der Spielmechanik mit Platin ausgezeichnet, weil nur sie das Drama zwischen Anstoß und Abpfiff simulieren konnte, das uns begeistert. Und das ist auch gut so, denn es ist eine größere Leistung, die Physik des Balles oder die Unberechenbarkeit von Situationen 

Aus der Glaubensfrage wird zum ersten Mal eine klare Sache: PES 2009 zieht im Direktvergleich den Kürzeren gegen FIFA 09.zu simulieren, als Podolski wie Podolski aussehen zu lassen oder die Allianzarena wie die Allianzarena. Das eine sorgt für Spieltiefe, das andere für Oberfläche. Das eine hat etwas mit Programmierleistung zu tun, das andere mit grafischer Kopierleistung.

Und die Japaner rund um Chefdesigner Seabass hatten den Kanadiern gerade in diesem wichtigen Bereich immer etwas voraus: Sie haben als erste Entwickler Ball und Fuß der virtuellen Kicker physikalisch spürbar voneinander getrennt, um die Führung des Leders realistischer zu gestalten - eine lange Zeit trieb man die Pille bei FIFA wie an der Schnur vor sich her. Sie haben als erste Entwickler die manuell aktivierbare Doppeldeckung, den freien flachen oder hohen Pass in die Tiefe sowie die Flankenvarianten kurz, flach und lang integriert. Sie haben als erste Entwickler eine Ballphysik präsentiert, die mich den Volley wirklich spüren und das Leder richtig krachen ließ. Die Japaner haben verdammt viele Maßstäbe gesetzt und damit das Genre weiter entwickelt. Der Begriff "Evolution" passte bisher auf keine Reihe so gut wie auf diese.

Pionier kontra Kopierer

Grenzenloser Jubel, Faszination am Ball, begeisterte Redakteure - das, was Pro Evolution Soccer über Jahr hinweg auslösen konnte, vermissen wir diesmal. Woran liegt's?
Konami ist ein Pionier des virtuellen Fußballs. Und EA hat sich als ewiger Zweiter lange einer ureigenen japanischen Kunst der Nachkriegszeit bedient, um überhaupt mithalten zu können: Man hat nahezu alles zu kopieren versucht, was die Spielmechanik der asiatischen Konkurrenz auszeichnete, man hat selbst die Knopfbelegung übernommen, so dass man heute über dieselben Tasten in FIFA nahezu dieselben Manöver wie in PES ausführen kann. Und man hat alles über Bord geworfen, was die eigene Spielmechanik mal kennzeichnen sollte - ich erinnere an die leidige Off-the-Ball-Kontrolle, die ironischer Weise dieses Jahr wie ein Gespenst in Pro Evolution Soccer 2009  (PES) auftaucht. Über Jahre hinweg hat all das aber nicht gereicht, um auf dem Platz richtig zu begeistern. EA hinkte Konami genau so hinter her, wie Jan Ullrich immer und immer wieder Lance Armstrong hinterher fuhr.

Aber jetzt passen die kopierten und die eigenen Entwicklungen so gut zusammen, dass FIFA 09 zum ersten Mal unseren Goldaward erobern und uns einen ganz neuen Spaß am virtuellen Kick geben konnte. Und sie passen sogar so gut

Die Fundamente der Spielmechanik sind geblieben, das ist gut so. Aber der Kick macht nicht diesen spürbaren Fortschritt, den man sich erhofft hatte.
zusammen, dass wir FIFA 09 zum ersten Mal vorne sehen. Ja, richtig gehört: PES muss sich geschlagen geben - nicht nur grafisch und akustisch, sondern auch als Fußballsimulation. Das ist eine große Leistung auf der einen und eine ebensolche Ernüchterung auf der anderen Seite, denn in meiner privaten Sammlung steht alles, was mit ISS, Winning Eleven oder PES zu tun hat. Aber seit zwei Wochen kicke nicht nur ich nur noch FIFA 09. Auch Mathias. Und Michael. Und viele andere, die scheinbar zum ersten Mal umsteigen.

Dieser Traditionsbruch ist dermaßen ungewohnt für uns, dass man auf Spurensuche gehen muss. Dabei sind erste Gründe schnell gefunden: Während sich FIFA in Sachen Spielmechanik enorm verbessert und fast gleichgezogen hat, serviert Konami eher Stagnation in fast allen Bereichen - selbst da, wo man nach Jahren endlich mal einen spürbaren Fortschritt erwarten müsste. Hinsichtlich der offenen Spieldynamik, die vielleicht schon in Pro Evolution Soccer 6  an das  Limit des Möglichen heran kam, ist das nachvollziehbar. Evolution heißt auch, dass große Sprünge nicht mehr möglich sind. Aber hinsichtlich der Spielmechanik bzw. Steuerungsmanöver sowie Ballphysik und vor allem hinsichtlich der Grafik und Akustik ist das nicht nur nicht nachvollziehbar, sondern mittlerweile enttäuschend. Wenn man beide Spiele vergleicht, dann fühlt sich FIFA 09 wie die flüssigere, in vielen Situationen packendere und lebendigere Simulation an, während sich PES dagegen wie fast schon mechanisches Rasenschach alter PS2-Schule anfühlt. Das Problem ist nicht, dass die Japaner plötzlich kein Fußballspiel mehr programmieren können, sondern dass sie die falschen Schwerpunkte in der Entwicklung gesetzt haben und dass die Kanadier plötzlich so einen Sprung nach vorne gemacht haben. Das Problem von PES ist zum ersten Mal seit dieser endlosen Sportspielkonkurrenz die neue Qualität von FIFA, das ein klasse Spielgefühl und eine klasse Kulisse bietet.

