Im Test:
Zu viel Tamtam ums Drumherum?
Wir haben seit Wochen sehr viel Spaß mit FIFA 13. Warum das so ist, klärt dieser vierteilige Vergleich und natürlich dieser Test. Allerdings liegt der Schwerpunkt hier eher auf dem, was nicht so gut funktioniert. Denn auch dieses Jahr wird FIFA kein Platin erobern. Warum nicht? Weil es sich in einigen Bereichen etwas, in anderen nicht weit genug entwickelt hat, weil das Spieldesign also nicht die Fortschritte macht, die es letztes Jahr durch das „Tactical Defending“ gab – da musste man sich richtig umstellen, neue Mechanismen verinnerlichen.
Dieses Jahr fühlt sich der sehr gute, in vielen Bereichen wie etwa physikalische Zweikämpfe deutlich verfeinerte Kick auch sehr vertraut an. Kann es sein, dass das der Fluch des wirtschaftlichen Erfolges ist? Dass mittlerweile zu wenig in das kreative Team um David Rutter, aber zu viel in das Marketing und Drumherum investiert wird? FIFA 12 hat Verkaufsrekorde gebrochen und sich als eine der lukrativsten Marken der Spielebranche etabliert – die Lizenzkosten spielt man mittlerweile in der ersten Woche
wieder ein. Trotzdem ist man inhaltlich nicht in allen Bereichen der Spitzenreiter.
Umsatzrekorde, aber wenig Entwicklung
Natürlich hat Pro Evolution Soccer 2013 auch Probleme. Und es wirkt in vielen Bereichen unrealistisch oder überdreht. Aber nach gefühlten hundert Spielen ist mein größter Kritikpunkt an diesem FIFA 13: Es tut zu wenig für die Offensive! Keine Frage: Auch dieses Jahr gibt es tolle Tore und spannende Strafraumszenen, aber man vermisst mehr Individualität und Möglichkeiten hinsichtlich der Dribblings sowie der antizipierten Ballannahme. Außerdem braucht man für Schüsse, die jetzt lobenswerterweise wuchtiger sind, immer noch zu viel Zeit und Raum – fast alles wird geblockt. Etwas zu oft versackt der Stürmer also mit seinen Finten oder Schussversuchen in der starken Abwehr.
Feine Verbesserungen
Dabei bietet dieses FIFA 13 einige Verbesserungen, die für ein temporeicheres Spiel sorgen können. Zum einen lassen sich flache Pässe druckvoller in die Tiefe spielen, so dass sie für Schnelligkeit sorgen – sehr schön! Aber warum versacken die hohen Zuspiele so oft nach der viel zu trägen Ballannahme? Selbst die direkte Weiterleitung der Pille mit dem Analogstick bringt nicht die gewünschte Explosivität auf den ersten Metern. Und genau das ist ein Schwachpunkt: Die Tempowechsel aus dem Spiel heraus. Obwohl sie möglich sind, kann man sie zu leicht über seine Abwehr ersticken.
Vor allem, wenn gleichstarke Spieler aufeinander treffen, kann dieses FIFA 13 zu einem Festival der Unentschieden mit ein, zwei Torszenen kommen. Das liegt skurriler Weise daran, dass EA eigentlich einen guten Job gemacht hat: Man hat das „Tactical Defending“ des Vorjahres so verbessert, dass man auch über das Abschirmen wesentlich schneller in den Stürmer kommt, dass man also effizienter Druck ausüben und die Pille erobern kann. Wer gegen den Ball arbeiten will, wird seine wahre Freude haben – hier bildet FIFA also modernen Defensivfußball sehr gut ab. Und da gehören auch torlose Unentschieden dazu! Lobenswert ist übrigens auch, dass die Ausdauer spürbar sinkt, wenn man Dauerdoppelpressing zelebriert.
