Supreme Ruler: Cold War26.08.2011, Bodo Naser
Supreme Ruler: Cold War

Im Test:

Das bei Paradox erschienene Supreme Ruler Cold War spielt mal nicht im Zweiten Weltkrieg, sondern im Kalten Krieg. Das hört sich theoretisch interessant an; ein Szenariowechsel hat schließlich schon so manchem Genre gut getan. Und es gibt bekanntlich genug Strategen da draußen, die authentische Hintergründe und komplexe Zusammenhänge zu schätzen wissen. Lohnt sich der historische Trip ins Jahr 1949?

Kann ein Eindruck trügen?

Schön ist was anderes. Leider überzeugt auch der Inhakt nicht.
Schön ist was anderes. Leider überzeugt auch der Inhalt nicht.

Als ich im Januar bei einer Präsentation von Paradox Interactive in New York war, wurde dort auch Supreme Ruler Cold War vorgestellt. Das Interesse an dem sperrigen Echtzeitspiel war eher verhalten, da es schon rein äußerlich bieder wirkte. Der erste Eindruck prägt ja bekanntlich – selbst bei Leuten wie mir, die eher auf die Inhalte achten. Aber irgendwie wollte angesichts der langweiligen Bilder keine richtige Spiellaune aufkommen. Die beiden Vertreter der Battlegoat Studios erzählten viel und hatten Ahnung vom Kalten Krieg, aber konnten sie die auch spielerisch nutzen?

Meist ist der erste Eindruck auch nicht ganz falsch, zumindest wenn man sich auf sein Gefühl verlassen kann. Und das lässt einen im Lauf der Testerjahre immer weniger im Stich. Jetzt ist Supreme Ruler erschienen und wirkt so abweisend wie eh und je. Es gibt keine Einführung, so dass die ersten Schritte so schwer fallen, als würde man am Empire State Building fensterln. Das Spiel wurde nur leidlich übersetzt und die Kulisse ist immer noch unterirdisch. Gibt es innere Werte, die man nicht sofort sieht?

Aufgeheizte Zeiten

Neben den zwei Supermächten kann man auch noch kleiner Länder spielen.
Neben den zwei Supermächten kann man auch noch kleiner Länder spielen.

Thematisch spielt es in der Epoche des Kalten Kriegs – genauer ab Oktober 1949, was der einzige Startpunkt ist. Das ist die Zeit unmittelbar nach der Berlin-Blockade, als die Sowjets Berlin einschlossen, um es zur Aufgabe zu zwingen. Überall in der Welt stehen sich die zwei Blöcke unversöhnlich gegenüber, was man vor allem in der Kampagne nachspielen kann, wo man die Sowjetunion oder USA wählen kann. Im Sandkastenspiel sind dann auch die kleineren Länder wie Westdeutschland, DDR oder Tschechoslowakei spielbar. Sonst gibt es noch drei Szenarien, die einem überschaubare Schauplätze wie den Koreakrieg näher bringen.      

Jederzeit kann das pausierbare Geschehen im Krieg enden, wobei auch Atomwaffen abgeworfen werden. Das wird im Spiel durch die DEFCON-Anzeige in der Mitte widergespiegelt, die die Kriegsgefahr angibt. Zu Beginn herrscht DEFCON 4, was erhöhte Friedensbereitschaft heißt. Krise für Krise kommt man der heißen Phase näher, wobei man bei politischen Meldungen auch mit entscheiden muss. Begrüßt man es, dass ein Verbündeter Krieg führt oder bleibt man neutral wie die Schweiz? Schließlich muss man noch in der Anzeige seine Atombomben eintragen, die man bei einem Erstschlag einsetzen will. Hoffentlich hat man auch welche!    

Zäher Verlauf

Obwohl man allerhand bauen und planen kann, verändert sich alles im Schneckentempo.
Obwohl man allerhand bauen und planen kann, verändert sich alles im Schneckentempo.

