Fussball Manager 1228.10.2011, Mathias Oertel
Fussball Manager 12

Im Test:

Im Herbst geht die Bundesliga in eine entscheidende Phase: Tendenzen zeichnen sich ab, die ersten Trainer müssen ihren Hut nehmen, Bayern-Verfolger werden benannt. Und mit schöner Regelmäßigkeit kommt aus dem Kölner Bright Future Studio ein neues Manager-Spiel, das sich aufmacht, das der hierzulande offiziell nicht veröffentlichten britischen Konkurrenz von Sports Interactive Paroli bieten will. Kann EA die Nummer 1 schlagen?

Ich kann's besser

Das 3D-Match bietet nicht nur eine neue Logik und Dynamik, sondern vereinfachte Möglichkeiten, die Mannschaft zu lenken.
Das 3D-Match bietet nicht nur eine neue Logik und Dynamik, sondern vereinfachte Möglichkeiten, die Mannschaft zu lenken.
Als Fan des HSV hat man es in dieser Saison nicht leicht. Ein Umbruch sollte stattfinden. Ein neuer Sportchef wurde eingesetzt, in der Hoffnung, mit seiner Philosophie endlich Kontinuität in den Verein zu bringen. Dennoch musste Trainer Michael Oenning gehen. Mittlerweile ist mit Torsten Fink ein Nachfolger gefunden, der die Euphorie an der Elbe neu entfacht hat.

Dabei habe ich in EAs Fussball Manager 12 (ab 88,95€ bei kaufen) (FM12) an Stelle von Herrn Oenning von Anfang an gezeigt, wie es gehen kann: In der ersten Saison hat meine Mannschaft trotz anfänglicher Schwierigkeiten einen gehobenen Mittelfeldplatz ergattert, in der nächsten Spielzeit konnte ich mich mit meinen Jungs dank einiger kluger Verstärkungen auf dem Transfermarkt sogar bis in den europäischen Wettbewerb kämpfen und derzeit sieht es danach aus, als ob ich es sogar kontinuierlich in die Champions League schaffen könnte.

Aber ich habe auch schon andere Zeiten kennen gelernt: Es gab auch Saisons, in der sowohl Präsidium als auch Fans und Presse gar nicht warten konnten, bis ich gefeuert wurde. Das Erschreckende dabei: Steckt man einmal in diesem Strudel aus Niederlagen, Erfolgsdruck und sinkender Moral, scheint (m)eine Entlassung bzw. das Entbinden all meiner Ämter unausweichlich. Oh ja: Der FM schafft es immer wieder, ein angehem authentisches Gefühl hervorzurufen. Natürlich weiß ich, dass die Tabellen, Statistiken und Optionen zur Trainingsgestaltung, durch die ich mich wühle, letztlich wenig Zusammenhang mit dem echten Job eines Trainingsleiters oder Sportchefs haben. Doch die Illusion, die bei mir als Fußballverrückten entsteht, ist sehr motivierend. Aber das war auch in den letzten Jahren schon so.

Bekannte Qualität, neue Inhalte

Überhaupt scheinen sich auf den ersten Blick Unterschiede zur letztjährigen Version in engen Grenzen zu halten. Das Menü wirkt nach wie vor sehr aufgeräumt und gibt einem schnell Zugriff auf alle wesentlichen Informationen und die umfangreichen Statistiken. CPU-gesteuerte Assistenten können einen immer noch von viel Kleinarbeit entlasten, so dass der Tiefgang der Inhalte, die im Gegensatz zur britischen Konkurrenz weit über das Kerngeschäft des Trainers hinausgehen, je nach Wunsch skaliert werden kann. Doch irgendwann stolpert man in der zweiten oder dritten Navigationsebene über die ersten der über 700 kleinen und größeren Änderungen, die es dieses Jahr gab und von denen viele als Reaktion auf User-Feedback entstanden sind.

Dazu gehören z.B. die Bewerbung als Stadion für europäische Wettbewerbe oder auch ein Laktattest für die Spieler, die jeweils keinen großen Anteil an einer Ver(schlimm)besserung des Spielgefühls haben, sondern einem ohnehin schon komplexen Manager-Allrounder beiläufige Feinheiten hinzufügen, die das Paket noch kompletter machen.

Interessanter ist das neue Probetraining, bei dem man einige Amateur-Spieler einlädt, diese durch verschiedene Aufgaben begleitet, mögliche Nullnummern aussortiert und im Bestfall ein oder zwei Überraschungstalente entdeckt, denen man einen Vertrag anbieten kann.

