Black & White 212.10.2005, Jörg Luibl
Black & White 2

Im Test:

Gott lebt. Nietzsche würde zwar heftig mit dem Kopf schütteln, aber Molyneux entwickelt hartnäckig am Beweis. Jetzt serviert er schon zum zweiten Mal den Deus ex Mausklick. Aber die Zeiten ändern sich. Im Jahr 2001 knieten die Jünger des herbeigesehnten Black & White noch in freudiger Erwartung, heute runzeln sie in ketzerischer Skepsis die Stirn: Kann Molyneux die Vision des allmächtigen Spielers mit heiligem Spaß füllen? Oder ist dieser Gott doch tot?

Geblendet in Ehrfurcht

Am Anfang ist alles wunderbar: das warme Licht, die feinen Schatten, die wogenden Wiesen. Im Hintergrund ragen schroffe Berge aus dem Meer, dazwischen fließen grüne Täler und idyllische Dörfer locken mit schmauchenden Schloten. Was für ein Panorama - herrlich. Vergesst den Vorgänger, vergesst die sterilen Landschaften von Rome: Total War oder selbst die bunte Welt von  Die Siedler: Das Erbe der Könige : so müssen Flora und Fauna aussehen, hier macht das Bauen Spaß! Ihr könnt mit dem Mausrad stufenlos von der Gewitterwolke bis hin zum grasenden Schaf und so dicht zu den darunter wuselnden Käfern scrollen, dass ihr ihre sechs Beine erkennt.

Idyllisches Panorama - die Kulisse ist über jeden Zweifel erhaben.
Und irgendwo wartet schon eine von vier jungen Kreaturen auf euch, die ihr ausbilden könnt: Kuh, Löwe, Wolf oder Affe. Habt ihr Black & White 2 (ab 34,50€ bei kaufen) im EA-Shop vorbestellt, gibt's noch den Tiger dazu. Das Blöde ist nur: Alle spielen sich gleich. Alle wollen zunächst überall hin machen, Menschen werfen oder gekrault werden, wenn sie einsam sind. Passt euch eine Aktion nicht, ohrfeigt ihr die Kreatur so lange, bis eine Anzeige deutlich macht, dass sie es nur manchmal oder gar nie wiederholen soll. So lernt sie mit der Zeit, was richtig und was falsch ist. Pädagogisch fragwürdig, aber unheimlich effektiv.

Zuckerbrot und Peitsche

Je nachdem, welche Aktivitäten ihr durch das Streicheln fördert, entwickelt sie sich zu einem friedlich schnurrenden Tierchen mit flauschig strahlendem Pelz oder zu einem finster dreinblickenden Ungetüm mit scharfen Krallen. Selbst die Landschaft passt sich eurer Moral an und verdüstert sich, wenn ihr Mord und Totschlag verbreitet - sehr schön. Aber zurück zur Kreatur: Sie soll Muskeln aufbauen? Dann lasst sie mit Steinen Gewicht heben. Sie soll noch stärker werden? Dann lasst sie Fleisch verzehren. Die Erziehung geht zwar über das einfache Zuckerbrot und Peitsche hinaus, da man sie Dinge auch "manchmal" oder "selten" tun lassen kann, so dass sie z.B. nur sporadisch neben die Häuser der Bewohner macht. Aber man hat verpasst, das unterschiedliche Wesen der Tiere auch charakterlich einzufangen. Und man hat verpasst, die Kreaturen erzählerisch so interessant einzubinden, dass man sie entdecken will. 

Warum reagiert die Kuh z.B. nicht widerwilliger auf das Menschen fressen als der Löwe? Warum können sie nicht andere Fähigkeiten entwickeln? Wer die Faszination der unterschiedlichen Evolution sucht, wird hier nicht fündig. Und wer von vorne spielt, wird mit dem Affen dasselbe Spiel erleben wie mit dem Tiger. Hinzu kommt, dass alle über dieselben sechs Zauber verfügen, darunter Ernte fördernder Wassersegen, Elektroschocks oder Vulkane; Letztere zerpflügen die Landschaft übrigens wunderbar mit ihren Magmaschloten. Aber so herrlich das alles aussieht, so gewöhnlich wird es im weiteren Verlauf.

