Codename Panzers - Phase One16.06.2004, Jörg Luibl
Codename Panzers - Phase One

Im Test:

Stahlhelm auf? Gewehr am Mann? Dann Marsch, Marsch! Folgt uns durch Kugel- und Granatendonner an die zahlreichen Fronten des Zweiten Weltkriegs, bis sich zwischen Rauch und Feuer die Konturen eines explosiven Echtzeit-Taktikspiels zeigen: Codename Panzers. Kann das Partikelfeuerwerk den Award abschießen?

Schluss mit lustig!

Im Herbst 2001 hat das Team von Stormregion noch auf Humor gesetzt: In S.W.I.N.E. bekämpften sich Hasen und Schweine auf höchst amüsante Weise, kämpferisch lispelnd und grunzend. Aber ab heute ist Schluss mit lustig: Es geht ab in den Zweiten Weltkrieg, und zwar in drei bierernsten Kampagnen auf Seiten der Deutschen, der Russen und der Alliierten. Witzig ist höchstens der Titel mit der exotischen Pluralbildung.

Echtzeit-Schatten, Rauchfontänen, Trümmerteile - optisch ist Panzers über jeden Zweifel erhaben.

Die Kriegsereignisse werden ähnlich wie in Afrika Korps vs. Desert Rats auf drei Ebenen erzählt: Es gibt offizielle Befehle, persönliche Tagebücher und eingestreute Zwischensequenzen. Lobenswert ist, dass man den Helden der jeweiligen Nation durch die aufgezeichneten Erinnerungen und Echtzeit-Dialoge Charakter einhauchen wollte. Das klappt z.B., wenn der propagandistische Ton der Heeresführung auf die Skepsis des Offiziers Hans von Gröbel trifft.

Kein Drama, sondern Action!

Das misslingt jedoch immer dann, wenn zu viele Preußen- und Cowboy-Klischees bemüht werden, oder die Memoiren eines Panzerkommandanten zu offensichtlich auf der Good-guy-Schiene fahren. Auch die fehlende Mimik in den ansonsten gut inszenierten Zwischensequenzen zehrt ein wenig an der letzten Identifikation mit den Hauptdarstellern. Auf Dauer interessieren die Schicksale der führenden Charaktere wie Gröbel, Wilson oder Vladimiriov weit weniger als die Erfahrungspunkte der Panzer, Kanonen und Soldaten.           __NEWCOL__In Sachen Story, Spannungsbogen und Präsentation kann Panzers daher nicht mit dem cineastisch inszenierten Ground Control 2 mithalten. Selbst Afrika Korps vs. Desert Rats entfaltete mit seinem heroisch-amorösen Flair mehr Reize. Aber ein Drama dürften nur die wenigstens von einem Titel erwarten, der mit einem allseits bekannten Szenario wenig Überraschungsjoker ausspielen kann – man weiß, wie der Krieg ausgeht; man kennt die wichtigen Schlachten. Außerdem geht es in Panzers in erster Linie um die actionreiche Inszenierung des Zweiten Weltkriegs – und die ist wirklich klasse.

Kampagnen für alle Fälle

Ihr habt nach einem knackigen Tutorial die Wahl, ob ihr die Kriegsjahre chronologisch korrekt nachspielen wollt und 1939 mit dem Überfall auf Polen startet, oder ob ihr direkt die Führung russischen bzw. alliierten Gegenoffensive übernehmt. Wer sich erst frei austoben will, kann sich auch im Trainingscamp mit den Stärken und Schwächen der Einheiten sowie der Steuerung vertraut machen.

Vorsicht Rauchwolke! Wenn Häuser einstürzen, gibt es einen mächtigen grauen Staubnebel.

Als reines Echtzeit-Taktikspiel konzentriert sich Panzers ähnlich wie Afrika Korps vs. Desert Rats auf Schlachten in kleinen Kampfverbänden - komplett ohne Basisbau oder Rohstoffsuche. Dafür gewinnt ihr für erfolgreiche Einsätze und das Meistern von optionalen sowie versteckten Aufträgen nicht nur Erfahrungspunkte, sondern auch immer mehr Prestigepunkte. Diese könnt ihr wiederum für den Kauf neuer Truppen nutzen. Dadurch steigt sofort die Motivation, den perfekten Feldherren abzugeben.

          

Und gerade die Tatsache, dass man seine Veteranen aus früheren Schlachten mit in die nächste Mission nehmen kann, steigert den spielerischen Ehrgeiz zusätzlich. Obwohl weder die gut präsentierte Story noch die Charaktere begeistern, will man jeden Einsatz unbedingt so gut wie möglich abschließen.

Segen von oben: Die gezielten Attacken der Bomber bringen Entlastung.

