ANNO 150331.10.2002, Marcel Kleffmann
ANNO 1503

Im Test:

Der größte Erfolg, den je eine deutsche Software-Schmiede verzeichnen konnte, gelang Max Design und Sunflowers vor einigen Jahren mit ANNO 1602. Die Genre-Mischung aus knallharter Wirtschaft und wuseliger Aufbaustrategie baute innerhalb kürzester Zeit eine riesige Fangemeinde auf. Nach zahlreichen Verschiebungen steht mit ANNO 1503 (ab 2,29€ bei kaufen) endlich der zweite Teil in den Läden. Ob sich die Wartezeit gelohnt hat, sagt Euch unser Test!

Segen oder Fluch?

ANNO 1503 beeindruckt nicht nur wegen des überaus erfolgreichen Vorgängers und der Tatsache, dass schon vor dem Release allein 450.000 Exemplare vorbestellt wurden, sondern auch mit der astronomischen Anzahl an Verschiebungen, die sogar den Verzögerungs-Overkill von Black & White locker in den Schatten stellen. Merkwürdig ist allerdings, dass Sunflowers es trotz dieser weit über vier Jahre andauernden Entwicklungszeit nicht geschafft hat, den Mehrspieler-Modus pünktlich fertig zu stellen - doch dazu später mehr.

Unverwüstliches Spielprinzip

Genau wie beim Vorgänger, dreht sich auch bei ANNO 1503 alles um die Erforschung und Eroberung einer "Neuen Welt". Zu Beginn startet Ihr mit nur einem Schiff und müsst Euch eine Insel suchen, auf der die erste Stadt gegründet wird. Zuvor solltet Ihr allerdings die Insel von einem Scout nach Bodeschätzen absuchen lassen, denn diese Ressourcen sind im späteren Spielverlauf von entscheidender Bedeutung.

Habt Ihr die Insel in Besitz genommen, solltet Ihr versuchen, die eigenständige Rohstoffversorgung in Gang zu bringen und Euer Dorf mit Holz und Nahrung zu versorgen. In der Regel seid Ihr bei der Besiedlung jedoch nicht alleine, sondern müsst Euch die neue Welt mit Konkurrenten teilen. Daher ist es nur logisch, dass es früher oder später zu militärischen Auseinandersetzungen kommt. Dieses Spielprinzip findet Ihr sowohl in der Kampagne als auch im Endlosspiel.

Versorgung

Habt Ihr die Besiedlung begonnen und neben dem Kontor noch einige weitere grundlegende Gebäude errichtet,

geht es an die Vergrößerung der Siedlung mit Wohnhäusern. Die Bewohner haben allerdings bestimmte Ansprüche: So wollen die Einwohner zu Beginn mit reichlich Nahrung und Stoffen versorgt werden und auch der religiöse Glaube muss befriedigt werden. Demnach müsst Ihr zunächst eine Kirche in der Gegend errichten und die Leute mit Nahrung und Stoffen zu versorgen ist fast ebenso einfach. Ein Fischer, Bauer oder Jäger sorgt für die entsprechende Produktion von Nahrungsmitteln und diese werden dann von einem Lastkarren vom Produktionsort abgeholt und zur Verteilungsstätte gebracht.

Für Stoffe braucht Ihr eine gut laufende Schaffarm, die regelmäßig Wolle abwirft. Aus der gewonnenen Wolle werden dann in der Webstube die begehrten Stoffe gemacht. Jetzt müssen diese beiden frisch produzierten Waren unters Volk gebracht werden. Dazu dienen die Verkaufsstände. Die Einwohner versorgen sich dann selbst bei Nahrungs- und Stoffbuden.

Sind die Bedürfnisse der Siedler befriedigt, werden die Bewohner Ihr eigenes Domizil früher oder später aufwerten und danach weitere, neue Aufgaben an Euch stellen. Um diese zu stillen müsst Ihr Schulen, Kneipen, Universitäten, Feuerwachen oder Bibliotheken aus dem Boden stampfen. 

