Devil's Third26.08.2015, Mathias Oertel
Devil's Third

Im Test: Call of Duty auf japanisch?

Einst war Devil's Third (ab 41,57€ bei kaufen) ein Vorzeigeprojekt von THQ. Nach der Demission des Publishers schien das erste Projekt von Enfant Terrible Tomonobu Itagaki nach seinem Ausstieg bei Team Ninja dem Untergang geweiht. Doch Nintendo und Satoru Iwata glaubten scheinbar an das Projekt und haben aus dem ursprünglich auf PS3 und 360 geplanten Titel ein Exklusivspiel für WiiU gemacht. Eine gute Entscheidung? Die Antwort gibt der Test.

Legende, Alpha-Tier, Enfant Terrible

Es gab eine Zeit, da wurde Tomonobu Itagaki in einem Atemzug mit den ganz Großen der japanischen Entwickler-Zunft genannt. Und er fand sich vollkommen zurecht in diesem Olymp wieder - neben Designern/Produzenten wie Hideo Kojima, Hideki Kamiya, Yu Suzuki, Keiji Inafune, Shinji Mikami oder Hironobu Sakaguchi. Als Leiter von Tecmos Team Ninja war er verantwortlich für Dead or Alive und den Reboot von Ninja Gaiden. Nach der Übernahme von Tecmo durch Koei trennten sich die Wege und 2010 stellte er sein neues Projekt Devil’s Third vor, das er seinerzeit für THQ mit seinem frisch gegründeten Valhalla Game Studios entwickelte. Doch mehr als einen brachialen Trailer, der die überzogene Schwertkampf-Action à la Ninja Gaiden mit nicht minder spektakulären ballistischen Gefechten verband, gab es nicht zu sehen.

Die Zukunft von Devil's Third war lange unsicher - bis Nintendo einschritt und sich die Veröffentlichung sicherte.
Und das sollte auch lange so bleiben. Gerüchte von einem Engine-Wechsel machten die Runde und wurden später bestätigt. Das Spiel wurde immer weiter verschoben, die Entwicklungskosten gingen in die Höhe. Es folgten das Ende THQs, die Rückgabe der kompletten Rechte an Valhalla und schließlich die Meldungen, dass sich der Titel auch ohne Publisher der Fertigstellung nähere. Auf der E3 2014 schließlich rückte Nintendo mit der überraschenden Ankündigung heraus, dass man sich Devil's Third gesichert habe und die Action exklusiv auf WiiU erscheinen werde. Eine fünf Jahre dauernde Entwicklungs-Odyssee hat nun mit der Veröffentlichung ein Ende gefunden.

Lohnenswerte Wartezeit?

Eine kleine Randnotiz: Mit dem ersten Trailer hat das finale Spiel nur noch wenige Gemeinsamkeiten. Dazu gehört vor allem die Mischung aus brutalem Nahkampf sowie nicht minder brutalen Schusswechseln. Mit einem breit gestreuten Waffenarsenal (auch das Aufsammeln von gegnerischen Wummen ist möglich) zerfetzt es die Feinde, Blutfontänen spritzen über den Bildschirm und Körperteile fliegen in alle Richtungen. Abhängig von der gewählten Nahkampfwaffe variieren die Finisher ebenfalls. Mit einem Katana zerteilt man die Kontrahenten, während eine Brechstange für reichlich Kopfschmerzen sorgt. Schön, zumindest in dieser Hinsicht bleibt sich Itagaki-San treu – und die USK spielt in Form eines "Ab 18"-Siegels auch mit. Man hat die vollkommen überzogene Gewaltdarstellung richtig interpretiert. Das wäre zur Ankündigung kaum denkbar gewesen.

