The Void11.06.2009, Jan Wöbbeking
The Void

Im Test:

Wissen ist Macht: Zu dieser Erkenntnis gelangte der Philosph Francis Bacon bereits im Jahr 1561. Geht es nach dem russischen Spieldesigner Nikolay Dybowskiy, besitzt sie auch nach seinem Ableben noch ihre Gültigkeit. In seinem Action-Adventure finde ich mich in einer Welt zwischen Leben und Tod wieder. Mein Ziel: So schnell wie möglich die Regeln und Zusammenhänge der verschrobenen Einöde zu entschlüsseln, um nicht endgültig zu sterben. Die wichtigste Rolle in dieser Welt spielt die Farbe. Mit dem knappen Rohstoff kämpfe ich, erhalte meine Figur am Leben und hauche der Umgebung neues Leben ein.

Eigenwilliger Horror-Trip

The Void (ab 2,72€ bei kaufen) macht beinah alles anders als das Gros gewöhnlicher Action-Adventures, in denen man sich von Deckung zu Deckung ballert, ein paar Schalter- und Bosskampfrätsel löst. Doch anders muss nicht unbedingt besser sein: Es gibt kein Intro, kein Tutorial, keinen sanften Einstieg. Stattdessen werde ich sofort ins kalte Wasser geschmissen und darf die morbide und äußerst skurril gestaltete Welt und ihre komplizierten 

Die Fürstinnen können mit der wertvollen Farbe von ihren Ketten befreit werden.
Gesetzmäßigkeiten auf eigene Faust erkunden. Gelingt mir das nicht, tritt der im Sterben liegende Körper meiner Hauptfigur die endgültige Reise ins Jenseits an.

In der verkohlten Einöde steht ein krummer Baum, aus dessen verdörrten Ästen weiße Lichtstrahlen entweichen. Aus der Ego-Perspektive laufe ich zum Stamm Stamm des Gebildes. Dort erwartet mich eine so genannte »Fürstin«, deren halbnackte Silhouette nur von gleißenden Lichpunkten verhüllt wird. Früher erblühte ihre Welt in allen Farben des Regenbogens, erzählt sie. Doch seit meine Spielfigur im Koma liegt, sind entstellte Kreaturen, sogenannte »Wächter« aus der Welt der Albträume emporgestiegen und unterdrücken die vor sich hin siechenden Schwestern, indem sie ihnen die lebensnotwendige Farbe entziehen.

Farbenfrohes Lebenselixier

Die bunte Substanz ist der Grundstoff des Lebens: Sie versorgt die Herzen der leicht bekleideten »Fürstinnen« genauso mit Lebenskraft wie meines und kann auch Bäume zum Leben erwecken. Geht mir der Saft aus, bedeutet das den Exodus aus der Zwischenwelt.

Bäume und Minen sind zwei wichtige Lieferanten für den bunten Rohstoff.
Nachdem meine erste Bekanntschaft ein paar rätselhafte Metaphern vom Stapel gelassen hat,  schickt sie mich in einen benachbarten Garten. Dort soll ich Farbe anbauen, auf das wir beide davon profitieren.

Der Anbau funktioniert folgendermaßen: Ich belebe ein paar Bäume mit direkt auf den Bildschirm gemalten Symbolen - den so genannten »Glyphen«. Als Gegenleistung darf ich im nächsten Zeitzyklus wie bei einem Gummibaum die Ernte abzapfen. Je mehr Farbe ich gebe, desto ergiebiger wird die Ertrag. Klingt einfach, doch die Umsetzung fällt unnötig kompliziert aus: Ich muss ich mich zunächst einmal im richtigen Winkel vor den Baum stellen. Der Malpinsel wird stets mit der linken Steuerungstaste aktiviert. Also halte ich sie gedrückt und führe einen kurzen Pinselstrich aus, um in einen Zeichenmodus zu gelangen. Doch statt munter weiter zu zeichnen, muss ich den kleinen Finger aber erst einmal von der Taste nehmen, dann erneut darauf drücken und darf erst dann die dafür vorgesehene Donor-Glyphe malen. Zeichne ich die Umrisse schlampig nach, schimpft mich eine russische Stimme aus dem Off aus, denn trotz der guten deutschen Synchronisation sind offenbar einige Texte bei der Vertonung vergessen worden. Hat das Zeichnen geklappt, erstrahlt der Baum aber in voller Blüte und ich kann mich auf eine reichhaltige Ernte freuen.

        

Verwirrende Spielmechanik

Kommt es einige Zeit später zum Abzapfen, vollführt die Kamera dabei kurzzeitig seltsame Kreisbewegungen. Das macht das ohnehin mit skurrilen Elementen vollgestopfte Spiel zwar noch durchgeknallter, wirkt sich aber nicht gerade positiv auf die Orientierung zwischen den sehr ähnlichen Bäumen aus. Auch die Menüführung wirkt alles andere als durchdacht. Obwohl Producer Wolfgang Walk die deutsche Fassung gegenüber dem Original vereinfacht hat, 

Auch gekämpft wird mit dem Pinsel: Ein gezeichneter Kreis sorgt z.B. für ein kurzzeitiges Schild. 
zieht sich die komplizierte Bedienung durch das komplette Spiel. Gerade wenn ich mich durch die im Garten herumwuselnden Feinde hindurchmogele, nerven die langsame Laufgeschwindigkeit und die umständliche Handhabung.