                             

Konami vernachlässigt die Kulisse

Warum gibt es eigentlich Echtzeitschatten und diese runden Schatten unter den Spielern? Die Kulisse wurde um drei Stadien erweitert, aber auf dem Platz und Drumherum herrscht Stillstand.
Denn Auge und Ohr spielen mit - auch und gerade im Fußball, auch und gerade auf PlayStation 3 und Xbox 360. Konami muss sich überlegen, ob man für PES 2010 nicht  eine komplett neue Grafik-Engine im Hintergrund werkeln lässt. Dass Chefentwickler Seabass jetzt sogar öffentlich darüber spekuliert, die FIFA-Engine zu lizenzieren, spricht Bände. Die Japaner hinken zwar nicht im Modellierungs-, aber im Animationsbereich einfach zu weit hinterher. Die Gesichter der Kicker sehen klasse aus, aber die Bewegungen wirken im direkten Vergleich zur Konkurrenz zu mechanisch. Man darf nicht vergessen, dass das erste Pro Evolution Soccer , das im November 2001 erschien und auf dem japanischen Winning Eleven 5 beruhte, noch mit seiner Prachtkulisse auf der PlayStation 2 punkten konnte. Konami muss wieder an diese Frühphase anknüpfen wollen, die sowohl spielerisch als auch optisch überzeugt hat. Ich zitiere mal aus Mathias' mittlerweile sieben Jahre alten Test:

"Eine Spielbarkeit nicht von dieser Welt, verbunden mit einer intuitiven Steuerung und eingepackt in Prachtgrafik machen Pro Evolution Soccer zu einem Pflichtkauf für Fußball-Fans. 4P-Wertung: 91%."

Das war einmal. Allerdings zeichnete sich schon 2003, nach dem starken Pro Evolution Soccer 2 , eine Tendenz ab, die sich leider bis heute halten sollte, obwohl die aktuellen Konsolen technisch so viel zu bieten haben. Damals hab ich die importierte GameCube-Fassung von Winning Eleven 6: Final Evolution so im Fazit beschrieben:

Die Spielergesichter sind immer noch eine Stärke von PES: Messi & Co sehen hier in dieser Perspektive noch etwas besser aus als in FIFA 09.
"Mit den neuen und verfeinerten Bewegungen, den zusätzlichen Statistiken sowie der klasse überarbeiteten Ballphysik wurde der PS2-Hit konsequent aufgewertet. Dieses Winning Eleven vermittelt einfach ein intensiveres Spielgefühl, packendere Zweikämpfe und mehr Dramatik. Zwar hinkt man im Bereich der Fankulisse und -gesänge immer noch weit hinter FIFA 2003 her und auch die Ruckler stören, aber auf dem Platz ist Spielspaß pur angesagt. 4P-Wertung: 92%."

Enttäuschende Präsentation

Und von diesem Fazit ist das aktuelle PES sehr weit entfernt, denn die Schere zwischen Spielmechanik und Präsentation klafft weit auseinander - das Fußballerlebnis verliert an Faszination. Man hat hier einfach nicht gut genug gegengesteuert. Das konnte man in den letzten Fassungen noch verzeihen, weil das Spielgefühl immerhin deutlich besser und packender war, weil das Drama auf dem Platz spürbar war. So viel man über die Online-Tauglichkeit von Pro Evolution Soccer 2008 im Nachhinein meckern konnte - es war ein anderes, temporeicheres und schussgewaltigeres Spielgefühl als noch Pro Evolution Soccer 6 . Diese letzte Evolution konnte uns neu begeistern. Letzteres würde ich im Nachhinein immer noch als stärksten Vertreter der Reihe ansehen, denn dort wurden alle Grundsteine gelegt, die eine ausgezeichnete Simulation ausmachen.

Der Rasen bleibt leider eine platte Textur, die auch Hartgummi sein könnte. Wann stellt man das Grün endlich plastischer dar?
Aber mittlerweile ist auch dieser Schritt nach vorne nicht mehr so deutlich erkennbar, und umso negativer wirken sich dann die anderen Schwachstellen aus: Kulisse und Fangesänge. Was bei FIFA nach anfänglichen Schwierigkeiten - ich erinnere an das katastrophale Debüt von FIFA 06 auf Xbox 360 (4P-Wertung: 59%)- mittlerweile auf Top-Niveau präsentiert und inszeniert wird, nämlich der Fußballzirkus in seiner grafischen und akustischen Pracht, ist bei PES nichts anderes als eine veraltete Baustelle. Ich bin es leid, seit Jahren dieselben Pappaufsteller und diese lieblos dahin geklatschten Kameramänner auf der Tartanbahn zu sehen. Wann schnappt sich Konami endlich mal einen oder zwei Grafiker, um das zu verschönern? Aber viel wichtiger als diese Kleinigkeiten sind die großen Defizite im Atmosphärebereich.

Inter Mailand gegen Manchester United - ein Spiel, zwei Erlebnisse (hier zum Vergleichsvideo): Was bei FIFA 09 schon beim Übergang vom aktiven Trainingslademenü in die italienische Arena für Gänsehaut sorgt, verstört bei PES schon zwei Minuten nach dem Anstoß. Zumal man sich vorher durch ein ebenso buntes wie austauschbares Collagenmenü klickt, das zwar entschlackt wurde, aber gegen die EA'sche Hightechvariante inklusive fotorealistischem Training gegen den Torwart wie ein Relikt aus der Retrosteinzeit anmutet. Ein Entwickler, der ein Metal Gear Solid 4 inszeniert, sollte auch eine stylische Benutzeroberfläche für ein Fußballspiel hinbekommen, die besser aussieht als eine Plakatwand. Erst kürzlich erfuhr man jedoch, dass man bei Konami trotz räumlicher Nähe keine Technologien austauscht:

"Right now next to us we have the Kojima Productions team but quite frankly we don't share game influence or information."

Das ist natürlich eine wenig fruchtbare Firmenkultur. Aber das sind alles Peanuts am Rande. Man darf nicht vergessen, dass wir hier auf hohem Niveau Erbsen zählen. Wen interessiert das Menü, wenn das Spiel auf dem Platz rockt? Aber das tut es nicht mehr so wie früher.

                

Stadionkulisse zum Abgewöhnen

Die neue Benutzeroberfläche setzt auf einen bunten Collagenstil, der zwar in den Menüs mehr Übersicht bietet, aber gegen Electronic Arts' Hightech-Variante wie ein Relikt aus alten Zeiten anmutet.
Schlimmer ist zunächst das, was einen im Stadion begegnet: Wer zum ersten Mal die metallisch scheppernden, sich ewig wiederholenden Fangesänge in San Siro hört, wird mit dem Kopf schütteln müssen - so etwas geht im Jahr 2009 auf PS3, PC und Xbox 360 gar nicht mehr! Ich würde sogar behaupten, dass das noch nie so schlecht war wie dieses Jahr. Wenn ich selbst die Fangesänge in PES abschalte, was ich noch nie getan habe, weil ich den monotonen Singsang nicht mehr ertragen kann, zerstört das die Atmosphäre. Während mir FIFA 09 ein lebendiges Stadiongefühl mit dynamischen Chören, wieder erkennbaren Schlachtrufen und sogar hitzigen Reinrufen von Zuschauern präsentiert, setzt mir PES ein antiquiertes Roboterpublikum in Mono vor. Hat sich eigentlich mal jemand bei Konami diese Akustik angetan, bevor sie abgesegnet wurde? Wenn man dann mal online mit Deutschland spielt, das immer noch als Team mit Fantasienamen von Kruger bis Pomatzki aufläuft, muss man sich tatsächlich eine ganze Halbzeit lang das seltsam emotionslos hallende "Sieg!" anhören - und das, obwohl man gar nicht führt.