Okay, wer die zoologische Variation nicht braucht, könnte einwenden, dass das hier keine Simulation für Grzimeks Söhne ist - schon klar. Aber auch die Beschäftigung mit der einen Kreatur verliert auf Dauer an Reiz, weil sie zu sehr zum Sklaven der

Der Wolf heult den Mond an - das darf er. Wenn er etwas nicht tun soll, wird er einfach abgewatscht...
eigenen Machterweiterung degradiert als zu einem selbstständigen Wesen entwickelt wird: Man kann seinen Schützling z.B. kinderleicht zu einem Baumeister, Erntetitan oder Nahkampfathleten machen, indem man das entsprechende Update einfach kauft. Warum wird das kreative Erziehen nicht belohnt?

Damals hat der Tamagotchi-Effekt noch begeistert, weil er erstmals auf den PC übertragen wurde. Aber heutzutage bietet Nintendogs auf dem DS eine ähnliche, vielleicht sogar intelligentere Variante der Kreaturenaufzucht, denn jeder Hund ist dort dem Wesen nach ein klein wenig anders. Trotzdem schaut man sich gerne an, wie sich der Wolf hier am Kinn kratzt, wie er Bäume ausreißt oder Zähne fletschend in den Kampf zieht. Und wenn er erstmal den Feuerball beherrscht, kommt durchaus Erzieherstolz auf.

Das ausführliche Tutorial, das sich nach der Installation des Patches (Download: 106 MB) endlich abbrechen lässt, führt euch inklusive deutscher Sprachausgabe in die Bedienung ein, die im Großen und Ganzen dem Vorgänger entspricht und einige intuitive Finessen wie z.B. das Schütteln der Maus als Befehl zum Rückgängig machen bietet - ihr werdet das beim Straßenbau brauchen, wenn ihr die Kurve nicht kriegt. Zwar kann man theoretisch Wege in alle Richtungen malen, aber die kurvigen Verbindungen zu Gebäuden funktionieren nicht auf Anhieb problemlos.

Immer noch markieren gleißende Lichtschächte besondere Orte und Aufgaben. Ihr wollt euch eine dieser Schriftrollen näher anschauen? Kein Problem: Fliegt mit den Pfeiltasten wie ein Adler hin oder tastet euch mit der Hand an der Grasnarbe entlang zum Ziel, begleitet von tosenden Winden und epischen Melodien, während eure Kreatur an der Leine hinterher stromert. Eines wird schon nach wenigen Minuten Black & White 2 klar: die Kulisse ist göttlich, die Steuerung trotz kleiner Tücken einfach, die Neugier geweckt.

            

Bauen, kämpfen, erziehen

Aber was steckt unter der prächtigen Oberfläche? Ein Echtzeitstrategiespiel, in dem ihr bauen, kämpfen und erziehen dürft. Das war schon anno 2001 so, auch wenn diesmal aufgrund der Armeen erstmals auch Feldherrenwind weht. Das Team um Peter Molyneux hat alle drei Bereiche erweitert und besser strukturiert, damit sowohl Stadtgründer, Krieger als auch Tiertrainer deutlich komplexer auf ihre Kosten kommen - das war der Plan und es gibt auf den ersten Blick auch tatsächlich mehr Raum für Experimente.

