ANNO 207021.11.2011, Marcel Kleffmann
ANNO 2070

Im Test:

Schöne neue Welt: Mit ANNO 2070 (ab 4,75€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) brechen Related Designs, Blue Byte und Ubisoft mit den mittelalterlichen Tugenden und geben dem fünften Teil der Aufbaustrategie-Wirtschaftssimulation ein moderneres Gesicht. Und der neue futuristische Anstrich macht umgehend neugierig. Aber was verbirgt sich darunter? Kann man das vertraute Spielprinzip in der Zukunft noch unterhaltsamer und komplexer gestalten sowie alte Schwächen beseitigen?

Gratulation! Es ist ein ANNO!

Auch wenn ANNO 2070 im Sci-Fi-Look daherkommt, unter der Oberfläche ist es ein klassisches ANNO. Kurz gesagt geht es darum, Inseln zu besiedeln und zahllose Waren für die Einwohner zu produzieren. Je weiter sich die Bevölkerung entwickelt, desto mehr neue und entsprechend komplexer herzustellende Güter benötigen sie. Somit besiedelt ihr neue Inseln, baut kräftig Rohstoffe ab, verarbeitet sie weiter und bringt diese dann via Handelsrouten zur Hauptsiedlung.

Nur eine große ANNO 1404-Mod?

Kenner der Reihe, insbesondere des hervorragenden Vorgängers ANNO 1404, werden vor allem in der Anfangsphase ein ziemlich starkes Déjà-vu erleben, denn trotz stellenweise veränderter Warenicons bzw. Namen und den neuen Gebäudetexturen gibt es zunächst kaum Unterschiede festzustellen. Erst müsst ihr Fisch besorgen und dann später Werkzeuge, die bekanntermaßen Kohle und Eisen, eine Eisenschmelze sowie eine Werkzeugproduktionsstätte brauchen - nichts Neues! Auch das Menüsystem und die Visualisierung der Bedürfnisse der Einwohner in einem Kreisdiagramm wirkt sehr vertraut - wobei ich Letzteres nach wie vor für sehr gelungen und aussagekräftig halte. Zwischendurch warten immer wieder kleinere Neuerungen und spätestens ab der zweiten oder dritten Entwicklungsstufe wird ANNO 2070 eigenständiger in Bezug auf Produktionsketten, Waren und Abläufe, ohne sich jedoch vollständig aus dem Schatten von ANNO 1404 zu lösen. Für Kenner des Vorgängers ist es nicht eigenständig genug, denn viele Versuche oder Ideen sind zwar gut angedacht, aber zu zaghaft umgesetzt.

Den Anfang macht das Szenario: Obwohl der Anstrichwechsel dem Spiel wirklich gut tut und die grundlegende Umsetzung mit wuselnden Menschen und fliegenden Autos schön anzusehen ist, wird die spielerische Leichtigkeit bzw. die durchweg freundliche Atmosphäre des Vorgängers nicht in dem Maße erreicht. Zwar ist ANNO auch in der Zukunft ein positives Erlebnis - mit netten NPCs - und längst nicht von kriegerischen Belangen geprägt, aber es ist nicht zu verleugnen, dass die Grundstimmung eher in Richtung Endzeit und Ernst tendiert. Zudem nutzen die Entwickler das Szenario nicht in dem Maße wie es möglich wäre, denn die Geschichte der Kampagne ist einfach gestrickt, die austauschbaren Charaktere lassen sich wunderbar in stereotype Schubladen sortieren und viele mögliche Hintergründe bleiben ungenutzt. Das interessante Zukunftsszenario wird kaum ausgeschöpft.

Das Zukunftsszenario steht der ANNO-Reihe wirklich gut.
Das Zukunftsszenario steht der ANNO-Reihe wirklich gut.

Ecos und Tycoons

Die auffälligste Neuerung sind die zwei spielbaren Fraktionen - erstmals in der ANNO-Reihe. Im Gegensatz zu den eineinhalb Parteien im Vorgänger (Okzident und Orient) gibt es nun die Industriellen "Tycoons", bedacht auf Effizienz und Produktivität sowie ihr krasser Gegensatz, die naturliebenden "Ecos". Beide Fraktionen bringen eigene Gebäude und Produktionsketten an den Start.

