Ring 211.11.2002, Bodo Naser
Ring 2

Im Test:

Früher, als es noch keine Fernseher gab, wusste jedes Kind etwas mit der Nibelungen-Sage anzufangen, deren mittelalterliche Helden die Fantasie beflügelten. In Zeiten der Pisa-Studie muss man sich da schon etwas mehr Sorgen machen um den Bildungshunger der Leute. Vielleicht kann hier das epische Adventure Ring 2 (ab 3,80€ bei kaufen) von Arxel Tribe Abhilfe schaffen, das sich grob an Wagners Ring des Nibelungen orientiert. Ob Interessierte aller Altersstufen darin erfahren, was es mit Siegfried & Co auf sich hat, erfahrt Ihr aus unserem Test.

Der Ring des Nibelungen

Der Vorgänger aus dem Jahre 1998 war ein Grafik-Adventure nach Motiven aus Richard Wagners Oper, das vor allem aufgrund der außergewöhnlichen Darstellung der Sagen-Welt und ihrer Bewohner von sich Reden machte. Da gab es Science-Fiction-Elemente wie Raumschiffe, Hochtechnologie wurde mit einer mythischen Vorzeit vermischt und die Zwerge kamen wenig standesgemäß auf Motorrädern daher.

Jetzt erscheint Ring 2 und es umfasst ein fast ebenso abgefahrenes Szenario wie der Vorgänger. Dieses Mal geht es um Siegfried, den Drachentöter aus dem Nibelungen-Lied. Sein unaufhaltsamer Aufstieg vom Sohn von Siegmund und Sieglinde zum germanischen Super-Helden bildet den gewichtigen Hintergrund, bei dem sich die Entwickler ausdrücklich jede Deutschtümelei verbitten.

Szenen einer Heldenfahrt

Eines gleich vorweg: Wer nicht einmal mehr ein vages Bild von der Siegfried-Sage vor dem geistigen Auge hat, wird die Story von Ring 2 nur schwer verstehen, in der es grob gesagt um Heldentum, die Zwerge, das Schwert Nothung, den Drachen Fafner, der den Ring bewacht, und die holden Walküren geht. Die dürftigen In-Game-Erläuterung reichen dafür jedenfalls nicht aus.

__NEWCOL__Das alles hat freilich wenig zu tun mit Tolkiens Ring, weil vor allem nicht ein bescheidener Hobbit, sondern der aufbrausende Siegfried die entscheidende Rolle spielt. Zu Beginn schuftet der noch für Schmied Mime, den missgestalteten Zwerg, der den Waisen gefunden hat. Nach einem Brand in der Schmiede wird er von Wotans Raben verschleppt und findet sich auf einer Lichtung wieder, wo ein viel zu zahmer Auerochse sein Unwesen treibt...

Point & Click-Light

Obwohl es in Ring 2 gelegentlich auch Action-Einlagen gibt, geht es weniger darum, die Gegner mit Nothung in Stücke zu hauen, als um das Knacken von lieblos gestalteten Rätseleien, die alle in etwa so ablaufen: Probiert einfach alle vorhandenen Gegenstände an den markierten Stellen aus, irgendwann wird`s schon funktionieren!

Dabei dürft Ihr allerdings immer nur einen Gegenstand mitnehmen, was nicht gerade sonderlich interaktiv ist und eigentlich nur die Schwierigkeit der Rätsel begrenzt - außerdem bedeutet das viel Rennerei. Die Sequenzen, in denen schnelles Handeln gefragt ist, sind nicht viel besser. Hier geht es beispielsweise darum, ohne Einsatz der Maus ein Feuer zu löschen, bevor alles in die Luft fliegt. Darüber hinaus ist das Adventure ziemlich linear gehalten - so kommen nur Konformisten nach Walhalla.

Ungewöhnliches Ambiente

Die mythische Welt, in der Ring 2 angesiedelt ist, kann nur als höchst ungewöhnlicher Mix bezeichnet werden. Zu Beginn etwa erinnert uns der kindliche Siegfried mit seiner Steckdosen-Frisur glatt an Yahoo Serious aus Einstein Junior. Damit der Junge die schwere Arbeit beim bösen Zwerg Mime schafft, ist er in eine roboterähnliche Maschine eingesperrt.