Ich empfehle für PES 2010, dass man nicht nur die Grafik-Engine, sondern auch die komplette Akustik austauscht und dass Konami mal endlich wieder in den Stadien live mitschneidet oder auf der Couch bei Live-Übertragungen aufzeichnet, damit man wieder ganz nah dran an dem ist, was

In der kaum veränderten Meisterliga könnt ihr natürlich wieder auf mittlerweile alte Bekannte zurückgreifen, wie die Teams von PES United und WE United mit Jaric, Espima & Co.
in den Fußballtempeln wirklich passiert - es soll nämlich tatsächlich so etwas wie ein dynamisches Publikum geben, das emotional auf das Geschehen auf dem Platz reagiert. Da hilft es mir als Käufer auch nichts, dass ich eigene Sounddateien und Fangesänge laden kann, denn die Arbeit der Beschaffung muss ich dann erstmal leisten. Und wenn ich dann im PR-Text lese, dass ich "auf diese Weise individuelle und maßgeschneiderte Matches erstellen und absolvieren" kann, dann frage ich mich, wer eigentlich als Spieldesigner verantwortlich für Atmosphäre und Dramatik ist? Der Käufer oder Konami?

Und ich empfehle, dass man das Sprecherduo Hansi Küpper und Wolff Fuss entweder auswechselt oder zu neuen Aufnahmen einlädt, denn seit Jahren geben die beiden denselben Senf zum Kick ab; das ist zwar teilweise solide, aber ich höre da Floskeln, die ich schon in PES 6 gehört habe; hier ist FIFA 09 zwar genau so wiederholungsanfällig, aber in der Situationsbeschreibung einfach besser. Die Kommentare kann ich immerhin ohne Atmosphäreverlust abschalten. Aber das Publikum hört sich nicht nur schlecht an, das sieht auch verdammt schlecht aus: Das Drumherum an Außenbahnen, Fans & Co ist einfach veraltet. Ich erkenne kaum echte Fanblöcke und muss mich immer noch in einigen Szenen mit Pappaufstellern zufrieden geben - selbst in der Champions League. Wenn man schon diese Lizenz hat, kann man die Präsentation dieses höchsten Fußballturniers dann nicht auch entsprechend hochklassig inszenieren? Und dass man auch den Rasen nicht mal beim Abschlag des Torwarts etwas plastischer darstellen kann, dass er teilweise immer noch wie ein glatter Gummiboden aussieht, ist ebenfalls nicht mehr akzeptabel. Aus der Distanz bekommt er dann immerhin ein filzigeres Äußeres, aber auch hier ist FIFA 09 mit seinem Gras vorne.

        

Die Spielmechanik

Die Stadien und das Drumherum, vor allem die monotonen Fangesänge, sorgen nicht für die Fußballatmosphäre, die man sich wünschen würde.
Die ganze Kritik bisher bezog sich auf grafische und akustische Schwächen. All das also, was uns auch bisher nicht daran gehindert hat, diese Fußballsimulation auszuzeichnen. Nur kommen zu dieser Stagnation auch neue Schwächen in der Spielmechanik. Bisher haben wir uns immer fasziniert zurückgelehnt, wenn wir eine neue Version von PES spielen konnten. Letztes Jahr sorgte vor allem die wuchtige Ballphysik zusammen mit den deutlich verbesserten Direktabnahmen für ein packendes Erlebnis in Strafraumnähe. Außerdem wurde der Kampf um den Ball viel besser und spannender inszeniert als noch in PES 6. Dieses Jahr muss man Veränderungen mit der Lupe suchen. Der Kick fühlt sich fast genau so an wie letztes Jahr. Ist das per se schlecht? Oh nein, immerhin gab es letztes Jahr Platin. Aber es fehlt der frische Wind und es schleichen sich Abnutzungserscheinungen ein, die das Spiel fast mechanisch wirken lassen.

Das ausgezeichnete Fundament

Das, was sofort auffällt ist die Entschleunigung des Spiels: Es geht alles wesentlich langsamer vonstatten, das Tempo wurde rausgenommen und man hat viel mehr Zeit im Mittelfeld, um seine nächsten Schritte zu überlegen - und das tut dem Spielaufbau gut, denn er verlangt jetzt etwas mehr Planung und Köpfchen. Während ich in FIFA 09 immer noch todsichere Kurzpässe wie an der Schnur gezogen spielen und damit ohne Fehler schnurstracks das ganze Mittelfeld überbrücken kann, muss ich in PES deutlich mehr Konzentration aufbringen, um überhaupt zwei sichere Pässe zu spielen. Hätte PES dieselben starken defensiven Automatismen wie FIFA, dann wäre diese fehleranfällige Pass-System tödlich, denn man käme kaum voran. Aber PES gleicht diese relative Unsicherheit im Spielaufbau, die sich nach drei, vier Spielen zu einer angenehmen relativen Freiheit mausert, durch schwächere Defensivmechanismen aus. Sprich: Es dauert in PES trotz Doppeldeckung und Pressing viel länger, einem Spieler den Ball abzunehmen als in FIFA. Man muss sich diese Ballgewinne über ein gutes Auge erarbeiten und die Pässe antizipieren. Lobenswert ist auch, dass sich die defensiven Mitspieler deutlich intelligenter verhalten und auch ohne das manuell aktivierte Pressing in Lücken stoßen, um Angreifer zu attackieren. Allerdings sind sie etwas zu langsam, wenn man sie manuell auf den Ballführenden schickt - anstatt ihn wirklich schnell zu attackieren, traben sie fast hin.

Das ist zunächst eine gute Entwicklung, denn sie erhöht das Simulationsgefühl, das im Vorgänger aufgrund der rasanten Antritte von Ronaldo & Co schon mal verloren gehen konnte. Und was die Spieldynamik angeht, kann PES immer noch mit seiner alten Stärke auftrumpfen: Der Fußball sieht hier zwar nicht so klasse und lebensecht aus wie bei FIFA 09, aber er besticht durch eine Offenheit und Unberechenbarkeit im Spielaufbau, die EA trotz großer Fortschritte noch nicht erreicht hat - dieses ausgezeichnete Fundament sorgt dafür, dass PES trotz seiner Defizite letztlich immer noch ein gutes Fußballspiel ist.