Steuer- und Finanzproblematik

Im Gegensatz zum Vorgänger zahlen die Einwohner keine Steuern mehr, sondern kaufen sich die benötigten Produkte an den Ständen. Durch den Verkauf bekommt Ihr wieder Geld in die Kassen. Dieses System klingt zwar vielversprechend, dennoch ist der Frustfaktor sehr hoch, da vor allem Einsteiger sowie

alte Anno-Veteranen sich an dieses neue System gewöhnen müssen. Seid Ihr mal in einem Finanzloch, besteht nicht mehr die Möglichkeit, die Steuern zu erhöhen.

Und wenn Ihr die Produktion drosselt, dann stehen nicht mehr genügend Güter zur Verfügung, die Ihr Euren Untertanen verkaufen könnt; Kredite gibt es übrigens nicht. Richtig konfus wird es erst dann, wenn Ihr neue Gebäude errichtet, um mehr Käufer zu haben, denn diese Leute haben ja logischerweise auch Bedürfnisse, die gestillt werden müssen - Willkommen im Teufelskreis. Also bleibt nur die Möglichkeit, von Anfang an gleich weit über fünfzehn Wohnhäuser zu errichten, um die Käuferschar von Beginn an hoch zu halten.

Aufwerten

Je mehr Bewohner die nächste Stufe erlangt haben, desto mehr Gebäude und Einrichtungen stehen Euch zur Verfügung. Aber diese aufgewerteten Bürger haben immer mehr und neue Wünsche. Der gierige Mob ist nicht so schnell satt zu bekommen, denn nach kurzer Zeit werden schon Luxuswaren verlangt. So müsst Ihr beispielsweise einen Lampenöl- und Weinverteilstand errichten, um die geforderten Waren unters Volk zu bringen; selbst wenn die Produktion dieser Güter deutlich umfangreicher ist, als die der vorherigen Stoffe.

So benötigt alleine der Walfänger Holz und Seile, denn er fährt mit einem Schiff aufs Meer und fängt die Meeresriesen. Der gewonnene Speck kommt in die Transiederei und wird zu Lampenöl verarbeitet. Das gewonnene Zeug wird dann im entsprechenden Verkaufsstand an die gierigen Bewohner verkauft. Im Spiel gibt es unzählige dieser Produktionsketten, die zu wichtigen Produkten wie Eisen, Alkohol oder Tabak führen.

Tabak im Schnee?

Einfluss auf den Ertrag der Ernte haben bei ANNO 1503 auch die Klimazonen: Pflanzt Ihr Tabak bei arktischen Temperaturen an, so müsst Ihr Euch nicht wundern, wenn die Ernte eher spärlich ausfällt. Ähnliches gilt für Getreide oder Hopfen in der Wüste. Da also einige der Ressourcen bestimmte Voraussetzungen brauchen, müsst Ihr früher oder später eine weitere Insel in Besitz nehmen und dort andere Stoffe produzieren.

Handel und Pseudo-Diplomatie

Fehlt es im Lager an einem Produkt wie z.B. Werkzeug, könnt Ihr im Kontor bestimmen, dass ankommende Schiffe, sofern diese Werkzeuge dabei haben, Euch einige verkaufen. Gleichzeitig könnt Ihr Waren festlegen, die automatisch verkauft werden, so lange Ihr genügend davon auf Lager habt. Sollte ein potentieller Handelspartner ausgemacht worden sein, kann sogar ein wenig Diplomatie betrieben werden. Jedoch gestaltet sich dieses ziemlich merkwürdig, da die eigenen Schiffe trotz eines laufenden Handelsvertrages öfter mal vom Gegner unter Beschuss genommen werden. Dann hilft nur eine kleine Geldspende an den Gegner oder eine saftige Kriegserklärung. 

Wir haben Krieg

Aufbau und Krieg sind oft schwer voneinander zu trennen und wenn Ihr Euch ein Opfer ausgesucht habt, heißt es erstmal die nötigen Produktionsketten für das Militär aus dem Boden zu stampfen. Ganz zu schweigen von einer Burg, in der die Einheiten rekrutiert werden. Jedoch solltet Ihr noch mit der Kriegserklärung warten, bis die Produktionsmaschinerie angeworfen ist und Kriegsschiffe die Handelsflotte verstärken.

