Company of Heroes: Tales of Valor24.04.2009,
Company of Heroes: Tales of Valor

Im Test:

"Company of Heroes": Schon der Name stilisiert den Zweiten Weltkrieg zum pathetischen Heldenepos. Doch erst mit dem neuen Untertitel, zu Deutsch etwa "Geschichten von Tapferkeit", macht Relic daraus ein überzeichnetes Hohelied auf den Heldenmut tapferer Veteranen. Zum Glück verlieren sich die Entwickler aber nicht in der selbstherrlichen Verklärung amerikanischer Geschichtsschreibung, sondern kommen ihrem ursprünglichen Ziel sogar deutlich näher als das Hauptspiel - dem Ziel, die "Helden" des Krieges in den Vordergrund zu stellen.

Charakterköpfe

Der Schwerpunkt in der zweiten Erweiterung zu Company of Heroes kommt nicht von ungefähr. Schließlich wollen die Warhammer: Dawn of War-Macher schon lange weg vom unpersönlichen Blick auf gesichtslose Soldatenmassen. Sie wollen Personen und deren Schicksale zeigen. Und so sehr der Fokus schon im Hauptspiel auf dem Kommandieren kleiner Squads lag - es waren noch immer gesichtslose, unbekannte Truppen,

Standbildgeschichten und Panzeraction: Relics Comics erzählen von Heldenmut.die sich beliebig einfach klonen ließen. Die erste Erweiterung baute das Prinzip noch aus. Doch dann erschien Dawn of War II , in  dem plötzlich markante Anführer mit sehr verschiedenen Fähigkeiten die Hauptrollen spielten. Mehrspieler-Gefechte wurden hingegen von Helden dominiert, die ebenfalls mit unterschiedlichen Fertigkeiten aufgewertet wurden. Und genau da macht Relic jetzt weiter, wenn in den drei Kampagnen für Solo-Feldherren ganz verschiedene Charaktere im Vordergrund stehen, während in den drei neuen Mehrspieler-Varianten erstmals Helden das Geschehen im Zweiten Weltkrieg dominieren.

Der neue "Panzerkrieg"

Spezialisierung heißt die Kurbel, mit der die Entwickler von der großen Strategiekarte näher ans Schlachtfeld zoomen. Und das gilt besonders für Multiplayer-Kommandanten, die sich natürlich wie gehabt bis zu sechst im Team-Duell messen dürfen - die sich aber vor allem an einer der neuen Varianten probieren sollten! Denn ob "Sturm", "Steinwall" oder "Panzerkrieg": Relic fordert in jedem Modus andere taktische Geschicke. Vor allem inszenieren die Kanadier aber mit allen drei Varianten packende Kämpfe, die in dieser Form noch auf keinem virtuellen Schlachtfeld stattgefunden haben.

So stehen in "Panzerkrieg" z.B. die eisernen Kettenfahrzeuge im Vordergrund, wenn sich jeder Spieler für einen von drei Panzern entscheidet und mit seinem Team um Kontrollpunkte kämpft. Das Prinzip ist klassisch: Wer die meisten Kontrollpunkte besetzt, sackt am schnellsten Punkte ein. Die Einnahme sekundärer Stellungen erhöht dabei den Munitionsvorrat. Die Umsetzung des Prinzips unterscheidet sich allerdings von ähnlichen Spielvarianten. Denn obwohl jeder Spieler auch Fußsoldaten abstellen kann, um eine Position zu halten, darf er nur den eigenen Panzer selbst steuern; die Infanterie reagiert selbstständig auf Feindbewegungen. Zusätzlich sammeln die Panzer 

Kanone mit Handsteuerung: Erstmals könnt ihr manuell zielen und feuern.
im Lauf eines Gefechts Erfahrungspunkte, die sie in diverse Fähigkeiten investieren können. So erhält man u.a. die Möglichkeit, die Ketten eines gegnerischen Vehikels lahm zu legen oder muss zur Reparatur des Panzers nicht erst in die heimische Werkstatt fahren.

Mr. Spieler: Feuer!