Devil's Third ist schnell, explosiv, blutig - und dabei absolut unspektakulär. Das muss man erst mal schaffen.
Doch von den unterschiedlichen Protagonisten, die man seinerzeit im ersten Trailer gesehen hat und die auch noch im stylischen Logo des Spiels zu finden sind, fehlt weit und breit jede Spur. Stattdessen ist man mit dem russischen Ex-Söldner Ivan unterwegs. Der sitzt am Anfang in einer unterirdischen Zelle in Guantanamo und trommelt sich die Seele aus dem Leib, während über ihm eine Revolte die Wächter beschäftigt. Dass er offensichtlich von einer US-Behörde dort untergebracht wurde, um im Ernstfall als Spezialagent eingesetzt zu werden, macht die Story noch etwas konfuser und ihn als Figur undurchschaubarer. Trotz aller Klischees und Plattitüden hat mich der Einstieg neugierig gemacht. Es weht ein wenig Absurdität à la Suda51 (Killer is Dead, Shadows of the Damned, Lollipop Chainsaw) durch die Inszenierung, während Ivan als Charakter nicht nur durch seine Glatze, sondern auch durch seine Einsilbigkeit an Vin Diesels Xander Cage in xXx erinnert. Dass Devil's Third auch Quentin Tarantino zitiert und Ivan schließlich auf einen Rachefeldzug à la Kill Bill schickt, in dem er ehemalige Verbündete jagt, die ihn verraten haben, ehrt Itagaki.

Konfus und generisch

Ivan wird als Protagonist interessant eingeführt, doch dann verliert man schnell das Interesse an der konfusen Geschichte.
Noch besser wäre es allerdings gewesen, wenn die Geschichte nicht nur konzeptionell, sondern auch in der Umsetzung gelungen wäre. Doch hier verstrickt sich das Spiel in banalen Einzeilern, nach Mottenkugeln riechenden Klischees und einer Geschichte, die nach Hollywood-Maßstäben gar nicht so weit hergeholt ist, aber dennoch extrem bemüht wirkt. Hier ist die Action noch meilenweit von Spielen wie der Call-of-Duty-Serie entfernt, die sich ja auch nicht unbedingt mit oscarreifen Drehbüchern schmückt. Gleiches gilt übrigens für die Balleraction. Waffenwechsel hin, automatische Lebensgeneration nach Zeitraum X her. Ob Sekundärfunktion bei Bewaffnung vorhanden oder nicht: Es zündet nicht. Viel zu häufig bleibt das Gefühl zurück, dass die Mannen von Valhalla versucht haben, ihre Vision eines Call of Duty abzuliefern. Doch wenn die letzten CoD-Ableger eines bewiesen haben, dann dass Treyarch, Infinity Ward und Co vor allem eines können: intensive Gefechte kinoreif in Szene setzen.

Und davon ist Devil's Third ganz weit entfernt. Man verzettelt sich bereits in mechanischen Kleinigkeiten: Vernünftiges Zielen ist aus der Schulterkamera beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. Die Streuverluste sind enorm hoch, aber okay. Also rein in die Visierung. Doch die Übergänge zwischen Schulter- und Ego-Ansicht sind viel zu häufig hakelig und wenn man in bestimmten Bewegungsabläufen die Perspektive wechselt, schaut man natürlich nicht in Richtung des Feindes und braucht erst einmal ein paar wertvolle Sekunden, bis man seine Sicht wieder justiert hat. Das würde umso stärker ins Gewicht fallen, wenn die KI nicht viel zu häufig absolut strunzdoof reagierte. Häufig nehmen die Feinde einen relativ effektiv unter Beschuss oder zerfetzen die Deckung, hinter der man kauert. Doch es gibt auch mindestens ebenso viele Momente, in denen man die oft auf den gleichen Laufwegen um die Ecken kommenden Feinde einen nach dem anderen ohne Probleme ins Jenseits schickt. Oder dass man sie in Deckung beschießt, sie trifft und sie nicht einmal den Versuch unternehmen, sich eine neue Position zu suchen. Oder dass sie mitunter nicht einmal auf einen schießen, wenn man frontal auf sie zuläuft. Was zu einem passablen Action-Fest hätte werden können, dessen Potenzial immer in den seltenen Momenten durchscheint, wenn Devil's Third zu einem durchschnittlichen Shooter wird, wird von der KI ständig auf den harten Boden der Tatsachen zurückgeholt.