Als Land-Einheiten könnt Ihr zu Beginn Pikeniere, Bogen- und Armbrustschützen und später auch Musketiere und Kanoniere ausheben. Diese Truppen werden anschließend auf ein Schiff verladen und dann geht es in Richtung Feind. Geschützt von einigen Kriegsschiffen gehen Eure Truppen an Land und nehmen den Kampf auf. Gerade hier macht sich die unpräzise Steuerung bemerkbar, da die Einheiten oftmals nicht das machen, was Ihr gerade wollt. Hinzu kommen logische Fehlern im Kampf, denn irgendwie sind die Reiter stärker als die Pikeniere, die mit Ihren langen Piken theoretisch die Reiter besiegen sollten. Des Weiteren ist zu bemängeln, dass der Gegner viel zu schnell in der Lage ist, beschädigte Verteidigungstürme wieder aufzubauen.

Lahme Kampagne

Nach diesem umfangreichen Spielprinzip hat der Entwickler einige Missionen gestrickt und diese in eine Kampagne gepackt. Sogar eine kleine Story bekommt Ihr präsentiert, die jedoch mit schnöden statischen Bildern, aber dafür schöner Sprachausgabe fortlaufend erzählt wird. Die kommenden Aufträge sind eher altbacken und wenig spannend. Manchmal reicht es einfach aus, wenn Ihr eine bestimmte Anzahl an Waren produziert, eine Person findet, eine Insel erobert oder einen der Feinde eliminiert. Aber es gibt ja glücklicherweise den Endlosmodus, bei dem Ihr ohne Ziel einfach bauen könnt.

Grafik & Sound

Auch grafisch kann ANNO 1503 nicht richtig überzeugen:

Die Gebäude und Menschen sehen richtig gut aus, auch die Landschaft macht einen netten Eindruck. Auf der Schattenseite sind vor allem die lächerlich wirkenden Wellen der Schiffe zu nennen. Das Gleiche gilt für die Animationen, die sehr ansehnlich sind. Aber dennoch hat es der Entwickler versäumt, 360°-Bewegungen einzubauen. Die Figuren drehen sich immer abgehackt in neun verschiedene Richtungen. Sogar Total Annihilation von 1998 hatte schon stufenlos drehbare Einheiten. Trotz dieser enormen Schwäche sorgt der nette Wuselfaktor für ein schönes Siedel-Ambiente. Aller erste Sahne sind zudem die Videosequenzen.

Beim Sound kann ANNO 1503 ordentlich auftrumpfen: Sämtliche Effekte klingen realistisch und passen prima ins Szenario. Ebenso toll ist der orchestrale Soundtrack, der sich dynamisch den Kulturen anpasst. Abschließend wäre noch die Sprachausgabe zu erwähnen, die von den professionellen Synchronsprechern gekonnt umgesetzt wurde und klasse klingt. Obwohl genau diese Untermalung mal wieder in dem Tutorial vollkommen fehlt.

Mehrspieler

Trotz der langen Entwicklungsphase hat Sunflowers den Mehrspieler-Modus nicht mehr rechtzeitig fertig bekommen. Mit Hilfe eines Tools auf der CD kann der Modus zwar freigeschaltet werden. Da aber grundlegende Features und der Support fehlen, testen wir den Mehrspieler-Modus nicht. Ein Patch im November soll den Multiplayer-Modus freischalten. 

Nachtest: Patch 1.2

Das Entwickler-Team Max Design hat auf die Wünsche und Anregungen der Fans sowie auf die Kritik unsererseits reagiert und mit dem Patch auf die Version 1.02 einige Bugs beseitigt, das Gameplay überarbeitet und den Schwierigkeitsgrad des Aufbauspiels entschärft.

Sämtliche Bugs, die das Spiel nach einiger Spielzeit oder beim Laden/Speichern abstürzen ließen, sind nun aus der Welt geschafft. Selbst die fehlerhafte Darstellung der Übersichtskarte (weißer Hintergrund) sowie das Flackern im Spiel bei Multitasking-Betrieb treten nicht mehr auf.

