Gunpoint20.06.2013, Michael Krosta
Gunpoint

Im Test:

Agenten mit Superanzügen? Lichtschalter, die plötzlich Türen öffnen? Ein Mordfall, bei dem man gegen sich selbst ermittelt? Gunpoint von Entwickler Tom Francis kombiniert gekonnt ein Puzzlespiel mit Hüpf- und Schleichpassagen, wirkt mit der Pixelkunst und sehenswerten Animationen ungemein charmant und erzählt dabei sogar noch einen spannenden interaktiven Krimi...

Ein Hauch James Bond

Richard Conway führt ein spannendes Leben: Als freischaffender Spion kann er sich seine Aufträge nicht nur selbst aussuchen, sondern er hat auch Zugriff auf allerlei technischen Schnickschnack, der selbst die Q-Abteilung beim MI6 neidisch machen würde. Da wäre zum einen der aufrüstbare Superanzug, der nicht nur gigantische Sprünge erlaubt, sondern auch Stürze aus großen Höhen problemlos abfängt, so dass dem Träger nichts passiert. Doch auch ohne technische Hilfen ist Conway ein hervorragender Klettermaxe, der nicht nur komplette Häuserfassaden erklimmen kann, sondern sich auch an der Decke entlang hangelt oder mit Anlauf durch Glasfenster springt. Leider wird kein Rundumschutz geboten, denn Projektile durchbohren nicht nur den schicken Trenchcoat des Spions, sondern auch das Hightech-Gewebe darunter und sind tödlich wie eh und je.

Und was lernen wir daraus? Richtig: Stealth ist die Devise! Also schleicht man sich von hinten an Gegner wie Wachen oder gefährliche Spezialagenten heran und schaltet sie mit einer Sprungattacke aus, um sie anschließend nur für einen kurzen Moment benommen zu machen oder sie mit wildem Klicken auf die Maustaste bewusstlos zu schlagen. Dumm nur, dass man später auch auf schwer gepanzerte Einheiten trifft, bei denen der gewohnte Angriff nicht funktioniert. Hier muss man sich Alternativen überlegen...

Technik-Guru

Und wieder ein Kabel umverteilt...
Und wieder ein paar Kabel neu verlegt...
Die mächtigste Waffe von Conway ist nicht die Pistole, sondern ein cooles Gerät namens Crosslink. Es ermöglicht die visuelle Erfassung und Manipulation sämtlicher elektronischer Geräte sowie Schaltungen innerhalb von Gebäuden in einer separaten Ansicht, die sich einfach über das Mausrad umschalten lässt. Und hier kommt nicht nur der Rätsel- sondern auch der größte Spaßfaktor von Gunpoint ins Spiel: Man knackt z.B. das elektronisch gesicherte Türschloss, indem man einfach die Leitung vom Lichtschalter zum Öfffnungsmechanismus zieht. Auf den ersten Blick ein einfaches Prinzip, das aber zunehmend komplexer wird und zum Nachdenken anregt. Später lassen sich die Kabelwege anderer Farben erst dann manipulieren, wenn man zuvor mit dem Wirejack den entsprechend leuchtenden Knotenpunkt angezapft hat. Und der ist oft gut bewacht oder befindet sich in einem abgeriegelten Raum, den man nicht so leicht erreicht - oder beides. Auch das Anzapfen von Sicherheitskameras und Mikrofonen sowie das Auslösen von Falltüren ist zusammen mit dem richtigen Timing erforderlich, um spätere Missionen erfolgreich abzuschließen.

Später erstrecken sich die Level auch über mehrere Gebäude.
Später erstrecken sich die Level auch über mehrere Gebäude.
Selbst die Schusswaffen der Gegner lassen sich irgendwann manipulieren, so dass sie sich gegenseitig über den Haufen ballern oder beim Betätigen des Abzugs das Licht einschalten anstatt zu feuern. Das Herumexperimentieren mit den verschiedenen Möglichkeiten macht irre viel Spaß. Allerdings lassen sich die Rätsel recht leicht durchschauen – Knobelfreunde werden leider unterfordert. Das Hacken von Computern, das neben der Besorgung von Gegenständen meist das Hauptziel innerhalb der Missionen darstellt, kommt spielerisch leider zu kurz, denn es reicht ein einfacher Tastedruck, um sich den Zugang zum System zu verschaffen. Hier wäre mehr drin gewesen. Zudem greift dem Agenten eine großzügige Autosave-Funktion unter die Arme: Wird man erschossen, hat man die Wahl zwischen drei Optionen, wie weit man die Zeit zurückspulen möchte. Auch lässt sich das Spiel jederzeit manuell speichern und wer trotzdem an einer Mission verzweifelt, darf insgesamt zwei Mal von der Möglichkeit Gebrauch machen, sie einfach zu überspringen. Wer eine größere Herausforderung sucht, kann alternativ versuchen, möglichst ohne tödliche Gewalt vorzugehen, die Mission so schnell wie möglich abzuschließen oder bastelt sich im integrierten sowie leicht zu bedienenden Level-Editor einfach eigene Einsätze.