Gebäude en masse, Statistiken ohne Ende - auf den ersten Blick vermutet man unheimlich viel Spieltiefe.
Wie viele Möglichkeiten im Nachfolger schlummern, symbolisert schon die Benutzeroberfläche, die mit ihren zig Menüs und versteckten Tabellen fast schon Civilization III -Ausmaße annimmt: Ihr könnt euch anzeigen lassen, wie viel Nachwuchs eure Bewohner zeugen, wie glücklich sie sind, welchen Berufen sie nachgehen, was sie brauchen. Ihr könnt eine Statistik für jedes Gebäude abrufen und feststellen, wer wo arbeitet und wohnt. Man kann sich ganz tief in die Welt des Mikromanagements abseilen und an vielen kleinen Rädchen drehen: Die Männer-WG im Westen soll sich endlich ab der Zeugung beteiligen? Schnappt euch ein Weiblein und setzt es dort ab, dann wird bald Nachwuchs ausgebrütet…

Hört sich alles gut an und beeindruckt zunächst dermaßen, dass man denkt, einen mythologischen Ableger der Caesar -Reihe vor sich zu haben. Und es macht richtig Spaß: In null Komma nichts zieht man Villen, Straßen und Tempel hoch. Bietet Black & White 2 aber auf Dauer genügend Spieltiefe? Haben sich das Warten und die dreijährige Entwicklungszeit doch noch gelohnt? Nicht wirklich, wenn man tatsächlich das neue Aufbau- und Feldherrenparadies erwartet, denn der komplexe Schein und die Idylle der ersten Probierphase trügen auf den zweiten Blick: Sowohl die Story, das Mikromanagement als auch und vor allem der Kampf lassen aufgrund einiger Inkonsequenzen zu wünschen übrig. Sie kommen für sich genommen nicht an die Qualität der Genrespitze heran. Sie scheitern sogar weit vorher, weil sie elementare Fehler in den Bereichen Story, Steuerung, Missionsdesign und KI begehen.

Schwache Story

Schon die erzählerische Ausgangssituation sorgt für ersten ernüchternden Wind, denn die Geschichte fällt aus dem Nichts: Die Griechen werden von den kriegerischen Azteken vertrieben und in eure göttlichen Arme getrieben. Warum? Welche Verbindung besteht zwischen den Völkern? Wo spielt das Ganze überhaupt?  Das alles bleibt zunächst ein Rätsel. Die letzten Reste

Was hier nach der Opulenz von Rome - Total War aussieht, entpuppt sich als anspruchslose Taktik-Farce.
des antiken Volkes flüchten jedenfalls nach diesem verheerenden Angriff. Und laut einer Prophezeiung werden sie unter der Führung eines Gottes neu erstarken, dessen Part ihr übernehmt: Bühne frei für den Deus ex Mausklick! Leider gibt es bis auf diese nationalen Animositäten keine erkennbare Story, keinen interessanten roten Faden: Die Azteken stacheln die Wikinger auf. Die Wikinger wollen euch ans Leder. Die Japaner sind sich noch nicht so sicher und schlagen im Zweifelsfall auch zu. Diplomatie oder Bündnisse gibt es gar nicht und so beschränkt sich der Kontakt auf das Beeindrucken oder Erobern.

Man hätte ja nicht unbedingt eine verzwickte Außenpolitik à la Civilization III  anbieten müssen, aber es gibt ja noch nicht mal Protagonisten wie Könige oder Priester, die mich als den Gott irgendwie an mein Volk binden würden - es fehlen die Identifikationspunkte! Das einzige verbindende Element wird von der traumhaften Grafik und den lieblichen Melodien geflochten. Wo ist die Seele dieses potenziellen Götter-Epos? Dabei gibt es kreative Ansätze, die für einen Hauch von Dramaturgie sorgen: Man hat die fremden Herrscher z.B. mit Kommentaren versehen - eine sehr gute Idee: Wenn ihr ein Badehaus baut, sinniert der japanische Shogun laut darüber, dass diese Griechen die Sauberkeit lieben und zeigt Anflüge von Respekt. Wenn ihr eine Kaserne baut, wird der Wikingerfürst ganz nervös und poltert von einem bevorstehenden Krieg. Dieses akustische Feedback sorgt für viel Stimmung. Allerdings lassen die Anführer ihren wuchtigen Worten keine Taten folgen; manchmal geben sie auch abstruse Bemerkungen ab, die nichts mit dem Spielablauf zu tun haben.

