ANNO 1404: Venedig04.03.2010, Marcel Kleffmann
ANNO 1404: Venedig

Im Test:

Um Haaresbreite schipperte ANNO 1404 an der Platin-Auszeichnung vorbei, was hauptsächlich am fehlenden Mehrspieler-Modus lag. Mit dem ersten Add-on "Venedig" wird dieser nachträglich realisiert und somit einer der liebsten Wünsche der Community erfüllt. Ist die venezianische Erweiterung der Traum aller Entdecker?

Der Mehrspieler-Modus

Insgesamt acht Spieler dürfen sich in der wunderschönen ANNO-Welt niederlassen - beim Vorgänger war es maximal ein Quartett. Eine Multiplayer-Partie funktioniert sowohl über das  lokale Netzwerk als auch über Internet; für Online-Matches muss die Seriennummer an einen ubi.com-Account gebunden werden (ein Key pro Spieler). Ansonsten stellt ihr euch eine Mehrspieler-Partie wie ein Endlosspiel bloß mit echten Mitspielern vor: Ein Chatfenster hilft bei der Kommunikation, Teams können vorab gebildet werden, Computergegner nehmen den Platz freier Spieler-Slots ein und gespeichert werden darf 

Menü: Erstellung einer LAN-Partie
 ebenfalls in den meist lang dauernden Partien (mehrere Stunden sind keine Seltenheit). Bei der Erstellung eines Matches stehen euch viele Optionen zur Verfügung. Neben wahnsinnig starken Korsaren und allerlei zuschaltbarer Katastrophen können Startruhm, Anfangsgold, Ressourcen-Verteilung sowie der Start mit einer kleinen Armada ausgewählt werden, damit die anfängliche Bauphase beschleunigt wird - eine gute Idee. Siegbedingungen dürfen ebenso reichhaltig festgelegt werden: Vermögen, Anzahl der Adeligen oder Gesandten, Schiffe versenken, letzter Überlebender, Bündnis mit allen, etc. Viel zu meckern gab es bei Performance und Stabilität des Mehrspieler-Modus während der Probepartien, bis auf wenige Lags, übrigens nicht.

Gemeinsames Bauen

Auch eine kooperative 'Eroberung der Neuen Welt' ist möglich, wenn sich mehrere Spieler zu einem Team zusammenschließen - maximal vier Teams mit vier Mitspielern; Obergrenze bleiben acht Personen. Um ein Team zu bilden, müssen die Mitspieler bei der Match-Erstellung einen Platz unter dem entsprechenden Portrait des Teams auswählen. Computer-Intelligenzen dürfen nicht mit Menschen gemeinsam spielen.

In diesem Koop-Modus teilen sich alle Teammitglieder die Steuerung über Schiffe, Truppen, Gebäudebau, Finanzen und Ressourcen. Alle sind gleichberechtigt und der als letztes gegebene Befehl wird in die Tat umgesetzt - Teamplay und Koordination sind unabdingbar. In der Praxis sieht es so aus, dass

Video: Der Debüt-Trailer geht auf die Merkmale der Erweiterung ein.vom Teammitglied errichtete Gebäude wie von Geisterhand auf der Karte erscheinen oder Schiffe, ohne einen eigenen Befehl gegeben zu haben, übers Meer tuckern. Am besten wäre in diesem Sinne, wenn sich die Teilnehmer die Aufgaben aufteilen: Ein Spieler könnte beispielsweise eine Okzident-Stadt aufbauen und der Zweite kümmert sich um die Orientsiedlung. Mit Quests könnten sie sich abwechseln oder gar einen dritten Spieler hinzuziehen, wobei ich größere Teams kaum interessant finde, da die Aufgaben dann zu sehr verteilt bzw. spezialisiert sind und es vor allem am Anfang zu Leerlauf kommen wird. Für zwei Spieler finde ich die Idee hingegen toll, sofern es mit Kommunikation und Absprache klappt.

Ohne Mehrspieler-Szenarien

 

Was ich bei dem Mehrspieler-Modus vermisse, sind Szenarien. Gerade für die kooperative Variante hätten sich Missionen als Vorlage oder Schnellstart-Alternative angeboten, um die Startzeit zu überbrücken, eine gleiche Ausgangsbasis zu schaffen oder gar individuelle Aufgaben zu lösen (Großangriff; Komplettrenovierung eines maroden Systems; Korsarenplage, etc.). Es hätten wenige Multiplayer-Szenarien gereicht, aber so seid ihr die ganze Zeit im "Endlos-Mehrspieler-Modus" unterwegs.