Die Unterschiede zwischen den Fraktionen sind am Anfang wiederum marginal: So brauchen die Eco-Einwohner leckeren Tee als Getränk und die Tycoons verlangen nach Schnaps. Ihr baut also je nach Fraktion bloß ein anderes Gebäude für die prinzipiell gleichen Bedürfnisse. Die Schere zwischen den Fraktionen geht erst mit zunehmendem Spielverlauf weiter auseinander, vor allem bei der Ökobilanz, aber ansonsten hätten die Unterschiede ruhig größer ausfallen können, denn am generellen Spielprinzip ändert die Fraktionswahl nichts. Z.B. hätte man einbauen können, dass die Eco-Einwohner ein exklusives Bedürfnis nach Bäumen oder anderen Zierobjekten (die es trotz Handbuchverweis momentan nicht gibt) haben, das es in die Stadtplanung mit einzubauen gilt.

Die Ökobilanz und Energiewirtschaft

Apropos Ökobilanz: Je nachdem was ihr für Gebäude auf einer Insel erreichtet, wird das jeweilige Ökosystem beeinflusst. Bauen Tycoons z.B. einen Industriepark mit Schornsteinreihenkultur, so wird sich das wohlige Grün der Insel in ein schmuckloses Grau verwandeln - zudem sinken Zufriedenheit der Bevölkerung und die Produktionseffizienz von Anbaubetrieben. Da die Tycoons allerdings nicht so umweltverliebt sind, ist ihre Toleranz gegenüber diesen Umwelteinflüssen relativ groß. Bei den Ecos sieht es anders aus: Wesentlich kleinere Einbußen in der Ökobilanz verärgern die Einwohner und lassen die Effizienz der Betriebe sinken. Da helfen nur Interventionen in Form von Gebäuden - u.a. Wetterkontrollstationen - welche die Bilanz wieder verbessern, aber dabei eine Menge Strom verbrauchen. Die Reaktionen auf die Ökobilanz ist der nennenswerteste Unterschied zwischen den beiden Fraktionen, aber in der Tat ist die Bilanz nur ein inselweiter Produktions-/Effizienz Buff bzw. Debuff, der sich mit entsprechenden Gebäuden beeinflussen lässt. Trotzdem weiß dieses Element zu überzeugen.

Neu ist ebenso Energie, denn in der Zukunft brauchen viele Produktionsgebäude diese inselweite Ressource. Ohne den nötigen Strom funktionieren manche Produktionen oder Gebäude langsam bis gar nicht. Wie es für die jeweiligen Fraktionen gehört, bauen die Tycoons luftverpestende Kohle-Kraftwerke oder verwenden die Hochrisikotechnologie Atomkraft. Windkraftanlagen, Blockheizkraftwerke und Solaranlagen kommen bei den Ecos zum Einsatz. Hierbei nehmen die Gebäude bei den Tycoons tendenziell mehr Bauplatz in Beschlag (Schaufelradbagger plus Kraftwerk), während die Windkraftanlagen (und ebenso die umweltverbessernden Wetterkontrollstationen) gehörigen Abstand voneinander haben müssen, sonst sinkt ihre Effizienz.

Generell spielt es sich so, dass man als Eco-Vertreter ein stärkeres Auge auf die Ökobilanz werfen sollte und mit stellenweise ordentlichen Boni belohnt werden, während man bei den Tycoons die Umweltverschmutzung bis zu einem bestimmten Grenzwert außer Acht lassen kann. Dennoch ist es auch als Tycoon angeraten, Gebäude zu bauen, welche die Ökobilanz verbessern, schließlich ist die von der Umwelt beeinflusste Produktionseffizienz keinesfalls zu vernachlässigen - zugleich können Katastrophen vermieden werden. In diesem Sinne ist es schade, dass kein Energie- oder Schadstoff-Handel bzw. Abkommen zwischen Ecos/Tycoons etabliert werden kann.

