Die Sims Mittelalter25.03.2011, Mathias Oertel
Die Sims Mittelalter

Im Test:

Electronic Arts versucht immer wieder, das bekannte und größtenteils beliebte Prinzip der Sims durch Variationen aufzulockern. Bei Teil 2 auf Konsolen waren es z.B. aktive Berufe, hinzu kamen "Geschichten" auf Inseln oder mit Haustieren. In eine ähnliche Kerbe schlägt Die Sims Mittelalter (ab 9,99€ bei kaufen), welches das Szenario in eine neue Epoche verlegt und mit einer missionsbasierten Struktur paart. Ist das Ergebnis mehr als nur ein eigenständig  lauffähiges Add-On zum Vollpreis?

König von Simland

Die Sims hatten schon immer ein Faible für Schauspielerei. Und die Serie hat dem Spieler seit zehn Jahren viele Mittel in die Hände gelegt, um sich als Regisseur einer herrlich überzogenen Seifenoper zu betätigen.

Mit Die Sims Mittelalter (DSM) versetzt man die verqueren Typen nicht nur in eine neue Epoche, sondern macht sie zu virtuellen Protagonisten eines Shakespeare-Dramas in zig Akten. Denn im Gegensatz zu den bisherigen Titeln auf PC setzt man weniger auf offene Welt, unendliche Kampagne und Experimentierfreude des Spielers vor dem Schirm als vielmehr auf eine missionsbasierte Erzählstruktur innerhalb eines mittelalterlichen Königreiches sowie leichte Rollenspieleinschläge. 

Nachdem man mit einem königlichen Helden, der alternativ zu den eingebauten Figuren auch im umfangreichen Editor erstellt werden kann sowie die erste Tutorialmission gemeistert hat, öffnet sich die abwechslungsreiche Questliste. Dort begegnet man typischen Mythen und Überlieferungen wie der Artussage, Drachen, Primae Noctis usw., die aber humoristisch interpretiert werden. So muss man als Schmied z.B. nicht Excalibur schmieden, sondern herausfinden, wie man das besondere Schwert herstellen kann, das den Panzer eines widerspenstigen Chinchillas durchdringen kann.

Gleichzeitig bricht man die bekannten Sims-Strukturen auf und öffnet das Spiel, indem man nicht nur eine Figur (oder Familie) hat, die eine wesentliche Rolle spielt, sondern mehrere, die in späteren Quests mitunter zusammen oder gegeneinander arbeiten müssen, um die Mission erfolgreich zu gestalten. Denn baut man ein Wirtshaus, kann man z.B. einen Barden einziehen lassen, die Kirche schickt einen Pastor, man kann einen Spion in sein Reich holen, Ritter steuern und viele mehr.

Mein Held, mein Weg, mein Zeitraffer

Der Clou: Viele Missionen bieten abhängig von den zum jeweiligen Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Figuren alternative Wege an, so dass man auch beim wiederholten Spiel immer wieder etwas Neues ausprobieren und kennen lernen kann. Und selbst mit dem gleichen Heldentyp können sich bedingt durch die unterschiedlichen zur Verfügung stehenden Charaktereigenschaften (und dort allem die verpflichtende Negativ-Eigenschaft) interessante Ergebnisse einstellen. Als Beispiel möchte ich nochmals den Schmied heranziehen, dessen Negativmerkmal "Lüsternheit" war. So konnte der z.B. kaum einen Tag vernünftig arbeiten, wenn er kein "Techtelmechtel" hatte oder wenigstens einen Kuss für sich verbuchen konnte. Das Ergebnis: Seine Konzentration (eine der wenigen wichtigen Eigenschaften) sinkt und damit auch die Erfolgschancen auf bestimmte Aktionen, die für das erfolgreiche Beenden der Mission wichtig sind. Steigern kann man dies durch das Erledigen der täglichen Sekundär-Aufgaben, die anfänglich noch eine interessante Ergänzung der Mechanik sind, mit zunehmendem Spielverlauf aber mit starken Wiederholungserscheinungen zu kämpfen haben und so zu einem notwendigen Übel verkommen.

Gevatter Tod spielt natürlich auch im Mittelalter eine gewichtige Rolle.
Im Gegenzug muss man aber im Vergleich zu Die Sims 3 auf wesentlich weniger achten, wenn es um die persönlichen Bedürfnisse der Sims-Helden geht: Das Mikromanagement wurde stark zurückgestuft. Einzig Nahrungsaufnahme und Schlaf muss man jetzt noch beachten. Freundschaften, Hygiene, Toilette - all das ist weggefallen. Das Ergebnis ist ein deutlich fokussierteres Spielerlebnis, da man sich auf das Wesentliche, also das Alltagsleben sowie die Mission konzentrieren kann.