Freier Aufbau im Mittelfeld

Es kracht, wenn man von der Seite die Flanke schlägt - manchmal schon fast zu stark. Die Bälle jagen wie Vollspannschüsse in den Strafraum.
Während man bei FIFA 09 aufgrund der starken Defensivautomatismen und vergleichsweise schwachen Offensivmanöver die Aktionen des Gegners sehr schnell und vielleicht zu einfach im Keim ersticken kann, so dass es im Mittelfeld zu einem zähen Hin und Her kommen kann, fühlt sich PES freier an. Das liegt zum einen daran, dass ich auch mit einem schnellen Tempowechsel, einem Dribbling oder einer Drehung mal an einem Verteidiger vorbei komme. Außerdem sorgen unvorhersehbare Press-Schläge oder Kollisionen immer wieder für überraschende Momente, so dass sich auf lange Sicht mehr unterschiedliche Situationen ergeben als in FIFA 09. Allerdings auch nicht mehr so viel mehr wie früher. Und es kommt zu einigen Szenen, die seltsam aussehen: Etwa, wenn der Ball bei Press-Schlägen wie beim Flipper hin und her jagt - realistisch ist das nicht. Oder wenn der Torwart plötzlich die Orientierung verliert und den Ball vor sich vergisst.

Und hinkte EA im Bereich der offensiven und defensiven KI bisher hinterher, ist man da jetzt mindestens auf par. In FIFA 09 entsteht gerade durch die in Eigeninitiative getätigten Laufwege der Stürmer in den freien Raum eine ähnlich rasante Offensivdynamik wie in PES. Die hätte dieses Jahr mit der neuen, an EAs ehemalige Off-the-Ball-Kontrolle erinnernde Systematik weiter ausgebaut werden können, aber sie zwingt mir die Intelligenz der KI auf - das kann gut gehen, kann aber auch in die Hose gehen: Wenn ich einen Pass spiele, übernimmt die KI die Kontrolle des Empfängers, so dass ich ohne Ball in den freien Raum steuern kann. In der Praxis sorgt das manchmal für sehr gute Ergebnisse, aber manchmal eben auch für Sackgassen. Dieses indirekte System hat schon in früheren FIFAs nicht gut funktioniert und sollte nur optional eingesetzt werden - einen Fortschritt sehe ich hier nicht.

       

Tempowechsel & Offensive

Was Konamis Kick besser macht, ist immer noch der Tempowechsel: Das Spiel kann hier aufgrund eines Ballgeschiebes im defensiven Mittelfeld fast zum Erliegen kommen und dann kann ich über einen Pass in die Tiefe oder einen schnellen Doppelpass plötzlich Räume schaffen, weil einem die Verteidiger hier selbst bei aktivierter Doppeldeckung und Pressing nicht so gnadenlos auf den Füßen stehen wie in FIFA. Dadurch öffnen sich mehr Räume, dadurch ergeben sich viele kreative Möglichkeiten im Spielaufbau - und das ist die große, aber auch die letzte klare Stärke von PES.

Denn selbst im heiligen Bereich der Ballphysik ist FIFA 09 ganz vorne mit dabei, dieses Jahr sogar knapp vor PES. Konami hat ja auch die Windverhältnisse sowie den Untergrund stärker in die Berechnung der Passweite mit einbezogen - das ist eine lobenswerte Entscheidung. Allerdings wirkt es manchmal auch ohne Regen und Böen so, als würde man auf durchnässtem Rasen spielen, wenn der Ball auf den letzten Metern plötzlich versackt. Man hat das Gefühl, dass viel zu oft viel zu wenig Druck dahinter ist, wenn es mal wieder zu einem schlaffen Pass oder auch Schuss gekommen ist.

Schießen & Passen

Pokale und Auszeichnungen häufen sich irgendwann im Trophäenraum.
Wenn man aus der zweiten Reihe schießt, zieht der Ball so oft so weit nach oben, dass man hier bei den ersten Spielen fast an eine FIFA-Schwäche erinnert wird. Natürlich kann man sich daran gewöhnen und irgendwann dosiert man Schusskraft so gut und positioniert seinen Spieler so gut, dass auch wieder ein Pfund Richtung Tor jagt, das sich auf den letzten Metern senkt. Aber ehrlich gesagt hat Konami diese wuchtigen Schüsse diesmal zu stark an Bedingungen geknüpft, denn selbst wenn ich unbedrängt abziehe, schwebt das Leder zu oft in die Höhe. Man hat die Schussdynamik einfach künstlich gedrosselt und das raubt mir immer wieder die Lust am Distanzschuss.

Und diese Art der Verlangsamung beim Passen sollte wirklich nur bei entsprechenden Wetterbedingungen auftreten - hier habe ich aber das Gefühl, dass der Ball auch bei klarem Wetter und Sonnenschein viel zu kraftlos kullert. Außerdem fällt auf, dass es dieser Jahr häufiger zu irritierenden Fehlpässen kommt, dass eindeutig nach außen anvisierte Pässe plötzlich schräg in die Mitte gespielt werden. Man kann natürlich gegen wirken, indem man bei der Annahme schon die Präzisionstaste drückt und dann weiter spielt, aber im Vergleich zu früheren Versionen fragt man sich öfter, warum dem Ball irgendwann die Luft ausging und wieso er jetzt so blöd gespielt wurde. Vielleicht hat man hier einfach zu viel herum experimentiert, denn auch manche Schüsse aufs Tor leiden wie gesagt unter plötzlichem Energieverlust - und das hemmt den Spielspaß. Entweder sind es die neuen Auswirkungen von Boden und Wind, die sie verschlimmbessern oder es ist etwas anderes; der Vorgänger Pro Evolution Soccer 2008 hat uns schon nach drei, vier Matches in diesem Gebiet begeistert. Und FIFA kann hier ebenfalls vorbeiziehen, denn dieses Jahr schlagen auch Volley, Dropkicks und Distanzschüsse bei richtiger Dosierung klasse ein, zumal der Schlenzer für neue Eleganz sorgt.

Neue Steuerungsfinessen?