Ecos und Tycoons verstehen sich

Das Menü-Interface mit den Bedürfnissen dürfte Spielern von ANNO 1404 vertraut vorkommen.
Das Menü-Interface mit den Bedürfnissen dürfte Spielern von ANNO 1404 vertraut vorkommen.
 Trotz der unterschiedlichen Weltanschauungen sind die beiden Fraktionen keinesfalls verfeindet, weder in der Kampagne noch im Endlosspiel. Vielmehr könnt und sollt ihr sogar gemischte Tycoon/Eco-Siedlungen hochziehen, denn ab der höchsten Entwicklungsstufe einer Fraktion, erhaltet ihr Zugriff auf die Bauinformationen des jeweils Anderen. So könnt ihr aus der kompletten Baupalette der Ecos und Tycoons schöpfen, jedoch sind nicht sofort alle Gebäude und Technologien freigeschaltet, dazu müsst ihr erstmal eine entsprechende Siedlung hochziehen, um an die interessanten höherstufigen Gebäude zu gelangen - insbesondere bei der Verbesserung der Ökobilanz ist so manch ein Eco-Bauwerk als Tycoon nicht zu verachten.

Die Technokraten

Wer den Orient aus ANNO 1404 vermisst, der wird neuerdings mit der Tech-Fraktion vorlieb nehmen müssen, die als dritte Gruppierung mit von der Partie ist und das nervigste Denglisch seit Starlancer spricht. Diese Forscher-Kaste gewährt euch - wie damals Großwesir Al Zahir - Zugang zu eigenen Gebäuden und speziellen Ressourcen. Somit könnt ihr im finalen Spiel sowohl Siedlungen mit den Ecos, Tycoons als auch den Techs aus dem Boden stampfen.

Habt ihr also Zugang zur Tech-Fraktion erhalten, lassen sich neue Tech-Siedlungen mit zwei Zivilisationsausbaustufen - wie der Orient - hochziehen. Obwohl es diesmal möglich ist, die maximale Zivilisationsstufe (Arbeiter, Angestellte, Ingenieure, Manager) der Ecos oder Tycoons ohne Zugang zur Tech-Fraktion zu erreichen, ist es dennoch wichtig, sich mit den Technikfreaks zu beschäftigen. Einerseits erlauben sie euch Forschung zu betrieben und andererseits bringen sie das nötige Wissen mit, damit ihr den Meeresgrund erobern und die dort reichlich vorhandenen Rohstoffschätze (u.a. Manganknollen, Algen, Diamanten, Öl, Gold, Uran, Kupfer) plündern könnt. So verlangen z.B. die "Eco-Executives" (höchste Entwicklungsstufe) nach 3D-Beamern, die aus Diamanten und weiterverarbeiteten Manganknollen hergestellt werden und die gibt es nur unter Wasser.

Deutlich komplexer

Allgemein gilt, dass die zu erfüllenden Bedürfnisse je nach Entwicklungsstufe zunehmend komplexer ausfallen und aufwändiger herzustellen sind, weswegen ANNO 2070 in dieser Hinsicht den Vorgänger in Sachen Umfang bei Waren und Gütern übertrumpft. Gerade in der dritten und vierten Entwicklungsstufe müsst ihr euch um ziemlich viele neue Waren kümmern, neue Inseln besiedeln, die Tiefsee erobern und irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass in diesem Zeitraum deutlich mehr zu tun (Bauen, Planen, Erforschen, Erobern etc.) ist als beim Vorgänger. Der Leerlaufspanne ist niedriger.

Nach wie vor greift in dieser Hinsicht das klassische Spielprinzip und motiviert stets die Bedürfnisse der Bewohner zu erfüllen, um wiederum die Weiterentwicklung der eigenen Siedlung in Gang zu setzen, die Gebäude-Aufwertungen zu sehen und neue Einrichtungen freigeschaltet zu bekommen - auch wenn ich mir gewünscht hätte, einige exotischere oder futuristischere Dinge herstellen zu dürfen. Neue Gebäudetypen werden übrigens erst bei einer bestimmten Anzahl an Einwohnern der jeweiligen Entwicklungsstufe freigeschaltet. Man ist quasi dazu gezwungen erst viele Hütten zu bauen und damit Steuern einzunehmen, damit die nächsten Gebäude überhaupt erst zugänglich gemacht werden. Dadurch wurde das Risiko gesenkt, tief ins Steuerloch zu fallen.

