Microsoft Flight06.03.2012, Paul Kautz
Microsoft Flight

Im Test:

Microsoft, grüß mir die Flieger: Knapp sechs Jahre nach dem Flight Simulator X und zwei Jahre nach der offiziellen Einstampfung der klassischen Serie geht es offiziell wieder unter MS-Flagge in die Lüfte - nur etwas anders als bisher.

Nimm mich, ich bin kostenlos!

Hui, Hawaii: Microsoft Flight lässt euch die Pazifikinseln aus der Luft erkunden.
Hui, Hawaii: Microsoft Flight lässt euch die Pazifikinseln aus der Luft erkunden.
"Free to play" ist weniger Designmotto als Stigma, verbindet man damit doch zumeist billig hingeschluderte Flash-Abenteuer, in denen per Itemverkauf der große Reibach gemacht werden soll. Ist auch oft genug so, nicht immer, aber oft. Und es funktioniert erstaunlich gut. So gut, dass selbst ein unbeweglicher Koloss wie Microsoft die Zeichen der Zeit erkannt und auf eine seiner traditionsreichsten Marken angewandt hat. Das Resultat: Microsoft Flight (MSF) ist in seiner Basisversion komplett kostenlos.

Diese Grundfassung umfasst die Hauptinsel von Hawaii ("Big Island"), den (noch nicht in Serienproduktion befindlichen) Amphibienflieger Icon A5 , diverse Einsätze und Herausforderungen sowie den kompletten Mehrspielermodus. Das ist ziemlich viel fürs Nichtgeld, damit kann man problemlos mehrere Tage lang Spaß haben. Einen Nachschlag gibt’s für Spieler, die sich mit ihrem Games-for-Windows-Live-Account anmelden: Die erhalten weitere Einsätze, ein Pilotenlogbuch sowie die Boeing Stearman PT-17 obendrauf. Sowie natürlich Achievements, falls man Wert darauf legt, diese zu sammeln.

Standardmäßig ist nur eine Maschine vorhanden, für weitere muss man die Kreditkarte zücken.
Standardmäßig ist nur eine Maschine vorhanden, für weitere muss man die Kreditkarte zücken.
Wem das nicht reicht, der muss zur Kreditkarte greifen: Das "Hawaii-Abenteuer-Paket" kostet umgerechnet knapp 20 Euro, und bringt zusätzliche Fluggebiete (ganz Hawaii), noch mehr Einsätze/Herausforderungen sowie den spritzigen Kunstflieger Van’s RV-6A mit sich. Außerdem stehen aktuell zwei weitere Maschinen im Hangar zum Kauf bereit: Die zivile Version der P-51 Mustang (knapp neun Euro) sowie die Maule M-7 für knapp 15 Euro. Wieso der erhebliche Preisunterschied? Die Maule kommt mit komplett modellierten 3D-Cockpit daher, die Mustang dagegen hat gar keines und darf nur aus der Außenperspektive geflogen werden.

Äh, wie bitte?

Machen wir es kurz: MSF ist eine Simulation light. Wer Freude an Funkfeuern oder einer zwei Stunden dauernden Startprozedur hat, ist bei den Vorgängern oder beim leicht moderneren X-Plane 10 deutlich besser aufgehoben. MSF hat standardmäßig alle Vereinfachungen aktiviert, so dass die Maschine normalerweise wie auf Beton durch die Lüfte gleitet. Doch selbst wenn man die erhöhte Stabilität,

Hat die Maschine ein Cockpit, kann man sich darin frei umsehen. Und die Aussicht ist gut: MSF ist ein ansehnliches Spiel.
Hat die Maschine ein Cockpit, kann man sich darin frei umsehen. Und die Aussicht ist gut: MSF ist ein ansehnliches Spiel.
das automatische Gemisch oder das weiche Bremsen abschaltet, bleibt eher ein Simulatiönchen als eine echte Simulation. Man braucht nicht mal einen Flightstick dafür, alle Flugzeuge sind komplett per Maus kontrollierbar. Klingt nach Sakrileg? Ist es angesichts der ruhmreichen, anspruchsvollen Serienvergangenheit vermutlich auch. Hardcore-Fans mit komplett nachgeschraubtem Cockpit im Keller können all ihre HOTAS-Systeme und Pedale natürlich auch nutzen. Aber diese Gruppe dürfte kaum im Fokus der MSF-Entwicklung gestanden haben.

