Skullgirls30.08.2013, Michael Krosta
Skullgirls

Im Test:

Auf 360 und PS3 sorgten die Skullgirls schon im letzten Jahr für eine Überraschung: Obwohl wir zunächst eine oberflächliche Fleischbeschau im Stil von Dead or Alive befürchtet hatten, steckte unter der Comic-Fassade mit ihren durchaus aufreizenden Prügel-Damen ein komplexes Kampfsystem, das sich vor allem an Profis gerichtet hat. Jetzt bittet man auch auf dem PC zum Schlagabtausch...

Profis an den Stick!

Der Impuls fällt sehr leicht, aber man sollte Skullgirls (SG) nicht nach dem ersten Blick auf eine belanglose Moe -Klopperei reduzieren: Ja, die acht Kämpferinnen sind sehr überzogen dargestellt - mit langen Beinen, knappen Kleidchen und bis unter die Nasen quellenden Brüsten. Aber unter dieser leichten Hülle verbirgt sich ein beeindruckend anspruchsvolles Beat-em-Up.

Kein Wunder, denn das Kampfsystem entstammt den anerkanntermaßen fähigen Händen von Mike Zaimont - einem bekannten und erfolgreichen Turnierspieler, der seine Expertise bereits den Entwicklern der BlazBlue-Spiele zur Verfügung stellte. So ist es kein Wunder, dass SG an vielen Stellen wie ein Best-Of bekannter Serien wirkt: Kloppsystem mit sechs Buttons (Street Fighter 2), starke Sprint-Lastigkeit (BlazBlue), viel Luftaction (Marvel vs. Capcom), starke Betonung von Kombos in verschiedenen Angriffshöhen. Das ist für Einsteiger nicht nur in der reinen Masse zu viel des Guten; wer bislang noch nicht viel mit Beat-em-Ups zu tun hatte, der wird hier nicht glücklich. Zwar darf man mittlerweile nicht nur auf den Konsolen, sondern auch am PC direkt aus dem Spiel auf die Move-Liste

Das Design der Kämpferinnen ist zum Teil höchst abgefahren, die Technik allerdings makellos - hier gibt es 2D-Animation auf höchstem Niveau!
Das Design der Kämpferinnen ist zum Teil höchst abgefahren, die Technik allerdings makellos - hier gibt es 2D-Animation auf höchstem Niveau!
zugreifen und ist nicht länger auf die Angaben der offiziellen Website angewiesen, doch die KI-Gegner agieren trotz der Überarbeitung ähnlich kompromisslos und unbarmherzigen wie zuvor: Zwar gibt es fünf Schwierigkeitsgrade, aber bereits der leichteste von ihnen ist schon fordernd und für Neulinge deutlich zu hoch angesetzt. Den Ausgleich dafür findet man im vorbildlichen Tutorial. Das Training führt einen geduldig Schritt für Schritt nicht nur in das SG-Kampfsystem ein, sondern bringt einem auch noch die wichtigsten Techniken von Beat-em-Ups im Allgemeinen bei. Allerdings vermisst man programmierbare Trainingspartner.

Die Mädchenschule des Wahnsinns

In Zeiten, in denen Tekken und Street Fighter mit Kämpferzahlen im mehrfachen Dutzend-Bereich protzen, wirkt SG geradezu niedlich: Gerade mal acht Fighter stehen zur Wahl. Genau genommen Fighterinnen, und die könnten abwechslungsreicher kaum sein: »Ms. Fortune« ist eine Art Lara-Croft-Zombie, die nicht nur wahnwitzig schnelle

Mehr abgefahrene Kombos bitte: Ninja-Krankenschwester Valentine greift u.a. mit einem Defibrillator an.
Mehr abgefahrene Kombos bitte: Ninja-Krankenschwester Valentine greift u.a. mit einem Defibrillator an.
Kombos aus ihren flexiblen Beinen zaubert, sondern auch noch ihren Kopf abtrennen und ihn separat weiterkämpfen lassen kann. Ninja-Krankenschwester Valentine hat ein Frontlastigkeitsproblem, das sie aber ausgleicht, indem sie mit Spritzen, Defibrillatoren, gefüllten Leichensäcken und Infusions-Ständern attackiert. Filia hat einen mächtigen (und sarkastischen) Dämon im Haar, Parasoul ist die unterkühlte Rothaarige, die ihre Pikenhauben-Einsatztruppe zur Verstärkung rufen kann. Und Peacock wirkt wie ein verschrobener Cartoon-Charakter aus den 20er Jahren: Beängstigendes Grinsen, gigantische Handschuhe, riesige Pistolen und Comicbomben, Zähne fletschendes Gigantokrawummschwerter. Abgefahren.