Obwohl die besiedelbaren Unterwasserplateaus wirklich schick anzusehen sind und eine willkommene Neuerung darstellen, so darf man nicht vergessen, dass sie im Prinzip nur kleine Inseln mit sehr eingeschränkten Bauoptionen sind - schließlich können Unterwasser keine Wohngebäude gebaut werden. Stattdessen baut ihr "nur" wie gewohnt Rohstoffe ab, baut Weiterverarbeitungsanlagen sowie Unterwasserstraßen und Energiegeneratoren. Schade, die Unterwasserplateaus sind nichts mehr als normale Inseln mit anderer Optik.

Forschung

Toll finde ich hingegen das Forschungssystem, das die Tech-Fraktion mit sich bringt. Die erste Ausbaustufe des Labors lässt euch temporäre Buffs (Produktionsbeschleunigung für fünf Minuten oder Angriffskraft erhöhen etc.) erforschen, die dann in Form von Gegenständen die Siedlung oder bestimmte Schiffe für einige Zeit verbessern. Erst mit der Akademie, die eine ausgedehnte Tech-Siedlung voraussetzt, können dauerhafte und mächtige Verbesserungen hergestellt werden. Solch eine Forschung dauert lange, entfaltet aber eine mächtige Wirkung und die Auswahl der zur Verfügung stehenden Items, ist wirklich vielfältig.

Die hübsche Unterwasserwelt hätte ruhig mehr Spieloptionen bieten können.
Die hübsche Unterwasserwelt hätte ruhig mehr Spieloptionen bieten können.

Diplomatie und Kampf

Je nachdem mit welchen (computergesteuerten) Mitspielern bzw. KI-Profilen ihr euch die Inselwelt teilt, fallen die Reaktionen der Kontrahenten auf euer Vorgehen unterschiedlich aus. So freuen sich die Tycoons-Mitspieler zum Beispiel wenn ihr neue Inseln besiedelt oder bestimmte Produktionlevels erhöht, was manche Ecos gar nicht so gerne sehen, dafür aber auf nachhaltige Bauweisen und die Ökobilanz achten. So wird manch ein Kommentar von einem NPC zu der aktuellen Lage abgegeben und daraufhin kann sich der diplomatische Ruf verändern - auch gelegentliche Handelsaktivitäten, das Lösen von speziellen Quests oder das Schenken von Geld können den diplomatischen Status verändern. Echte Verhandlungen mit den Anführern der anderen Parteien gibt es nicht, würden aber meiner Ansicht nach in ANNO 2070 zu weit gehen. Trotz aller Freundschaft und den zumeist recht zahnlos - stellenweise sogar schwach - agierenden Computergegnern sind kriegerische Konfrontationen eher die Ausnahme, obgleich das Kampfsystem diesmal ganz gut ist.

Durch einen geschickten Schachzug, nämlich die Verbannung sämtlicher Bodeneinheiten, wurde das Kampfsystem grundlegend entrümpelt. Gekämpft wird mit Schiffen, U-Booten und Flugzeugen - sowie entsprechenden Verteidigungsgeschützen.  Zwar ist die taktische Tiefe nach Schere-Stein-Papier-Prinzip eher übersichtlich, aber für ANNO 2070 reicht es aus und mit den Flugzeugen oder U-Booten lassen sich tatsächlich gezielt Überraschungsangriffe - auf Rohstoffquellen und Co. - durchführen. Verbesserungen der Einheiten durch die Items und Spezialaktionen sind ebenfalls nicht zu verachten. Übrigens: Futuristische Laserwaffen gibt es zum Glück nicht. Allerdings wundert es mich doch ein bisschen, dass es zwar Flugzeuge und Flughäfen gibt, aber der Warentransport weiterhin ausschließlich mit Schiffen oder U-Booten stattfindet. Schade eigentlich, denn so hätte man noch einen weiteren Transportweg etablieren können, auf dem man nicht so viele Waren (niedrige Tonnage), diese dafür aber schneller hätte transportieren können - vielleicht durch den Verbrauch von Kerosin.

