Haunted02.09.2011, Bodo Naser
Haunted

Im Test:

Haunted (ab 5,95€ bei kaufen) heißt das neue Adventure von Deck 13, den Machern von Ankh. Allerdings stand das witzige Geister-Projekt bisher unter keinem guten Stern, da lange unklar war, ob es überhaupt erscheinen würde. Jetzt ist es endlich erhältlich - wir haben gerätselt, gelacht und natürlich gewertet.

Höhen und Tiefen

Endlich gibt's mal wieder was von Deck 13, das sich hören und sehen lassen kann.
Endlich gibt's mal wieder was von Deck 13, das sich hören und sehen lassen kann.
Mitte der 2000er-Jahre war Deck 13 durchaus so etwas wie die deutsche Ausgabe von Lucas Arts. Ihre Adventures waren witzig, frech und irgendwie etwas Besonderes, was allen voran für Ankh gilt. Die Frankfurter brachten uns auf humorvolle Weis das verstaubte Ägypten näher - oder eben es, was der gemeine Teutone dafür hält. Danach machten sie allerdings nicht munter mit kleinen Galliern, Germanen oder Römern weiter, wie man das von einem erfolgsorientierten Team erwarten könnte. Stattdessen wollten sie ein richtig langes Adventure machen: 2007 erschien Jack Keane, das an die Qualität von Ankh nicht heran kam.

Danach wurde Haunted angekündigt, das in einer skurrilen Welt der Geister spielen sollte. Leider stand die Entwicklung unter keinem guten Stern, was aber nicht an Deck 13 lag. Vielmehr geriet Publisher HMH Interactive, der das Spiel in Deutschland hätte veröffentlichen sollen, in die finanzielle Schieflage und musste Insolvenz anmelden. Deck 13 musste sich mit einem halbfertigen Spiel einen neuen Publisher suchen. Diese Vorgeschichte merkt man Haunted allerdings zu keiner Sekunde an: Design, Kulisse und Sound sind gewohnt professionell, auch wenn ein paar vereinzelte Schönheitsfehler auftreten, die aber zu verschmerzen sind.

Halbgarer Start

Die böse Seite kann leider nicht mit den Geistern mithalten.
Die böse Seite kann leider nicht mit den Geistern mithalten, da sie zu lahm ist

Leider beginnt Haunted anders als erhofft: Wer die ersten zehn Minuten übersteht, hat nämlich den humorlosen Teil hinter sich. Bis zum ersten Auftritt eines Geistes schleppt sich das in London spielende Abenteuer mit nicht zündenden Jokes, einer flachen Story und dämlichen Bösewichten vorwärts. Als man zu Beginn mit der jungen Mary aus dem Labor flüchten muss, denkt man schon, dass dies wieder eines jener Adventures ist, denen der Witz abgeht. Obwohl das Geschehen immer wieder von Videos aufgelockert wird, will auch keine rechte Rätsellust aufkommen. Das liegt noch nicht mal daran, dass diese zunächst zu einfach sind, sondern dass einem alles so bekannt vorkommt, obwohl man von diesem Entwickler etwas Überraschendes erwartet hätte.

Gerade rechtzeitig vor dem Löschen bekommt das mitunter sogar finster wirkende Comic-Adventure allerdings noch die Kurve. Gerettet wird es von einem Geist, den man vielleicht für überdreht halten würde: Oscar heißt der Kleine, der sich für einen waschechten Piraten hält. Mit seiner schnoddrigen Art bildet er einen Gegensatz zu den eher blassen Fieslingen. Obwohl die Professorin und ihr Selbstgespräche führender Handlanger Mary tot sehen wollen, haben sie sonst kaum Format. Der Kapitän nimmt sich zwar auch unheimlich wichtig, aber bei ihm wirkt es wenigstens lustig. Und der durchsichtige Gnom ist eigentlich das genaue Gegenteil eines großen Seeräubers. Später kommen noch weitere skurrile Gestalten hinzu.

Medium wider Willen

Ein weiterer Geist, der die Stimme von John Cleese hat.
Ein weiterer Geist, der passenderweise die Stimme von John Cleese hat.

Wer also zu Beginn schon die Lust verliert, verpasst einiges, denn im zweiten Kapitel nimmt die Geistergeschichte endlich Fahrt auf. Die Geister wirbeln die Story gehörig durcheinander, die kaum tiefgründiger ist als in Ankh. Mary sucht halt ihre Schwester, die bei einem Unglück ums Leben kam. Sie wird von Träumen geplagt, in denen ihre Schwester um Hilfe ruft. Bloß wie soll man eine Tote retten? Kein Wunder, dass Mary einen Hang zum Morbiden hat, da sie sich mit Geistern abgibt, die sonst keiner sieht. Sie scheint übersinnlich begabt zu sein, weshalb sie auch die Pläne der Professorin gefährdet.

Im zweiten Kapitel trifft man an der Tower Bridge einen weiteren Geist, der groß und kräftig ist. Es handelt sich um keinen Geringeren als William Wallace, den wir aus dem Film Braveheart kennen. Allerdings ist er viel hässlicher als Mel Gibson, was wohl auch seiner raubeinigen Art entspricht. Genial vertont ist er von der deutschen Stimme von John Cleese, die hier für Akzente sorgt, auch wenn der Geist aus dem Hochland keine Laberbacke ist. Er spricht nur, wenn er gefragt wird.  Dennoch wird von einer jungen Frau verehrt, die ihn aber noch nie gesehen hat. Hier wird der Starkult auf die Schippe genommen, denn sie würde alles tun, um ihr Idol einmal sehen zu können. Leider können nur Tote Geister sehen. Das hält den echten Fan nicht davon ab und so will sie in den Tod springen. Wie kann man ihr das ausreden?