Das hört sich spannend an, aber das Spiel ist auf Dauer langweilig. Woran liegt es? Das Problem ist, dass alles ewig dauert und man kaum Erfolge sieht. Zwar kann man Wirtschaft, Forschung und Militär beeinflussen. So lassen sich etwa neue Waffen entwickeln, was aber schon eine Zeit dauert. Das Problem ist aber die Phase dazwischen, wenn man nix zu tun hat. Die wird verdammt lang, auch wenn sich das Spiel stufenweise beschleunigen lässt. So sieht man kaum einen Fortschritt, was auch fürs Raumfahrtprogramm gilt. Ein Erfolg ist in etwa so weit weg wie der Mond, da man ausgeklügelte Technologien entwickeln muss. Richtig spannend ist auch das nicht, obwohl es sogar ein eigenes Menü hat.      Ein weiteres lästiges Problem ist, dass gerade die beiden Kampagnen mit ihren Massenheeren verdammt lahm verlaufen. Aufgrund der Größe der Länder kommt es zu Performanceeinbrüchen, die sich in Rucklern bemerkbar machen. Trotz der mauen Grafik, die gewiss nicht viel Rechenpower frisst, spielt es sich streckenweise als wäre es eingefroren. Im Readme steht dazu als Tipp, dass man den Sound ausschalten soll. Bis dato hatte man noch nicht mal bemerkt, dass es einen Sound hat! So viel bringt das nun auch wieder nicht, da die Performance problematisch bleibt. Nur bei kleineren Nationen flutscht es besser.

Sechs Politikbereiche

Was soll eingekauft werden? Man kann auch Produktion und Im- und Exporte kontrollieren.
Was soll eingekauft werden? Man kann auch Produktion und Im- und Exporte kontrollieren.

Bestimmen kann man die Politik aus den Bereichen Staat, Steuern, Wirtschaft, Forschung, Militärproduktion und Verteidigung. Es geht immer um die Versorgung der Leute mit dem Nötigsten. Da kann man dann ein Sägewerk errichten, das dafür sorgt, dass ein Staat nicht mehr so viel Holz importieren muss. Zudem kann man hier die Waffenschmiede anwerfen, um Einheiten zu produzieren. Oder aber man verkauft Rohstoffe zum Höchstpreis. Das alles ist aber verdammt unübersichtlich, da man immer wieder lange Listen durchklicken muss. Wo sind nochmal die Militärtechnologien? Mit einem Entwicklungsbaum, aus dem man auswählen könnte, ginge es leichter.

Wer diese Bereiche nicht selbst managen will, kann sie den Ministern überlassen, was grundsätzlich gut gedacht ist. Denn man kann den Politikern Vorgaben machen, was sie tun oder lassen sollen; etwa immer zu Niedrigstpreisen einkaufen. Allerdings sind die Schaltflächen verdammt klein geraten, so dass man ein geübtes Auge braucht, um überhaupt zu erspähen. Auch hier bekleckern sich die Macher nicht gerade mit Ruhm in Sachen Bedienbarkeit und Überblick: So übersieht man leicht Sachen wie Spionage, die wichtig sein könnten.  

KI kämpft für einen

Wenn es knalllt, darf man nur zusehen.
Wenn es knalllt, darf man nur zusehen. Kriege laufen nämlich automatisch.

Gibt es Krieg, ist man eher Beobachter als der derjenige, der sich unmittelbar beteiligt. Man sorgt dafür, dass die Truppen Nachschub haben und Militärgüter produziert werden, aber eine eigene Strategie braucht man kaum. Der Vormarsch läuft automatisch, wobei die Computergenerale nach schwer zu durchschauendem Schema vormarschieren. Sie greifen immer genau den Gegner an, der sich in ihrer Sichtlinie befindet. Leider rennen sie sich schon mal am Gegner fest, statt einen Umweg in Kauf zu nehmen. Sie wollen eher mit dem Kopf durch die Wand. 

Über den schwer zu findenden Schalter für die Initiative kann man einstellen, wie viel von jeder Teilstreitkraft in den Kampf geworfen werden soll. Wer sich etwa für einen Einsatz der Flotte entscheidet, sieht endlich mal Schiffe rumfahren. Größere taktische Kniffe sind nicht gefragt, da das im Eifer des Gefechts auch gar nicht möglich ist. Es sind immer sehr viele Truppen unterwegs, die man in Echtzeit kaum alle kommandieren könnte. Allerdings kann man sporadisch eingreifen, damit die Truppen nicht ins Leere laufen.                