        

Gut oder Böse

Aber lassen wir die Story beiseite. Ab sofort liegt es in eurer Hand, wie die Griechen innerhalb von acht Missionen ihre Zukunft meistern: friedlich oder kriegerisch? Konstruktiv oder destruktiv? Euer Schicksal als Gott ist es, Gut und Böse im Spiel zu kontrollieren und das macht auch heute einen enormen Reiz aus, zumal man auch einen Mittelweg einschlagen kann. Ihr steht in ewigem Kampf mit eurem Gewissen, symbolisiert durch einen fetten roten Teufel, der euch zu Untaten anstiftet, und einem weißbärtigen Engel, der euch wohl erziehen will - beide so wunderbar animiert, dass man sich an der ausdrucksstarken Mimik und Gestik zunächst kaum satt sehen kann. Und beide so aufdringlich, dass man sich selbst Stunden nach dem Tutorial kaum ohne ihre Kommentare und Hinweise bewegen kann.

Euer gespaltenes Gewissen: wunderbar animiert, herrlich streitlustig und nie um einen Kommentar verlegen.
Allerdings sind ihre Tipps teilweise sehr hilfreich. Ihr könnt direkten Einfluss auf euer Volk nehmen, indem ihr es gut behandelt und dessen Wünsche berücksichtigt, die es laut hinaus schreit oder die im Zentrum auf Säulen dargestellt werden: Egal ob Tavernenbau oder Nahrungsversorgung - alles kann man hier auf einen Blick erfassen. Ein großer Vorteil gegenüber dem Vorgänger, denn man braucht nicht lange nach idealen Bauergänzungen suchen. So kann man sehr schnell genau das richtige Element aus dem Boden stampfen und mächtig Eindruck beim Gegner schinden. Der läuft nämlich zu euch über, wenn ihr eine prächtige Zivilisation entwickelt.

Tribut & Rohstoffe

Wenn ihr an Stellen eingreift, wo Not am Mann ist, z.B. fehlendes Getreide hier oder fehlendes Holz da, werdet ihr sofort mit Tribut belohnt - der großen Währung für Götter, die euch Zugriff auf zig wirtschaftliche, kulturelle, sadistische oder hygienische Gebäude verschafft - vom Badehaus bis zur Hinrichtungsstätte. In diesem kleinen Bereich funktioniert das Belohnungssystem gut, denn es fördert gutes Spiel: Man muss auf sein Volk hören und richtig bauen. Aber gerade im größeren Bereich verdeutlicht das Tributsystem das Problem von Black & White 2: Man wird von Aufgabe zu Aufgabe getrieben, mal sinnvoll, mal weniger sinnvoll, um richtig viel Tribut abzustauben. Ihr habt irgendwann einen riesigen Pool aus Aufgaben vor euch, den ihr einfach abarbeitet und die sich im Laufe der Kampagne wiederholen. Das kann, muss aber nicht mit eurer Siedlungsplanung übereinstimmen: verbinde deine drei Siedlungen, baue mit deiner Kreatur 36 Häuser, vernichte alle Lebewesen. Natürlich habt ihr die Wahl und müsst diese Dinge nicht erledigen, aber um weiter zu kommen, braucht ihr den fetten Tribut.

