Drakensang: Am Fluss der Zeit26.02.2010, Bodo Naser
Drakensang: Am Fluss der Zeit

Im Test:

In unserer Vorschau hinterließ Drakensang: Am Fluss der Zeit (ab 2,99€ bei kaufen) bereits einen besseren Eindruck als der stimmungsvolle, aber spielmechanisch biedere Vorgänger (Wertung: 73%) aus dem August 2008. Jetzt haben wir die epische Bootsfahrt durch Aventurien hinter uns gebracht. Wie hat sich der zweite Teil des Rollenspiels entwickelt?

Sturmangriff oder Schleichwege?

Vorweg gleich die größte Neuerung des Spiels: Es gibt Entscheidungen, von denen mindestens eine pro Kapitel ansteht - und diese haben Auswirkungen auf den Verlauf des Abenteuers. Am Tor der Zollfeste muss man sich z.B. entscheiden, ob man

Wem glauben - Cuano oder Forgrimm? Der weitere Verlauf der Hauptquest hängt davon ab.
durch die Vordertür stürmen oder doch lieber durchs Kellergewölbe schleichen will. Gefährlich sind beide Wege, allerdings muss man im Keller weniger kämpfen und stattdessen Fallen entschärfen. Symbolisiert wird das durch den schroffen Kampfzwerg Forgrimm oder durch den aalglatten Cuano, der den Gott der Diebe verehrt.

Schon zu Beginn erfolgt eine weitere Weichenstellung, indem man sich für einen Charakter entscheidet: Die Ausbildung in Nadoreth läuft anders, je nachdem ob man am Kai als Kämpfer oder Magier anlandet. Zwar ist die Einführung dieselbe, aber ab der ersten Stadt wird's getrennt. Als Krieger läuft man Streife bei der Stadtwache und als angehender Zauberer bekommt man seine Aufgaben von einem seltsamen Kerl gestellt, der in einem Turm außerhalb der Mauern haust, wo hölzerne Besen ein Eigenleben führen.

Solche alternativen Spielverläufe sind im Genre selten, aller Ehren wert und könnten in Drakensang 2 ruhig öfter vorkommen. Als Vergleichbares kommen mir gerade noch die Lager bei Gothic in den Sinn, die sich auch teils ausschlossen, aber am Schluss wieder miteinander kämpften. So werden die verschiedenen Stränge wieder zusammengeführt, wenn es ins Finale eines Kapitels geht. In Nadoreth muss man etwa eine Schmugglerbande aufhalten, die den Hafen unsicher macht.

Allerhand Erzählungen

Trotz aller Entscheidungen im Kleinen verläuft die Story im Großen linear - es gibt auch keine unterschiedlichen Enden. Dafür gibt es wie in den meisten Rollenspielen eine epische Hauptquest, die gelöst werden will: Da sind diese Piraten, denen man das Handwerk legen soll. Diese Handlung bleibt lange interessant und lässt Raum für neugierige Fragen, da man zunächst nur ominöse Hinweise bekommt und auf mysteriöse Gestalten wie den Flussvater trifft.

Hinzu kommt die Story innerhalb der eigenen Party, die bis zum Ende zusammen finden muss. Cuano und Forgrimm sind

Wie könnt ihr erreichen, dass Zwerg und Edelmann sich nicht dauernd kabbeln? Sie sollen zur Einheit verschmelzen. 
z.B. wie Katz und Maus, es gibt auch kleine Geschichten in den Biografien. Aber diese Interaktion nimmt keine lebendige Formen wie bei Baldur's Gate oder Dragon Age: Origins an, wo sich Partymitglieder beklagen, wenn man ihre Probleme nicht angeht. Die Zickereien und Gespräche in der eigenen Gruppe sind hier eher ein statischer Zusatz als ein dynamischer Hort von Konflikten und Loyalitäten. So kommt es nur selten vor, dass man mal aktiv den Vermittler spielen muss. Und wenn man sich gar nicht kümmert? Dann hat es keine Konsequenz für den Zusammenhalt der Gruppe - schade.