Was ist sonst noch neu oder anders? Enttäuschend ist erstmal, dass es mal wieder nicht das ausführliche Training zum Nachahmen wirklich aller Steuerungsfinessen gibt, wie man es zu besten PlayStation 2-Zeiten kannte. Sprich: Man kann frei spielen, Ecken und Freistöße sowie Schüsse auf dem Bolzplatz üben, aber man wird nicht im Detail an all die in irgendwelchen Texten oder der Anleitung versteckten Finessen der Steuerung heran geführt - eine Lücke, die wir auch an FIFA 09 kritisierten.

Ja, Volleys krachen immer noch. Und Flanken kommen scharf. Aber im Animationsbereich liegt man klar hinter FIFA 09, das wesentlich weichere und lebendigere Bewegungen zeigt.
Warum bietet man auf Xbox 360 und PS3 nicht denselben Komfort wie anno 2005 auf PS2? Warum hebt man die (wenigen) neuen Spielmechaniken wie das manuelle Laufen ohne Ball oder die Dribblings oder das Ballabschirmen nicht mit gezielten Übungen hervor? Nicht nur Einsteigern würde das entgegen kommen.

Veteranen können natürlich darauf verzichten, denn die Steuerung gleicht der vom Vorjahr wie ein Zwilling. Die Schwalbe ist wieder da, die Freistöße, Elfmeter und Ecken laufen identisch ab. Die Ballannahme kann einfach oder sicher eingeleitet werden. Es gibt bis auf das oben erwähnte Laufen mit dem Mann ohne Ball weder neue Passvarianten noch neue Schusstechniken. Bei Ersteren ist das nicht schlimm, denn die Kurz- und Doppelpässe sowie Zuspiele in die Tiefe sind in PES immer noch vorbildlich. Und nicht nur die Flankenwechsel sind ansehnlicher und effektiver als in FIFA 09, da sie das Spiel schneller verlagern und damit für offene Räume sorgen.

In FIFA 09 sind diese weiten Bälle kaum nötig und wenn man sie spielt, brauchen sie zu lange oder die Ballannahme ist zu lethargisch, um sofort Tempo reinzubringen. Hier ist PES etwas dynamischer. Auch die Flanken in den Strafraum kommen ungeheuer knackig und scharf, bevor es teilweise zu krachenden Volleys oder wuchtigen Kopfbällen kommt. Sprich: Alles, was in PES von der Seite in den 16er herein kommt, ähnelt einer Rakete - fast schon zu sehr, denn selbst mancher Distanzschuss wird in Sachen Wucht von einer einfachen Flanke getoppt. Auch hier hat Konami für meine Begriffe zu viel geschraubt - PES 2008 wirkte da realistischer. Und die Flanken in FIFA 09 wirken dieses Jahr einfach authentischer und fühlen sich nach einiger Übung auch deutlich besser an.

       

Schüsse anno 2005

Bei den Standards bleibt alles beim Alten. Außerdem vermisst man erneut einen ausführlichen Trainingsmodus mit nachspielbaren Übungen, wie ihn die PS2-Variante geboten hatte.
Aber gerade bei Letzteren, also den Schusstechniken, ist mal frischer Wind nötig: Es gibt zwar auch hier theoretisch zwei Schussmöglichkeiten wie in FIFA 09, aber der Schlenzer bzw. modifizierte Schuss ist in PES denkbar umständlich einzuleiten, da man hier nach dem Druck auf die Schusstaste noch mal eine Schultertaste drücken muss, um präziser abzuschließen. Es wäre deutlich intuitiver, wenn man hier schon im Vorfeld die andere Schusstechnik über einen Tastendruck einleiten könnte. FIFA 09 macht das besser und gibt mir vor dem Tor das Gefühl, dass ich manuell und aktiv schlenzen kann - zumal der Analogstick noch den Drall bestimmt. In PES kann man das zwar auch, aber hier sind es eher die Werte der Stürmer in Kombination mit dem Drucktiming, die über die Ballkurve bestimmen. Dadurch entsteht allerdings eher ein Automatismus- statt Mittendringefühl.

Bei den Dribblings gibt es immerhin den Hauch einer Neuerung, obwohl ich nicht verstehe, dass man nach einem angetäuschten Schuss nicht automatisch die Richtung wechselt und diagonal weiter dribbelt - so kannte man in PES 6 noch sehr gut den Torwart umlaufen. Jetzt kann man Finten im Lauf ohne zusätzliche Schultertaste über den linken Analogstick einleiten, so dass man gerade in den ersten Spielen viel öfter auf diese Offensivmanöver zurückgreift. Allerdings hat das natürlich den Nachteil, dass Richtungswechsel und Dribblingvariante schon mal miteinander kollidieren bzw. sich ausschließen, da beides auf demselben Stick liegt. Es gibt auch keine neuen Finten und die Inszenierung der Übersteiger, 360-Dreher & Co liegt zwei Klassen hinter der Eleganz, die FIFA 09 bietet. Da bleibe ich zwar öfter in der Abwehr hängen, aber erstens gibt es mehr Vielfalt an Ballfinessen und wenn ich mal durchkomme, sieht das einfach spektakulärer aus.

Wo sind neue Bewegungen?

Auf den ersten Blick hat sich auch in der Darstellung der Bewegung nichts getan, denn die Animationen und angeblich "komplett neuen" Spielermodelle  machen nicht den Schritt nach vorne, den man sich wünschen würde. Ja, es gibt ansehnliche neue Sturz- und Annahme-Bewegungen. Und ja, da heben Spieler nach der Grätsche artistisch ab und egal ob

Konami muss sich überlegen, ob man die Grafik-Engine nicht komplett tauscht und doch auf Motion-Capturing setzt: Im Animationsbereich herrscht Stillstand, FIFA 09 wirkt in Bewegung eine Klasse natürlicher.
Toni, Cole oder Ronaldinho - alle Stars überzeugen mit realistischen Gesichtern und individuellen Bewegungen, darunter auch der breitbeinige John Wayne-Freistoß des portugiesischen Jungstars.

Aber die im Gegensatz zum Motion-Capturing in FIFA 09 handgezeichneten Bewegungen der Kicker konnten letztes Jahr offensichtlicher überraschen - dieses Jahr muss man schon lange warten, bevor sie mal eine neue Animation zeigen. Außerdem wirken diese einfach zu kantig und hölzern, wenn man sich dagegen die butterweichen und deutlich lebensechteren Bewegungen in FIFA 09 anschaut. Es gab eine Zeit, das war PES auch in diesem Bereich der sportiven Eleganz auf dem Platz klar überlegen, aber man muss sich dieses Jahr geschlagen geben. Und wo sind bitte die lebendigen Gesten, wo ist das Winken der Stürmer, wenn sie in den freien Raum laufen und einen Pass fordern? Ja, das gibt es. Aber viel zu selten! Das, was in FIFA 09 zum Alltag auf dem grünen Rasen gehört, passiert hier viel zu selten.