Holz, Erz, Nahrung, Glaube - das sind die vier wichtigsten Rohstoffe, die es zu ernten gilt. Allerdings gibt es seltsame Auswüchse im Mikromanagement: Man setzt ein halbes Dutzend Menschen auf einem Feld ab, sie werden sofort zu Bauern umgeschult und ernten, aber ein paar Minuten später arbeitet dort wieder niemand. Warum? Das Gleiche passierte mir mit Veredlern und Minenarbeitern, die scheinbar irgendwann von alleine ihre Arbeit aufgeben. Das kann man alles mit ein paar Handgriffen wieder ins Lot bringen, aber die nehmen vor allem im späteren Verlauf Überhand: Wenn man drei Siedlungen managt und manuell Rohstoffe hin- und her verfrachten muss, kostet das einfach zu viel Zeit. Warum gibt es keinen automatischen Handel zwischen den Lagern? Oder Mulis? So verschwendet man viel kostbare Zeit mit dem Mikromanagement, anstatt sich um die Erziehung seiner Kreatur zu kümmern, die immer weiter an Bedeutung verliert. In Sachen Infrastruktur und Rohstoffmanagement sind Spiele wie die alten (!) Siedler und Caesar-Titel weit überlegen. Selbst die Stadttore muss man immer manuell öffnen, sonst bewegt sich ein Förster nicht raus in den Wald. Ein Assistent oder etwas mehr antizipierende Intelligenz hätte hier geholfen.

Hat jemand Erz?

Und es gibt noch ein Problem beim Aufbau: zu wenig Erz. Während man Holz, Getreide und Glauben im Überfluss ernten kann, wird Erz schnell knapp. Das kann dazu führen, dass sich der Bau eurer Siedlung enorm verzögert, denn egal ob Statuenmarkt, Windmühle, Sägewerk oder Tempel - alles benötigt immer einen kleinen Haufen des metallenen Rohstoffs. Für friedliche Spieler ergibt sich jetzt eine Sackgasse: Ohne neue Gebäude können sie keinen Eindruck beim Gegner schinden, ohne Eindruck zu schinden, können sie wiederum die Insel nicht meistern.

Je größer die Siedlung, desto prächtiger wird ihr Anblick. Aber leider wachsen dann auch die Probleme in Sachen Steuerung und Rohstoffe...
Was nun? Ich bin über Stunden (!) dazu verdammt, mein Reich so zu erweitern, dass ich wieder an eine Erzmine komme. Aber ich kann die Grenzen wiederum nur dann ausbauen, wenn ich Gebäude baue. Und das einzige Gebäude, das kein Erz benötigt, ist das einfache Haus. Das erweitert den Einflussbereich der Grenze wiederum nur um wenige Meter. Also kann man bei akutem Erzmangel drei Dutzend Hütten aus dem Boden stampfen, um sich langsam vor zu tasten. Ich dachte, ich bin ein Gott? Dieser zähe Weg kann nur durch die zahlreichen Mini-Aufträge beschleunigt werden, die euch beim Bau einer bestimmten Anzahl Gebäude, beim Ernten von Rohstoffen oder der Verbindung von Städten mit einem Tributregen belohnen, den ihr in neue architektonische Wunder investieren könnt. Aber wieso gibt es keinen Handel mit anderen Völkern oder göttlichen Minenbau?

Kampf gegen die Dummheit

Noch während man sich das fragt, überlegt man sich, doch zu den Waffen zu greifen. Klar, das ist eine Möglichkeit, aber keine aufregende. Die KI der anderen Völker zeigt zwar unterschiedliche Verhaltensmuster, was das Bauen angeht, aber im Kriegsfall sind alle ausgesprochen dumm - egal ob Japaner oder Wikinger. Da werden deutliche kriegstechnische Vorteile nicht effektiv genutzt, wie z.B. Katapulte oder Armeen an den Flanken. Da werden Truppen immer nach erschreckend stupidem Schema F, immer auf derselben Route an meine Stadtmauern geschickt: Sie kommen, ich jage einen Feuerball hinein, sie sind vernichtet. Sie kommen, ich jage einen Feuerball hinein, sie sind vernichtet. Das geht so weit, dass man nach zehn Attacken vor Langeweile am liebsten ein Makro für diesen Kartenpunkt einrichten würde. Die Spielbalance nimmt mir hier jeden Stress, denn der kleine Feuerzauber kostet bei genügend Gläubigen fast nichts.