Grauselige Kampagne

Ganz ehrlich: Hätte Related Designs die Kampagne weggelassen - außer vielleicht einige Tutorial-Missionen - und dafür zum Beispiel mehr Szenarios eingebaut, es hätte dem Spiel gut getan, denn die vorliegenden drei Mini-Kampagnen sind eines ANNO nicht würdig. Warum? Das hat mehrere Gründe: Abgesehen von den völlig austauschbaren und unglaublich stereotyp wirkenden Protagonisten (der fiese nach Profit strebende Industriemogul, die gutherzige Umweltschützerin etc.) ist die erzählte Geschichte kein sonderlicher Höhenflug und es dreht sich nicht einmal, um die Streitereien zwischen Ecos und Tycoons, sondern um die Forscher und die Bergung eines Artefakts - mehr soll an der Stelle nicht verraten werden. Aus dem Szenario wäre sicherlich mehr rauszuholen gewesen, dennoch ist die Story für eine Aufbausimulation geradeso in Ordnung, schließlich bietet sich das Genre nicht wirklich für mitreißende Geschichten an, jedoch zumindest erinnerungswürdige Charakterköpfe hätten die Entwickler schaffen können. Nein. Sie wirken alle austauschbar. Dafür ist die Präsentation und die Inszenierung für ANNO-Verhältnisse mit hübsch animierten Charakterportraits erstklassig gelungen. Das Gleiche gilt für die Zwischensequenzen, die meist aus Kameraflügen und konkreten Ereignissen in der Spielwelt bestehen - deutlich besser als beim Vorgänger.

"Global Trust" stellt sich vor - mit einem animierten Portrait.
"Global Trust" stellt sich vor (mit einem animierten Portrait).

Wesentlich schlimmer ist das Design der Missionen. So besteht ein Großteil der Aufträge darin, irgendwelche Waren, Dinge oder Questgegenstände von A nach B zu schippern. Oftmals gerät der Aufbaufokus blöderweise in den Hintergrund und erst in den letzten Missionen darf man munter drauflos bauen. Als schlecht durchdacht empfand ich zudem die erste Mission der zweiten Kampagne. Dort reichte es eigentlich aus, wenn man nur eine Tech-Siedlung baute, aber es war auch möglich und sogar nötig eine Eco/Tycoon-Siedlung parallel zu errichten, sofern man an einer annährend positiven Bilanz interessiert war. Ich tat also beides und mitten im Verlauf der Mission bekam ich eine Quest - ein Wissenschaftler meldete sich krank - und kurz darauf sammelten alle Fischer nur noch "verdorbenen Fisch" anstatt des "normalen Fisches", der das Nahrungsbedürfnis der Einwohner stillt.

Und was passiert, wenn die Einwohner keinen Fisch bekommen? Genau, sie verlassen die Insel und schwupps war meine Siedlung wie leergefegt und die Versorgungsgebäude ruinierten meine Bilanz; der Tech-Fraktion ging es hingegen gut. Im Forschungslabor war darüber hinaus eine rettende Technologie (Antibiotika) zu finden, konnte jedoch nicht angeklickt werden - es fehlte wohl ein Trigger-Element, obwohl ich alle Aufgaben gelöst und die Karte vollständig aufgedeckt hatte. Kurioserweise ließ sich die Mission danach erfolgreich abschließen, in dem ich das zentrale Quest-Artefakt erforschte und zur Hauptinsel schipperte. Und da man die bisherige Siedlung - in der jeweiligen Kampagne - mit in die nächste Mission nimmt (eine wirklich tolle Idee), durfte ich im zweiten Einsatz gleich mit meiner verlassenen Siedlung wieder vorlieb nehmen. Auch der vergammelte Fisch wurde fleißig weiter produziert und dann poppte endlich der erlösende Auftrag von E.V.E. auf, um die Fisch-Seuche zu bekämpfen. Warum musste sich das über zwei Missionen hinziehen und konnte nicht gleich ausgelöst werden? Laut dem Forum bin ich übrigens nicht der Einzige mit diesem Problem. Anschließend ließ sich die Mission reibungslos weiterspielen und ich beendete den Einsatz erfolgreich. "Sie haben gewonnen" prangte auf den Bildschirm, doch irgendwie wurde die letzte Kampagnenmission dann nicht freigeschaltet. Ganz toll!

