Lost Horizon03.09.2010, Bodo Naser
Lost Horizon

Im Test:

Dieses Mal geht's bei Animation Arts nicht um geheime Akten der Gegenwart, sondern um die Vergangenheit. In Lost Horizon (ab 9,99€ bei kaufen) spürt man den Mysterien nach, nach denen die Nazis vor dem Kriege suchten. Das klingt verdammt nach Indiana Jones und so verschlägt es den unbekannten Helden auch in ferne Länder. Was hat das Abenteuer made in Germany zu bieten?

Auf den Spuren von Indiana Jones

Mittlerweile dürfte sich rumgesprochen haben, dass 

So ähnlich kommt der Dogfight in den Filmen vor allerdings mit anderem Ausgang. Eine der wenigen Szenen, die einen mal überrascht.
Lost Horizon einen auf Indy macht: Ein wohl gehütetes Geheimnis im eisigen Tibet, verrückte Nazis, die Artefakten nachjagen und ein Trip quer durch die Welt der 30er-Jahre - all das sind Versatzstücke der Indiana Jones-Abenteuer, die auch im neuesten Adventure von Animation Arts vorkommen. Auf Schritt und Tritt wird man an den Archäologen erinnert, der so gerne seine berühmte Peitsche schwingt - auch wenn der Hauptakteur bei weitem kein Dr. Jones ist, sondern ein gescheiterter englischer Offizier. Aber die junge chinesische Begleitung gibt sich ebenso zickig wie manche Frau, die Indiana auf seine Touren mitgenommen hat. Handelt es sich also um einen reinen Abklatsch oder fügt Lost Horizon auch Neues hinzu?

Leider gewinnt man den Eindruck, dass das Spiel die Ideen von George Lucas weitgehend reproduziert: Szenen, in denen etwas Unerwartetes passiert oder Indiana Jones mal auf die Schippe genommen wird, bilden die Ausnahme. Es gibt sie vereinzelt, etwa wenn man den Jagdflieger, der einen wie in Der Letzte Kreuzzug verfolgt, auf spezielle Art und Weise loswerden muss. Auch neigt das Spiel aufgrund des Rätselgenres dazu, vom Hundersten ins Tausendste zu kommen. Immer wenn man denkt, man hat etwas gelöst, bauen sich neue Barrieren auf, was auf seine Art eine Persiflage ist - ganz unabhängig davon, ob man das nun witzig oder nervig findet. An einer Stelle kommt sogar Indys Werkzeug für Bullentreiber vor, allerdings auf eine ebenso witzige wie gebrochene Weise. Derartige Szenen bleiben aber die Ausnahme.

Weichgespülte Nazis

Was machen die Deutschen in Tibet? Solche ketzerischen Fragen sollte man nicht stellen, wenn man Lost Horizon noch ein bisschen genießen will.  
Die Story entspricht in etwa dem, was man von einem nett gemachten Abklatsch erwarten würde: Den Helden, Fenton Paddock, verschlägt es innerhalb der sieben Kapitel an allerhand exotische Schauplätze, die von Hongkong über Marakesch bis nach Berlin reichen. Obwohl ein Großteil in Asien spielt, erinnert die Geschichte dennoch eher an den ersten Film, Jäger des Verlorenen Schatzes, weil die Nazis nach mystischen Artefakten suchen, die ihnen im kommenden Krieg den Sieg bringen sollen. Das ist fiktiv, aber es könnte auch so oder so ähnlich gewesen sein, da insbesondere SS-Chef Himmler einen Hang zum Okkulten hatte. Sogar die Thule-Gesellschaft kommt vor, die es tatsächlich gab und die hier Ausgrabungen in Tibet macht. Genau dorthin wird Paddock geschickt, um nach einer verschollenen britischen Expedition zu suchen. Kam es zum Zusammenstoß mit den Deutschen?

Obgleich es 1936 spielen soll, nimmt sich der Plot selbst nicht ganz ernst, was man an den übertriebenen Charakteren, lachhaften Einfällen und Phantasie-Uniformen sieht. Dabei lehren doch gerade die Filme von George Lucas eines: Auch wenn man eine dümmliche, im Wesentlichen auf Habwissen basierende Geschichte erzählt, muss man es wenigsten mit Inbrunst tun. Daran fehlt es Lost Horizon all zu oft, da vieles nicht sonderlich glaubwürdig ist. Das gilt insbesondere für die ganzen Nazis, die seltsam harmlos wirken, ganz so als wären sie weichgespült. Etwas Schwung bringen die actionreichen Filme, die wie schon bei Geheimakte gelungen sind. Alles ist auf cineastisches Flair getrimmt, sogar das Startmenü sieht aus wie ein zeitgenössischer Kinopalast.