Der Feldherrenteil ist zwar ansehnlich, wenn die eigene Kreatur in die Feinde stampft und wütet, aber einfach unattraktiv, weil die KI kaum reagiert und eure Magie zu mächtig ist. Selbst ohne Unterstützung einer kampferprobten Kreatur geht's kinderleicht Richtung Sieg: Eine oder mehrere Armeen auswählen, auf's feindliche Dorfzentrum schicken, dabei Feindarmeen umgehen und den Countdown abwarten, fertig. Was auf manchen Screenshots wie eine Art Rome: Total War ausgesehen hat, entpuppt sich im Spiel als spartanische Feldtaktik ohne Anspruch. Was nützen mir da die Truppentypen, die ich auch zu Verbänden kombinieren kann? Infanterie, Bogenschützen und Belagerer erlauben nicht mehr als einfache Schere-Stein-Papier-Schlachten.

       

Nervige Minispiele

Auch die Minispiele, die sich hinter silbernen Rollen verbergen, sind insgesamt alles andere als schmackhafte Beilagen: Mal müsst ihr Bierfässer gezielt von Insel zu Insel werfen, Spione durch ein Labyrinth lotsen oder frisch geworfene Schafe fangen. Auch hier kann die Steuerung nicht immer begeistern. Meistert ihr diese kleinen Aufgaben am Rande des Spielfelds, gibt's reichlich Tribut. Das ist ein lukrativer Nebenerwerb, vor allem wenn man friedlich gewinnen will, aber all diese kleinen Aufgaben wirken wie Fremdkörper, weil sie meist nicht überzeugend in die Story eingebunden werden. Außerdem fragt man sich manchmal, was man eigentlich tun soll: Ich habe die Kung-Fu-Übung z.B. erst nach einem Dutzend irritierter Anläufe gemeistert.

Die silbernen Lichtschächte zeigen euch den nächsten Minispiel-Ort.
Es gibt viele kleine Kamerafahrten und Filmchen, die Konflikte einleiten oder neue Situationen zeigen - das ist gut so und entschädigt ein wenig für die fehlende Story. Aber die Zwischensequenzen enttäuschen nicht nur mit klobigen Figuren ohne jegliche Mimik, sondern auch mit absolut überflüssigen Gesangseinlagen. Nichts gegen Humor, nichts gegen kernige Lieder, aber das pseudomittelalterliche Wirtshausgedudel ist weder witzig noch melodisch oder irgendwie unterhaltsam. Und warum soll sich ein Gott dieses Krakeele anhören? Hier vergeht fast der letzte Hauch eines bildgewaltigen Epos, das nur noch von der Musik getragen wird.

Einige Steuerungstücken

Die Steuerung ist insgesamt sehr intuitiv und bietet wesentlich mehr Komfort als andere Spiele, aber es gibt ärgerliche Aussetzer: Der Mauerbau kann z.B. zur Geduldsprobe werden, wenn sich zwei Enden einfach nicht verbinden lassen oder die Ausrichtung nicht stimmt: Warum sollte man bitte eine Mauer mit Schießscharten nach innen hochziehen? Und es ist ja wunderbar, dass ich wie mit einer Art Staubsauger viele Jünger auf einmal in die Hand ziehen kann - danach einfach einen Bauer aufs Feld, einen Holzfäller in den Wald und einen Gläubigen in den Tempel stecken. So weit, so komfortabel. Aber die Sache hat einen Haken: Die Steuerung ist so empfindlich, dass so mancher Klick nicht nur einen Bauern frei lässt, sondern gleich das ganze Zweidutzendpack an Menschen, die jetzt mal eben kreischend zu Tode stürzen. Für böse Charaktere nützlich, für gute einfach ärgerlich, denn mit all den Toten steigt natürlich die diabolische Statistik. Wenn so etwas einmal passiert, ist das kein Problem. Aber dieses ungewollte Opfern kommt immer wieder vor. Hätte man da nicht eine Fallsperre einbauen können? Oder noch besser: Eine kurze Berufsübersicht, in der ich die fehlenden Jobs eben per Klick besetze?