Szenarios und endlos tolle Partien

Es gibt zahlreiche Einstellungsmöglichkeiten für den Endlos-Modus.
Es gibt zahlreiche Einstellungsmöglichkeiten für den Endlos-Modus.

Nach der doch enttäuschenden Kampagne, die wie ein überlanges Tutorial wirkt, wird man vom Szenario-Modus und der Endlosvariante wahrhaft verwöhnt. Bei den sieben Szenarios dürft ihr entweder eine ganz friedliche riesige Inselwelt besiedeln, müsst ein Monument - das größte Gebäude - errichten, euch Rohstoff-Lieferduelle mit anderen Personen liefern oder reichlich Handel treiben, um ein Vermögen zu erwirtschaften. Wie schon geschrieben, anstatt der Kampagne hätte ich lieber mehrere Szenarien gesehen.

Das Herz von ANNO ist und bleibt meiner Meinung nach der Endlosmodus und dieser bietet eine Fülle von Einstellungsmöglichkeiten wie Startguthaben, Lizenzen, Baukostenrückerstattung, Fruchtbarkeiten sowie Technologiekatastrophen (Ölpest, Kernschmelze etc.). Abermals sticht ANNO mit dem Endlos-Modus jegliche (magere) Konkurrenz in diesem Genre aus. Auch die möglichen Gegenspieler könnt ihr euch anhand von Portraits und Charakterbeschreibungen (z.B. expansionsorientiert) genau aussuchen oder ihr startet das Spiel gleich als Mehrspieler-Partie. Wie in den bisherigen ANNO-Teilen gilt ebenso im Jahr 2070: Nichts geht über den Endlosmodus in Verbindung mit den Szenarios.

Vorteile von Online-Spielern

Obwohl ANNO 2070 offline gespielt werden kann, bekommen diejenigen, die ANNO online spielen diverse Vorteile gewährt - einerseits die Möglichkeit an Online-Mehrspieler-Partien teilzunehmen (kein LAN-Modus) und andererseits gibt es jede Menge Bonus-Features. Neben Hunderten von Achievements und der Möglichkeit die Arche weiterzuentwickeln und damit einen Teil des Singleplayer-Fortschritts in Endlos- oder Mehrspieler-Partien zu nehmen (großartige Idee), sind noch das Welt- und Tagesgeschehen erwähnenswert. Das Weltgeschehen ist momentan nicht verfügbar, scheint aber eine Art neue Mission/Szenario zu sein (Spekulation), während das Tagesgeschehen ein wechselnder neuer Auftrag (Quest) für alle Endlos- oder Einzelspieler-Missionen ist.

Dann gibt es dort noch zwei Wahlmöglichkeiten und zwar lassen sich Senat und Weltrat für eine bestimmte Legislaturperiode wählen. Bei der Senatswahl darf man zum Beispiel für einen Vertreter der Fraktionen stimmen, der dann bestimmte Aspekte im Spiel verbessert. Momentan hat man zum Beispiel die Wahl zwischen "Unterhalts- und Baukosten aller Schiffe und U-Boote reduziert" oder "Produktivität aller Produktionsbetriebe erhöht" - keine wirklich schwere Wahl und so haben sich knapp 80% der Spieler für die Produktivitätserhöhung entschieden. Nichtsdestotrotz ist dies eine schöne Idee, die durch andere Wahlmöglichkeiten wohlmöglich interessanter werden könnte.

Mehrspieler-Schwierigkeiten

So lobenswert die Implementierung des Mehrspieler-Modus (Szenario, Endlosmodus) vom Start weg ist, so schnell werden die Partien derzeit von Verbindungsproblemen nach einiger Spielzeit geplagt - oft werden die Matches asynchron und müssen dann wieder neu geladen werden, sofern das funktioniert. An der Stelle besteht klar Handlungsbedarf, schon allein weil sich im offiziellen Forum die Beschwerden häufen.