Aus den Fähigkeiten der Heldeneinheiten, den unterschiedlichen Panzertypen (man entscheidet sich zwischen Fernschütze, schnellem Kundschafter und starkem Angreifer) sowie diversen Kommandooptionen wie Luftangriffen oder Aufklärungsflügen ergeben sich taktische Spielräume, die man von Relic oder Blizzard natürlich längst kennt - neu ist dabei aber die Beschränkung der direkten Kontrolle über nur eine Einheit. Dadurch rücken kleine, actionreiche Scharmützel in den Vordergrund, die von persönlichen Entscheidungen bestimmt werden - der Spielfluss wirkt dadurch frisch und spannend. Und nicht zuletzt macht noch eine weitere Neuerung den Ablauf ungewöhnlich aufregend: der Direkte Beschuss. Wer es sich zutraut, darf die Kanone seines Panzers nämlich erstmals selbst drehen und abfeuern, wodurch sich neue Möglichkeiten ergeben. Man könnte den Panzer z.B. in die eine Richtung steuern und das Kanonenrohr vorausschauend in Richtung eines vermuteten Ziels drehen. Im besten Fall entscheidet ein schneller erster Schuss immerhin über Sieg oder Niederlage des Aufeinandertreffens!          

Und auch wenn in einer der Solo-Operationen die Besatzung eines Tigerpanzers im Vordergrund steht, kann der Direkte Beschuss manches Duell schneller entscheiden als die automatische Feuerkontrolle. Solo-Feldherren können dabei ebenfalls die Fähigkeiten ihres Panzers aufwerten, indem sie Erfahrungspunkte in eine höhere Geschwindigkeit oder kürzere Ladezeiten investieren. Ärgerlich ist nur, dass die Umsetzung des Direkten Beschusses weder online noch offline spielerische Vorteile bringt. Während man dem Panzer ein Ziel vorgibt, verzieht man nämlich unweigerlich die Kanone. Schade, dass man Panzer und Kanone nicht separat, etwa über die Tastatur, steuern darf. Noch mehr als beim Mehrspieler-Einsatz spielt in der Solo-Kampagne übrigens die Zerstörung der Umgebung eine Rolle, denn wenn der deutsche Panzer gegen die 7. britische Panzerdivision vorrückt, geht beinahe das gesamte Dörfchen Villers-Bocage, und damit manche Deckung, zu Bruch. Company of Heroes

Die neuen Karten sehen gut aus - nur gibt es leider viel zu wenige!
zeigt noch einmal, dass es selbst in Anbetracht der technisch stärkeren World in Conflict und Dawn of War II ungemein intensive Momente inszenieren kann! Das gilt auch für Zwischensequenzen, die zwar aus starren Comics bestehen, aber interessante Geschichten erzählen.

Zu wenig Fläche

Das Problem: Alle drei Solo-Operationen finden auf jeweils einer Karte statt. Die wird natürlich jeweils nur Stück für Stück aufgedeckt, mal erobert, mal verteidigt, mal in Richtung Norden, mal in Richtung Süden begangen - aber im Grunde kennt man sie schon nach einem Einsatz. Dass das Kriegstheater für Einzelspieler nach insgesamt neun kurzen Missionen schon vorüber ist, kommt der Motivation ebenso wenig zugute. Schlimmer noch: Auch für die neuen Mehrspieler-Modi gibt es jeweils nur eine einzige Karte. Was Relic in Sachen Einfallsreichtum leistet, verschenken die Entwickler beim Umfang. Sie spendieren Mehrspieler-Generälen, die mal nicht ausreichend Mitspieler finden oder finden wollen, nicht einmal vom Computer gesteuerte Gefährten, welche die Steuerung anderer Helden übernehmen könnten. Obwohl man sie sogar als Solo-Gefecht starten kann, funktionieren deshalb weder "Panzerkrieg" noch die beiden anderen Varianten für Solisten.

Echte Heldentypen

Das ist gerade für das witzige "Steinwall" schade, denn ohne insgesamt vier Mitspieler haben selbst Experten alle Hände voll zu tun, den Ansturm der 16 vom Spiel gesteuerten Gegnerwellen zu überstehen. Und so spielt sich die Mischung aus herkömmlicher Echtzeitstrategie und einer Prise Tower Defense: Während sich vier Armeen der Alliierten oder der Achsenmächte in einem relativ abgeschotteten Vorhof verschanzen, Verteidigungsanlagen bauen und durch das Besiegen von Gegnern Ressourcen für den Bau neuer Einheiten gewinnen, stürmen immer stärkere Angriffswellen von allen vier Seiten die Position der menschlichen Spieler - sinnvolles Teamwork und eine

Besonders mies: dem Gegner so einzuheizen.
gute Übersicht sind für den Sieg unerlässlich! Immerhin sollten die Verbündeten zusätzlich Gebäude im Umkreis einnehmen, die ihren knappen Nachschub an Truppen und Ressourcen verstärken. Auch wenn "Steinwall" ohne Helden auskommt, ist es eine wahnsinnige packende Materialschlacht, in der die Verzweiflung der Eingekesselten beinahe spürbar wird!