Stattdessen richtet sich die Aufmerksamkeit auf den Flugschüler: Er wird freundlich begrüßt und durch ein sehr angenehm geleitetes Tutorial geführt. Danach hat man immer die Wahl, wie mittelschwer man sich das Leben machen möchte: Fliege ich selbständig zum nächsten Wegpunkt, oder mache ich den Strike Commander und überspringe die Zeit dahin einfach? Lande ich nach PAPI und VASI oder setze ich die eh unzerstörbare Mühle einfach so auf wie ein aus dem Orbit geworfenes Haus? Gehe ich vor dem Start akribisch die Checklisten durch oder brause ich einfach davon? Ist alles möglich.

Es gibt viel zu tun - packen wir’s ein!

Der Multiplayermodus unterscheidet sich vom normalen lediglich dadurch, dass man nicht allein im Himmel unterwegs ist. Es gibt keine echte kooperative Komponente.
Der Multiplayermodus unterscheidet sich vom normalen lediglich dadurch, dass man nicht allein im Himmel unterwegs ist. Es gibt keine echte kooperative Komponente.
Simulationen wie X-Plane 10 mögen zwar die Leute erfreuen, die unter einer Simulation verstehen, dass hier tatsächlich alles wie in der echten Welt simuliert wird. Der Rest der Menschheit steht allerdings daneben, kratzt sich vielleicht kurz am Hinterkopf und wendet sich dann unter Fragen wie "Und das soll Spaß machen?" angeödet ab. Genau diese Sonntagsflieger werden in MSF ausführlich bedient - denn hier gibt es tatsächlich auch ein Spiel zum Spiel!

Zum einen kann man sich an Einsätzen versuchen: Kunstflüge machen, jemanden von A nach B transportieren, einen Fotografen von einem knipswürdigen Punkt zum nächsten fliegen, einen Hindernisparcours durchrasen, Checkpunktflüge absolvieren oder als Flieger der Küstenwache einen verschwundenen Kajakpaddler finden und retten. Innerhalb der Missionen gibt es viele, gut platzierte Checkpunkte, so dass man nach einem Crash nicht wieder von ganz vorn anfangen muss. Zum anderen warten jede Menge "Aerocaches". Das sind Pendants der gegenwärtig so modernen Geocaches , nur eben nicht unter, sondern über der Erde. Auf die stößt man entweder per Zufall (fliegt man nahe genug an einem vorbei, wird man darauf hingewiesen), oder man sucht gezielt danach. Zu jedem Aerocache gibt es einen Hinweis, den Rest soll man sich per Internetrecherche selbst zusammengoogeln und dann drauflos flattern - wobei ein Sensor optional noch die relative Entfernung zum Aerocache anzeigt.

Im Gegensatz zu X-Plane 10 und Co. ist hier tatsächlich auch ein Spiel enthalten: Man kann sich die Zeit mit Einsätzen, Herausforderungen und der Jagd nach Aerocaches vertreiben.
Im Gegensatz zu X-Plane 10 und Co. ist hier tatsächlich auch ein Spiel enthalten: Man kann sich die Zeit mit Einsätzen, Herausforderungen und der Jagd nach Aerocaches vertreiben.
Und wozu das Ganze? Natürlich zum Levelaufstieg: Jede absolvierte Mission und jeder gefundene Aerocache geben Erfahrungspunkte, die zu einem höheren Pilotenrang führen - der wiederum schaltet weitere Einsätze, Aerocaches oder Flugzeug-Lackierungen frei, woraufhin man die Sphären u.a. mit Tiger- und Zebrastreifen unsicher machen darf.