Frauen an jeder Ecke?

Indiana Jones ist natürlich auch ein

Langweilige Frauen unter sich. Frau Gräfin taugt so wenig als Bösewicht wie Kim als Objekt der Begierde.
großer Frauenheld, so dass er mindestens eine Frau pro Schauplatz aufreißt. Die weibliche Welt scheint auf vermeintlich verstaubte Archäologen zu stehen, die unkonventionell vorgehen. Paddock hingegen ist kein Wissenschaftler, sieht zwar besser aus, ist aber auch in dieser Beziehung kein vollwertiger Ersatz. Er hat auch so seine Techtelmechtel, die sich aber im Wesentlichen auf eine Frau beschränken. Zu Beginn denkt man noch, dass er die chinesische Sängerin aus dem Club abkriegt, aber dann fährt er doch eher auf die junge Kim ab, ohne dass das so gesagt wird. Es hat übrigens ganz schön lange gedauert, bis ich gemerkt habe, dass Kim nicht die Sängerin ist, denn sie sehen sich als Figuren einfach zu ähnlich.

Doch auch die schlagfertige Chinesin ist leider kein vollwertiger Ersatz für all die Frauen, die so durch die Indy-Filme geistern. Kim zickt zwar ebenso rum, aber dies ist eher nervig als erfrischend, so dass sie nur bedingt als weiblicher Stichwortgeber taugt. Zudem bleibt ihre Figur seltsam blass, weil man eigentlich nur wenig über sie erfährt. Dagegen besitzt Paddock zumindest eine gewisse Vorgeschichte, denn er hatte das Kommando während eines Aufstandes der Chinesen gegen die Kronverwaltung. Das macht ihn ein wenig sympathischer, da er kein Kommisskopf ist, denn er gab nicht den Befehl zum Feuer auf die Menge. Ein wenig mehr Format könnte auch Gräfin von Hagenhild vertragen, die nur bedingt als weiblicher Bösewicht taugt. Statt sexy und gefährlich zu sein, wirkt sie eher lächerlich. Lost Horizon hat erzählerisch ein Frauenproblem, da die weiblichen Charaktere ihre Trümpfe nicht ausspielen

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Rätsel ohne Pfiff

Wichtiger für ein Adventure ist jedoch, dass die Rätsel viel zu anspruchslos sind,

Wie kommt man hier wieder raus? Es sieht schlimmer aus, als es ist, denn die Lösung ist (zu) schnell gefunden. 
Veteranen nicht mal ansatzweise ins Grübeln kommen und allenfalls blutige Anfänger mal irgendwo hängen bleiben. Die überwiegende Mehrheit der Inventarrätsel ist ohne großes Überlegen lösbar, da man oft geradezu auf die Lösung gestoßen wird. Die verbalen Tipps von Paddock verraten meist schon die Lösung, so dass man die eingebaute Hilfe gar nicht braucht. Zudem liegt dem Spiel auch noch eine gedruckte Komplettlösung bis fast zum Ende des zweiten Kapitels bei, die sich Rätselfans ebenfalls sparen können. Die Aufgaben sind so glasklar, dass man sogar die Hot-Spot-Anzeige nicht braucht, weil es nur ein paar Sachen gibt. Einige Rätsel sind freilich überflüssig, etwa wenn man einen Soldaten nur zum Laster tragen muss, wo es gar keine andere Möglichkeit gibt. Soll hier Zeit gewonnen werden?

Man gewinnt den Eindruck, dass man alles gemacht hat, um Einsteiger ja nicht zu verschrecken. Der Anfang ist pipieinfach und im Verlauf des Spiels ändert sich das nur sehr zögerlich. So sind Logikrätsel allenfalls gegen Ende eines Kapitels zu finden und manchmal sogar in verschiedenen Schwierigkeitsgraden, von denen der leichte wieder simpelst ist. Einmal muss man einen Kabelsalat entwirren, was keine fünf Minuten dauert. Leute, die schon mehr als ein Abenteuer gespielt haben, werden so regelmäßig unterfordert. Was nutzt es da, dass man auch mal Kim spielen darf, wenn eine Stelle kommt, die man kooperativ überwinden muss? Diese geht schneller vorbei als gedacht und dann ist wieder Einerlei angesagt.

Hörgenuss oder Geschwafel?