Neue Stärken entdecken

In zwei anderen Bereichen hat sich ebenfalls viel getan: Vereinsinfrastrukur und Trainingsgestaltung. Ersteres z.B. hat hinsichtlich Ausbau und Auswirkung auf Mannschaft und Verein an Übersichtlichkeit gewonnen. Bei den in den letzten Jahren zeitaufwändigen Aus- bzw. Neubauten hat man sich dieses Jahr für einer Überarbeitung entschieden: Die verkürzten Bauzeiten sind zwar nicht realistisch, verbessern das Spielerlebnis aber, da man die Früchte seiner Planung früher ernten kann.

Den Textticker gibt es natürlich weiterhin - wahlweise sogar in der "klassischen" Variante.
Den Textticker gibt es natürlich weiterhin - wahlweise sogar in der "klassischen" Variante.
Außerdem freue ich mich nicht nur über die weit reichenden Möglichkeiten, Trainingspläne festzulegen, sondern auch über die neue Kaderanalyse. Hier wird mir basierend auf meinen favorisierten Spielsystemen gezeigt, auf welchen Positionen der Kader nachgebessert werden sollte, so dass ich bei Anstrengungen auf dem Transfermarkt nicht im Trüben fischen muss.

Da auch die CPU-kontrollierten Teams basierend auf diesen Kaderanalysen ihr Vorgehen planen, bekommen Transfers im Vergleich zu den Vorjahren eine leicht veränderte Dynamik, die dem Spielgefühl gut tut. Andere Vereine kaufen nicht wie wild den Transfermarkt leer, nur weil sie es können, sondern verstärken sich gezielt.

Das runderneute Finanzsystem arbeitet zwar mit Haupt- und Nebensponsoren in einer Art "Investitionspyramide", beim Verkauf der Bandenwerbung überzeugt es allerdings nicht: Wie kann es sein, dass ich als attraktiver Bundesligaverein Schwierigkeiten habe, meine Banden selbst in der zweiten erfolgreichen Saison an den Mann zu bringen?

Aber im Kern abseits der Finanzen besteht nach wie vor ein bis auf wenige Ausnahmen nachvollziehbarer Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung. Die Illusion, dass die Zeit nicht vergeudet ist, die ich mir mit dem Durchpflügen von Statistiken und Scoutberichten nehme und dementsprechend die Mannschaft auf den Gegner einzustellen versuche, ist eine langjährige Stärke, die der FM auch in der neuesten Ausgabe nicht verliert.

Alte Schwächen ausmerzen

Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass im Gegenzug einige Schwächen verloren gegangen wären. Dazu gehört z.B. die diffuse Reaktion von Spielern auf Gespräche. Ich werde darauf aufmerksam gemacht, dass Heung-Min Son z.B. mit Integrationsproblemen zu kämpfen hat und lade ihn daher zu einem Gespräch. Nach einer freundlichen Gesprächseröffnung ("Wie geht es dir?") gibt es aber keine Möglichkeit, das Problem konkret anzugehen und über den Dialog für Abhilfe zu sorgen. Dieses Manko fällt allerdings nicht nur bei Integrationsschwierigkeiten auf, sondern auch bei vielen anderen Kleinigkeiten, für die das höchst überschaubare "Dialogsystem" keine Lösung parat hat. So braucht man eher Glück als Rhetorik oder Intuition, um bei Gesprächen Auswege aus dem einen oder anderen Dilemma zu finden.

Bauzeiten und Vereinsstrukturen wurden komplett überarbeitet - der spielinternen Dynamik tut dies gut.
Bauzeiten und Vereinsstrukturen wurden komplett überarbeitet - der spielinternen Dynamik tut dies gut.
Dass Spieler bei Dauerbelastung erschöpfen und ggf. eine Pause brauchen, ist logisch, nah an der Realität und nachvollziehbar. Weniger nachvollziehbar ist, dass es Bright Future hinsichtlich der Nationalspieler immer noch nicht geschafft hat, eine überzeugende Kommunikation mit den Landesverbänden bzw. den Nationalcoaches aufzubauen. Denn letztlich leidet meine Mannschaft darunter.