Gameplay-Verbesserungen

Die wichtigste Verbesserung des Patches ist allerdings die Verringerung des teilweise enormen Schwierigkeitsgrades. Besonders die beiden leichten Endlosspiele "Baron" und "Herzog" wurden vereinfacht, da der Spieler in diesen beiden Missionen nun mehr Startkapital und Güter an Bord zur Verfügung hat. Alle Waffenproduktionen wurden im Preis, Betriebskosten, Stilllegungskosten und Warenproduktionswerten geprüft und justiert. Des Weiteren wurden mehr Baupositionen für Bergwerke und Steinbrüche integriert. Die Kathedrale verrichtet endlich ihren Dienst und der freie Händler kauft dem Spieler mehr Waren ab. Zwar weist das Wirtschaftssystem noch immer einige Schwachstellen auf, dennoch reichen diese Verbesserungen aus, die Motivation zu steigern und den Frust-Faktor abzubauen. 

Fazit


ANNO 1503 gehört sicherlich zu sehnlichst erwarteten Spieler aller Zeiten in Deutschland. Der Hype um das Spiel formierte sich über Jahre hinweg und die zahllosen Verzögerungen machten die Fans noch neugieriger. Jetzt steht das Spiel endlich in den Läden, doch zahlreiche Fehler und Unstimmigkeiten reißen den Spielspaß in den Keller. Vor allem der immense Schwierigkeitsgrad sorgt besonders bei neuen Spielern für einen hohen Frustfaktor. Aber auch zahlreiche Bugs, die das Spiel trotz der über vierjährigen Entwicklungszeit einfach abstürzen lassen, sowie das Fehlen von gescheiten Statistiken nagen an der Wertung. Die Krönung ist natürlich der Mehrspieler-Modus, der nicht enthalten ist. Dieser wird zwar nachgeliefert, allerdings fragt man sich, was die Entwickler in den Jahren alles gemacht haben. Von der technischen Seite her glänzt vor allem die Musik, während die Grafik eher gemischte Gefühle hinterlässt. Zwar sehen die Gebäude und Figuren klasse aus, aber das Neun-Stufen-Drehsystem ist einfach antiquiert. Aufbaufans, die trotz dieser teils gravierenden Fehler neues Futter brauchen, werden von ANNO 1503 sicher nicht enttäuscht werden. Allerdings müssen die Spieler ein wirklich dickes Fell besitzen, um den Schwierigkeitsgrad ertragen zu können. Ungeachtet aller Schwächen macht Anno zwar richtig Spaß, ist aber weit entfernt von dem erwarteten Top-Game.

Nachtest (Patch 1.2):

Die Features des Patches verbessern ANNO 1503 und nehmen dem Spiel einen Teil des Frust-Faktors durch den zu hohen Schwierigkeitsgrad. Zusätzlich erfreuen die entfernten Absturzursachen. Der richtige Mehrspieler-Modus lässt zwar noch auf sich Warten, dennoch reicht der Patch aus, die Einzelspieler-Wertung um 3% (auf 81%) anzuheben. Außerdem konnten wir einige Kontrapunkte streichen.

Pro

<LI>macht trotz vieler Bugs Spaß <LI>Häuser und Bewohner sehr detailliert<LI>komplexes Wirtschaftssystem<LI>realistisches Szenario<LI>zahllose Produktionsketten<LI>netter Wuselfaktor<LI>schöne Animationen<LI>sehr gutes Intro<LI>guter Soundtrack</LI>

Kontra

<LI>wird dem Hype nicht gerecht<LI>Gebäude lassen sich nicht ausblenden<LI>keine Sprachausgabe beim Tutorial<LI>unpräzise Steuerung beim Bau <LI>Straße muss richtig an Gebäude gebaut werden, damit die Leute das Haus erreichen<LI>kaum bis kein Feedback der Figuren<LI>magere Statistiken<LI>Grafik nicht mehr up to date<LI>fehlender Multiplayer-Modus<LI>KI-Gegner oft unfair</LI>

Wertung

PC

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