Meine pechschwarzen Widersacher erinnern an verkohlte Walrösser, Fledermäuse und Face-Hugger aus der Alien-Trilogie. Sie entstehen z.B., wenn ich unvorsichtig bin und Farbe verschütte. Wenn ich den Weg frei machen will, darf ich gegen sie kämpfen, muss es aber nicht. Auch die Auseinandersetzungen werden mit dem Pinsel ausgefochten. Entweder ich überschütte den Gegner mittels Mauszeiger plump mit Farbe, bis er leblos am Boden zappelt, oder ich zeichne eine der erlernbaren Glyphen, um ihn mit diversen farbigen Spezialwaffen wie einem zielsuchenden »Golem« anzugreifen. Auch ein Schild lässt sich zur Verteidigung malen. Leider laufen die Kämpfe ähnlich träge ab wie der Rest des Spiels.

Freund oder Feind?

Auch gegen die Unterdrücker der Welt, die Wächter, muss ich antreten, wenn ich sie erzürne. Sie bestehen aus aberwitzig zusammengewürfelten Körper- und Maschinenteilen. Wenn ich mich gut mit ihnen stelle, erkennen sie mich allerdings als einen der ihren an und geben mir Aufträge - ganz so, wie es auch die Fürstinnen tun.

Kümmert sich der Spieler um eine Fürstin, erkennen die Wächter ihn als einer der Ihren an.
Was genau ihnen gefällt und was nicht, erschließt sich aber - wie der Rest des Spiels - nur sehr langsam. Ihre Aufträge sind eindeutiger: Mal gilt es, Farbe in der Mine abzubauen, ein anderes mal soll ich innerhalb eines Zyklusses einer Fürstin eines ihrer Herzen zu entreißen. Die »Operation« funktioniert ohne Gore: Trotz des düsteren Designs gibt es in The Void keine explizit dargestellte Gewalt. Je nachdem, wie ich die Welt beeinflusse, erwartet mich ein anderes Ende oder eben der endgültige Tod.

Auch ich kann im Laufe des Spiels immer mehr Herzen in mir tragen, um den lebenswichtigen Rohstoff schneller in nutzbare Farbe umwandeln zu können. Je schneller ich die Fürstinnen mit den von ihnen bevorzugten Farbtönen füttere, desto schneller eröffnen sie mir den Weg in neue Kammern, Gärten und Minen. Außerdem verleiht mir der Rohstofff im Körper zusätzliche Fähigkeiten: Purpur lässt mich effektiver kämpfen, durch Gold in meinem Körper kann ich die Fürstinnen mit weniger Farbe beeindrucken, Azur sorgt für einen Geschwindigkeits-Boost. Zu viele Herzen sollten aber nicht gleichzeitig gefüllt sein, denn sonst sind im Handumdrehen alle Vorräte verbraucht und man landet im Game-Over-Bildschirm. Es ist ein ständiges Abwägen um den richtig bemessenen Einsatz der Farben. Hat man sich verspekuliert, hilft es häufig nur noch, einen sehr alten Spielstand zu laden, an dem man noch üppige Vorräte besaß, und es beim nächsten Versuch besser zu machen.    

Fazit

The Void ist wie ein Trip in eine skurrile Welt - und zwar derart verschroben, wie ich es bisher in kaum einem anderen Titel erlebt habe. Das surreale Design und die poetische Sprache voller Andeutungen verleihen dem Spiel einen ganz eigenen Stil - und genau das hat mich dazu motiviert, die Rätsel dieser Welt zu entschlüsseln zu wollen. Im Wesentlichen geht es stets darum, wie man am schnellsten an die lebenswichtige Farbe gelangt und wie man sie geschickt einsetzt, um nicht zu sterben und die offene Handlung zu beeinflussen. Leider machen es die Entwickler dem Spieler unheimlich schwer, in ihre Welt einzutauchen. Es vergehen mehrere Stunden, bis man allein die grundlegensten Spielmechaniken und Begriffe verstanden hat - vom eigenwilligen Verhalten der Wächter ganz zu schweigen. Zugegeben: Das Entschlüsseln der Spielwelt und ihrer Gesetzmäßigkeiten ist ein elementarer Bestandteil des Spielkonzeptes - aber warum muss man denn das ganze beinah so kompliziert umsetzen wie in einem Flugsimulator? Die umständliche Steuerung und die seltsame Menüführung sorgen für zusätzliche Verwirrung. Außerdem gestalten die langsame Laufgeschwindigkeit sowie die unspektakulären Kämpfe den Spielablauf reichlich träge. Die russische Original-Version wird zwar im Moscow Museum of Modern Art ausgestellt, doch die Entwickler hätten sich auch darum kümmern sollen, ihr Werk spielbarer und intuitiver zu machen. Wenn ihr sehr viel Geduld mitbringt und Lust auf eine etwas andere Spielerfahrung habt, solltet ihr die virtuelle Grenzerfahrung zwischen Leben und Tod aber trotzdem wagen.

Pro

<P>
erfrischend eigenwilliges Spielkonzept
fantastisch morbides Design
Entdecken von Spielwelt und -Mechanik motiviert
verstörend experimenteller Elektronica-Soundtrack
viele alternative Handlungsverläufe</P>

Kontra

<P>
extrem zäher Einstieg
auch nach Stunden noch schwer durchschaubar
ein Wust von Fachbegriffen verwirrt zusätzlich
umständliche Bedienung
langsame Laufgeschwindigkeit
träge Kämpfe</P>

Wertung

PC

Faszinierend eigenwilliges, aber auch sehr zähes und kompliziertes Action-Adventure im morbiden Fantasy-Stil.

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