Der schöne Schein

Dabei muss man nicht allein sein, denn es gibt ja den Mehrspielermodus: Aktiviert man diesen (entweder frei für alle oder nur für die Freundesliste), tummeln sich über kurz oder lang bis zu 15 weitere Piloten mit auf dem Server - das war’s. Man kann mit ihnen chatten (per Text oder Mikro), aber echte Kooperation in Form spezieller Missionen gibt es nicht. Das Schweben durch die Lüfte Hawaiis wird von einem sehr angenehmen und unaufdringlichen Tribal-Soundtrack begleitet, der die Hoffnung weckt, dass der König der Löwen hinter einer Ecke hervor maunzt.

Der MSF hat einen großen Vorteil im Vergleich zu X-Plane 10: Er simuliert nur einen sehr kleinen Teil der Welt - dementsprechend detailliert ist Hawaii auch geraten. Aus großer bis mittlerer Höhe sind die Inseln eine Freude für die Augen, detailreiche Städte und Wälder verzieren die Landschaft, das Wasser glitzert und plätschert entspannt vor sich her. Die Maschinen sehen sowohl von innen als auch außen sehr gut aus, kleine Details wie Kratzer in den Scheiben werden ebenso dargestellt wie Echtzeit-Schatten in den Cockpits.

Sind die Japaner wieder da? Die Wolkendecke erinnert an heftigen Flakbeschuss. Auch unten ist nicht alles heile Welt: Simulator-typisch sollte man nicht zu allergisch auf Matsch-Texturen reagieren.
Sind die Japaner wieder da? Die Wolkendecke erinnert an heftigen Flakbeschuss. Auch unten ist nicht alles heile Welt: Simulator-typisch sollte man nicht zu allergisch auf Matsch-Texturen reagieren.
Der Tradition der Flugsimulatoren entsprechend verliert die hübsche Fassade an Faszination, sobald man in den Tiefflug geht oder zur Landung ansetzt - denn dann schwebt man über matschigen Bodentexturen, vorbei an hässlichen Sprite-Bäumen. Ärgerlich waren für mich auch die gelegentlich auftretenden Grafikfehler (flackernde oder fehlende Texturen, in der Luft schwebende Bäume), die sich nur durch einen MSF-Neustart beseitigen ließen. Nicht störend, aber schade: Unabhängig davon, wie viele Passagiere man transportiert (die einen zuquasseln oder bei zu heftigen Manövern schon mal drauflos reihern), man ist immer allein im Flugzeug, wenn man sich umsieht. Und die fluffigen Wolken sind ein bisschen zu geometrisch ausgerichtet  - das Ganze sieht dadurch eher nach Flakfeuer als nach Stratocumulus aus. Nichtsdestotrotz: Aus einer rein grafiktechnischen Perspektive ist der MSF der X-Plane-Konkurrenz haushoch überlegen, und hat dabei auch deutlich niedrigere Hardwareanforderungen für volle Details.

Fazit

Es hat schon seinen Grund, warum hier kein »Simulator« im Namen steht: MSF ist sehr unterhaltsam, aber kein echter Ersatz für den Microsoft-Klassiker. Flugfans aus Sparta kommen daher beim sperrigen X-Plane mehr auf ihre Kosten, denn Flight ist deutlich entspannter und zugänglicher - und bietet dabei auch ein Spiel. Man darf halt nur keine echte Simulation erwarten; es gibt keinen Funkverkehr, im Luftraum über Hawaii ist außer im Mehrspielermodus nichts los - und dieser bietet lediglich eine Plattform für gemeinsames Schrabbeln durch die Lüfte, keine echten Koop-Aufträge. Sucht man über den Wolken einfach nur etwas Entspannung, ohne telefonbuchdicke Handbücher wälzen zu müssen, fliegt man hier richtig. MSF ist quasi ein erwachsenes Pilotwings, vergleichbar mit dem alten Looking-Glass-Freudespender Flight Unlimited . Das Ganze bleibt allerdings in jeder Hinsicht sehr oberflächlich und anspruchslos.

Wertung

PC

Ein entspanntes Simulatiönchen für Anspruchslose: Sieht nett aus, ist einfach zu bedienen, bietet aber wenig Inhalt.

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