Szenarien für Einzelspieler

Im Gegensatz zum Multiplayer warten 15 neue Szenarien auf Solisten: Vier Missionen sind dem leichten Schwierigkeitsgrad zugeordnet, sechsmal werdet ihr mit mittelschweren Aufgaben konfrontiert und fünf Szenarien sind "schwer". In diesen Missionen wird Abwechslung groß geschrieben: So dürft ihr in "Geißel der Meere" als Korsar umherziehen, ein Reich ohne Steuern aufbauen, müsst mit wenig Bauland auf Inseln zurechtkommen oder 'Willem van der Mark' bei der Suche nach seiner verschollenen Tochter unterstützen. Ubisoft gibt an, dass diese Szenarien rund 40 Stunden Spielzeit bieten sollen, doch aufgrund komplexer Aufgaben wie "Behaupten Sie sich in einer Welt ohne Ressourcen" oder "Werden Sie zum Oberhaupt der Bettler" wirkt diese Schätzung eher 

Zwei neue Schiffe: Die kleine Handelskogge zeichnet sich durch hohe Geschwindigkeit und geringe Verlangsamung bei Schaden aus. Die große Handelskogge, die ebenfalls sehr schnell ist, bietet viel Laderaum und ist bewaffnet - wie ein Flaggschiff 2.0, nur teurer im Unterhalt.
untertrieben. Eine (kurze) Kampagne mit eingebetteter Story und Hintergründen zu Venedig, den Maskenbällen, dem Rat der Zehn, Kaufleuten oder Sabotageaktionen vermisse ich allerdings.

Trauriges Venedig

Obgleich "Venedig" im Titel der Erweiterung steht, fällt der tatsächliche Effekt der liebevoll nachgebildeten Hafeninsel eher mau aus. Sie dient als übergeordnete (theoretische) Verbindung für Spionage sowie die Ratsversammlung und ist ansonsten nur ein neutraler Hafen, vergleichbar mit einem abgespeckten Orienthafen oder Lord Richard Northburgh. Ihr fahrt mir eurem Schiff dorthin, tretet mit 'Giacomo Garibaldi' in Kontakt, könnt Waren sowie Items einkaufen, neue Errungenschaften erlangen und allerlei ruhmrelevante Aufträge für den Repräsentanten der Republik von Venedig erfüllen. Mehr als ein weiterer NPC-Anlaufhafen ist dies nicht und da ihr keine venezianischen Gebäude in eurer Siedlung errichten könnt, haben es die Entwickler verpasst, ein Äquivalent zum Orient aufzubauen. Selbst eine Erweiterung des eigentlichen Spielkerns, des Wirtschaftssystems, gibt es nicht: Weder neue Waren oder Produktionsketten sind vorhanden. Es hätte ja keine ultimative neue Kette rund um die Metropolenwaren geben müssen, aber vielleicht eine neue Ressource, die man über "Venedig" kennen lernt, abbaut und weiterverarbeitet - um zum Beispiel Spionage durchführen oder den eigenen Palast aufbauen zu können. Richtig gelesen, der eigene Palast ist wieder enthalten und kann als Symbol der Macht aufwändig und mit reichlich Tamtam errichtet werden.

Neben vielen neuen Zierelementen, Gegenständen, Erfolgen und Medaillen ist die Vogtei erwähnenswert, die als neues Bauwerk darüber informiert, welche Gebäudetypen auf den Inseln errichtet wurden. Zwei neue Schiffstypen sind im venezianischen Hafen erhältlich und wenn ihr die angebotenen Items bei dem NPC-Händler unzureichend findet, könnt ihr sie für einen kleinen Obolus neu auswürfeln lassen. Zu diesem "Add-on Kleinkram" gesellen sich zwei größere Neuerungen, die einen bedeutenden Einfluss auf den Spielablauf haben: "Sabotage" und "Ratsversammlung".