Wo ist „Creative Offensive?“
Nach „Tactical Defending“ aus dem Vorjahr hätte FIFA eine Art „Creative Offensive“ mit frischen Manövern anbieten müssen. Natürlich kann man auch in diesem Spiel die Verteidiger düpieren und fulminant abschließen, es gibt zig bekannte Finten und elegante Körperdrehungen. Und das oben angesprochene präzise Dribbeln hat auch sinnvolle Effekte: Der Ballführende kann das Tempo verlangsamen und mit dem Ball nach hinten oder zur Seite dribbeln, ohne Blickkontakt zu verlieren. Und so verschafft man sich auch mehr Zeit für einen guten Pass, während die anderen Spieler an einem vorbei in die Spitze laufen - das sieht nicht nur sehr elegant aus, sondern sorgt für gefährliche Situationen.
Etwas unberechenbarer Spielaufbau
Schon nach wenigen Matches fallen auch andere Verbesserungen auf, darunter zwei physikalische: Der Ball springt öfter vom Fuß, prallt plötzlich ab oder geht im Zweikampf verloren. Wenn man ihn im Sprint annimmt, kann das bei weniger versierten Technikern sehr unglücklich aussehen - im schlimmsten Fall hebt er hüfthoch ab. Es gibt also etwas mehr Unberechenbarkeit im Spielaufbau, denn wenn ein Verteidiger nicht aufpasst, wird ihm der abspringende Ball stibitzt. Aber nicht zu früh freuen, denn diesmal ist nach dem Verlust auch die Rückeroberung leichter. Und sie wird wesentlich besser inszeniert, denn die Zweikämpfe sehen nicht mehr so brüchig aus, wenn zwei Spieler kollidieren; es gibt weichere Animationen. Hinzu kommt, dass die Ausdauer eine größere Rolle spielt: Manche Spieler sind in der Mitte der zweiten Halbzeit so richtig ausgepowert und man hat kaum noch die Chance, ein Laufduell zu gewinnen.
Lobenswert ist zudem, dass sich die Stürmer markanter freilaufen: Sie gehen weite Wege und winken für den Pass! Allerdings tun sie das nicht clever und schnell genug – kein Vergleich zu PES, wo die Spieler regelrecht ausschwärmen. Außerdem ist der Nachteil daran, dass sie einen wirklich perfekten Ball brauchen, denn selbst wenn man nach einem schlechteren Zuspiel auf diese Stürmer wechselt, die also manuell kontrollieren will, brechen sie den einmal eingeschlagenen Weg nicht schnell genug ab. Das ist also kein großer Kritikpunkt, weil Bälle in den Rücken nunmal schlampig sind. Die Kritik lautet, dass man als Angreifer das Leder nicht besonders effizient mit dem Körper schützen oder auf kreative Art in eine Körpertäuschung umleiten kann, dass es zu wenige intuitive Möglichkeiten gibt, den heran kommenden Ball zu verarbeiten.
Guter Netzcode, zig Spielmodi
Man kann endlich auswählen, ob man offline mit aktualisiertem Form- oder Standard-Kader loslegen will. Außerdem kann man prominente Spiele der Woche im Matchday nachkicken, wo die immer noch durchwachsenen Kommentare von Buschi und Breucki Bezug auf vergangene Serien etc. nehmen – eine tolle Idee! Hinzu kommt ein Erfahrungssystem mit virtueller Währung, mit der man besondere Trikots oder Boosts für die Offline-Karriere freischaltet sowie eine recht gute Kinect-Einbindung, die es offline ermöglicht taktische Anweisungen bis hin zur Auswechslung per Sprache zu steuern. Apropos Taktik: Es gibt 33 Formationen und elf Taktikparameter wie „Passspiel“ oder „Druck“. Außerdem gibt es neue Formationen wie „5-4-1 flach“, „4-2-3-1 breit“ oder „4-3-3 falsche 9“, mit denen es sich tatsächlich etwas anders spielt. Schön: Die Änderungen an den Schiebereglern werden so visualisiert, dass man das taktische Konzept besser versteht.
