Im Test: Ein freches Piratenstück
Jo-ho, Jo-ho, Piraten haben's gut...
Christopher Raven ist ein echter Pirat. Auf Beutezug für die französische Krone hat er den Auftrag, eine Schiffsladung Waren für den Gouverneur einer karibischen Hafenstadt abzuliefern. Doch wankelmütig wie Freibeuter nun mal so sind, hat Raven scheinbar keine Lust mehr, sich mit Vertretern einer staatlichen Autorität abzugeben. Anders kann ich mir nicht erklären, warum er sich so standhaft weigert, dem Franzosen die Waren auszuhändigen. Auch beim wiederholten Versuch die Quest zu beenden behauptet der Kapitän standhaft, er hätte noch nicht alles zusammen. Scheinbar ist dem eigensinnigen Dreispitz-Träger ein Kaperbrief weniger wert als ein guter Kampf, ein Rum oder ein Besuch im Bordell. Piraten halt.
Fluch der Karibik vom Grabbeltisch
Raven’s Cry erzählt die unheimlich belanglose Rachegeschichte des unfreiwillig komisch synchronisierten Freibeuters Christopher Raven, der mit seinem Schlafzimmerblick und gekünstelt cooler Aussprache selbst in der Fluch-der-Karibik-Reihe unangenehm aufgefallen wäre. Dem Jack-Sparrow-Verschnitt ist von einem fiesen
Deren dilettantische Vertonung, unterirdische Textqualität und katastrophale Soundabmischung führen mitunter zu Unterhaltungen, neben denen Filme wie "Die Forke des Todes" wie Oscar-Kandidaten wirken. Kombiniert mit den staksigen Animationen und quasi nicht vorhandener Mimik werden aus ernsthaften Gesprächen schnell alberne Lachnummern. Immerhin wird das stupide Gebrabbel dank einer nicht vorhandenen Tonregie immer mal wieder von Umgebungsgeräuschen überdeckt. So höre ich beispielsweise in einem Bordell die Ziege draußen lauter blöken, als das leichte Mädchen vor mir reden. Hallo Reality Pump, wer hat das denn durch die Qualitätskontrolle gewunken? Derjenige dürfte dann wohl auch für die Soundaussetzer oder fehlenden Gesichtsanimationen verantwortlich sein, die ihren Weg ins fertige Spiel gefunden haben.
Assassin’s Risen: Pirates
Dabei ist der spielerische Ansatz von Raven’s Cry gar nicht verkehrt. Ähnlich wie in Fluch der Karibik von 2003 verbindet Reality Pump Mechaniken aus Rollenspiel, Action-Adventure sowie dem Klassiker Pirates. So besitzt Raven z.B. ein Schiff, mit dem er zwischen den Inseln der Karibik reist, Konvois überfällt und Waren transportiert. Dies kann in mehreren Stufen aufgerüstet und verbessert werden, bevor man es gegen ein größeres eintauscht und zum Schluss mit einem mächtigen Linienschiff (Man-o-War) die See unsicher macht. Die Seeschlachten sind zwar einfach gehalten und längst nicht so dynamisch wie z.B. bei Assassin’s Creed 4: Black Flag, sehen aber ordentlich aus und funktionieren weitestgehend schlüssig. So gibt es mehrere Munitionsarten wie Kettenkugeln oder Kartätschenladungen, mit denen Feindschiffe gut auf die Kaperung „vorbereitet“ werden können. Dank des soliden Handelssystems ergibt das Übernehmen von Ladung durchaus Sinn und man kann sich seinen Lebensunterhalt als Freibeuter verdienen, solange man sich nicht mit großen Marine-Kampfverbänden einlässt.
Leider ist der Seekampf aber der einzige Bereich, in dem mir Raven’s Cry einigermaßen Spaß macht. Das „Rollenspiel“ basiert auf dummen Dialogen, simplen Hol-und-Bring-Aufgaben sowie Nebenquests à la „Bring mal den um, der hat mich dumm angemacht.“ Das hat absolut gar nichts mehr mit der soliden Qualität eines Two Worlds 2 gemein. Keine Aufgabe ist wirklich durchdacht, kein einziger Dialog überzeugt und keiner der Charakter
Apropros Kommentare: Um eine „erwachsene“ Atmosphäre zu erzeugen hat man sich im Hause Reality Pump offenbar überlegt, möglichst viele Schimpfwörter wie Wichser, Schwuchtel oder Hurensohn in möglichst wenig Spielzeit zu stopfen. Dadurch wirkt bereits die erste Seeschlacht, als ob Haftbefehl und Farid Bang die Dialoge verfasst hätten. Liebe Entwickler: Authentizität schön und gut, aber das ist einfach albern.
Ein Kampfsystem aus der Hölle
Noch alberner ist aber das so genannte Kampfsystem, mit dem sich Raven gegen Eingeborene, Piraten und Soldaten wehrt. Ohne jegliches sichtbare Feedback oder eine physikalische Reaktion eines Treffers klickt man sich hektisch durch Gegnerhorden, deren Schläge man dank der unpräzisen Animationen nur mit sehr viel Glück
Auch die Kulisse ist für ein PC-Spiel im Jahre 2015 veraltet: Die Schauplätze sind zwar ordentlich entworfen und vor allem die Seeschlachten machen dank der guten Wasserdarstellung sowie des Schadensmodells der Schiffe eine ordentlich Figur. Ansonsten sind die geringe Sichtweite, heftige Popups, Marionetten-Animationen, schwache Effekte und matschige Oberflächen einfach nicht mehr zeitgemäß. Dazu kommen häufige Clipping-Fehler und sichtbare Nachlader. Gerade in größeren Städten führt das schnell zu andauerndem Streaming-Zuckeln. Ja, die Welt ist üppig dimensioniert und bietet viele Schauplätze unterschiedlicher Größe, die durchaus ansprechend entworfen sind – insgesamt erreicht man aber bestenfalls mittleres PlayStation-3-Niveau.
Fazit
Nach mehrmaligen Verschiebungen in letzter Minute habe ich schon wenig von Raven’s Cry erwartet. Was ich dann letztendlich bekommen habe, ist eine Frechheit: kaputte Quests, bescheuerte und unendlich schlecht vertonte Dialoge, keine Soundregie und ein Kampfsystem aus der Hölle. Dazu kommt eine unterdurchschnittliche Kulisse und eine Handlung, die den Namen nicht verdient hat. Es gibt hier nichts, was ich nicht schon an anderer Stelle erheblich besser gesehen hätte. Ja, selbst das maue Risen 2 wirkt neben diesem Machwerk wie eine Hochglanzproduktion, denn da wurde nicht einfach Teile der Lokalisierung „vergessen“ oder Texte vom Schülerpraktikanten übersetzt. Zugegeben: Die Schiffskämpfe und das Wirtschaftssystem sind ganz nett. Aber selbst als Freund von Segeln auf hoher See spiele ich lieber mein Leben lang das Remake von Sid Meier’s Pirates als noch mehr Zeit mit diesem Mist zu vergeuden.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Piraten-Kitsch voller Bugs mit dämlichen Dialogen, furchtbarer Vertonung und Jahrmarkts-Atmosphäre. Finger weg von diesen Möchtegern-Freibeutern!
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