Vorbildlich ist auch die Anpassung der drei Schwierigkeitsgrade, denn Einsteiger können auf Wunsch automatisch kampfkräftigere  Veteraneneinheiten bekommen. Sehr ärgerlich ist allerdings, dass man in Duellen gegen die KI keine Schwierigkeit einstellen kann, was angesichts der geballten Angriffskraft vor allem Einsteiger schnell vergraulen wird. – hier bietet Ground Control 2 mit neun KI-Generälen samt diversen Verhaltensmustern weitaus mehr.

Schütze, Panzer & Jeep

Auch wenn sich die drei Kriegsparteien in Sachen Einheiten sehr ähneln, gibt es innerhalb der Truppe jede Menge Abwechslung: Von diversen Infanterietypen über Panzer bis hin zu Transportern, Aufklärern und Artillerie ist alles vorhanden, was das militärische Herz begehrt. Und obwohl manche geographische Fiktionen wie Königsberck das historische Flair stören, hat das Team von Stormregion die Fahrzeugdetails akribisch recherchiert: Oder wusstet ihr, dass ein Panzer 100 Liter Benzin auf 100 km schluckte? Im informativen Handbuch erfahren militärhistorisch Interessierte noch viel mehr über Haubitze, Kübelwagen & Co.  

Besonders die Fußtruppen zeigen wesentlich mehr Variation und taktische Stärke als z.B. in Afrika Korps vs. Desert Rats oder Ground Control 2 :     __NEWCOL__Es gibt Handgranten, Mörser und Flammenwerfer, die feindliche Fahrzeuge so lange aufheizen, bis die Besatzung flieht - ideal für die Übernahme! Sie können nicht nur Häuser besetzen und aus der Deckung heraus schießen, sondern sich auch elegant ducken, langsam kriechen und Schlauchboote nutzen. Hinzu kommt, dass sie eroberte Geschütze besetzen und in effektiver Kombination eingesetzt werden können: Ein heilender Sanitäter in Deckung mit panzerbrechenden MG-Schützen oder Scharfschützen bildet z.B. ein tödliches Team.

Schade ist nur, dass man diese Kombinationen nicht in festen Formationen einsetzen kann, um z.B. den Sani immer automatisch hinter einem Halbkreis aus Soldaten zu positionieren.  Etwas umständlich ist auch, dass man die Fußtruppen nicht per Drag&drop aus Gebäuden herausbringen kann und dass sie nicht immer automatisch die beste Schussrichtung einnehmen. Ground Control 2 war hier komfortabler, denn in Panzers ist oftmals eine erneute Befehlsvergabe notwendig, wenn der Feind in Sicht kommt. Inkonsequent ist beim Häuserkampf zudem, dass die Infanterie nur bestimmte Häuser nutzen kann, aber weder in Ruinen noch hinter Mauerresten Deckung sucht – im Straßenkampf wird Soldiers: Heroes of World War 2 mehr Freiheit bieten.

Stellung halten: Dieses erhöhte Artillerie-Nest dürfte jeden Angreifer aufhalten.

Rauch & Feuer

Egal ob Panzerdonner, Granateneinschlag oder pfeifende Stalinorgel – Panzers katapultiert euch optisch und akustisch auf höchstem Niveau in die Schlacht. Wenn man gerade noch von idyllischem Vogelgezwitscher begleitet das bewegte Gras bestaunt, kann plötzlich die kreischende Hölle losbrechen.        

Abgesehen von den vielen liebevollen Details wie kreisenden Falken, dem eleganten Umschauen der Soldaten oder den zuckenden Rückstößen der Stahlrohre begeistert der Titel vor allem da, wo es kracht: Wenn die Artillerie einschlägt oder Fahrzeuge in die Luft gejagt werden gibt es eine fantastische sternförmige Rauch- und Feuerdetonation, die jedem Partikelfetischisten ein Jauchzen entlockt. Die Grafik bleibt exzellent, allerdings lässt der explosive Wow-Effekt später nach, denn schon die erste Kampagne serviert Explosionspilze im Hunderterpack.

Krawumms zum Hundertsten: Die sternförmigen Rauch- und Feuerdetonationen sehen einfach klasse aus.

Missionen, Nachschub & Bomber

Neben der grandiosen Optik ist das Missionsdesign eines der Highlights: Nicht nur, dass ihr während der drei Kampagnen in ganz Europa unterwegs seid und sowohl in Sachen Gelände als auch Klima Abwechslung garantiert ist. Auch die Einsätze variieren in ihrer Zielsetzung. Mal muss man einen Flugplatz stürmen, eine Stadt erobern, eine Basis sabotieren, Brücken sichern oder feindliche Stellungen ausheben. Oftmals bringen Zwischensequenzen interessante neue Aufgaben oder eine unerwartete Wendung, so dass man flexibel reagieren muss.