Schon interessanter sind die angedeuteten Liebschaften: Da ist die junge Matrosin, die es einem je nach Fragegeschick angetan hat und von der man so plötzlich getrennt ist. Wird man sie wiedersehen? Die immer wieder auftauchende Schifffahrt ist eher Mittel zum Transport, um von einem Ort zum nächsten zu kommen, als echte Symbolik oder gar ein erzählerisch interessantes Leitmotiv. Gänzlich überflüssig ist zudem die pomadige Rahmenhandlung, wo "Onkel" Forgrimm seinem inzwischen erwachsenen Mädchen eine Geschichte erzählt.

                       

Idee von Freiheit

Trotzdem gewinnt man den Eindruck, dass dieses Mal mehr Freiheit herrscht als im Vorgänger: Innerhalb der in sich geschlossenen Kapitel kann man freier umherstreifen. So

Sieht fast wie Gothic oder Divinity 2 aus. Dieses Mal dürft ihr auch in Aventurien freier umher streifen und das Land erkunden.
kann man wie bei Gothic eine Runde um die Stadt drehen, sogar ohne dass es nachlädt. Und dieses Mal darf man ladefrei das idyllisch aussehende Tor durchqueren. Sonst lädt es aber spürbar, wenn man ein Gebäude betritt oder einen Kampf beginnt. Abseits der Wege kann man dafür jetzt öfter durchs Gelände streifen.

Allerdings gibt es dort kaum etwas zu entdecken, denn außerhalb fester Behausungen herrscht auch im zweiten Teil immer noch gähnende Leere. Hier und da stehen zwar Leute rum, aber die wenigsten haben etwas zu sagen, was über einen Standardsatz hinaus geht. Zudem ist vieles bloße Staffage: So braucht man den schön positionierten Angler im Wald gar nicht erst ansprechen, denn er existiert nur als Bild. Und es gibt sichtbare Orte, die man gar nicht erreichen kann. Zudem kann man nur die wenigsten Häuser einer Siedlung betreten.

Leider kann man auch immer noch nicht klettern, hüpfen oder schwimmen. Hier herrscht also wieder eine Art von Versicherungsmentalität, denn bei der Erkundung des Geländes kann man nicht sterben wie etwa in Gothic, wenn man in den Bergen ausrutscht. Hier darf man noch nicht mal springen, so dass schon eine kleine Welle im Boden umschifft werden muss, da sie zum unüberwindlichen Hindernis wird. Das wirkt natürlich wenig lebensecht und schrecklich veraltet.

Die Qual der Wahl

Echte Freiheit gibt's stattdessen wieder, wo man es gar nicht vermuten würde - nämlich beim Ausbau des eigenen

Das lieben alle Rollenspielfans: Man darf seinen Charakter weitgehend selbst gestalten und erweitern.   
Charakters, den man weitgehend nach eigenem Ermessen gestalten kann. So kann man dem ungehobelten Krieger Manieren beibringen, dem Elf das Bogenbauen ebenso wie dem Magier das Kämpfen. Überall gibt es Lehrer, von denen man das Schmieden, Zaubern oder Heilen lernen kann. Dann erfährt man auch endlich, wofür das ganz müllartige Zeugs ist, das man so findet. Hier hält man sich wieder vorbildlich an das DSA-Regelwerk, wie waschechte Zauber der Marke "Flim Flam Flunkel" zeigen.

Das Beste beim Charakterausbau ist aber sicher, dass man die Erfahrungspunkte jederzeit frei verteilen kann. Man kann also mitten im Dungeon eine Lektion in Waffenkunde erteilen oder die Lebenskraft steigern, was sehr praktisch ist, um die Kampfkraft sofort aufzupeppen. Bei anderen Spielen muss man erst umständlich auf den Aufstieg warten oder einen Lehrer suchen. Bei der Charaktererstellung gibt es für Kenner übrigens auch die Möglichkeit, alle Punkte frei zu verteilen.

