Geländewagen Simulator 201223.11.2011, Michael Krosta
Geländewagen Simulator 2012

Im Test:

Was macht man nicht alles, um die potenziellen Verkaufszahlen anzukurbeln? Man ändert z.B. den Namen: Denn das, was Rondomedia in Deutschland als Geländewagen Simulator 2012 (ab 14,99€ bei kaufen) in die Regale stellt, hört eigentlich auf den Namen Off-Road Drive und kommt aus Russland. Kann das Spiel seiner neuen Bezeichnung wenigstens gerecht werden?

Kontrastprogramm

Wenn ich heute an Offroad im Zusammenhang mit Videospielen denke, schießen mir sofort die Bilder von rasanten Fahrten in Dirt 3, Sega Rally oder Flatout in den Kopf. In den letzten Jahren waren die prominenten Ausflüge über Stock und Stein vornehmlich von Tempo und Action geprägt. Der Geländewagen Simulator ist verglichen mit den genannten Offroad-Größen etwas völlig anderes: Zum einen geht es sehr viel gemütlicher zu, zum anderen entpuppen sich die Begegnungen mit Matschgruben, Hügeln und unwegsamen Felsformationen zu einem wahren Kampf zwischen Maschine und Natur, bei dem für das Weiterkommen sogar eine Seilwinde als "Waffe" eingesetzt werden muss.

Das etwas andere Rennen

Trotzdem steht die Karriere auch hier im Zeichen von klassischen Rennen - mit dem Unterschied, dass der Weg zum Ziel hier etwas anders ausfällt als gewohnt. Anstatt sich im Kampf mit den Geisterwagen wie üblich nur auf Gas, (Hand-)Bremse und Lenkung zu konzentrieren, muss man hier auch während den eher gemächlichen Fahrten den Reifendruck ändern, je nach Situation manuell zwischen Heck- und Allrad wechseln oder das Sperrdifferenzial aktivieren, um Unebenheiten zu meistern. Zusätzlich muss man das Getriebe im Auge behalten, das sowohl Gänge für niedrige als auch hohe Geschwindigkeiten bietet. Entscheidend ist auch oft der Rückwärtsgang, wenn man irgendwo festhängt - was nicht selten passiert. Nur wer hier ordentlich Schwung holt und rechtzeitig schaltet, kann sich aus der Situation befreien. Manchmal gibt es aber auch kein Vor und Zurück mehr: Hier hilft dann nur der Druck auf die Reset-Taste, mit der das Fahrzeug an den letzten Checkpunkt zurückgesetzt wird.

Diese sind aber nicht immer optimal gewählt und versetzen den Fahrer erneut zur vertrackten Problemstelle. Jeder kann sich vorstellen, dass man alle Hände voll zu tun hat, die Allrad-Boliden mit ihrer anspruchsvollen Fahrphysik halbwegs souverän über die Parcours zu dirigieren. Dabei sprengen die Funktionen, zu denen neben der genannten Seilwinde, Reifendruck & Co auch die Bedienung von Licht und Hupe gehören, die Tasten handelsüblicher  Controller und Lenkräder, so dass die Steuerung nur im Zusammenspiel mit der Tastatur funktioniert, was zumindest in der Standardbelegung manchmal sehr unhandlich wirkt. Vom 360-Controller über Logitech-Produkte (Momo, G-25, Driving Force Pro)

Bei einigen Herausforderungen muss man viel Fingerspitzengefühl beweisen.
Die Seilwinde erweist sich als Retter in der Not.

bis hin zum Viper Pro Driving Wheel wird übrigens eine ordentliche Bandbreite an Eingabegeräten offiziell unterstützt. Selbst die Steuerung über Maus und Tastatur ist möglich, aber wenig empfehlenswert, da der analoge Umgang mit Gas und Bremse in manchen Situationen extrem wichtig wird.