Die nervige Ballabschirmung

Es gibt noch einen Bereich, in dem FIFA 09 zeigt, wie es besser und flüssiger geht: Die Ballabschirmung. In beiden Spielen wird sie ähnlich ausgeführt, indem ich im Lauf einfach die Sprinttaste loslasse und anhalte. Sobald das erledigt ist, bringt der Spieler seinen Körper zwischen Ball und Gegner, um ihn zu sichern. So weit, so gut. Mal abgesehen davon, dass das Ganze in PES etwas hüftsteifer aussieht, ist es dort auch unrealistisch stark. Sprich: Wenn ich als Verteidiger versuche, diesen abgeschirmten Ball per Tackling oder Gestocher zu erreichen, wird in PES fast immer Foul gepfiffen - hallo, Körpereinsatz? Das führt zu sehr vielen ärgerlichen Spielunterbrechungen, die manche gerade online auf die Spitze treiben, um Zeit zu schinden. In FIFA 09 gibt es dasselbe Manöver in etwas schwächerer und damit besserer Variante. Sprich: Ich kann den Gegner zwar kurze Zeit auf Distanz halten, aber irgendwann durchbricht er diese Stellung und erobert den abgeschirmten Ball - und zwar ohne Foul. Das sorgt dafür, dass man das Abschirmen nicht inflationär gebraucht und hemmt den Spielfluss nicht.

    

Steriler Karrieremodus

Leider kann die Karriere keine Motivation erzeugen: Sterile Menüs und fehlendes Feeedback auf dem Platz bremsen den Spaß von Anfang an aus.
Man könnte ja meinen, dass Konami sich hinsichtlich des neuen Karrieremodus bei FIFA 09 hat inspirieren lassen. Aber dem ist leider nicht so: Die Japaner hatten in der einheimischen Fußballvariante schon längst einen Modus dieser Art integriert - von Abkupferung kann also keine Rede sein. Trotzdem muss man "leider" sagen, denn der Modus hinkt dem von EAs Kick eine Klasse hinterher. Warum? Weil die Karriere vom 17-jährigen Jungstar zum Topstar viel zu steril und ohne lebendiges Feedback inszeniert wird. Eigentlich habe ich mich auf diese Neuerung gefreut, weil ich nach all den Jahren Meisterliga endlich mal was anderes als Solist erleben wollte. In der Meisterliga wurde lediglich die Menüstruktur vereinfacht, außerdem wurden die Befindlichkeiten der Profis um den Punkt "Loyalität" erweitert - wer mit seinem Vertrag nicht glücklich ist, spielt auch nicht gut. All das ist jedoch Feintuning, das nicht darüber hinweg täuschen kann, dass man wieder dasselbe bekommt: Den Aufstieg eines Noname-Teams in die höchste Fußball-Liga samt Transfers und Pokalwettbewerben.

Umso interessanter ist es, dass dieses Jahr endlich was Frisches aufgetischt wird. Aber das, was Konami als "Become a Legend" anbietet ist eher "Become a Statist". Das fängt schon damit an, dass ich bei den ersten Trainingsspielen als offensiver Mittelfeldspieler keinerlei Feedback bekomme - sprich: Es gibt keinen Trainer, der für eine menschliche Komponente sorgt und dem aufstrebenden Spieler im Laufe der Karriere nützliche Tipps zu seiner Position gibt. Das wäre noch zu verschmerzen, denn so etwas fehlt auch in "Be A Pro" von FIFA 09. Man wird auch gar nicht auf das bevorstehende Match und die eventuelle Taktik eingestimmt. Und man erfährt als Reservist noch nicht einmal, wie die A-Mannschaft in der Liga gespielt hat.

"Become A Statist" statt "A Legend"

Auch wenn man mal einen Pokal gewinnt oder Tore schießt, vermisst man die persönliche Note: Hätte man nicht Reaktionen von Trainer, Mitspielern oder Konkurrenten einbauen können?
Der Kick von EA gibt mir wenigstens direktes visuelles Feedback auf dem Platz, indem z.B. die optimalen Laufwege eines Außenstürmers über Pfeile angezeigt werden - so lerne ich, wie ich mich bewege. Hier in PES kann ich einfach die L1-Taste drücken und der Spieler läuft dann automatisch für mich gemäß seiner Rolle. Was sich zunächst gut anhört, da man sich dann ja auf Finten & Co konzentrieren kann, kann in der Praxis dazu führen, dass man tatsächlich keinen (!) Ballkontakt hat. Außerdem sind die Beschreibungstexte teilweise schlampig übersetzt: "For diejenigen, die nicht wissen wohin Sie sich bewegen sollen, gibt es die Auto-Bewegen-Funktion."

Nächstes Jahr muss Konami das Drama des Fußballzirkus' besser einfangen, wenn man wieder oben mitspielen will.
Überhaupt lässt es die Karriere an Mittendringefühl oder gar Dramatik vermissen: Ich erobere den Ball, passe, schieße und nichts passiert; es gibt keine Belohnung in Form von Zurufen oder Punkten oder gar wütende Reaktionen von Mitspielern, wenn man zu eigensinnig agiert. Lediglich im spartanischen Hauptmenü der Karriere wird ab und zu auf Anzeigetafeln etwas Rückmeldung der Marke "Jungprofi strengt sich an" gegeben - aber das ist einfach zu wenig, um Identifikation oder gar Emotion aufzubauen. Lediglich im Online-Modus "Legenden" gibt es endlich Feedback in Echtzeit, wenn man mit dem selbst erstellten Kicker und bis zu drei Freunden in einem Team gegen die KI antritt. Warum man dieses bessere System nicht auch für die Solokarriere eingesetzt hat, ist mir schleierhaft.