Wesentlich offener zeigt sich "Sturm", denn dort passiert genau das, was der Name ankündigt: Bis zu drei Spieler versuchen, die Linien der gegnerischen drei Spieler zu durchbrechen und deren Hauptquartier dem Erdboden gleichzumachen. Klingt gewöhnlicher als es ist: Man befehligt nämlich keine Armeen, sondern übernimmt die Kontrolle über nur einen Helden, der im Todesfall nach einigen Sekunden wieder am Stützpunkt zur Verfügung steht. Dabei stehen mit jedem neuen Anlauf ganz unterschiedliche Infanteristen zur Wahl: Den Scharfschützen gibt es ebenso wie den Aufklärer, den "Bully" oder den Sprengstoffexperten. Und auch hier sammelt der Held Erfahrungspunkte, die er in die Durchschlagskraft des Gewehrs, die Rüstung oder die Wirkung von Sprengkörpern investieren kann. Praktisch: Die Erfahrung bleibt selbst dann erhalten, wenn der Held stirbt und man bei der Wiederbelebung einen seiner Kollegen wählt.   

Relics Experimente

Grundsätzlich ist "Sturm" eine ausgesprochen spannende Variante herkömmlicher Mehrspieler-Gefechte, zumal auch die vom Spiel gesteuerten Truppen unabhängig vorrücken, während diverse Fähigkeiten der Helden diesen Verbündeten kurzzeitig unterschiedliche Vorteile (stärkerer Angriff, schnelles Vorrücken, Unsichtbarkeit usw.) verschaffen. Doch beim genauen Hinsehen sind die taktischen Möglichkeiten leider zu begrenzt, weil einige der Helden ihren Kollegen haushoch überlegen sind. Es ist leider unverschämt effektiv, starke Fern- und

Die Steuerung der Truppen geht zwar gut von der Hand, weist im Detail aber immer noch dieselben Macken auf, die es schon im Hauptspiel gab.
Nahschützen zu kombinieren und so im Eiltempo durch die feindlichen Reihen zu preschen. Nicht zuletzt weist auch hier die einzige Karte die Euphorie sehr schnell in ihre Grenzen. Es scheint fast, als hätte Relic so wenig Vertrauen in seine Multiplayer-Experimente, dass man auf keinen Fall zu viel Arbeit investieren wollte...

Immerhin zehren weiterhin auch einige Schönheitsfehler an den Nerven. In Häusern verschanzte Truppen sind z.B. nach wie vor etwas umständlich zu kommandieren. Bewegt man sie aus dem Gebäude hinaus, muss man sie hingegen erst erneut anwählen. Beides funktionierte bereits in Dawn of War II komfortabler; die Kanadier hätten sich einfach im eigenen Haus umsehen sollen... Hinzu kommen immer noch einige unerklärliche Laufwege - besonders dann, wenn versteckte Einheiten unaufgefordert ihre Deckung verlassen, während sie unter Beschuss stehen. Auch das Auswählen einer präzisen Deckungsposition funktioniert nach wie vor nicht immer nachvollziehbar. Und dass man die recht eigenwillige Steuerung nicht den eigenen Vorlieben anpassen kann, ist ein völlig unnötiges Ärgernis. Nicht zuletzt hätten sich die Entwickler zudem endlich darum kümmern können, dass Internet-Nutzer, die über einen Router ins Internet gehen, nicht erst bestimmte Ports freischalten müssen. Für alle, die online sind, aber keine Verbindung zu einem Spiel herstellen können: UDP 6112 und 30260 müssen weitergeleitet werden.