Im Gegensatz zu S.W.I.N.E. müsst ihr euch übrigens nicht mehr um den Sprit kümmern. Lediglich Munitions- und Reparaturfahrzeuge sorgen im Hintergrund für eine kampftaugliche Truppe. Das sorgt auch im Nachschubbereich für eine erfrischende taktische Note. Und auch die Luftunterstützung bereichert die Spieltiefe: Wenn es irgendwo brenzlig wird, könnt ihr auf Knopfdruck ein begrenztes Kontingent an Jagdbombern und schwerer Artillerie anfordern; so kann man bequem und gezielt lästige Feindstellungen aushebeln.

Für die nötige Übersicht im Nebel des Krieges sorgen die fliegenden Aufklärer, die auch weit entfernte Ziele sichtbar machen. Ohne diese Vogelperspektive zeigen euch lediglich kleine Icons an, wann sich der Feind in unsichtbare Hörreichweite begibt. Dadurch kann man schon vorher die neue Stoßrichtung planen.       __NEWCOL__Physik & Schaden

Aber auch wenn Panzers mit seinen umgewalzten Bäumen und zerstörbaren Gebäuden physikalisch eine bessere Figur als Ground Control 2 macht, ist es fehlertoleranter und inkonsequenter als das kommende Soldiers: Heroes of World War 2 . Gebäude haben z.B. kein echtes Schadenssystem, sondern eine Hitpointleiste, so dass erst auf deren Nullpunkt alles in einer dicken Rauchwolke vergeht - das sieht trotzdem klasse aus, wird aber ohne bröckelnde Zwischenstufen dargestellt. 

Wenig authentisch  wirkt  zudem die Projektilgeschwindigkeit, denn so manches Artilleriegeschoss droht auf der tödlichen Reise einzuschlafen: Man kann genau sehen, wie eine feindliche Granate das Rohr verlässt und tatsächlich mit seinem Panzer ausweichen (!) – das macht Spaß, ist aber genau so unrealistisch wie die arg kurze Reichweite der Haubitzen.

Trotz der Tatsache, dass alle Fahrzeuge an den Seiten unterschiedlich verwundbar sind, kommt auch hier lediglich ein Hitpointsystem zum Einsatz: es gibt keine panzerbrechenden Geschosse, die z.B. sofort die Manövrier- oder Kampfunfähigkeit bewirken, wie z.B. bei Codemasters kommendem Konkurrenten. Und auch die gezielte Ausschaltung des Fahrwerks oder Geschützturmes, die schon in Afrika Korps vs. Desert Rats  möglich war, sucht man vergeblich.

Fabrik im Sturm: Auch architektonisch überzeugt Panzers auf ganzer Linie.

Ruhe im Sturm

Selbst im wilden Kettengerassel und Partikelfeuerwerk verliert man in Panzers kaum die Übersicht. Das liegt zum einen an der Kamera, die absolut sauber arbeitet und schnell verinnerlicht ist; lediglich ein noch weiteres Herauszoomen vermisst man hier und da, um auch in der Tiefe des Raumes zu planen. Und zum anderen garantiert die komfortable Pause sorgenfreies Planen, denn hier könnt ihr in aller Ruhe neue Befehle und Angriffsziele verteilen. Daher spielt sich das Ganze phasenweise fast rundenbasiert, und damit wesentlich gemütlicher als das rasante Ground Control 2 .       

Hektisch wird es nur, wenn die Wegfindung mal wieder Zicken macht. Gerade auf Karten mit engen Straßen und vielen Kreuzungen rollen die Panzer selten sofort dahin, wo sie hinsollen. Selbst wenn man Wegpunkte einsetzt, kommt es zu nervigen Staus und Sackgassen, so dass man ständig den Babysitter spielen muss. Außerdem vermisst man Formationen, die eine Gruppe sofort klug postieren würden: es gibt weder Linie noch Keil oder Halbkreis. So muss man alles umständlich selbst in Stellung bringen.

Ohne D-Day geht gar nichts: Helm auf, ab ins Wasser und rein ins MG-Feuer!

Mal untätig, mal passiv

Obwohl die KI kleine Lichtblicke wie das schnelle Zurückziehen oder das gezielte Bombardieren des Nachschubs zeigt, enttäuscht sie auch sehr oft mit viel zu passivem Abwarten oder unverständlichen Aussetzern. Da ballert die gegnerische Artillerie z.B. strunzdumm in Wände, anstatt sich schnell neu auszurichten. Da wird ab und zu gar nicht gefeuert oder eine Einheit nach der anderen sinnlos verheizt. Das ist zwar nicht die Regel und wird durch das gelungene Leveldesign wieder wettgemacht, aber dämpft die anfängliche Euphorie.