Nur numerisches Feedback

Lediglich, wenn man mit seinem erstellten Spieler im Online-Modus Legenden antritt, bekommt man klareres Feedback.
Woran erkennt man offline überhaupt seine Entwicklung? In der numerischen Spielbewertung von 1 bis 10 sowie den Statistiken. Nur mit guten Noten hat man eine Chance, in die Startelf zu kommen oder gar Angebote von prominenten Clubs zu erhalten. Aber die Darstellung der Statistiken ist erbärmlich: In der Halbzeit muss man sich umständlich durch das Menü wühlen, um an seine Werte im Bereich der Pässe, Fouls, Ballberührungen und Laufwege zu kommen. Wo sind da eigentlich erfolgreich geschlagene Flanken? Die fehlen und werden nicht eingerechnet, obwohl man sich gerade zu Beginn über diese ersten Flanken freut. Wenn es schon um meine Karriere geht, warum wird diese dann nicht sofort ins Zentrum gerückt? Warum sagt mir keiner in der Halbzeit, ob meine Leistung eine gute war? Immerhin kann man die Trainingseinheiten auf seine Wünsche zuschneiden: Ihr verteilt zwölf Punkte auf Bereiche wie Schuss, Dribbling, Balance, Kraft,

Die Kamera lässt sich in der Karriere zwar komplett auf euch fokussieren, so dass ihr näher am Geschehen seid - wer diese neue vertikale Ansicht nicht mag, kann auch klassische Perspektiven mit mehr Übersicht wählen. Aber in Schlüsselsituationen sorgt FIFA 09 mit seiner nahen Wackelperspektive für ein deutlich höheres Mittendringefühl. Schon nach ein, zwei Saisons hatte ich aufgrund der sterilen Inszenierung keine Lust mehr, meinen Profi weiter zu entwickeln - theoretisch ist das bis ins Alter von 35 Jahren möglich. Ihr könnt euren Profi übrigens auch online neben denen von Freunden einsetzen, um PES-Punkte zu gewinnen.

     

Champions League light

Auch wenn das nach Champions League aussieht: Im Spiel fehlen die deutschen Vertreter Bremen und Bayern; außerdem laufen Chelsea und Arsenal unter fiktiven Namen auf.
Man freut sich ja gerade als deutscher Spieler über alle Lizenzen, die sich Konami sichern kann - um so weniger ist man auf den Editor oder Userdaten angewiesen, wenn man trotz des Fehlens der Bundesliga mit Teams wie Dortmund, Stuttgart oder Leverkusen antreten will. Daher war die Freude groß, als Konami die UEFA Champions League als neuen Spielmodus ankündigte. Leider ist die Enttäuschung genau so groß, wenn man dieses Turnier startet: Obwohl im Trailer vorher noch Diego beim spektakulären Fallrückzieher zu sehen ist, muss man später auf deutsche Teilnehmer verzichten - weder Bayern noch Bremen sind unter den 32 Teams vertreten. Außerdem muss man mit London FC und North London, statt Chelsea oder Arsenal antreten; immerhin heißen die Profis im Kader dann auch Ballack und Adebayor.

Das Logo auf der Packung ist also im Endeffekt eine Augenwischerei, denn dahinter verbirgt sich nicht das komplette Teilnehmerfeld - eigentlich hätte man das auf der Packung mal anmerken können. Aber man hat sich über die Jahre an die Platzhalter gewöhnt und die Community wird sicher bald für Ersatz sorgen. Und dafür darf man im Gegensatz zu FIFA 09 immerhin mit dem aufstrebenden Team des internationalen Fußballs und seinem Jungstar Andrei Arshavin antreten: Zenit St. Petersburg. Auch alle türkischen, griechischen, portugiesischen und französischen Champions League-Teilnehmer sind in voller Trikotpracht dabei. Genau so wie Exoten der Marke CFR Cluj, BATE oder Shaktar. Und es gibt mit dem Stade de France, dem Stadio Olimpico di Torino und der neuen Arena in Wembley auch Stadionzuwachs.

Online-Erfahrungen

Online hat sich Konami zwar gefangen, was den Netzcode angeht, aber man muss dennoch Abstriche machen, wenn es im Internet zur Sache geht - vom fehlenden Ligakomfort ganz zu schweigen.
Was hat Konami online zu bieten? Zunächst einmal eine komplizierte Anmeldung, um überhaupt im Internet kicken zu können. Wer Metal Gear Online gespielt hat, kennt das: Ihr müsst eine Konami ID, eine Game ID, eine Geheimfrage, eine Postleitzahl etc. eingeben und dann auch noch für alles ein Passwort, welches dann auch noch einmal mit und einmal ohne Buchstaben eingegeben werden muss - wer da beim ersten Eintrag alles richtig eintippt, hat meine Hochachtung. Ich hab zwei Versuche gebraucht, weil irgendwo wieder irgendetwas nicht mit den Vorgaben übereinstimmte, bevor ich endlich in die Lobby kam.

Für Europa gibt es acht Server mit einer Kapazität von je 1000 Spielern, darunter einer für deutsche Kicker namens "Jaric". Einmal angewählt, kann man sich in einen von zehn Räumen begeben, um einen Spielpartner zu finden, indem man selber sucht oder ein Match erstellt. Wer will, kann hier auch nach 2-gegen-2-Partien Ausschau halten, die zum ersten Mal möglich sind - bei FIFA 09 ist man schon ein paar Schritte weiter und ermöglicht 10-gegen-10-Partien. Ansonsten wird als Rangliste erneut das Fünf-Divisionen-System verwendet, in dem man bei regelmäßiger Teilnahme von Division 3C in Division 1 aufsteigen kann; wer sechs Tage nicht spielt, wird auch nicht mehr aufgelistet.

Immerhin befinden sich Konsolen- und PC-Versionen im Gegensatz zu EAs Kick auf par - sprich: Ihr bekommt identische Spielerlebnisse. Weitere Bilder der PC-Fassung in der Galerie.
Wie ist die Online-Qualität diesmal? Nicht mehr so katastrophal wie im Vorjahr, aber auch nicht so vorbildlich wie in FIFA 09. Zwar haben die Japaner den Netzcode endlich so weit stabilisiert, dass man auch auf PlayStation 3 und Xbox 360 solide Fußballerlebnisse hat. Aber das reicht nicht aus, um an die Qualität heran zu kommen, die EA im Internet bietet. Mal abgesehen davon, dass man keine eigenen Ligen gründen und verwalten kann, kommt es auf dem Platz auch viel öfter zu seltsamen Nebenwirkungen schlechter Anbindungen, die in den drei Stufen rot (schlecht), gelb (durchschnittlich) und grün (gut) angezeigt werden: Wie an der Schnur gezogene Bälle oder Spieler, die auf Schienen laufen, sind da zwar im Vergleich zum Vorjahr keine Regel mehr, aber noch zu oft zu beobachten. Außerdem hat man scheinbar einige grafische Defizite in Kauf genommen, um die Online-Stabilität zu gewährleisten: Bei Freistößen werden z.B. die weißen Linien des Strafraums im Hintergrund so verzerrt dargestellt, dass sie wie Treppen aussehen - das ist einfach hässlich und kein Vergleich zur Offlinequalität. Unterm Strich ist also ein Fortschritt zu erkennen, unterm Strich ist der Netzcode stabiler, aber es spielt sich online immer noch nicht ganz sauber.