Statt auf den Amboss zu dreschen, verfügt der Kollege Gimlis über ein mechanisches Hammerwerk. Der erwachsene Siegfried wirkt eher wie ein tätowierter Eingeborener, denn wie der wasserstoffblonde Hüne, den Ihr vielleicht erwartet habt. Und der Drache sieht eher wie die blecherne Ausgabe des Monsters aus Aliens 25 aus. Auch die ollen Nibelungen müssen eben mit der Zeit gehen!

Wuchtige Hintergründe

Eines ist, wie in fast jedem Point & Click-Adventure made in France, wieder perfekt: die gerenderten Kulissen. Schön düster und wuchtig würden sie auch glatt als Bühnenbild bei Wagners schwermütige Oper durchgehen. Insgesamt kommt das Spiel mit Kinoatmosphäre daher, da es die wichtigen Cinemascope-Streifen oben und unten aufweist.

__NEWCOL__Auch die zahlreichen Videos, welche die recht langweiligen Rätsel unterbrechen, sind gut gelungen. Weniger gekonnt wirken die in Echtzeit berechneten, dreidimensionalen Figuren: Zwar wurden sie in Form und Design ungewöhnlich umgesetzt, sie fügen sich aber nicht immer gut in die Umgebung ein, so dass es manchmal so aussieht, als ob die Akteure etwas neben ihrer Bahn laufen würden. Außerdem gibt es Clipping-Fehler.

Wagner satt aus Wien

Natürlich lässt Schöpfer und Wagner-Fan Philippe Druillet in einem derartigen Spiel permanent die Musik seines Idols aus dem Ring des Nibelungen erklingen. Meisterhaft umgesetzt von den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Sir Georg Solti. Hier ertönen all die bekannten, klassischen Motive aus Wagners Ring, die freilich nicht leicht verdaulich sind, was die Musik für moderne Gemüter zur reinen Geschmackssache macht!

Darüber hinaus muss aber die nicht immer glückliche Auswahl der deutschen Sprecher kritisiert werden: Mime klingt z.B. wie eine schlechte Persiflage auf Kritiker-Papst Marcel Reich Ranicki (!) und der Erzähler ist schlicht zum Einschlafen. Davon abgesehen ist die Lokalisierung jedoch weitgehend gelungen.

Fazit


Grundsätzlich ist die Idee ja zu begrüßen, mit Richard Wagners Ring des Nibelungen modern umgesetzt diejenigen zu erreichen, die vielleicht noch nie etwas vom germanischen Helden Siegfried gehört haben. Vom düsteren Design und der tollen Musik her betrachtet, ist das Vorhaben Druillets auch ziemlich gelungen - aber spielerisch betrachtet ist Ring 2 ein Totalausfall! Weder die viel zu simplen Rätsel noch die wenig spannenden Actioneinlagen vermögen einen lange bei der Stange zu halten. Darüber hinaus wird jemand, der die Nibelungen-Sage überhaupt nicht kennt, mit dem Treiben in Ring 2 schlicht nichts anfangen können. Ganz einfach deshalb, weil das Geschehen nur unzureichend erklärt wird: Es gibt weder eine Einführung, noch wird mitgeteilt, was im ersten Teil geschah. Daher ist das Grafik-Adventure eigentlich nur was für diejenigen, die Wagners Ring und die Siegfried-Sage ohnehin schon kennen und auf eine moderne, außergewöhnliche Fassung gespannt sind.

Pro

<li>Siegfried-Adventure</li><li>von Wagners Ring beeinflusst</li><li>ungewöhnliches Design</li><li>wunderschöne Hintergründe</li><li>spannende Render-Videos</li><li>tolle Wagner-Musik</li><li>gelungene Lokalisation</li>

Kontra

<li>Rätsel, die den Namen nicht verdienen</li><li>wenig Interaktion</li><li>sehr linearer Handlungsstrang</li><li>Geschichte wird nicht richtig erklärt</li><li>nur Tastatur-Steuerung</li><li>schlecht animierte 3D-Figuren</li><li>unpassende Sprachausgabe</li><li>Spielabstürze</li>

Wertung

PC

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