Gesagt wird bei Lost Horizon viel, aber es ist selten interessant oder gar wichtig. Man kann es wegklicken, ohne was zu versäumen. 
Immerhin gibt es einige seltene Passagen, wo man mal darauf achten muss, was man sagt, auch wenn es wieder viel zu wenige sind. Denn auch Dialogrätsel gehören seit jeher zu den Bestandteilen, aus denen ein klassisches Abenteuer bestehen sollte. Zu Beginn denkt man noch, dass so etwas öfters komme, aber dann wird man schnell eines Besseren belehrt. Nur wenige der Charaktere, auf die man so trifft, muss man durch Worte gefügig machen. Da ist etwa die chinesische Sängerin aus Szene 1, die mit der richtigen Wortwahl bezirzt werden will. Hier hätte man deutlich mehr machen können, um eine Abwechslung zu den ewigen Inventaraufgaben anzubieten.

Den zu wenigen Dialogrätseln steht auf der anderen Seite zu viel Gelaber gegenüber: Was nützt die schönste Sprachaufnahme mit bekannten deutschen Stimmen, wenn das Gesagte einfach nur nervt? In epischer Breite wird hier auch noch dem letzten Nixblicker erklärt wie der Hase läuft. Klar, dass das nicht ohne Wiederholungen abgeht. Besonders nervig ist es, wenn ewig über vermeintliche Verschwörungen, interne Verwicklungen oder familiäre Verhältnisse schwadroniert wird. Da wird der rechte Mausknopf zum besten Freund des anspruchsvollen Spielers, denn damit lässt sich das Gefasel abkürzen. Schade ist, dass das Gesagte so unwichtig für die Rätsel ist.

Spiel zickt rum

Nicht unerwähnt bleiben dürfen die technischen Mängel, die Lost Horizon beinhaltet und die an den weibliche Hauptcharakter Kim erinnern, die auch öfters rumzickt: Das Spiel startet bisweilen nicht, der Sound holpert oder das Ganze stürzt irgendwo unvermutet ab. Dabei handelt es sich keinesfalls um Einzelfälle, wie im offiziellen Forum nachzulesen ist. Bei mir lief es gleich einige Tage nicht, nachdem es einfach nicht mehr starten mochte. Es kam nur noch eine ominöse Fehlermeldung, die etwas von einem Treiber ausspuckte, von dem ich im Zusammenhang mit Windows noch nie gehört hatte.

Durch mehrmaliges Neuinstallieren bekam ich es schließlich wieder in den Griff. Laut Deep Silver-Forum haben manche das Spiel deshalb gleich auf mehreren Rechnern installiert, wobei natürlich immer wieder ein Neustart fällig wird. Wohl dem, der gleich mehrere Computer hat! Bei mir blieben immerhin die Spielstände erhalten. Leider dürften gerade viele der Gelegenheitsspieler auf die die Macher ja schielen, an solchen Abstürzen verzweifeln.

      

Fazit

Verglichen mit den inspirierenden Geheimakte-Abenteuern bietet Lost Horizon nur durchschnittliche Unterhaltung für absolute Einsteiger - Knobelveteranen werden hier nicht gefordert. Die hanebüchene Story kommt einem wie ein Zusammenschnitt der ersten drei Indiana Jones-Filme vor, ohne jedoch eigene Akzente zu setzen. Weder der britische Offizier noch seine Begleiterin taugen als echter Indy-Ersatz, da sie keine große Projektionsfläche bieten. Bei aller Sympathie für den gutmütigen Helden: Wer will schon ein Fenton Paddock sein? Zudem krankt das Spiel an viel zu einfachen Knobeleien ohne Anspruch. Das sind mit die billigsten Rätsel, die Animation Arts je entworfen hat. Gerade die vernachlässigte Gruppe der Adventure-Veteranen wird hier enttäuscht die Flinte ins Korn werfen, denn man fühlt sich teilweise verarscht. Und viel zu selten kommt es mal zu Dialogrätseln oder kooperativen Knobeleien. Hinzu kommt, dass gerade die professionell aufgenommenen Gespräche in bloße Schwafelei ohne Problembezug ausarten. Wären die Rätsel so verworren und irrlichternd wie mancher Dialog, wäre das Spiel wenigstens eine Herausforderung. So bleibt letztlich seichte Unterhaltung für Einsteiger, die sich komfortabel durch eine filmreife Präsentation klicken wollen.

Pro

Adventure im Indiana Jones-Stil
einsteigerfreundliche Spielmechanik
ab und zu kooperatives Vorgehen

Kontra

viel zu einfache Rätsel
teils langatmige Dialoge
Indiana Jones-Abklatsch ohne kreative Ideen
Charaktere nicht ausgefeilt genug
zu wenig Dialog
& Inventarknobeleien
sporadische Bugs und Startprobleme

Wertung

PC

Statt epischem Abenteuer in Indy-Manier gibt es eine durchsichtige Story, anspruchslose Rätsel und ausufernde Dialoge.

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