Chaser27.06.2003, Paul Kautz
Chaser

Im Test:

Wie es sich wohl anfühlt, ohne Gedächtnis aufzuwachen und feststellen zu müssen, dass die halbe Welt hinter einem her ist? Diese unangenehme Erfahrung könnt Ihr in JoWood´s Chaser (ab 4,99€ bei kaufen) am eigenen Leib erfahren, dem neuesten Spiel der slovakischen Entwickler Cauldron.

Wer bin ich?

Morgens, halb zehn im Weltraum: Chaser, unser Protagonist, erwacht auf der Raumstation Majestic, ohne die geringste Ahnung davon zu haben, was er hier macht, oder wie er hergekommen ist. Plötzlich stürmt ein Militärkommando die Krankenstation, Chaser kommt in letzter Sekunde davon. Ab diesem Moment schlüpft der Spieler in die Haut des Flüchtigen und leitet ihn sicher durch die Raumstation zur Fluchtkapsel. Kaum gelingt das Entkommen, fliegt die Station in die Luft und das Rettungsmodul landet mehr schlecht als recht in den Slums von Montack City. Unsere Aufgabe ist es nun, Chasers Gedächtnis wiederherzustellen und zu erfahren, was er angestellt hat, um derart unbeliebt zu werden.

In der ersten Spielhälfte ist diese Suche noch ein zentraler Bestandteil der Story: Chaser hat immer wieder schmerzhafte Erinnerungsblitze, die in Form von verzerrten Bildern für Sekundenbruchteile ins Bild geblendet werden - sehr cool, und teilweise in Schwarz-Weiß.

Willkommen im Klonland

Um Euer Gedächtnis aufzufrischen, müsst Ihr um die 35 Missionen erledigen. Diese beinhalten das Abhören von Gesprächen, die Flucht aus einem bestimmten Gebiet oder das unauffällige Eindringen in ein Haus.__NEWCOL__

Letztere Mission gewinnt zusätzlich an Spannung, da Ihr per Funk von einem Freund durch die verwirrenden Gänge gelotst werdet, und die Mission beim Erwischtwerden sofort vorbei ist. Leider sind solche Aufträge die Ausnahme, normalerweise lässt sich jede andere Mission mit bleihaltiger Luft lösen.

Eure Gegner sind u.a. Soldaten, sprunggewaltige Mechano-Ninjas oder sonnenbebrillte Leibwächter, die weder durch Intelligenz noch durch Abwechslung glänzen. Zwar werden deren Aktionen gelegentlich durch gescriptete Ereignisse aufgelockert (wenn sie uns beispielsweise Kisten auf einer Treppe entgegenwerfen), aber außer dem Suchen von Deckung haben die Widersacher nichts drauf, was an »Intelligenz« erinnert, sondern sind meist einfach nur fies platziert. Dazu kommt noch, dass in näherer Zukunft das Klonen ganz normal zu sein scheint: teilweise bekämpft Ihr Dutzende vollkommen identischer Feinde, wie z.B. in der Mission, in der Ihr einen Truck beschützen und Euch dabei durch knapp 50 Zwillingsbrüder ballern müsst.

Dieses Problem stellt sich dankbarerweise nicht im Multiplayermodus, in dem sich maximal 32 Spieler via Internet oder LAN in vier Spielmodi jagen können: neben dem üblichen (Team-) Deathmatch und CTF gibt es auch einen »Schocktruppen« genannten Modus, in dem jedes Team eine bestimmte Aufgabe zu erledigen hat.

Adrenalin-Kick

Eure Suche nach dem verlorenen Gedächtnis führt Euch u.a. durch Hotels, eine Kläranlage, Bürogebäude, Lagerhallen und Little Tokyo. Die Levels sind größtenteils sehr stilvoll, wenn auch meist düster aufgebaut, haben aber den Nachteil überall gleich auszusehen. Manche Abschnitte wiederholen sich dauernd, was mangels einer Automap schnell sehr verwirrend sein kann, so dass man durch immergleiche Gänge rennt, und sich ständig fragt, ob man hier nicht schon war.

Die Leveldesigner hatten im späteren Spielverlauf scheinbar auch Freude daran, wichtige Durchgänge, Leitern etc. möglichst gut zu verstecken, was vollends zur Konfusion und vor allem Frustration beiträgt. Außerdem ist der gute Chaser etwas fußlahm, ganz besonders was seine Sprungfähigkeiten angeht - mehr als einen müden Hopser kriegt er nicht zustande, wodurch nicht zerstörbare Kisten beispielsweise zum unüberwindbaren Hindernis werden.