Weg versperrt, Gott genervt!

Die Stadt wächst, das Straßennetz gedeiht, das Bauen macht trotz all der Tücken immer noch Spaß - keine Frage. Aber je weiter ihr eure Siedlung ausdehnt, desto schwieriger wird es für eure Kreatur, darin voran zu kommen. Das geht später so weit, dass sie sich sogar weigert von einem Viertel ins andere zu marschieren, weil der Weg angeblich versperrt ist: "Da komme ich nicht hin." Angeblich deshalb, weil z.B. ein Kornfeld vor ihr liegt oder eine ausreichend breite Straße. Wieso geht sie da nicht weiter? Sie könnte sich doch zwischen den Häusern entlang bewegen? Macht sie aber nicht. Wie habe ich diesen Kommentar verflucht! Und hier habe ich selbst die Lust am Bauen verloren. Was tun, wenn die Kreatur z.B. zwecks Tributgewinnung irgendwo Bauaufträge ausführen soll? Man muss sie tatsächlich an der Leine um die Mauern führen - wie praktisch. Oder gar die Mauern und im Weg stehende Gebäude einreißen - wie sinnvoll. Die Wegfindung der Kreatur ist auch deshalb ein Problem, weil ich sie im Gegensatz zu Menschen, nicht einfach packen und woanders hinsetzen kann. Sie braucht immer Richtungsbefehle, die sie nur im freien Feld und offenen Städten fehlerfrei ausführt. Man kann sie in dicht bebauten Metropolen gar nicht mehr einsetzen und lässt sie außen vor.

Molyneuxus Interruptus

Aber was kommt nach der Kampagne? Was kommt nach acht Missionen, von denen die ersten drei noch knackige Unterhaltung bieten, während der Mittelteil für alle friedfertigen Götter in zähe Endlosschleifen mündet, während Krieger in deutlich weniger als zehn Stunden ohne viel Schweiß und Faszination durch sind? Nichts. Gar nichts. Und das ist nicht nur enttäuschend für alle, die einfach mal so drauflos bauen wollen, ohne Stress im Kampf und lästige Aufträge, sondern auch eine bittere Pille für alle, die sich gerne ihr eigenes Szenario basteln. Man kann sich tatsächlich keine Insel aussuchen, Feinde festlegen und mit Kreaturen in einem Endlosspiel experimentieren! Wie viel Potenzial hat man hier verschenkt? Wie gerne hätte ich in einem Skirmish nach Lust und Laune experimentiert? Dieses Götterspiel ist viel zu schnell gestorben, es bleibt am Ende ein klaffendes Spielspaßloch, über das nur eine Frage führt: Das war alles?

      