Fazit

Mit Kampagne, Szenarios, Endlosspiel und einem Mehrspieler-Modus ist ANNO 2070 das umfangreichste ANNO aller Zeiten – allerdings nicht das beste. Der neue Anstrich tut der Reihe wirklich gut und das bewährte Konzept funktioniert auch in der Zukunft tadellos, doch werde ich den Eindruck nicht los, dass ich ANNO 1404 "in Grün" spiele. Ein Großteil des Spielprinzips, des Inhalts, des Interfaces, der Features und der Mechanik wurden übernommen - und viele der Neuerungen wirken zu zaghaft oder halbherzig implementiert. So sind die beiden Fraktionen nicht unterschiedlich genug, die Ökobilanz wirkt bloß wie ein inselweiter Buff/Debuff, die Tech-Fraktion ist der neue Orient, die Charaktere sind stereotype Langweiler, Unterwasserplateaus sind fast genau wie normale Inseln und die Storymöglichkeiten wurden längst nicht ausgereizt. Trotz dieser ärgerlichen Versäumnisse ist der Kern noch immer überzeugend: Es macht nach wie vor großen Spaß, Inseln zu besiedeln und sich in prachtvollen Städten, um die Bedürfnisse der Einwohner zu kümmern, schon allein weil die dritten und vierten Entwicklungsstufen so wahnsinnig viele Waren und Güter verlangen. Ich hatte in ANNO 2070 mehr zu tun als in den Vorgängern und die Komplexität ist höher als bei jedem anderen Teil. Zugleich werten die Forschung, das gescheite Kampfsystem und die Arche das Spiel enorm auf. Weshalb ANNO 2070 trotz dieser hohen Güteklasse der Award verwährt bleibt, das liegt am fehlerhaften Mehrspieler-Modus und an der Kampagne, denn das Missionsdesign ist arg verunglückt und zudem sind manche Einsätze fehlerhaft. Solche unnötigen Fehler, halbherzige Ideen sowie andere Kleinigkeiten - wie die fehlenden Zierelemente - deuten daraufhin, dass ANNO 2070 noch einige Monate mehr Reifezeit gebraucht hätte. In dem aktuellen Zustand ist es leider nur ein gutes Spiel...

Pro

Zukunftsszenario mit typischem ANNO-Flair
zwei Parteien plus Tech-Fraktion
höhere Komplexität im Vergleich zu 1404
reichlich Waren und gute Produktionsketten
Ökobilanz beeinflusst Effektivität und Bevölkerung
aufwertbare Arche
Unterwasserinseln
besseres Kampfsystem
viele Forschungsoptionen
zahllose Achievements und Geheimnisse
Inselbaufortschritte bleiben in der Kampagne erhalten
hervorragender Endlosmodus
sehenswerte Ober- und Unterwasserwelt
klar strukturierte Produktionsketten
Bedürfnisse der Bevölkerung werden klar dargestellt
ordentliche Einstiegshilfe und gut gestaltete Lernkurve
Mehrspieler-Modus
Musik-Untermaltung
wirklich ansehnliche und detaillierte Grafik

Kontra

schlechtes Kampagnen-Design
Kampagne wirkt unfertig
Zukunftsszenario wird zu zaghaft genutzt
atmosphärische Defizite; Mittelalterwelt wirkt stimmiger
wenig Unterschiede zwischen den Fraktionen
holzschnittartige und stereotype Charaktere
unübersichtliches, verschachteltes Baumenü
Unterwasserinseln sind nur Rohstofflieferanten
Multiplayer-Stabilität
keine Zierelemente
fehlende Features: Kaimauer bauen, Sofortabholung etc.
stellenweise fragwürdige Balance bzw. Boni

Wertung

PC

Das umfangreichste ANNO aller Zeiten ist leider nicht das beste. Trotz aller Komplexität wirkt es unfertig und lässt viele Chancen ungenutzt.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.