Ratsversammlung

Mit der Ratsversammlung könnt ihr gegnerische Inseln ohne militärische Mittel erobern und das ist zugleich die interessanteste Neuerung. Um Zugang zur Ratsversammlung zu erhalten, benötigt ihr Patrizier und Kontakt zu 'Giacomo Garibaldi', danach wird ein neuer Menüpunkt beim Kontor

Für 27.304 Goldmünzen könnte ein 'neutraler Ratssitz' in Frommendorf bald mir gehören. Doch nach dem Kauf muss ich erstmal warten...
verfügbar. Jede Siedlung hat eine Ratsversammlung, die aus fünf Sitzen besteht und einen Stadtschlüssel. Der Gründer der Stadt hat automatisch einen Ratssitz plus Schlüssel und die neutralen Plätze können frei von jedem Spieler gekauft werden. Wer drei oder mehr Sitze einer Stadt innehat, kann den Stadtschlüssel kaufen und die Stadt übernehmen. Das "Opfer" kann sich dagegen wehren und Ratssitze zurückkaufen oder Allianzen schmieden. Je mehr Gebäude ihr auf der Insel habt und je prunkvoller die Siedlung ausfällt, desto teurer werden die Ratsitze (fünf oder sechsstellige Goldbeträge sind keine Seltenheit) - und da der Eigentümer der Stadt ohnehin weniger als die anderen Interessenten zahlt, ist das System durchaus fair (u.a. durch Abkling- bzw. Wartezeiten beim Kauf) und bietet viel Multiplayer-Sprengstoff.

Sabotage

Last but not least dürft ihr Spionieren und Sabotieren. Zuerst sucht sich der Spion aus dem Geheimkabinett in der fremden Stadt einen Unterschlupf (meist Wohnhaus). Seine Sabotagemöglichkeiten sind dann abhängig vom infiltrierten Gebäude: Feuer legen, Aufstand anzetteln, Wasser vergiften oder Arbeit durch Bauchtänzerinnen lahm legen (hohe Abklingzeit dieser Fertigkeiten). Schutz gegen Spione bieten die Geheimkabinette gleich aus einer Hand, die sich gerissenerweise als normales Wohnhaus tarnen lassen. Insgesamt ist die Spionage eine nette Ergänzung, die nicht ganz an die Ratsversammlung herankommt, aber man könnte mit einer Sabotageaktion den Wert einer Siedlung drücken, um anschließend zuzuschlagen...

Fazit

Der Mehrspieler-Modus ist eine prima Ergänzung und fehlte ANNO 1404 merklich. Schön ist ebenfalls, dass sowohl LAN als auch Online-Partien ermöglicht werden und die kooperative Spielvariante ist nicht zu verachten - allerdings gibt es mit mehr Spielern im Team auch mehr Leerlauf. Ansonsten sind die Multiplayer-Partien technisch sauber umgesetzt und funktionierten reibungslos mit wenig Lags. Auf Einzelspieler warten 15 Szenarien, die sich dank Abwechslung bei den Missionszielen sehen lassen können, obwohl Multiplayer-Szenarien seltsamerweise fehlen. Apropos Fehlen: Neue Waren oder Produktionsketten und eine kurze Kampagne rund um Venedig bleibt diese Erweiterung leider schuldig. Das virtuelle Venedig ist nicht mehr als eine weitere NPC-Insel, mit der ihr Handel treiben bzw. Aufgaben lösen könnt – damit kommt man bei weitem nicht an die motivierende Interaktion mit dem Orient heran. In den guten Bereich gerettet wird das Spiel letztendlich durch die Ratsversammlung, die es erstmalig ermöglicht, Inseln auch ohne militärische Aktionen zu übernehmen und fies zu taktieren. Kurzum: Sollten euch die Mehrspieler-Partien in ANNO 1404 gefehlt haben, führt kein Weg am Add-on vorbei. Sucht ihr große Neuerungen oder Verbesserungen für Einzelspieler, lohnt sich der Kauf nicht.

Pro

gut gestalteter Mehrspieler-Modus (LAN und Online)
kooperative Spielvariante
viele Einstellungsmöglichkeiten im Multiplayer-Modus
herausragende Ratsversammlung
nette Sabotage
neue Quests, Items, Erfolge und Co.
15 schöne Szenarios mit Abwechslung
neue Inselvorlagen, darunter eine große Pfannkucheninsel
leichte Balanceanpassungen der Landeinheiten
viele Detailverbesserungen
Vulkaninsel (Baurisiko)

Kontra

keine neuen Waren oder Produktionsketten
keine Kampagne rund um Venedig
keine Multiplayer-Szenarien
Venedig-Insel hätte mehr Möglichkeiten zur Interaktion geboten
Wegfindungsprobleme der Schiffe
Ladezeiten

Wertung

PC

Toller Mehrspieler-Modus, großartige Ratsversammlung und gute Szenarien stehen einem blassen Venedig gegenüber.

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