Simple Aufgaben

Da die Kapitel nicht all zu umfangreich sind, hat man Haunted locker in acht Stunden durch. Daran vermögen die Rätsel nichts zu ändern, denn sie sind in etwa so leicht wie bei Ankh. Meist handelt es sich um einfache Inventaraufgaben, bei denen eine Sache an der richtigen Stelle genügt. Es gibt nur eine Hand voll Gegenstände, die selten mal miteinander kombiniert werden müssen, so dass nie Gedränge im Inventar herrscht. Es gibt zwar die Möglichkeit, den Schwierigkeitsgrad einzustellen, aber die Rätsel selbst beeinflusst das nicht. Damit lassen sich Hot-Spot-Azeige und Hilfe zuschalten, die man aber kaum braucht.

Es gilt, die Fähigkeiten der Geister richtig einzusetzen.
Es gilt, die Fähigkeiten der Geister richtig einzusetzen.

Jedem Kapitel liegt eine große Aufgabe zugrunde, die gelöst werden will. So muss man im dritten Kapitel den Zug nach Schottland erreichen. Das ist schwerer, als es zunächst klingt, da man kein richtiges Bargeld bei sich hat. Der britische Beamte im Bahnhof ist daher nicht sonderlich kooperativ, als wir ihm Falschgeld unterschieben wollen. Wie bekommt man ihn nur dazu, dass er einen durchlässt? Vielleicht erst mal die Nebenstraßen erkunden. Später ergibt sich in einem Laden noch eine Möglichkeit, weshalb man immer zuerst alles anschauen sollte. Seltener muss man mal jemanden im Dialog dazu bringen, dass er kooperiert. 

Für das Salz in der Rätselsuppe sorgen abermals die Geister, mit denen man zusammenwirken muss. Man muss also bei jedem Rätsel überlegen, wo man welchen Geist einsetzen kann. Das ist ganz witzig gemacht, denn jeder Geist hat eine Spezialität und etwas, das er partout ablehnt. So kann William trotz seiner Statur nur Sachen mit Leichengeruch bewegen; Konfuzius ist für Wasser zuständig; Oscar kann zwar Sachen anfassen, die andere zum Glühen bringen würden, aber er ist sich oft zu fein für die Hilfe. Darüber hinaus ist er auch für die Tipps zuständig. Leider hilft die Rätselhilfe nicht immer, da sein „Gewäsch“ teilweise nicht zielführend ist. So sagt er an einer Stelle, dass man hoch kommen soll, was man ohnehin schon weiß.    

Wenig interaktive Gespräche

Kann uns dieser Mann weiterhelfen? Ein Gepräch bringt's ans Licht.
Kann uns dieser Mann weiterhelfen? Ein Gepräch bringt's ans Licht.

Zwar ist die deutsche Sprachausgabe professionell, mit teils bekannten Stimmen besetzt und das Gesagte ist überwiegend witzig, aber dennoch könnten die Gespräche eine Spur interaktiver sein. Echtes Multiple-Choice wie früher ist das nicht, obwohl mehrere Fragen zur Auswahl stehen. In der Regel ist es aber völlig egal, was man fragt, da es keinerlei Auswirkungen auf den weiteren Spielverlauf hat.

Schließlich gibt es auch keine Stelle, an der sich das Adventure in mehrere Stränge aufgabeln würde, was aber auch eine absolute Ausnahme im Genre wäre. Dafür vermisst man allerdings mehr Dialogaufgaben, die man hier an einer Hand abzählen kann: Etwa die Stelle im Zug, wo man den  vergesslichen Schaffner dazu bringen muss, das Richtige zu tun. Zum Glück spielt Haunted zu jener Zeit, als im Wagen noch der Fünf-Uhr-Tee serviert wurde. Diese Stellen bewegen sich erzählerisch in etwa auf einer Linie mit Telltales Sam & Max. Sie machen Spaß, bringen den Kopf aber nicht richtig zum Glühen. 

Fazit

Lasst euch vom trägen Einstieg und der üblichen Mystery-Story nicht täuschen: Haunted ist für mich das beste Adventure, das Deck 13 nach Ankh entwickelt hat! Das charmante Schauerabenteuer bietet zwar zu wenig anspruchsvolle Knobelsituationen, aber es lebt von vielen witzigen Situationen, die allesamt mit den Geistern zu tun haben. Deren exklusive Stärken und Schwächen spielen bei der Lösung der Rätsel eine entscheidende Rolle, was immer wieder motiviert. Allein die Bosse bleiben blass. Stilvoll gemacht sind zudem Kulisse und Sound, denen man die längere Entwicklungszeit kaum anmerkt. Trotz einiger inhaltlicher Schwächen ist es aber in erster Linie der Humor, der das Abenteuer so unterhaltsam macht. Es handelt sich nicht nur um albernen Slapstick, denn auch Themen wie der Promirummel, Aberglaube oder der Tod werden satirisch durch den Kakao gezogen. Ich habe mit dem Gruselabenteuer viel Spaß gehabt!

Pro

witzige Geister retten den Humor
Geisterfähigkeiten richtig einsetzen
allerhand wird auf die Schippe genommen
nicht so ausufernd wie Jack Keane
schaurig-schöne Comikgrafik
gute Sprachausgabe
optionale Rätselhilfe

Kontra

enttäuschender Einstieg
zu einfache Rätsel
schwache Bösewichte
08/15-Mystery-Story
Hilfe hilft nicht immer

Wertung

PC

Unterm Strich das witzigste Adventure von Deck 13 seit Ankh - mit besseren Rätseln wäre noch mehr drin gewesen!

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