Fazit

Gott ist tot. Das Spielparadies bleibt unerreicht. Black & White 2 ist trotz dreijähriger Entwicklung in der allzu menschlichen Mittelmäßigkeit mit all ihren Schwächen gelandet. Nein, es ist nicht schlecht. Ja, es hat sogar gute Seiten. Und alles fängt wahrhaft göttlich an: In der ersten Stunde war ich noch fasziniert von der Kulisse, der Idylle, der Musik, den Möglichkeiten. In der zweiten Stunde haben mich dann die Steuerung und die Story skeptisch gemacht. Und ab der dritten Stunde wurde ich von vielen Inkonsequenzen in Sachen Mikromanagement und Taktik ernüchtert. Wieso konnte man die Bedienung nach all der Zeit nicht perfektionieren? Der optisch herrliche Aufbauspaß wird durch viele frustrierende Steuerungstücken und Wegfindungsprobleme ausgebremst. Und im Kampf werden Feldherren nicht mal ansatzweise gefordert, da die KI strunzdumm nach Schema F marschiert. Außerdem ziehen sich die Partien mit nervigen Minispielen und vielen Rohstoffengpässen selbst für friedliche Herrscher unnötig in die Länge, bevor nach acht Missionen erschreckend früh Schluss ist. Warum gibt es für diese wunderbare Welt keinen freien Spielmodus? Warum spielen sich alle Kreaturen gleich? Warum gibt es keinen Multiplayerteil? Ohne diese Fragen hätte Black & White auf jeden Fall besser abschneiden und länger im Gedächtnis spuken können. So bleibt am Ende ein befriedigendes, höchst gewöhnliches Echtzeit-Strategiespiel mit viel mehr optischem als spielerischem Zauber - ein Molyneuxus interruptus.

Ganz so "schwarz" wie Jörg sehe ich Black & White 2 nicht, aber trotzdem ist das Machwerk weit von der Perfektion entfernt und das enorm verschenkte Potential tut schon fast weh. In den Anfangsstunden bereitet der Götterspielplatz wirklich gute Unterhaltung und endlich ist direkt sichtbar, welchen Einfluss eure Handlungen auf die Welt haben. Auch die Erziehung der Kreatur ist wesentlich zielgerichteter und dank der guten Creature-KI kann man das Tierchen sogar alleine durch die Welt laufen lassen, ohne dass es die Bevölkerung tyrannisiert. Hinzu gesellt sich eine gute und für Peter Molyneux typische intuitive Steuerung, die allerdings beim Aufbau- und Managementpart schwächelt wie eigentlich das ganze Spiel. So stören stetiger Erzmangel und das elende Micromanagement größerer Siedlungen merklich den Spielfluss - schließlich ist der Spieler ein Gott und kein Rohstoff-Kurier! Erschwerend kommt ein Ungleichgewicht im Gesinnungssystem hinzu, da es viel leichter ist ein böser Herrscher zu sein und die abwechslungsarmen Armeen gegen die Trottelgegner zu schicken. Wollt ihr tatsächlich den guten Weg beschreiten, braucht ihr viel Zeit und Nerven wie Drahtseile, um die teils furchtbaren Nebenquests zu lösen. Eine echte Story vermisse ich als Gott nicht, aber zumindest ein Skirmish-Modus hätte Black & White 2 enorm aufwertet, ganz zu schweigen von weiteren Missionen, mehr Zaubersprüchen oder gar einem Mehrspieler-Modus. Hinter der technischen Protzkulisse mit superknuddeligen Animationen und einem atemberaubenden Kamerazoom versteckt sich also ein ambitionierter Götterspielplatz mit vielen unnötigen Design-Macken. Echt schade!

Pro

wunderbare Kulisse
epische Melodien
gute Sprachausgabe
gemütliches Aufbauen
vier Kreaturen erziehen
ansehnliche Kämpfe
klasse Mimik & Gestik
umfangreiche Statistiken
Gut oder Böse spielbar
intuitive Mausbedienung
sehr gute deutsche Sprachausgabe
eine Unmenge an Gebäudetypen
Umgebung passt sich eurer Moral an
stimmungsvolle Herrscher-Kommentare

Kontra

schlechte KI
keine packende Story
Steuerungszicken
nervige Minispiele
nur acht Aufträge
lästiges Mikromanagement
zähes Missionsdesign
kein freier Spielmodus
anspruchslose Kämpfe
kein Multiplayer-Modus
Erziehung bleibt Nebensache
alle Kreaturen spielen sich gleich
schreckliche Kreaturenwegfindung

Wertung

PC

Gute Fortsetzung zu Black & White mit Hammer-Grafik und einigen Gameplay-Schwächen.

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