Man hat bei den Eroberungen einfach das Gefühl, dass es dem gegnerischen Truppenkontingenten an Kommunikation mangelt, denn oftmals

zermürbt man in eiserner Zentimetertaktik eine feindliche Stellung nach der anderen, ohne dass man abseits von gescripteten Zwischenfällen mit klugen Ausfällen rechnen muss.      __NEWCOL__Im Gegensatz zu Ground Control 2 , wo man aufgrund weiter Truppenbewegungen ständig auf der Hut vor Umzingelungen oder hinterhältigen Attacken sein musste, kann man hier relativ sorgenfrei vorgehen.

Multiplayer-Spaß

Ähnlich wie in Ground Control 2 gibt es auch in Panzers einen kooperativen Multiplayermodus. Allerdings wurde das Einheitenmanagement hier zu statisch gelöst: Könnt ihr im SciFi-Abenteuer von Vivendi dynamisch Gruppen bilden und Truppen untereinander tauschen, seid ihr hier streng auf eure Auswahl begrenzt. Wer fast alle seine Einheiten in der Duett-Kampagne verliert, kann also nicht von seinem Kollegen aufgefrischt werden. 

Auch die Pause-Funktion fällt hier weg, so dass der kooperative Feldzug angesichts der hakeligen Wegfindung wesentlich mehr Aufmerksamkeit fordert.

Die Flugunterstützung durch Bomber und Aufklärer sorgt für schnelle Blitzattacken.

Ansonsten warten drei Multiplayermodi auf euch, die ihr im Netzwerk oder über GameSpy gegen bis zu sieben Kontrahenten spielen könnt: Im Team-Deathmatch geht es um den einfachen Kampf; im interessanteren Domination geht es um die Eroberung von Fabriken, die wichtigen Nachschub liefern; im Assault könnt ihr euch entweder als Angreifer oder Verteidiger eines bestimmten Missionsziels beweisen.     

Fazit

Von Sewastopol bis in die Ardennen, von Berlin bis Stalingrad – Codename: Panzers katapultiert euch mit explosiver Durchschlagskraft an alle brenzligen Schauplätze des Zweiten Weltkriegs. Das Team von Stormregion hat ein packendes Echtzeit-Taktikspiel gezaubert, das vor allem mit seiner pompösen Optik, der klasse Akustik und der motivierenden Spieltiefe punktet: Die Kampagnen sind sehr abwechslungsreich und lassen sich sogar kooperativ spielen. Aber für einen Award fehlt es dem militärischen Feuerwerk nicht nur an einer überzeugenderen KI im Einzel- sowie einer variableren KI im Mehrspielermodus, sondern auch an einer besseren Wegfindung. Auch die fehlenden Formationen, die wenig realistische Waffenphysik sowie das halbherzige Schadensmodell der Häuser nagen ein wenig an der Euphorie der ersten Stunden. Auf Dauer kann auch das verbrauchte Szenario trotz netter Zwischensequenzen und lobenswerter Tagebücher nicht die erzählerische Sogwirkung entfalten wie z.B. Ground Control 2. Dafür weckt das motivierende Erfahrungspunktesystem wiederum den militärischen Ehrgeiz, jeden Einsatz möglichst perfekt zu meistern. Und da sich das Ganze noch fast rundenbasiert spielen lässt, dürfen sich auch Einsteiger auf gemütliche Schlachten in famoser Kulisse freuen.

Pro

gute Statistiken
sehr gute Kamera
kooperativ spielbar
jederzeit pausierbar
gute Sprachausgabe
klasse Animationen
sehr gute Spielbalance
vier Multiplayer-Modi
informatives Handbuch
klasse Explosionseffekte
viele Zwischensequenzen
taktisch packende Kämpfe
effektive Luftunterstützung
Truppen gewinnen Erfahrung
gute Sound- und Musikkulisse
Trainingscamp zum Austoben
sehr gute Infanterie-Möglichkeiten

Kontra

einige KI-Macken
keine Formationen
nervige Wegfindung
verbrauchtes Szenario
Häuser ohne Schadensmodell
Story & Helden bleiben blass
Kriegsparteien ähneln sich stark
keine Mimik in Zwischensequenzen
kein Truppentausch im Koop-Modus
unrealistische Geschossgeschwindigkeit & Reichweite

Wertung

PC

Nach S.W.I.N.E. der zweite Taktik-Coup von Stormregion: Panzers lässt den Monitor wackeln!

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