Für Gefechte sehr hilfreich ist der mittlerweile unvermeidliche Zeitlupen-Modus, hier »Adrenalin-Modus« genannt: auf Knopfdruck wird der Bildschirm leicht verzerrt, die Umgebungsgeräusche werden schwächer, das Herz wummert laut - alles läuft in Zeitlupe ab, was das Zielen erleichtert und gerade bei großen Gegneransammlungen sehr hilfreich ist. Allerdings ist dieser Modus sehr kurzlebig; ist die Anzeige leer, füllt sie sich selbständig sehr langsam wieder auf. Und natürlich könnt Ihr Eure erlittenen Blessuren mit herumliegenden oder von toten Gegnern ergatterten Medikits und Schutzrüstungen heilen.

__NEWCOL__Springende Schallplatte

Die Grafik basiert auf der Cauldron-eigenen Cloak NT-Engine und zaubert recht ansprechende Bilder auf den Monitor. Besonders die schönen Licht- und 3D-Effekte sind hervorzuheben, auch wenn Autos oder Türen gelegentlich etwas übertrieben spiegeln. Auch gelungene Schatten, realistisch plätscherndes Wasser (inkl. schön verzerrter Unterwassersicht), zersplitternde Scheiben und flüssige Animationen bringen Grafikpunkte, besonders angesichts der rasanten Geschwindigkeit. Und zu guter Letzt sollten noch die extralangen Zwischensequenzen erwähnt werden, die einen Großteil der Story vorantreiben.

Weniger gelungen ist das allgemeine Figurendesign: während verhüllte Charaktere wie Soldaten oder Ninjas einen guten Eindruck hinterlassen, schauen menschliche 3D-Modelle immer etwas dumm aus der Wäsche - allen voran der stets abwesend stierende Chaser, der Mann mit der etwas unorthodoxen Frisur. Zwar sind die Gesichter nett animiert, aber allgemein wirken die Modelle recht grobklotzig.

Begleitet werdet Ihr von sehr gutem Techno-Sound, der dem actionreichen Treiben eine angenehm hektische Note verleiht. Die deutsche Sprachausgabe ist an sich sehr gut und professionell, leidet aber unter der geringen Anzahl verschiedener Sprecher: nur zu oft hört man deutlich ein und dieselbe Stimme für unterschiedliche Figuren, mit leichter Tonvarianz versteht sich. Leider ist auch die Verteilung der Stimmen auf die Figuren gelegentlich in die Hose gegangen; einem dicken Lagerverwalter steht ein Fiepsstimmchen einfach nicht. Darüber hinaus bleiben die Gegner auch bei der Sprache ihrem Klon-Dasein treu und geben ständig dieselben Sprüche von sich.

Fazit


Chaser hat einen der atmosphärischsten Spielstarts, die ich kenne: die Orientierungslosigkeit der Hauptfigur, die scheinbar grundlose Hetzjagd nach ihm, die coolen Erinnerungsfragmente, die klasse Zwischensequenzen - hätten die Entwickler diesen rasanten Stil das ganze Spiel über beibehalten, könnte Chaser im Olymp der Shooter thronen. Doch schon nach kurzer Zeit verliert sich das Spielprinzip in belanglosen Ballereien gegen Dutzende gleich aussehender Gegner-Klone, verwirrender Level-Architektur und immer weiter ausufernder Nebengeschichten. Schade um das verschenkte Potenzial - am Ende bleibt nur eine weitere Bleiorgie mit schöner Grafik, aus der viel mehr hätte werden können.

Pro

<li>schnelle Grafik</li><li>schöne 3D-Effekte</li><li>viele gescriptete Ereignisse</li><li>flüssige Animationen</li><li>atmosphärische Levels</li><li>gute Zwischensequenzen</li><li>nette Story</li><li>einfache Steuerung</li><li>gute Sprachausgabe</li><li>treibende Musik</li><li>spaßiger Multiplayermodus</li>

Kontra

<li>Leveldesign später öde</li><li>abwechslungsarme Gegner</li><li>grob wirkende 3D-Modelle</li><li>schwache KI</li><li>mäßiges Missionsdesign</li><li>immer gleiche Gegner-Sprüche</li><li>gleiche Sprecher für verschiedene Figuren</li>

Wertung

PC

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