Anspruchsvoll

Zumindest das Fahrwerk weckt den Eindruck, als würde es ordentlich simuliert werden, wenn sich die Reifen im Matsch festfahren, die Wagen beim Durchqueren von Wasser aufschaukeln und selbst kleine Unebenheiten an den Fahrer weitergegeben werden. Die Auswirkungen bei den Einstellungen des Antriebs und Differenzials spürt man zudem sehr deutlich -später darf man die Boliden sogar noch mit leichtem Motortuning sowie besseren Federn und Rädern aufrüsten. Das Aussehen lässt sich dagegen durch eine Auswahl an Skins anpassen. Eine offizielle Lizenz wird jedoch nicht geboten: Auch wenn die Fahrzeugmodelle realen Offroad-Vehikeln von Jeep, Nissan & Co sehr ähnlich sehen, hören sie im Spiel nur auf Bezeichnungen wie Samurai, Tarzan, Tiger oder Matschmanscher. Dabei unterscheidet sich jeder Bolide hinsichtlich des maximalen Drehmoments, Beschleunigung, Handling und seines allgemeinen Offroad-Potenzials. Eines haben jedoch alle gemeinsam: Ein Schadensmodell ist quasi nicht vorhanden und die Motorenklänge bewegen sich höchstens auf einem durchschnittlichen Niveau.

Rund um den Globus

Der Karrieremodus erstreckt sich rund um den Globus und bietet neben einem einführenden Tutorial diverse Offroad-Events in Thailand, Afrika, Ladoga (bei St. Petersburg), Malaysia, USA und Australien. Viele Wettbewerbe und Fahrzeuge werden

Die Unebenheiten verlangen oft gefühlvollen Umgang mit dem Gaspedal.
Die Unebenheiten verlangen oft gefühlvollen Umgang mit dem Gaspedal.
allerdings erst freigeschaltet, wenn man genügend Bewertungspunkte gesammelt hat - und die gewinnt man in den einzelnen Rennen und Trophy-Serien. Dabei kämpft man sowohl auf Rundkursen als auch A-B-Strecken gegen die Gegner und Natur - Strafzeiten erhält man, wenn man die Streckenbegrenzungen berührt, abkürzt oder sich auf die Strecke zurücksetzen lässt. Gerade auf Letzteres muss man häufig zurückgreifen, da man oft in den zahlreichen Schlammgruben stecken bleibt trotz feinfühligem Gasgeben und Schwung holen nicht mehr als dem Schlamassel heraus kommt. Der Einsatz der Seilwinde als letztes Mittel ist mangels Befestigung nicht immer möglich, doch kostet das Hantieren mit dem Seil ohnehin zu viel Zeit, weil die Steuerung sehr fummelig ausfällt, da man zunächst einen Halt markieren und anschließend die Zugkraft im Hinblick auf den entstehenden Druck am Seil passend dosieren muss.

Geselliges Einmatschen?

Neben der Karriere wird außerdem noch ein Mehrspielermodus geboten, der sehr rudimentär ausfällt: Wahlweise im LAN oder über das Internet dürfen sich hier gerade mal vier Teilnehmer in den manuell aufgesetzten Wettbewerben messen, während man im Rahmen der Karriere immerhin gegen bis zu neun andere Fahrer antritt. Allerdings können in den LAN- und Online-Sessions optional die Kollision aktiviert werden, so dass man nicht zwingend nur gegen Geisterwagen ohne Berührungsmöglichkeiten um Positionen kämpft. Trotzdem hätte man hier viel mehr bieten können und müssen - nicht mal Online-Ranglisten gibt es zu sehen! Insgesamt ist der Mehrspielermodus schwach geraten, da man sich nur auf das Nötigste beschränkt.