Qual der Wahl

Die Dialoge zwischen XXXX und seinen Auftraggebern sind meist herrlich amüsant.
Die Dialoge zwischen Conway und seinen Auftraggebern sind meist herrlich amüsant.
Oft hat man nicht nur die Wahl zwischen zwei Missionen, sondern quatscht auch mit seinen Auftraggebern im Multiple-Choice-Verfahren. Die Dialoge sind unterhaltsam geschrieben und oft herrlich witzig, wenn Conway z.B. sarkastische Anspielungen macht, die sich auf Story oder Charaktere beziehen. Die Gespräche sind aber nicht nur Beiwerk, sondern manchmal hat die Auswahl der Antworten sogar Einfluss auf den Fortgang der Story oder führt zu schwierigen Gewissensentscheidungen. Soll ich meinen aktuellen Auftraggeber anlügen, um einen anderen zu schützen? Auch zweifelt man irgendwann daran, wem man trauen soll bzw. ob die eine oder andere Partei mich nicht dazu ausnutzt, um ihre schmutzige Wäsche zu waschen. Die Story dieses interaktiven Krimis ist interessant gestrickt und führt sogar so weit, dass man irgendwann gegen sich selbst ermittelt. Gerade hier wird es in den Gesprächen spannend, ob man bei der Wahrheit bleibt oder lieber Details vertuscht.

Einkaufstour

Jetzt wünscht sich die stürzende Wache wohl auch einen Superanzug.
Jetzt wünscht sich die stürzende Wache wohl auch einen Superanzug.
Das verdiente Honorar wird im Shop in zusätzliche Fähigkeiten wie leise Landungen, stilles Durchbrechen von Glas oder das Elektrisieren von Schaltern investiert. Netterweise darf man jede von ihnen in einer separaten Tutorial-Mission ausprobieren. Wer knapp an Kohle ist, darf die Fähigkeiten später sogar wieder zurückgeben und das Geld in neue investieren. Man ist also auch hier mehr als fair. Zusätzlich wird man nach jeder erfolgreichen Mission mit Upgradepunkten belohnt, mit denen man seinen „Jump-Anzug“ sowie die Energieversorgung für manche Gadgets verbessern kann.

Technisch versprüht der Titel mit seiner gewollt pixeligen 2D-Darstellung (inkl. Parallax-Ebenen) einen herrlichen Retro-Charme, wobei vor allem die Animationen des Protagonisten mit seinem Trench-Coat gerade bei Sprüngen absolut sehenswert sind. Die an Gangsterfilme angelehnten Jazz-Arragements im Stil von Ocean's Eleven & Co untermalen das Geschehen passend und sorgen zusätzlich für gelungenes Krimi-Flair.

Fazit

Ich hatte viel Spaß, mich in Gunpoint als Ausnahme-Spion zu versuchen und den  interessanten Fall in charmanter Retro-Kulisse mit allerlei Technikkram sowie Akrobatik zu lösen. Die Rätsel, die sich überwiegend um das richtige Verdrahten von Objekten oder das Erreichen und Knacken von Knotenpunkten drehen, lassen sich allerdings relativ schnell durchschauen. Trotzdem ist es unheimlich motivierend, mit den verschiedenen Möglichkeiten zu experimentieren und den idealen bzw. schnellsten Lösungsweg auszutüfteln. Schade, dass Entwickler Tom Francis nicht auch das Hacken der Computer anspruchsvoller gestaltet hat. Zwischen den Missionen sorgen die Dialoge für einige Lacher, wobei die gewählten Antworten sogar den Fortgang der Geschichte beeinflussen können. Leider kommt das Ende schneller als gedacht: Schon nach ca. drei bis vier Stunden ist die Suche nach den Schuldigen vorbei und man darf zum krönenden Abschluss noch einen genialen Blog-Eintrag verfassen, der zusammen mit Statistiken anonym auf der offiziellen Webseite veröffentlicht wird. Wer Nachschub will, bastelt sich einfach weitere Herausforderungen im Level-Editor. Kurzum: Gunpoint ist ein charmenter Rätsel-Plattformer, den man sich trotz des geringen Knobelfaktors nicht entgehen lassen sollte.

Pro

unterhaltsame & witzige Dialoge
Entscheidungsmöglichkeiten
cooles Spielkonzept / Leveldesign
ansprechende Präsentation
sehr großzügige Autosave-Funktion
Tutorial-Missionen für Gadgets
Level-Editor enthalten

Kontra

kurze Spielzeit
Rätsel meist leicht zu durchschauen
Hacken von Computern spielerisch anspruchslos

Wertung

PC

Schleichen, Hacken, Rätseln: Gunpoint ist ein unterhaltsames aber kurzes Puzzlespiel mit witzigen Dialogen, spaßigen Sprung-Passagen und Stealth-Elementen.

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