Und komplett in 2D. Arc System Works mag vor einiger Zeit mit BlazBlue die Messlatte für 2D-HD-Perfektion nach oben gelegt haben, aber Skullgirls kommt da locker drüber. Okay, die Hintergründe wirken hin und wieder hingerotzt und detailarm. Aber dieser Malus wird durch die Kämpferinnen problemlos wieder ausgeglichen: Das ideenreiche Design, die makellosen Animationen, die satten Farben, die Abwechslung -

Jede Kämpferin verfügt über mehrere freischaltbare Kostüme.
Jede Kämpferin verfügt über mehrere freischaltbare Kostüme.
klasse! Wirklich klasse. Im Vergleich dazu sieht das ähnlich gelagerte Arcana Heart 3 nochmals ein ganzes Stück veralteter aus.

Harte Fäuste, sanfte Klänge

Man darf auf zwei Arten gegeneinander antreten: Lokal und online. Leider beschränken sich beide Varianten auf das absolute Minimum, online darf gerade mal zwischen Ranglisten- und freien Spielen gewählt werden - keine Replays, kein Zuschauen, kein nix. Dafür gibt es mit GGPO eine aus der Beat-em-Up-Community entstandene Middleware zur Vermeidung von Lags - die zwar ein paar manuelle Eingaben mehr braucht als von Prügelspielen gewohnt, aber dafür auch exzellente Online-Partien ermöglicht. Eine echte Wohltat, gerade nach den letzten Namco- und Capcom-Pleiten.

Wie gesagt: Abgefahrenes Design. Nirgends wird das deutlicher als bei Monster-Gegnerin Double.
Wie gesagt: Abgefahrenes Design. Nirgends wird das deutlicher als bei Monster-Gegnerin Double.
Beim Gegeneinander hat man auch die Wahl, ob man mit einer, zwei oder drei Kämpferinnen antritt. Je mehr man in seinen Kader packt, desto schwächer werden die Individuen, ähnlich den Capcom-vs.-SNK-Spielen. Allerdings können angeschlagene Teamfiguren einen Teil ihrer Lebensenergie regenerieren, und natürlich sind auch gemeinsame Angriffe möglich. Sehr schön: Passt einem der aktuelle Gegner nicht (oder möchte man seinen unerfahreneren Kumpel ärgern), kann man diesen per Tasteneingabe aus dem Spiel schmeißen, woraufhin die nächste Klopperin automatisch eingewechselt wird.

Natürlich darf man auch ganz allein Spaß haben: Neben dem Arcade-Modus (eine Hand voll Kämpfe, gefolgt von übermächtiger Endgegnerin, die Seths Schwester sein könnte) gibt es auch eine Story-Variante. Auch hier warten wenige Auseinandersetzungen, die aber von schön gezeichneten Bildern und schnippischen Dialogen umrahmt werden. Apropos: Der interessante Jazz-Soundtrack hebt sich stilistisch sehr wohltuend von Genre-Standards ab.

Fazit

Unter der verspielten Oberfläche mit Comic-Brüsten und niedlichen Posen steckt ein erfreulich komplexes Kampfsystem, das sich trotz der gelungenen Trainingslektionen vornehmlich an Profis richtet, die sich auch bei den Prüglern von Capcom, SNK & CO zuhause fühlen. Der hohe Schwierigkeitsgrad unterstreicht diesen Anspruch, denn selbst auf der niedrigsten Stufe dürften Spieler schnell abgeschreckt werden, die sich nicht in die Welt der Kombos einarbeiten wollen. Doch genau das ist Pflicht, wenn man gegen die fiesen KI-Gegner bestehen will. Hinzu kommt, dass sich die Kämpferinnen deutlich voneinander unterscheiden und man sich mit jeder von ihr im Detail auseinandersetzen sollte. Die Beschränkung auf gerade mal acht Mädels finde ich trotzdem zu bescheiden. Gleiches gilt für die Versus-Kämpfe: Zwar sorgt GGPO für lagfreie Partien, doch außer Ranglisten- und freien Spielen wird nichts geboten. Bei der Umsetzung hat Lab Zero Games trotzdem gute Arbeit geleistet, denn sowohl die farbkräftigen Kulissen als auch das hohe Spieltempo des Originals wurden hervorragend auf den PC übertragen - ein Controller oder im Idealfall sogar ein Arcade-Stick ist jedoch Pflicht, wenn man sich nicht die Finger verknoten will. Der Jazz-Soundtrack ist zwar nicht unbedingt mein Fall, doch hebt er sich zumindest vom Standard-Gedüdel ab, das man im Genre noch viel zu oft zu hören bekommt. Kurzum: Auch am PC ist Skullgirls ein gelungener 2D-Prügler von Profis für Profis!

Pro

komplexes Kampfsystem...
Charaktere unterscheiden sich stark voneinander
hohes Spieltempo
vorbildliches Tutorial
ansprechende Präsentation
ungewöhnlicher Soundtrack
GGPO-Unterstützung

Kontra

...das Anfänger schnell überfordert
kleine Auswahl an Kämpferinnen
sehr hoher, mitunter abschreckender Schwierigkeitsgrad
minimales Angebot an Online-/Mehrspieler-Optionen

Wertung

PC

Gelungene PC-Umsetzung eines außergewöhnlichen und erstaunlich komplexen 2D-Prüglers, der sich vor allem an Profis richtet.

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