Worum es geht? Nehmen wir das Beispiel Mladen Petric, immerhin einer der zuverlässigsten und damit wichtigsten Stürmer in meiner Mannschaft. Da er mit seinen Einsätzen häufig an der Erschöpfungsgrenze schrammt, entschließe ich mich, ihm in zwei, drei Spielen eine Rotationspause zu gönnen bzw. maximal von der Ersatzbank zu bringen. Jetzt wird er aber für die kroatische Nationalmannschaft nominiert, bestreitet ein paar Spiele für sie, schießt ein paar Tore (was mich freut) und kommt vollkommen platt zurück. Mit dem Ergebnis, dass ich ihn eigentlich nicht mal mehr als Joker auflaufen lassen kann - meine kurzfristige Kaderplanung ist für die Katz. Das muss nicht sein.

Graue Theorie vs. emotionale Praxis

Irgendwann ist es auch gut mit Training, persönlichen Gesprächen, dem Taktieren und dem Auf- und Einstellen der Mannschaft - was zählt, ist auf'm Platz. Und um das Trainerdasein an der Seitenlinie zu genießen, gibt es immer noch die bekannten Anzeigemöglichkeiten von Sofortberechnung bis hin zum Textticker, wobei hier sogar die Möglichkeit besteht, einen klassischen Textticker aus der Zeit vor 2009 zu nutzen.

Doch die für mich einzig wahre Darstellungsform (zumal sich ohnehin alle Berechnungsarten grundsätzlich unterscheiden), ist der 3D-Modus, der dieses Jahr in neuem Licht erstrahlt und mich wieder und wieder in seinen Bann zog. Sicher: Es ist noch nicht alles perfekt, doch in keinem anderen Bereich ist der Fortschritt so stark spürbar wie hier.

Mit einer komplett neuen Matchlogik versehen, kommt es nur noch höchst selten zu dem unansehnlichen Ballgeschiebe im Mittelfeld, das im Vorgänger negativ auffiel. Je nach taktischer Vorgabe wird das Leder schnell und effektiv zwischen den Mannschaftsteilen hin und her gepasst. Die Spieler versuchen, sich anbietende Räume zu nutzen, starten Dribblings, lassen krachende Schüsse vom Stapel und gehen in gefährliche Tacklings.

Angesichts der "alten" Engine (ich mutmaße hier einen modifizierten FIFA 10-Motor im Einsatz) und der gelungenen Ausgabe der Aktivkicker dieses Jahres, bleibt der FM natürlich visuell einiges schuldig. Doch letztlich darf man nicht vergessen, dass es sich hier um einen Manager handelt, der nicht viel mehr als eine animierte interaktive Tabellenkalkulation ist. Und dafür macht es verdammt viel Spaß, dem Kick zuzuschauen, mitzufiebern und im Bestfall den Monitor anzubrüllen, in der Hoffnung, dass die Spieler sich doch mal an die Anweisungen halten...

Neue Möglichkeiten, alte Schwächen

Doch es sind nicht nur die durch den weitgehend gelungenen 3D-Modus angeheizten Emotionen, die diese Darstellungsform (trotz grausiger Bitmap-Zuschauer) für mich zur ersten Wahl machen. Auch die überarbeiteten und selbst im Vergleich zum spannenden Textmodus weitreichenderen Eingriffsmöglichkeiten, bei denen man den Spielern direkt auf dem Platz Anweisungen geben oder sie auswechseln kann, ohne in die Taktik-Übersicht wechseln zu müssen, locken mich auf die Trainerbank ins dreidimensionale Stadion.

Dass es sich dabei letztlich nur um wenig mehr als eine optimierte und mit einigen Feineinstellungen versehene Benutzerführung handelt und keine grundsätzlich neuen Inhalte bietet, ist zwar bedauerlich, verdirbt mir den Spaß aber nicht.

Die Menüs zeigen sich trotz aller dahinter aufgebauten Statistiken übersichtlich.
Die Menüs zeigen sich trotz aller evtl. dahinter aufgebauten Statistiken übersichtlich.
Was ich von einigen technischen Mankos innerhalb dieser Darstellung nur eingeschränkt sagen kann. Allen voran der unsägliche Kommentar: Banale bis unpassende Kommentare und mitunter vollkommen schlichtweg falsche Aussagen wie "Was für ein schöner Tag für den FC Arsenal" bei einem Spiel HSV gegen FC Bayern lassen an der Zurechnungsfähigkeit des virtuellen Reporter-Duos zweifeln.

Genug gesehen?