Brachial und banal

Selbst die Bosse bieten kaum Überraschungen und stellen meist nur eine kleine Herausforderung dar.
Die Nahkämpfe samt Block und Ausweichfunktion werden besser inszeniert, was angesichts der Ninja-Gaiden-Vergangenheit auch nicht verwundert. Doch auch sie sind nur noch ein Schatten ihrer selbst. Mit einem Ninja-Schwert oder einem Katana kommt beinahe die Dynamik auf, die man mit den Abenteuern von Ryu Hayabusa assoziiert. Ansonsten stehen noch Vorschlaghämmer, Messer, Metallstangen oder Kuriki zur Verfügung, die allesamt eine unterschiedliche Schlagfrequenz bzw. Effektivität mit sich bringen und in verschiedenen Finishern enden. Doch auch, wenn die Gegner hier effektiver verteidigen als beim Schießen, Positionen wechseln oder einen verstärkt unter Druck setzen, kommt nur dann so etwas wie Spannung auf, wenn man sich fünf oder sechs Angreifern gegenübersieht. Selbst die Bosse in jedem der neun Abschnitte lassen sich vergleichsweise unkompliziert aus dem Weg räumen - insofern man Geduld hat, zwischen seinen Attacken "den einen" sofort tödlichen Gegenangriff des Feindes antizipiert und entsprechend ausweicht. Auch hier ist man meilenweit von den Standards entfernt, die Ninja Gaiden samt Fortsetzung auf Xbox bzw. 360 setzen konnte.

Unter dem Strich fühlte ich mich bei Devil's Third allerdings nicht an die Titel erinnert, an denen sich Itagaki offensichtlich orientierte, sondern an die Conduit-Serie auf Wii. Ebenfalls im Vorfeld viel versprechend, konnte sich die Shooter-Action vor allem durch grausiges Leveldesign sowie Technik- oder KI-Macken hervortun. Immerhin war die Steuerung auf der Vorläufer-Konsole der WiiU vorbildlich umgesetzt. Bei Devil's Third  funktioniert die erzkonservative Steuerung ebenfalls, aber sie vorbildlich zu nennen, wäre vermessen - zumal sie keinerlei Nutzen aus dem Touchpad zieht.

Zwischen schick und schade

Die Kulisse bleibt über einen Großteil der Zeit unspektakulär.
Gleiches gilt für die Kulisse. Man nutzt die Unreal Engine, die vermutlich ein Überbleibsel der Arbeit an den ursprünglich für 360- und PS3- vorgesehenen Fassungen ist. Dementsprechend hat man nicht nur die typischen Nachladephasen für Texturen am Anfang eines Abschnitts, sondern auch einige andere Probleme, die hauptsächlich in einer instabilen Bildrate gipfeln. Leider lässt sich diesbezüglich kein Muster ausmachen. Während es mitunter sehr stimmige Panoramen zu bewundern gibt und das Geschehen häufig auch mit zahlreichen Gegnern, Explosionen und durch die Gegend flirrenden Projektilen flüssig läuft, kann ein Gang durch unterirdische Passagen, in denen nicht viel gezeigt wird, mit deutlich unter den angestrebten 30 Bildern pro Sekunde ablaufen. Auch Zwischensequenzen in Spielgrafik sind nicht vor Rucklern geschützt. Und natürlich kann die Bildrate in heißen Gefechten ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen werden.

Ästhetisch läuft ebenfalls nicht alles rund. Das Artdesign wirkt über große Strecken generisch, das Figurendesign wirkt unangenehm vertraut. Und wieso die eigentlich passable Mimik der Antagonisten oft durch unpassend große Kieferbewegungen beim Sprechen beinahe den Eindruck von Schlangenwesen hinterlässt, die ihren Unterkiefer zwecks Nahrungsaufnahme "aushaken", stellt mich vor ein Rätsel. Dann wiederum passt es doch ins Gesamtbild: Devil's Third ist maßlos überambitioniert.

Mehrspieler-Bombe?