Mit Sprengstoff und MG

Im Grunde macht deshalb nur die neue Vielfalt in den Mehr- und Einzelspielergefechten die alten Schwächen etwas wett - auch wenn sie nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass es sich um ein im Kern kaum weiterentwickeltes Spiel handelt. Immerhin ist aber z.B. schon der zweite Einsatz der Tigergruppe eine angenehme Abwechslung, weil die Besatzung des Panzers dort plötzlich ohne ihr Gefährt und möglichst leise an gegnerischen Patrouillen vorbei schleichen muss. In der zweiten Kampagne stehen hingegen die Fallschirmjäger-Trupps Able und Baker im Vordergrund - beide mit speziellen Fähigkeiten und beide

Mit der Able-Kompanie nutzen auch Infanteristen den Direkten Beschuss. Spielerisch bringt das allerdings kaum Vorteile.
als einzige kontrollierbare Einheiten. Während Baker vor allem mit Sprengladungen und schweren Geschossen hantiert, kümmert sich Able um den Sturm. Wer will, darf dabei die MGs des Able-Squads ähnlich wie die Panzerkanone manuell ausrichten und abfeuern; spielerische Vorteile ergeben sich daraus allerdings noch seltener als bei dem großkalibrigen Geschoss.

Auch Able und Baker lernen übrigens mit der im Kampf gesammelten Erfahrung neue Fähigkeiten - wodurch sie sich nahtlos in die Riege der "Soldiers of Valor" einfügen: Spezialisten, die als Charakterköpfe im Gedächtnis bleiben. Nur die Verbände der dritten Solo-Operation ziehen als jene gesichtslosen Truppen in den Kampf, aus denen die Company of Heroes bisher bestand. Denn hier gibt es keine Helden; stattdessen dreht sich alles um das taktisch geschickte Vorrücken in einem verhältnismäßig weitläufigen Waldgebiet und um das Einnehmen wichtiger Stellungen. Denn erst die Übernahme diverser Gebäude schaltet die Produktion weiterer Einheiten frei. Nicht zuletzt müssen zwischen den Bäumen versteckte Panzer vor einem Angriff der Alliierten beschützt werden. Aus dieser Mischung ergeben sich klassische und spannende, aber wie im gesamten Spiel auch viel zu kurze Scharmützel.    

Fazit

Eine Frage bleibt, wenn man diese kurzlebige Erweiterung gesehen hat: Was plant Relic als nächstes? Denn Tales of Valor wirkt wie ein Testballon, in den das Studio verschiedene Ideen für Solo- und Mehrspielergeneräle packt und einfach mal steigen lässt. Die meisten der Neuerungen sind dabei sinnvolle Erweiterungen gewohnter taktischer Elemente. So sorgt der Fokus auf Helden und deren Fähigkeiten auf der einen Seite für eine stärkere Bindung an die Charaktere, während es in den entsprechend zugeschnittenen Multiplayer-Gefechten zu packenden Scharmützeln kommt. Auf der anderen Seite sind die neuen Spielweisen, allen voran "Steinwall", mehr als eine gelungene Abwechslung, da sie die Intensität eines verbittert geführten Stellungskrieges wirkungsvoller einfangen als das traditionelle Truppenverschieben. Es ist allerdings ein Jammer, dass die Entwickler jede in ihrem Testballon verstaute Stichprobe nur anreißen, anstatt wenigstens eine davon richtig auszubauen. Nur eine Karte pro Mehrspieler-Variante und jede der kurzen Kampagnen? Das ist gerade für Solisten viel zu wenig! Schade auch, dass sich die Kanadier nicht um verschiedene Kleinigkeiten wie die etwas unhandliche Steuerung gekümmert haben und dass der Direkte Beschuss zwar witzig, in dieser Form aber spielerisch oft wertlos ist. Unterm Strich stecken in Tales of Valor viele gute Ideen - aber leider nichts zu Ende Gedachtes.

Pro

drei sehr unterschiedliche...
drei einfallsreiche und fordernde Mehrspieler-Varianten...
beeindruckende Schlachtdarstellung
Fähigkeiten/Helden machen Solo-/MP-Gefechte persönlicher

Kontra

- ... aber auch verdammt kurze Kampagnen- ... auf jeweils gerade mal einer Karte
nur ein Einsatzgebiet pro Solo-Kampagne
noch immer eigenwillige Steuerung ohne Einstellungsmöglichkeit
Helden verlassen Deckung, obwohl sie unter Feuer stehen
keine KI-Heldenin Mehrspieler-Gefechten

Wertung

PC

Interessante und vor allem abwechslungsreiche - leider aber viel zu kurze Erweiterung.

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