Doch auch bei der grafischen Darstellung stellt sich irgendwann eine gewisse Ernüchterung ein: Dribbling-Animationen wiederholen sich häufig. Im tiefsten Winter zeigt der Rasen sattes Grün und die Spieler haben keinerlei Problem, bei Minustemperaturen mit kurzärmeligen Trikots herumzulaufen. Freistöße werden grundsätzlich ein paar Meter nach hinten gelegt, anstatt dort (oder davor) ausgeführt zu werden, wo das (ebenfalls nur selten von der Anzeigenorm  abweichende) Foul tatsächlich passierte - was umso ärgerlicher ist, wenn man eigentlich einen Elfmeter bekommen hätte. Und noch ärgerlicher, wenn auf der Gegenseite ein (in der Wiederholung ganz klar am Körper angelegter) angeschossener Arm zu einem Strafstoß führt.

Im Gegensatz zur Konkurrenz, wo Fehler wie gegebene Abseitstore oder aberkannte reguläre Treffer seit Jahren gewollt stattfinden, wirkt dieses Verhalten nicht wie die Interpretation einer Tatsachenentscheidung und damit der üblichen Schiedsrichter-Willkür, sondern wie unsauber umgesetzte Technik. Was übrigens auch für die Schussdarstellung gilt: Es gehen unverhältnismäßig viele Bälle knapp unter der Latte ins Netz, was zusammen mit den für ein 90-Minuten-Spiel unrealistischen Match-Statistiken für einen weiteren bitteren Nachgeschmack sorgt. Unter dem Strich überwiegen aber die positiven Emotionen, die das Betrachten der 3D-Szenen hervorruft – auch wenn sie nur ein erster Schritt in die richtige Richtung sind.

Fazit

Die Formkurve des deutschen Fussball Managers aus den Kölner Bright Future Studios stagniert auf einem hohen Niveau. Viele der Änderungen und Ergänzungen dieses Jahres haben zwar nur unwesentlichen Einfluss auf das Spielgefühl oder greifen erst in tieferen Ebenen. Dennoch hat mich der Ausflug auf die harte Trainerbank dieses Jahr so stark in seinen Bann gezogen wie schon lange nicht mehr. Zwar liegen den unterschiedlichen Darstellungsformen immer noch verschiedene Berechnungen zugrunde, die mitunter zu unrealistischen Statistiken führen. Doch vor allem der neuen Dynamik des 3D-Matches ist es zu verdanken, dass ich mittlerweile viel zu viel Zeit an der virtuellen Seitenlinie verbracht habe. Und das, obwohl auch hier kleine Probleme und der nervtötende Kommentar für Risse im Lack sorgen. Trotzdem liefert der FM 12 aber das bekannte Paket mit haufenweise Optionen, nicht nur die Mannschaft, sondern auch den Verein nach eigenen Wünschen und Möglichkeiten zu formen, wobei Ursache und Wirkung meist plausible Zusammenhänge bieten. Und das Wichtigste: Man kann als Fußballverrückter, der gern die Geschicke in die Hand nimmt, Emotionen erleben, die denen im Stadion sehr nahe kommen. Und dafür nehme ich das eine oder andere Manko gerne in Kauf...

Pro

haufenweise offizielle Lizenzen
dynamischer gut gelungener 3D-Modus...
Statistiken ohne Ende
Ursache und Wirkung bis auf wenige Ausnahmen nachvollziehbar
umfangreiche Trainingsgestaltung
viele Verbesserungen im Finanz- und strukturellem Umfeld
dank guter Assistenten stark skalierbarer Tiefgang
gute Kaderanalyse und passable Transfermarkt-Tätigkeit auch der KI
übersichtliches Hilfesystem
gelungene Fußball-Atmosphäre
zahlreiche Methoden der Matchdarstellung

Kontra

viele der Neuerungen ohne wesentliche Auswirkung auf das Spielgefühl
... der allerdings mit kleinen Macken kämpft
schwache Match-Kommentare (3D-Modus)
unrealistische Gesamtstatistiken (3D-Modus)
unterschiedliche Berechnungen für die einzelnen Darstellungsformen
diffuse Auswirkungen der Spielerspräche & schwaches Dialogsystem
Ergebnisberechnung wirkt mitunter sehr zufällig
sich schnell wiederholende Animationen (3D-Modus)

Wertung

PC

Im Kern bietet der Management-Allrounder ein nur leicht verbessertes Spielgefühl im Vergleich zum Vorjahr, punktet aber mit einer neuen Dynamik und Logik innerhalb der 3D-Matches.

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