Im Online-Spiel warten Personalisierung und zehn Modi.
In der mehrwöchigen Testphase Spiele zu finden, in denen man sich mit aller Herzenslust auf den separaten Mehrspieler-Modus stürzen zu können, war eine Glücksfrage. Andererseits sagt dies auch schon viel über den Charakter der Online-Duelle aus: Man spielt nicht häufiger, als man muss. Nicht, weil es keinen Spaß macht. Mit zehn Modi, von denen viele Varianten bekannter Spieloptionen sind (wie z.B. Deathmatch, Melee-DM), aber auch ungewöhnlicher Optionen wie „Chicken“ (man jagt in der Tat Hühner), bietet Valhalla ein ordentliches Spektrum an. Man verzichtet auch nicht auf die Online-Gefechte, weil das Spiel unsauber läuft - zumindest nicht wesentlich unsauberer als im Offline-Modus für Solisten.

Das Umfeld mit umfangreicher Personalisierung, Levelaufstiegen und dem Erwerb neuer Fähigkeiten ist konzeptionell ebenfalls solide. Aber es bietet zum einen nichts, was nicht auch in anderen Multiplayer-Shooter zu finden ist. Und zum anderen gibt es Mikrotransaktionen, die auf "Pay-to-win" schließen lassen. Man findet bei der zweiten zur Verfügung stehenden Währung (goldene Eier!) eine Umleitung in den Store, der vorab allerdings noch keine Ergebnisse lieferte. Hier dürfte auch im Hinblick auf die Zukunft mit der Ankündigung von Devil’s Third Online als Free-to-play-Spiel für den PC vorgebaut worden sein.

Fazit

Seit der ersten Ankündigung habe ich mich als erklärter Fan der Arbeit von Tomonobu Itagaki auf Devil's Third gefreut. Und diese Vorfreude hat auch nicht gelitten, als Nintendo die WiiU-Exklusivität der Action verkündete und ich damit nach Bayonetta 2 einmal mehr das Gefühl hatte, dass sich die Anschaffung der Konsole gelohnt hat. Doch nicht einmal die euphorische Vorfreude konnte die Ernüchterung kaschieren, die sich im Prinzip kurz nach dem Einschalten einstellte und mich über die gesamte Spielzeit begleitet hat. Devil's Third will viel. Es will ein Shooter sein wie Call of Duty. Es will brachiale Nahkampf-Action à la Ninja Gaiden zelebrieren. Es will eine filmreife Story erzählen. Und es möchte Mehrspieler-Standards setzen. Doch egal in welchen Bereichen man sich umschaut, ist die Premiere des Valhalla Game Studios im Bestfall biederer Durchschnitt - all zu häufig noch nicht einmal das, vor allem auch erzählerisch . Ist Devil's Third das schlechteste Spiel, das Nintendo je veröffentlicht hat, wie ein amerikanischer Kollege im Vorfeld schrieb? Nein, denn dann müsste man die Existenz von Spielen wie Wii Music ebenso abstreiten wie die des vierten Indiana-Jones-Filmes. Doch diese Action ist durchweg gewöhnlich und entgegen Itagakis Natur vollkommen unspektakulär. Nintendo hat sich im Gegensatz zum schlauen Bayonetta-2-Schachzug mit dieser Exklusivität keinen Gefallen getan.

Pro

Kulisse mit einigen schönen Panoramen und Hintergründen...
Mischung aus brachialem Nahkampf und ballistischen Gefechten
faire Kontrollpunkte
ordentliches Waffenarsenal
konzeptionell passabler Mehrspieler-Modus mit zehn Modi sowie Personalisierung

Kontra

... aber auch viel Durchschnitt und mit Bildratenproblemen
abstruse Story ohne Trashbonus
schwache KI
linear
schwache Bosskämpfe
Übergänge zwischen Schulterkamera und Egosicht hakelig
technisch unspektakuläre Zwischensequenzen

Wertung

Wii_U

Itagaki scheint nur noch ein Schatten seiner selbst zu sein. Devil's Third bietet generische Action ohne nennenswerte Höhepunkte, aber immerhin hohem Splatterfaktor.

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