Zerschnittene Bilder

Dass sich die Entwicklern hinsichtlich des technischen Gerüsts für Epics Unreal Engine entschieden haben, tut dem Simulator gut: Auf den ersten Blick bieten die mitunter farbenfrohen Kulissen trotz einiger Pop-ups einen netten Detailreichtum und können sogar mit Echtzeit-Deformationen der matschigen Oberflächen überzeugen, auch wenn man sich nur bis zu einem gewissen Grad mit den Reifen Furchen in den Boden graben kann.

Die Entwickler wirbeln viel Schmutz auf.
Die Entwickler wirbeln viel Schmutz auf.
Die Darstellung des ganzen Drecks hinterlässt ebenfalls einen guten Eindruck: Es ist schön zu sehen, wie die Fahrzeuge zunehmend verschmutzen und die Reifen kleine Matschbrocken aufwirbeln. Fährt man durch Wasser, kann man den zuvor aufgenommenen Dreck und Staub sogar kurzzeitig wieder abwaschen. Nur wenn man mit seinem Wagen fast komplett in Matsch oder Wasser versinkt, wirkt es etwas befremdlich, dass kaum etwas davon auf den Ladeflächen bleibt. Hier wirkt die Darstellung etwas inkonsequent.

Deutlich schlimmer ist jedoch die Tatsache, dass man in den Optionen keine vertikale Synchronisation (V-Sync) bei den Grafikeinstellungen erzwingen kann. Die Folge: Das Bild wird beim Aufbau zerrissen, es kommt zum unschönen Tearing-Effekt. Und der fällt hier so prägnant und störend aus wie in kaum einem anderen Spiel, was den zunächst guten Eindruck hinsichtlich der Präsentation spürbar mildert!

Fazit

Es ist schön, dass 1C Company mit dem Geländewagen Simulator 2012 (oder sollte ich besser schreiben Off-Road Drive?) mal einen völlig anderen Ansatz wählt als die meisten anderen Offroad-Vertreter. Hier muss man tatsächlich mit Feingefühl und Bedacht agieren, wenn man sich erfolgreich durch die Natur und ihre Hindernisse kämpfen will - das reine Tempo spielt trotz klassischem Rennaufbau eher eine untergeordnete Rolle. Stattdessen gilt es, die Fahrphysik mit Allrad-Antrieb, Veränderungen am Differenzial und dem Reifendruck so weit wie möglich auszureizen und die optimale Route in den herrlichen Matsch- und Drecklandschaften zu finden, selbst wenn man im Extremfall sogar auf Hilfen wie eine Seilwinde zurückzugreifen muss. Wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich trotzdem ein Dirt oder Richard Burns Rally und selbst reinrassige Arcade-Vertreter wie Motorstorm oder Sega Rally diesem Simulator vorziehen. Zu frustrierend empfinde die Momente, in denen ich immer wieder feststecke und mir nur mit einem Reset zu helfen weiß, während die Geisterwagen der Konkurrenzen an mir vorbeiziehen. Zu fummelig und überladen finde ich die Steuerung, bei der ich selbst am Lenkrad oder Controller immer wieder auf die Tastatur zurückgreifen muss. Und zu störend wirkt trotz ansehnlicher Kulissen das heftige Tearing auf meine Augen, während die Mehrspielerkomponente aufgrund des rudimentären Aufbaus fast schon überflüssig erscheint. Im weiten Feld der Flop-Simulatoren mag der Titel ein kleines Highlight sein, doch gemessen an anderen Offroad- und Rallye-Kandidaten bleibt es für mich nur zweite Wahl.   

Pro

gute Fahrphysik
fordernde Parcours
ansehnliche Kulissen...
deformierbare Oberflächen
Cockpitansicht

Kontra

keine lizenzierten Fahrzeuge
hohes Frustpotenzial
...die durch starkes Tearing entstellt werden
umständliche Steuerung
schwache Klangkulisse
(zu) rudimentärer Mehrspielermodus
schwaches / kaum vorhandenes Schadensmodell

Wertung

PC

Netter Offroad-Simulator für zwischendurch, für den man aber viel Feingefühl und Frustresistenz mitbringen muss.

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