Nicht ganz echt

Falsche Ausrüstung. Warum sehen die Ostblocktruppen wie Wehrmacht aus?
Falsche Ausrüstung. Warum sehen die Ostblocktruppen wie Wehrmacht aus?

Waffentechnisch ist man zwar auf der Höhe der unmittelbaren Nachkriegszeit, aber manches stimmt doch nicht. Viel hat sich nicht getan, da Russen und Amerikaner anfangs immer noch Material aus dem Zweiten Weltkrieg wie den berühmten T-34 Panzer in den Kampf führen. Manches ist aber wieder zu fortschrittlich: So kann man gleich zu Beginn eine Mig 21 entwickeln, obwohl die in echt 1959 in Dienst gestellt wurde. Die Mig 21 ist eindeutig ein Ostblockjäger der 60er und 70er und nicht der 50er Jahre, da er hauptsächlich im Vietnamkrieg eingesetzt wurde.

Das äußerliche Waffendesign ist seltsam, da die sowjetischen Truppen aus der Nähe wie Wehrmacht mit AK-47 aussieht. Das könnte man noch verschmerzen, aber außerhalb der Kampagne der zwei Supermächte geht es noch wilder zu. So können die Westdeutschen bereits 1949 an ihrer Armee basteln, obwohl es in erst 1955 zur Wiederbewaffnung kam. Zudem wimmelt es in Westdeutschland von französischen Besatzungseinheiten, wobei doch eher die US-Amerikaner tonangebend waren. So gibt das Spiel kaum die Besonderheiten der einzelnen Nationen wieder, auch weil es keine nationalen Spezialeinheiten gibt.    Multiplayer für Einzelkämpfer 

Dass Supreme Ruler im Grunde ein reines Singleplayer-Spiel ist, merkt man an jeder Ecke. Außerhalb des Einzelspielerpfade wird es dünn:  Theoretisch kann man das Spiel zwar mit bis zu 16 Spieler im LAN oder online spielen, aber es gibt keine Community mit eigenen Servern. So muss man sich seine Gegner selber suchen, was ziemlich umständlich ist. Allein gelassen fühlt man sich auch bei Multiplayer-Problemen mit der eigenen Firewall, die einen nicht raus lässt. Die Macher scheinen insgeheim Freunde des „selbst ist der Mann“ zu sein, da einmal mehr nur Experten in Foren eine Lösung finden.                  

Fazit

Von Überregent keine Spur - Supreme Ruler Cold War ist ein schlampig gemachtes Spiel. Zwar hat es auf den ersten Blick alle Bestandteile eines komplexen Strategiespiels aus dem Kalten Krieg, aber es mangelt an der Ausführung. Vieles wirkt immer noch unfertig, wenn man den schlechten Einstieg, die bruchstückhafte Übersetzung oder unübersichtliche Bedienung betrachtet. Man kann zwar Bereiche wie Wirtschaft, Forschung oder Rüstung bestimmen, aber das alles dauert viel zu lange. Es sind kaum Fortschritte zu sehen, was zusätzlich dadurch gebremst wird, dass die Performance flöten geht. Angesichts der hässlichen Grafik ist das fast schon ein Wunder, denn die sieht eher so aus, als würde sie den Rechner schonen. Leider bietet das nicht immer historische Spiel auch in Sachen Taktik wenig, da die Gefechte Kollege Computer übernimmt. So wird der Atomkrieg eher zum Sandkastenspiel, bei dem man die Raketen schon vorher aussuchen muss. Im Rüstungswettlauf mit der Gegenseite hat man daher nie den Eindruck, einen echten  Konkurrenten zu haben. Unterm Strich gibt es verdammt wenig Positives, dass deine Anschaffung rechtfertigen würde.            

Pro

politische Entscheidungen fällen
DEFCON schwebt über allem
Waffen erforschen
Atomwaffen einsetzen
Minister beauftragen

Kontra

Einstieg fällt schwer
recht langweilig
Entwickeln der Raumfahrt dauert
nur ein Startpunkt
Einheiten entsprechen nicht Vorbild
Performanceprobleme
kein gescheiter Multiplayer
kleine Schaltflächen
unansehnliche Grafik
teils nicht übersetzt

Wertung

PC

Der Kalte Krieg bleibt hier kalter Kaffee - und zwar ganz kalter!

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