Die neue deutsche Meisterschaft
FIFA bietet also zig Online- sowie Offline-Spielmodi. Die lobenswerte Quantität ist allerdings nicht immer gleichbedeutend mit Qualität. Man liegt hier Welten vor PES, gar keine Frage, aber auch FIFA 13 übernimmt nahezu alle strukturellen und dramaturgischen Schwächen des Karriere- und Managermodus. Beide werden immer noch nicht lebendig genug inszeniert, man fühlt sich also nicht mittendrin. Dafür tut sich etwas am Rande: Es gibt frische Minispiele für Schüsse, Freistöße & Co, die man auf mehreren Stufen inklusive Highscore meistern kann. Außerdem sorgen Trainer und sich warm machende Spieler an der Außenlinie für etwas mehr Leben in den Stadien. Und ja, es gibt über 500 lizenzierte Vereine, mehr als 15.000 Spieler sind dabei – bis runter zur zweiten Bundesliga inklusive Pauli-Fangesängen und in England sogar noch darunter.
Aber das ist auch kein Komplettpaket: Viele Nationalteams und Stadien fehlen; es gibt lediglich 58 Arenen, darunter nur sechs deutsche. Und hinsichtlich der allgemeinen Präsentation muss FIFA zulegen: Wieso hört man die Trainer nicht mal laut fluchen oder sieht sie wild zum vierten Offiziellen rennen? Warum erkennt man weder Klopp noch Mourinho? Wieso gibt es in den Stadien immer noch keine Einpeitscher, keine Choreografien, kaum Plakate und Blockbildungen, also keine Simulation aktueller Fankultur? Warum muss man auch in diesem Spiel mit Fanpixelbrei in manchen Zeitlupen leben? All das sind offene Baustellen für kommende Versionen eines sehr guten Fußballspiels.
Fazit
Tolle Atmosphäre, feine Animationen, traumhafte Tore - das ist klasse Fußball, gar keine Frage! Hinzu kommt ein Online-Modus, der mit all seinen Möglichkeiten und Modi seinesgleichen sucht sowie eine faszinierende Anbindung an die Bundesliga: Es gibt Kommentare mit aktuellem Bezug sowie reale Matchbedingungen. Es ist gut, dass Electronic Arts weiter Richtung Simulation entwickelt und auch Feinheiten wie das Leben an der Außenlinie verbessert. Aber der inhaltliche Schritt von FIFA 11 zu FIFA 12 war größer, denn das „Tactical Defending“ verlangte eine Umstellung der Spielweise - diesmal hat man sich schnell daran gewöhnt. Der Aufbau ist zwar etwas unberechenbarer und vor allem die Zweikämpfe wirken harmonischer, aber man vermisst als Gegengewicht zur sehr starken Abwehr eine Art „Creative Offensive“, die einem auch vorne mehr individuelle Möglichkeiten bei Dribblings und Ballannahmen beschert. Ich habe im Sturm wesentlich mehr Fortschritte vom Marktführer erwartet, denn Pro Evolution Soccer 2013 ist trotz seiner Überdrehtheit näher dran am modernen Angriffsfußball. Obwohl man Tempowechsel auch in FIFA besser einleiten kann, leidet der Spielaufbau unterm Strich noch an seiner Trägheit. Aber all das ist Kritik auf sehr hohem Niveau, denn unterm Strich bildet FIFA auch dieses Jahr die Faszination Fußball sehr gut ab!
(Die Wertung für die PC-Version liefern wir nach. Anm. d. Red.)
Pro
Kontra
Wertung
360
Tolle Atmosphäre, feine Animationen, traumhafte Tore - das ist klasse Fußball, gar keine Frage!
PlayStation3
Tolle Atmosphäre, feine Animationen, traumhafte Tore - das ist klasse Fußball, gar keine Frage!
PC
Tolle Atmosphäre, feine Animationen, traumhafte Tore - das ist klasse Fußball, gar keine Frage!
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