Leerlauf im Mittelalter

Dass es jetzt deutlich weniger zu beachten gibt, hat allerdings auch kleine Nachteile. Denn man hat nicht nur mehr Freiraum zur Verfügung, um sich um wichtigere Sachen als Duschen, Baden oder den Einkauf von Lebensmitteln zu kümmern, sondern verbringt relativ Zeit mit Warten. Z.B. darauf, dass der Sim sich relativ gemächlich marschierend von einem zum anderen mitunter weit entfernten Ort im Königreich bewegt - Laufen oder Joggen ist den mittelalterlichen Helden fremd. Oder wenn er (oder sie) in eines der Gebiete kommt, in denen man nicht mehr aktiv folgen, sondern nur abwarten kann, bis der Sim wieder erscheint oder wenn eine der spontan zu fällenden Entscheidungen ansteht, die in der Mechanik denen ähnlich sind, die man bei Die Sims 3 im Beruf erleben kann.

       

Sprich: Man nutzt relativ häufig die Zeitraffertaste F4 - vor allem, wenn man in den einfacheren Missionen nur mit einem Sim unterwegs ist und in der Zwischenzeit eigentlich nichts anderes außer Däumchen drehen kann. Natürlich kann man auch versuchen, in dieser Wartephase das mittelalterliche Tag- oder Nachtwerk der anderen Figuren in dieser lebendigen Welt auf sich wirken zu lassen. Doch daran hat man sich irgendwann satt gesehen, so dass der Druck auf die F4-Taste zur Gewohnheit wird. Es ist schade, dass sich das Sims-Studio nicht zusätzliche Aktionen hat einfallen lassen, die diese Wartephase zumindest optional versüßen würden.

Viel drin, viel dran, einiges recycelt

Pranger und das hungrige Gruben-Monster dürfen natürlich nicht fehlen, werden aber wie nahezu alle Themen sehr augenzwinkernd inszeniert.
Andererseits gibt es haufenweise Quests, die man in jeder von insgesamt zwölf so genannten Bestrebungen (übergeordneten Zielen) erfüllen kann und die sich z.B. unterschiedlich auf die militärische, wirtschaftliche oder kulturelle Entwicklung des Königreiches auswirken. Diese Bestrebungen können z.B. das Errichten von möglichst vielen neuen Gebäuden sein, das Erfüllen möglichst vieler Missionen oder das Erobern neuer Territorien. Eingeschränkt wird man nur durch die zur Verfügung stehende Zahl an Questpunkten, die man für das Annehmen einer Aufgabe zahlen muss. Je mehr davon erforderlich sind, desto langwieriger ist die Mission und desto mehr Sims sind beteiligt, können zu Schaden kommen und im schlimmsten Fall sogar das Zeitliche segnen.

Doch auch abseits der Missionen gibt es viel zu entdecken, wie z.B. die Klinge des Untergangs, deren Teile über das gesamte Königreich verteilt sind und für die man sich mitunter waghalsige Aktionen einfallen lassen muss, um sie zu erlangen.

Allerdings legt sich DSM einige unnötige Stolpersteine in den Weg. Der größte davon ist der Questpool, aus dem sich alle Bestrebungen bedienen. Es gibt zu wenige Missionen, die einem spätestens nach der dritten vollständigen Bestrebung noch neu oder unverbraucht vorkommen. Natürlich kommt durch unterschiedliche Helden oder einen anderen Lösungsweg immer wieder eine frische Nuance hinzu, doch das Grundproblem bleibt bestehen und nagt auch an der Motivation.

Bei vielen der Standardanimationen werden Sims-Veteranen ebenfalls ein Déjà vu verspüren. Vieles wird einfach nur in neuen Kostümen wiederverwendet. Doch das ist ebenso selbstverständlich wie unterhaltsam. Denn wenn im Mittelalter öffentlich homo-erotische Beziehungen gepflegt werden und das Werben um den Partner auf die gleichen Versatzstücke baut wie beim Vorbild, wobei sich die Sims ohnehin nicht so stark um Privatsphäre scheren wie ihre modernen Gegenstücke aus dem dritten Teil der Reihe, unterstreicht dies nur den Unterhaltungswert.