           

Die Qualität der Quests

Die Zahl der Standardquests wurde spürbar verringert - es gibt jetzt auch einfallsreichere Aufgaben. Das Plätten von wilden Viechern als Lebensinhalt hält sich also in Grenzen, stattdessen kann man jetzt mal korrupte Beamte aushorchen, Piraten

Die meisten Quests sind kurz und einfach: Diese Frau braucht ein Gegengift, was leider schneller besorgt ist, als es zunächst klingt.
jagen oder in der Arena alle Gegner besiegen; die aber bis auf den Champion alle recht leicht sind. Auch sonst sind die meisten Nebenquests sehr einfach zu lösen, da es meist mit einer Handlung getan ist. Immerhin tauchen endlich auch Quests abseits der Wege auf: Da gibt es eine junge Frau, die vergiftet wurde und Hilfe braucht. Leider ist auch dieses auf den ersten Blick interessante Treffen wieder schnell vorbei. Dennoch sorgen solche Kurzereignisse für einen Hauch von Lebendigkeit und etwas mehr Gold in der Tasche.

Auffällig ist, wie wenig kreative Rätsel es gibt. An viel zu wenigen Stellen kommt es etwa darauf an, sich mal einen Reim auf das Gehörte zu machen oder etwas zu lösen. Das hat mich schon beim letzten Teil gestört, weil ja Das Schwarze Auge auch immer ein Rollenspiel mit vielen Mysterien und kreativen Quests war. Wo sind all die Geheimnisse, die die Welt von Aventurien auch im Pen&Paper-Bereich bietet? Andeutungsweise ist das in der Geschichte des Flussvaters vorhanden, aber richtig rätselhaft ist auch das nicht. Auch Höhlenforscher haben fast nichts zu tun, denn es gibt kaum Dungeons.

Zu wenig Persönlichkeit

Trifft man auf Nebencharaktere wird natürlich auch gesprochen, wobei sich kaum etwas verändert hat: Obwohl dieses Mal selbst der belangloseste Dialog auf Deutsch vertont wurde, sind die Gespräche inhaltlich enttäuschend. Alles Gesprochene ist kurz, wenig prickelnd oder gar dramatisch und ein reines Mittel zur Informationsgewinnung - kein Vergleich zu dem, was man von BioWares Fantasy kennt. Selbst wenn man sich mit Hauptpersonen unterhält, kommt nie so etwas wie Neugier auf die Persönlichkeit oder die Biografie dahinter auf.

Das Gesagte klickt man meist schnell weg, da wichtige Orte ohnehin auf der Karte verzeichnet sind und man die Quests nachlesen kann. So bleibt im Gegensatz zu einem Dragon Age: Origins, wo man fast auf Theaterniveau mit markanten Charakteren sprechen konnte, kaum einer der virtuellen Akteure nachhaltig im Gedächtnis. Das ist für ein modernes Rollenspiel zu wenig an erzählerischer Qualität, denn selbst der vorlaute Forgrimm, der genervte Cuano oder der oberfiese Baron der Zollfeste kommen über den Rang von Statisten hinaus. Das gilt leider auch fürs andere Geschlecht, mit dem man sich durchaus näher unterhalten möchte.

Kämpfe wie gehabt

Bei den Kämpfen hat sich am wenigsten getan, denn sie laufen exakt wie bei Drakensang 1. Ein wenig hat sich das Niveau

Das Beste an den Kämpfen ist, dass man sie jederzeit pausieren kann, um alles in Ruhe zu planen. Im Eifer des Gefechts ist das oft gar nicht nötig, weil viele Gegner früh das Zeitliche segnen.
zwar angehoben, so dass man nicht mehr auf Minigetier trifft, aber die Gegner auf normaler Schwierigkeit bringen einen echten Helden kaum ins Schwitzen. Ganz anders ist das mit den fiesen Endgegnern, die an jedem Kapitelende lauern. Sie sind ganz schön groß, haben Spezialattacken und man muss sich was einfallen lassen, um sie zu besiegen.