Auf dem PC könnt ihr die Kulisse übrigens in einer Auflösung von bis zu 1920 x 1200 betrachten; auch 16:9 wird in mehreren Varianten unterstützt. Die Mindestvoraussetzungen liegen bei einem PIV 1,4 Ghz plus 1 GB Ram und 128 MB-Grafikkarte, die Shader 2.0 darstellt. Optimaler Weise solltet ihr aber einen PIV mit 3 Ghz, 256 MB Ram sowie 256 MB Grafikkarte besitzen, die Shader 3.0 beherrscht. Das Xbox 360-Pad wird am PC einwandfrei erkannt und ihr könnt die Steuerung später frei belegen.

      

Fazit

Pro Evolution Soccer braucht einen Neuanfang. Konami muss nach all den erfolgreichen Jahren einen Schnitt machen, um auch in Zukunft begeistern zu können. Was bisher immer für pure Faszination gesorgt hat, lässt mich zum ersten Mal seit acht Jahren kalt. Das ist ein überraschender Traditionsbruch, über den ich vor zwei Jahren noch gelacht hätte. Natürlich serviert man immer noch eine gute Simulation, die von ihrer taktischen Freiheit und der Unberechenbarkeit lebt. Aber der qualitative Vorsprung in der Spielmechanik zu FIFA 09 ist einfach nicht mehr in allen Bereichen spürbar: Spielaufbau, Kurzpasskultur, Doppelpässe, KI-Verhalten - da ist man vorne. Schusstechnik, Kopfbälle, Flanken, Ballabschirmung, Dribblings - da liegt man hinten. Und vor allem hinsichtlich der Ballphysik sehe ich keinen Fortschritt - im Gegenteil. Auch im Bereich der Dribblings liegt EA vorne. PES 2009 fühlt sich wie eine verlangsamte, aber nicht unbedingt bessere Variante des Vorgängers an. Die Entschleunigung tut ja gut, aber der Rest tut rein gar nichts - und das war sonst anders. Wenn man gerade im Kernbereich bisheriger Kompetenz an Boden verliert, fallen die äußeren Schwächen umso stärker auf. Fußball muss mehr Drama als Schach sein. Was PES aufgrund seiner Spannung auf dem Rasen immer kaschieren konnte, sticht dieses Jahr grell ins Auge und scheppert zudem ungewohnt grausam ins Ohr: Die Kulisse kann weder im Stadion- noch im Animationsbereich mit FIFA 09 mithalten. Konamis Fußball ist immer noch ein guter, aber er fühlt sich mittlerweile mechanisch und altbewährt im statischen Sinne an, während EAs Kick lebendiger, moderner und frischer auftrumpft. Man hat dieses Jahr das Gefühl, dass die Japaner an kleinen Schrauben gedreht und das große Ganze aus den Augen verloren haben. Oder wie ist es zu erklären, dass die Fangesänge an Monotonie kaum zu überbieten sind? Sie sind ehrlich gesagt eine akustische Frechheit. Dass ich die veralteten Kommentare abschalte ist das eine, aber wenn ich die Stadiongeräusche ausschalte, stirbt auch ein wichtiger Teil der Atmosphäre. Außerdem gesellt sich sich zu dem technischen Stillstand auch noch neue Sterilität: Das, was als "Become A Legend" angepriesen wird, ist nichts weiter als "Become A Statist" und als Karrieremodus eine einzige, dahin geschluderte Farce. Okay, man hat endlich einen stabilen Online-Modus mit nur leichten Abstrichen in der Grafikdarstellung. Aber welcher ist ohne Abstriche noch stabiler, noch umfangreicher und damit besser? Der von FIFA 09. Auch wenn Chefdesigner Seabass im Vorfeld von einem "whole new way of playing football" sprach, hoffe ich, dass er es nicht ernst gemeint hat - denn dann muss man sich Sorgen um die Zukunft machen. Natürlich jammer ich hier auf hohem Niveau: Dieses Fußballspiel ist immer noch ein gutes, auf dem PC auch ein besseres als FIFA 09 - aber das ist zu wenig, wenn man sich die erfolgreiche Tradition anschaut. Für PES 2010 muss es endlich Tabula rasa in Tokyo geben: Neue Grafik, neue Sounds, neue Steuerungsfinessen. Und dabei sollte man eine urjapanische Tugend kultivieren, mit der sich EA nach vielen Jahren der Fehlschläge tatsächlich wieder nach oben geschossen hat: Der Kopie des Besseren. Dieses Jahr ist das eindeutig FIFA 09.

Pro

offene, freie Spieldynamik
Aufbautaktik im Mittelfeld
gute Ballphysik
krachende Flanken & Volleys
Wind und Boden wirken sich aus
PC, 360 & PS3 technisch auf par
unvorhersehbare Situationen
individuelles Spielerverhalten
spürbarer Körpereinsatz
starke Gegnerintelligenz
gutes defensives Antizipieren der eigenen KI
starke KI-Offensivintelligenz
solider Online-Modus

Kontra

kein neues Spielgefühl
Grafik nicht auf HD-Niveau
verschlimmbesserte Ballphysik
nervig statische Ballabschirmung
steriler Karrieremodus
veraltete Stadionkulisse
einige üble Torwartaussetzer
zu viele Pfiffe bei Kleinigkeiten
grausam eintönige Fangesänge
zu ruckartige Richtungswechsel & Laufanimationen
Champions League ohne deutsche Teams
komplizierte Online-Anmeldung
keine eigene Ligenbildung online

Wertung

360

PC

Nur auf dem PC liegt PES 2009 vor der Konkurrenz aus dem Hause EA.

PlayStation3

Während FIFA 09 klasse aussieht, klasse klingt und sich mittlerweile sogar sehr gut spielt, sieht PES 2009 nur durchschnittlich aus, klingt dabei erbärmlich und spielt sich nur noch gut.

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