Auftragsbasiertes Sim-Theater

Wer glaubt, dass die mittelalterlichen Sims darauf aus sind, ein möglichst akkurates Bild dieser Epoche zu zeichnen, sollte sich lieber die DVD von Paul Verhoevens Film "Fleisch und Blut" besorgen. Denn hier ist nichts düster und selbst ernste Themen wie das Recht des Lehnsherrn auf die erste Nacht mit einer frisch vermählten Braut werden charmant und mit einem Augenzwinkern  betrachtet.

Der Monarch ist der erste Held, den man erstellt. Später folgen u.a. Ritter, Schmied, Priester, Spion etc.
Es ist eher so, als ob sich die Bewohner einer Sims 3-Stadt aufgemacht hätten, um ein Improvisations-Theaterstück mit dem Thema Mittelalter zu schreiben. Dieser Eindruck wird durch die Darstellung der Innenräume noch verstärkt.

Denn konnte man bislang die Kamera auch in Gebäuden komplett frei bewegen, kann man die Ansicht nur in etwa  45 Grad schwenken. Dadurch entsteht der Eindruck, dass sich die Figuren beinahe wie auf einer Bühne bewegen - was übrigens auch dadurch verstärkt wird, dass sie im Hintergrund eine Tür betreten und kurz darauf im Nebenzimmer oder ein Stockwerk höher (oder tiefer) wieder auftauchen.

Einzig in der gut dekorierten Außenwelt, die sich allerdings innerhalb der einzelnen Bestrebungen ebenfalls nur wenig ändert, kann man die Kamera nach Gutdünken positionieren. Stellt man die Perspektive auf automatische Verfolgung der ausgewählten Figur kann es bedingt durch Höhen- und Strukturunterschiede allerdings mitunter zu merkwürdigen Schwenks und Zooms kommen, die nicht nur irritieren, sondern bei Personen mit Bewegegungskrankheit für leicht unwohle Magengefühle sorgen könnten.

Wenig zu bemängeln gibt es an der Akustik: die Simlisch-Sprache passt optimal zum Theater-Ansatz, die Musik bedient sich mittelalterlicher Instrumente und Melodien. Und die Geräusche passen einfach - angefangen vom Aufeinandertreffen von Klingen bis hin zum Schmiedehammer, der den Amboss trifft.     

Fazit

Die Sims machen Theater.  Nicht nur durch die relativ starre bühnenähnliche Ansicht der Innenräume kommt dieser Eindruck auf. Denn anstatt komplett auf offenes Spiel zu setzen, wird durch die Aufgaben-Struktur aus den bisherigen Seifenopern ein interessantes sowie unterhaltsames Kammerspiel , das an Monty Python erinnert. Da es für viele der abwechslungsreichen Aufgaben unterschiedliche Lösungswege sowie damit verbundene Protagonisten gibt, bietet der mittelalterliche Abstecher einen angemessenen Wiederspielwert - der nur dadurch gesenkt wird, dass der Questpool so klein ist. Spielerisch stuft man das Mikromanagement der Sims positiv zurück und ersetzt dies durch den Fokus auf die eigentlichen Missionen - ohne jedoch dem Herrscher vor dem Keyboard das Experimentieren mit Aktionen und Reaktionen zu nehmen. Schade ist allerdings, dass es auch die Theater-Sims nicht schaffen, komplett saubere Bewegungsübergänge ohne deutliches Stocken oder Wartezeiten zu inszenieren. Auch andere bekannte Sims 3-Mankos im Bereich der KI treten erneut auf. Dennoch: Das Mittelalter bringt frischen Wind in das Sims-Universum und bietet sich dank einer noch leichteren Zugänglichkeit sowie dem Fokus auf knackige Geschichten auch für jene an, die bislang aufgrund des Zeitaufwands einen Bogen um die schrägen Figuren gemacht haben.

Pro

stark reduziertes Mikromanagement der Sims
missionsbasierte Erzählstruktur
Quests lassen sich abhängig vom Helden unterschiedlich lösen
umfangreiche Editoren
konsistente Welt innerhalb einer Bestrebung
versteckte Aufgaben, Geheimnisse
Gebäudeinneres wie eine Theaterbühne
stimmungsvolle Musikuntermalung
Entscheidungen
hoher Wiederspielwert

Kontra

kleiner Questpool
gelegentlich KI-Probleme
Animationen zwischen Aktionen mitunter stockend
Entscheidungen häufig gleichgültig
einige Längen und Wartephasen
es gibt immer noch Gebiete, in denen man nur passiv teilnimmt

Wertung

PC

Eine unterhaltsame Neuausrichtung der Serie mit Fokus auf Helden und Missionen, deren Potenzial von Detailschwächen ausgebremst wird.

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