Ein normaler Kampf läuft weitgehend automatisch ab, da man nicht viel zu tun hat. Der Pausemodus ist wie in Dragon Age: Origins sehr praktisch, um Spezialangriffe oder Magie zu lancieren. Spannender läuft es gegen mehrere menschliche Gegner, denn dann muss man auch mal einen Heiltrank schlucken oder eine Wunde verbinden. Man kann fast rundenweise kämpfen, indem immer wieder in die Pause geht, um über die richtige Taktik zu sinnieren.

Der Tod ist dennoch ein seltener Gast, da die eigenen Kämpfer nach dem Gefecht meist wieder (wenn auch verletzt) aufstehen. Einzig, wenn alle in den Staub fallen, ist wie bei BioWares großem Epos das Spiel zu Ende und Laden angesagt. Leider führen die Getöteten nicht immer große Schätze mit, so dass man sich oft mit einem verfaulten Apfel, einem Bändchen oder verrosteten Nagel als Beute zufrieden geben muss. Ein paar Münzen sind da schon ein Highlight

     

Fazit

Drakensang: Am Fluss der Zeit spiele ich lieber als den Vorgänger, obwohl es grundsätzlich dasselbe Rollenspiel ist. Dennoch tauche ich in die idyllische Welt am Strom schneller ab, weil es einfach spannender zugeht. Das gilt sowohl für die mysteriöse Story, bei der man wissen will, wie am Ende alles zusammen passt, als auch für die Landschaft, bei der es mehr zu sehen gibt. Dieses Mal existiert neben der schön verwinkelten Stadt sogar so etwas wie ein Hinterland, das man erforschen kann. Aber auch die Quests sind interessanter, da auf 08/15-Aufträge weitgehend verzichtet wurde. Auch die bisweilen riesenhaften Endgegner sorgen für Nervenkitzel. Und schließlich sind da Fragen, die ich beantworten muss, was wiederum Auswirkungen aufs Spiel hat. Welche Ausbildung will ich? Wen nehme ich in die Gruppe auf? Und wie gehe ich die Lösung an - brutal oder eher einfallsreich? Diese Fantasy wirkt allerdings auch wieder zu simpel und in einigen Bereichen altbacken, als dass sie richtig begeistern könnte. Es gibt kaum anspruchsvolle Gefechte oder mysteriöse Erkundungsreize. Die Landschaft ist oft so leer, dass sich eine Erkundung gar nicht lohnt. Obwohl man sich an die üppige DSA-Vorlage mit all ihren Möglichkeiten hält, ist auch hier vieles lieblos gemacht, was Rätsel und Spielwelt anbetrifft. Man vermisst etwa die Lebendigkeit innerhalb der Party und eine gehobene Qualität in der Dramaturgie. Auch die NPCs sind kaum echte Persönlichkeiten und die Gespräche mit ihnen meist witzlos, woran auch der eine oder andere kleine Flirt wenig ändert. Aber es ist unterm Strich eine positive Tendenz zu erkennen, die das manchmal etwas steife Erlebnis letztlich auf ein noch gutes Niveau hebt.

Pro

Story macht lange Zeit neugierig
Spielverlauf variiert nach Entscheidungen
Quests besser als im Vorgänger
etwas mehr Freiheit im Hinterland
Ausbildung variiert nach Typ
pausierbares Kampfsystem
Charakter frei entwickeln
spannende Bossgegner

Kontra

viele Statisten, kaum echte Charaktere
keine lebendige Party-Interaktion
meist zu einfache Standardkämpfe
wenig Erkundungsreize im Gelände
kaum kreative Rätsel, wenig Mysteriöses
uninteressante Dialoge
überflüssige Rahmenhandlung

Wertung

PC

Eine Idee besser als Teil eins aber leider immer noch nicht der große DSA-Wurf.

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